Ecole Centrale Nantes - Erasmusbericht Stefan Weich

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Erasmusbericht
            Von

       Stefan Weich

Ecole Centrale Nantes

   01.09.2010 – 24.03.2011
1. Vorbereitung/Organisation

Die Entscheidung ins Ausland zu gehen fiel bei mir etwa gegen Ende des Jahres
vor meinem Auslandssemester. Da Frankreich kein sonderlich beliebtes Zielland
ist, war es kein Problem einen Austauschplatz zu bekommen und ich konnte
mir frei eine Hochschule aussuchen. Ich entschied mich für die EC Nantes, da
ich mein Auslandssemester gern am Meer in einer größeren Stadt verbringen
wollte und die Ecoles Centrales mir bereits ein Begriff als angesehene
Ingenieurshochschulen waren.
Zur Bewerbung musste ich lediglich ein paar Formulare ausfüllen und mich um
die     Anrechenbarkeit    meiner     Studienleistungen     kümmern.      Der
Bewerbungsschluss war ugf. im März-April, die Bestätigung, dass ich von der
französischen Hochschule angenommen war, kam Mitte Juni. Danach musste
ich noch eine Kopie meines Ausweises und ein unterschriebenes
„Accomodation Agreement“ nach Frankreich mailen, um ein Zimmer im
Wohnheim reserviert zu bekommen. Ansonsten stellte ich vorab noch meinen
Antrag auf Auslands-BaFöG und besorgte mir zur gesetzlichen noch eine
zusätzliche Auslandskrankenversicherung.

 2. Die Anreise/Ankunft
Ich bin mit dem Auto angereist, was den Vorteil hat, dass man mehr Gepäck
mitnehmen kann und sich weniger vor Ort kaufen muss. Außerdem erwies es
sich praktisch zum Einkaufen und Ausflüge machen. Die Fahrzeit von Stuttgart
aus betrug etwa 10 Stunden, die Mautkosten lagen bei etwa 70€. Auf
französischen Autobahnen gilt ein Tempolimit von 130 km/h, das Fahren ist
dort allerdings viel entspannter, da viel weniger Verkehr als in Deutschland
herrscht. Das Benzin in Frankreich ist im Schnitt ungefähr 10ct billiger als bei
uns.
Wer mit dem Zug anreist zahlt für die einfache Fahrt mit Glück nur 60€,
ansonsten 100-120€ und darf sich dann aber mit dem Bahnhofswechsel in Paris
herumschlagen.

Am ersten Tag fand vormittags eine Begrüßung für die internationalen
Studenten statt, danach folgte die Einschreibung. In der Mittagspause hatten
wir Zeit die Zimmer im Wohnheim zu beziehen, am Nachmittag stand dann
nochmals eine Begrüßung für alle Studenten an.
Die Ecole hatte im Vorab das Angebot unterbreitet ein Konto bei der
französischen BNP zu eröffnen. Bei diesem Angebot war auch die

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Wohnungsversicherung enthalten, die zwingend notwendig ist um im
Wohnheim einziehen zu können. Da ich das Angebot wahrgenommen hatte,
konnte ich gleich die fertigen Papiere von einem Bankmitarbeiter
entgegennehmen, der in die Ecole gekommen war und mein Zimmer beziehen.
Beim Einzug musste auch die Kaution in Höhe von 250€ gleich bezahlt werden,
die Miete konnte man auch später noch bezahlen. Angemerkt sei, dass das
Angebot der BNP zwar praktisch und gratis war, es wahrscheinlich aber doch
besser organisierte Banken in Frankreich gibt.

 3. Die Ecole Centrale
Verglichen mit der Universität Stuttgart ist die Ecole Centrale klein. Gerade
einmal 2000 Studenten studieren dort und auch der Campus ist vergleichsweise
überschaubar. Aber auch die Ausbildung dort läuft anders ab als in
Deutschland. Das Studium dauert drei Jahre, wobei die ersten beiden
allgemeine Inhalte umfassen und die Studenten sich erst im dritten Jahr mit
einer „Option disciplinaire“ in ein Fachgebiet vertiefen. Als Erasmusstudent
kann man nur Kurse aus dem dritten Jahr besuchen, dementsprechend muss
man sich für eine Option entscheiden aus der man sich dann seine Kurse
zusammensucht. Ich hatte mich für die Fachrichtung SIM, Simulation en
Ingénierie Mécanique, entschieden, da ich aus dieser einige Kurse für mein
Hauptfach Kraftfahrzeuge anrechnen lassen konnte. Grob gesagt besteht diese
Vertiefung aus Matlab und höherer Mechanik und wer dabei gut mitkommen
will, sollte im voraus Kenntnisse über Finite Elemente, Matlabprogrammierung
und Mechanik mitbringen, da diese vorausgesetzt werden. Neben der Option
disciplinaire kann man sich noch für eine „Option professionelle“ entscheiden.
Diese behandeln eher nichttechnische Themen, wie z.B. Management oder
Design. Der Nachteil dabei ist, dass man, wenn man sich für eine Option
entscheidet, alle Kurse aus dieser besuchen muss und sich nicht einzelne
herauspicken kann.
Das Semester und der Unterricht laufen ebenfalls anders als in Deutschland ab.
Es gibt keinen Wochenplan, der für das ganze Semester gilt, da die Kurse nicht
über das ganze Semester andauern, sondern nur immer für ein paar Wochen.
Daher ändert sich auch der Stundenplan ständig. Durch die kleinere
Studentenzahl sind auch die Kurse kleiner, so waren wir in meiner Option
gerade einmal 20 Studenten. Der Unterricht ist entweder frontal mit
Tafelanschrift, (gut und gerne mal vier DIN A4 Blätter pro Vorlesung), oder
praktisch mit kleinen Projekten am PC. In einigen Kursen kamen aber auch
Dozenten aus der Industrie (SNCF, Michelin, Renault), die Vorträge hielten.
Geprüft wurde entweder durch einen Test am Ende des Kurses oder man
musste einen Bericht über eines der Projekte verfassen, in manchen Kursen

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auch beides. Da die Projekte immer zu zweit bearbeitet wurden, waren diese
eine gute Möglichkeit mit Klassenkameraden ins Gespräch zu kommen und
diese kennenzulernen.
Für die Franzosen ist das Studium sehr zeitaufwändig, sie haben praktisch jeden
Tag von 8 bis 18 Uhr Unterricht, wobei eine Vorlesung 120 min dauert. Nur der
Donnerstag Nachmittag ist frei und für sportliche Aktivitäten reserviert. Die
Kurse des dritten Jahres beginnen Anfang September und enden spätestens
Ende März. Danach machen die Centraliens ihre Abschlussarbeit in einem
Praktikum in der Industrie. Daher ist auch ein Erasmusaufenthalt auf maximal
sieben Monate beschränkt, außer man sucht sich ein Praktikum in Frankreich.

Die Unterrichtssprache ist durchgehend Französisch, was mir anfangs schon
Probleme bereitete, auch wenn meine Sprachkenntnisse nicht die
schlechtesten waren. Ende September fand der Einstufungstest für die
Sprachkurse statt, die in fünf verschiedenen Niveaus erteilt wurden. Ich war in
einem Kurs der Gruppe 3, was einem Sprachniveau B2 entsprach. In diesem
Kurs bereiteten wir uns die meiste Zeit auf den TFI-Test vor, der Ende März
abgehalten wurde und das eigentliche Ziel des Kurses darstellte. Das TFI ist ein
international anerkanntes Sprachzertifikat, ähnlich dem DELF oder DALF. Es
lohnt sich daher diesen Test mitzumachen, vor allem da er sehr billig
angeboten wird.

Ansonsten wird das studentische Leben auf dem Campus durch die zahlreichen
Clubs bestimmt, die für fast jede Aktivität existieren. Die wichtigsten wären das
BDS (Bureau des sports), über das man sich für den Hochschulsport anmeldet,
das BDA (Bureau des arts) und das BDE (Bureau des élèves). Das BDE ist hierbei
die eigentliche Fachschaft der Studenten, bei der man sich Kopierkarten und
leicht vergünstigte Straßenbahntickets kaufen kann. Außerdem organisiert es
die Studentenparties, Tonus genannt, die in regelmäßigen Abständen in einer
Disko in der Stadt stattfinden.
Neben dem BDS kann man sich auch noch über das SUAPS der Université de
Nantes an deren Hochschulsport anmelden, da dieses über ein etwas breiteres
Spektrum verfügt. Auch im Bezug auf die Mensa ist man auf die nahegelegene
Universität angewiesen, da die Ecole über keine eigene verfügt. Am
Mensaeingang kauft man sich Essensmärkchen für 3€ das Stück und bezahlt mit
diesen anschließend an der Kasse. Für ein Märkchen bekommt man ein
Hauptgericht mit Vorspeise, Dessert und einem Brötchen. Das Essen ist meiner
Meinung nach besser als in Stuttgart, jedoch muss man zu Stoßzeiten dank der
ungünstigen Organisation gerne 20 min anstehen ohne überhaupt zu wissen,
was es eigentlich gibt.

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4. Das Wohnheim
Ich wurde wie alle anderen Erasmusstudenten im Wohnheim „Fresche Blanc“
untergebracht, das zu Fuß etwas weniger als 10 min von der Ecole entfernt
liegt. Die Zimmer dort verfügen alle über ein eigenes Bad und eigenen
Kühlschrank. Mit 9 m² sind sie allerdings auch recht eng bemessen und es
bleibt nicht sehr viel Bewegungsraum, da auch noch ein Schreibtisch, Schrank
und Regale Platz finden müssen. Wer sich ein genaueres Bild machen will, kann
sich auf http://www.crous-nantes.fr unter „Logement“ umsehen.
Das Wohnheim verfügt über einen eigenen Parkplatz, der unter der Woche
sehr voll und am Wochenende sehr leer ist, da die meisten Franzosen
wochenends immer heimfahren.
Die Miete beträgt 225€, von denen mir 112€ von der CAF gesponsert wurden.
Den CAF-Antrag kann man im Internet ausfüllen und dann im Wohnheim
abgeben. Kleiner Tipp: im Antrag habe ich angegeben, ein Stipendium auf
Grund sozialer Kriterien (Auslands-BaFöG) zu bekommen und daraufhin etwas
mehr Geld als die anderen erhalten. Allerdings wird einem der CAF-Zuschuss
nahezu 1 zu 1 von der monatlichen BaFöG-Rate im Nachhinein wieder
abgezogen. Auch wenn bei mir mit der Antragstellung für das CAF alles glattlief,
hatten einige andere Studenten Pech und mussten Dokumente mehrmals
abgeben oder mehr Dokumente vorlegen.

Der zentrale Gemeinschaftsraum im Wohnheim waren die Etagenküchen. Hier
habe ich am meisten Leute kennengelernt und Zeit verbracht, vor allem die
internationalen Studenten hielten sich dort auf. Die Küchen bestanden aus
sechs Herdplatten, von denen aber nie alle funktionierten, einer Mikrowelle,
einer Spüle und zwei Tischen. Sie wurden täglich geputzt, jedoch im Falle zu
großer Verschmutzung bzw. wenn jemand seinen Müll liegengelassen hatte zur
Strafe ein bis zwei Tage abgeschlossen. Abgeschlossen wurden sie auch jede
Nacht ab 22:30 unter der Woche und 23:30 am Wochenende. Länger konnte
man nur im Foyer des Wohnheims feiern, das man auf schriftlichen Antrag
benutzen konnte, allerdings auch nur bis 24 Uhr. Daneben gab es noch einen
Tischtennis- und einen Fernsehraum. Auf die Nachtruhe wurde sehr streng
geachtet und zu lauter Lärm auf dem Zimmer konnte mit einer Vorladung zum
Wohnheimsdirektor enden.
Bettzeug wurde in Form eines Spannbetttuchs, eines Lakens und einer dünnen
Zudecke gestellt. Alle drei Wochen konnte man das Laken und das Betttuch in
der Wäscherei des Wohnheims gegen frische eintauschen. Für die eigene
Wäsche standen drei Waschmaschinen mit Trockner zur Verfügung, von denen
aber auch nie alle drei einsatzbereit waren. Für einen Waschtermin musste

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man sich beim Accueil in eine Liste eintragen. Dort erhielt man dann auch den
Waschmaschinenjeton und Waschmittel für 2€.
Der Internetzugang im Wohnheim funktionierte meistens, öfters auch nicht
und war besonders abends immer sehr langsam. Viele Ports waren gesperrt,
Skype funktionierte die letzten Monate über wieder. Zuvor musste man sich
mit dem kleinen Programm „Your Freedom“ behelfen.

In unmittelbarer Nähe des Wohnheims liegt eine kleine Ladenzeile mit
Supermarkt, Post, Bäckerei und Friseur. Zum Einkaufen bin ich aber trotzdem
meistens zum Leclerc gefahren, da dieser besser sortiert und billiger war als der
kleine Supermarkt vor Ort.

Im Nachhinein beurteile ich es so, dass es natürlich bequemer war sich ein
Wohnheimszimmer zuweisen zu lassen und ich dort Kontakt zu sehr vielen
Studenten bekam, es einem aber auf der anderen Seite schon sehr wie
Schullandheim mit Aufsicht vorkam, wenn man deutsche Wohnheime gewohnt
ist.

 5. Die Stadt
Nantes ist eine Großstadt mit 280.000 Einwohnern und dennoch studentisch
geprägt, da es einige Hochschulen dort gibt. Die bekanntesten Attraktionen
sind zweifellos das „Chateau des Ducs de Bretagne“ und das „Musée des
Machines“ auf der île de Nantes mit dem großen, mechanischen Elefanten.

Mit der Straßenbahn fährt man vom Wohnheim aus ca. 15 min bis ins Zentrum.
Eine Monatskarte kostet 30€, eine Einzelfahrkarte am Automaten 1,50€ bzw.
1,10€ im Zehnerpack. So-Fr fährt die letzte Tram um 0:30 Uhr, samstags um
2:30 Uhr. Die erste Tram fährt werktags um 4:30, am Wochenende später.
Samstag Nacht fährt noch ein Nachtbus zwischen letzter und erster Tram.
Die Kneipen schließen im allgemeinen um 2 Uhr nachts, danach haben noch die
Clubs und Diskotheken offen, von denen sich einige z.B. am Hangar à Bananes
auf der île de Nantes befinden. Preislich bewegt sich das Pinte Bier (0,5l) in den
Kneipen um die 3-4€, in den Clubs um die 5-6€. Im allgemeinen ist das Leben in
Frankreich generell teurer, wenn man von Benzin und öffentlichen
Verkehrsmitteln absieht.

Wer mit dem Fahrrad fahren will, kann sich eins über den Verein Vélocampus
für ein halbes Jahr mieten, muss aber auch 150€ Kaution dafür hinlegen. Ich
habe mir ein altes Fahrrad auf einem Flohmarkt gekauft, was wohl die
günstigste Möglichkeit darstellt an eines zu kommen.

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Benutzen kann man sein Fahrrad auf jeden Fall oft genug, da das Klima recht
mild ist. Geschneit hat es nur an einem einzigen Tag und selbst da blieb der
Schnee nicht liegen. Einzig und allein der Regen kann es einem stellenweise
vermiesen.

 6. Reisen
Selbstverständlich habe ich auch einige Ausflüge und Reisen während meines
Aufenthalts unternommen.
Für Badeausflüge an den Strand eignen sich Pornic, La Baule oder Le Croisic.
Diese Orte sind auch leicht mit dem Zug zu erreichen.
Mit dem Auto haben wir einige Ausflüge in die Bretagne gemacht, dort sind
auch die Autobahnen mautfrei! Unbedingt sehen sollte man den Mont-Saint-
Michel und die Côte de Granit Rose.
Da der Flughafen in Nantes auch von einschlägigen Billigfliegern angeflogen
wird, sind weiter entfernte Reiseziele wie Dublin, Lyon oder Marseille auch
günstig zu erreichen. Für solche längeren Trips eignen sich besonders die
Herbstferien (eine Woche Anfang Oktober) und die Winterferien (eine Woche
Ende Februar).

Zum Abschluss möchte ich sagen, dass ich die Zeit in Frankreich sehr genossen
habe und es jedem Interessierten absolut raten würde auch für ein Semester
ins Ausland zu gehen. Der Organisationsaufwand ist nicht wirklich viel und man
bekommt einiges dafür geboten. Nantes ist hier definitiv eine sympathische
Stadt, die groß genug, aber nicht zu groß ist und in der man schnell viele Leute
kennenlernt.
Einen Dank auch an die Mitarbeiter des IfW und IZ, sowie an der Ecole
Centrale, die immer freundlich und schnell geholfen und informiert haben.

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