Einblick in das Aspec - Informationen zu Aromantik und Asexualität & Hilfestellung zum Coming Out - Rubicon

Die Seite wird erstellt Lena Hildebrandt
 
WEITER LESEN
Einblick in das Aspec - Informationen zu Aromantik und Asexualität & Hilfestellung zum Coming Out - Rubicon
Marina Kosiec & Katharina Kroschel

    Einblick in das Aspec
                      Informationen zu
                  Aromantik und Asexualität
                               &
                      Hilfestellung zum
                         Coming Out

                                        Gefördert durch den
                                       Diversity-Projektfonds
                                                     2020/21
Einblick in das Aspec - Informationen zu Aromantik und Asexualität & Hilfestellung zum Coming Out - Rubicon
Einblick in das Aspec. Informationen zu Aromantik und Asexualität
                                       & Hilfestellung zum Coming Out

Zu uns:              Diese Broschüre entstand im Rahmen des Masters Gender & Queer
                     Studies der Universität zu Köln und der TH Köln. Marina Kosiec und
                     Katharina Kroschel verorten sich beide auf dem Aspec.

Kontakt:             aspecbroschuere@gmx.de

Download:            Das PDF kann auf der Internetseite des rubicon (https://rubicon-koeln.de/)
                     unter Themen → Beratung → Publikationen und Beiträge heruntergeladen
                     oder bei oben genannter E-Mail-Adresse angefragt werden.

Druckexemplare:      Druckexemplare können bei Übernahme von Versandkosten bei oben
                     genannter E-Mail-Adresse angefragt werden.

Druck:               Hausdruckerei der Universität zu Köln
                     1. Auflage 2021

Gefördert durch:     Diversity-Projektfonds 2020/21 des Referats Gender & Diversity
                     Management der Universität zu Köln

Unterstützt durch:   rubicon e. V.
Einblick in das Aspec - Informationen zu Aromantik und Asexualität & Hilfestellung zum Coming Out - Rubicon
Inhaltsverzeichnis

Vorwort       .      .     .       .     .       .     .       .   .   .   2

Informationsteil

Einleitung    .      .     .       .     .       .     .       .   .   .   2

Asexualität   .      .     .       .     .       .     .       .   .   .   4

Aromantik     .      .     .       .     .       .     .       .   .   .   6

Einstellungen zu Sex und Romantik .      .       .     .       .   .   .   7

Fluidität     .      .     .       .     .       .     .       .   .   .   7

Partner*innenschaftliche Beziehungen     .       .     .       .   .   .   7

Diskriminierung und Unsichtbarkeit (inkl. Zusammenfassung, S. 9)   .   .   8

Coming Out .         .     .       .     .       .     .       .   .   .   9

Inneres Coming Out .       .       .     .       .     .       .   .   .   10

Äußeres Coming Out .       .       .     .       .     .       .   .   .   10

Tipps für Dein Coming Out (inkl. Zusammenfassung, S. 14)       .   .   .   11

Tipps zum Umgang mit einem Coming Out (inkl. Zusammenfassung, S. 15)   .   14

Empfohlene Ressourcen      .       .     .       .     .       .   .   .   16

Kommunikationsteil

Eigene Verortung     .     .       .     .       .     .       .   .   .   19

Label .       .      .     .       .     .       .     .       .   .   .   22

Gestaltungsseite     .     .       .     .       .     .       .   .   .   23

Wünsche       .      .     .       .     .       .     .       .   .   .   24

Grenzen       .      .     .       .     .       .     .       .   .   .   27

Freie Seite   .      .     .       .     .       .     .       .   .   .   29
Einblick in das Aspec - Informationen zu Aromantik und Asexualität & Hilfestellung zum Coming Out - Rubicon
Vorwort                                                Grenzen in verschiedenen angebotenen oder
                                                       selbstgestalteten Formaten aufgezeigt werden.
– Wozu und für wen diese Broschüre da ist.
                                                       Selbst wenn die Broschüre nicht ausgefüllt ist,
Diese Broschüre dient der Aufklärung über und          kann das Coming Out Tool informativ sein. Es
der Sichtbarmachung von Aromantik und Ase-             kann als Leitfaden für angemessenes Verhalten
xualität. Sie richtet sich an alle Menschen, die       in Coming Out Situationen dienen und veran-
aromantisch und/oder asexuell sind sowie an            schaulicht, was (un)angebrachtes Verhalten ge-
Personen, die Informationen zu Aromantik und/          genüber einer aromantischen und/oder asexuel-
oder Asexualität suchen. Außerdem ist sie als          len Person sein kann.
Hilfestellung und Werkzeug für Personen ge-
                                                       Wir verwenden den Genderstern * als Platzhal-
dacht, die ein aromantisches und/oder asexuel-
                                                       ter innerhalb vergeschlechtlicher Wörter, um
les Coming Out haben möchten.
                                                       eine geschlechtliche Vielfalt, die über die Ge-
Im Informationsteil wird ein Überblick über            schlechterbinarität (Zweigeschlechtlichkeit) hi-
die Orientierungen gegeben. Weitgehend unbe-           nausgeht, zu adressieren. Um vergeschlecht-
kannte Wörter werden erklärt und englische             lichte Sprache weitgehend zu vermeiden, nut-
Ausdrücke übersetzt, sodass kein spezifisches          zen wir das Wort mensch anstelle von man.
Vorwissen vorhanden sein muss, um die Bro-             Worte wie niemensch oder jemensch sind ent-
schüre zu verstehen. Menschen, denen die The-          sprechend angepasst. Im Text finden sich zu-
men Aromantik und Asexualität noch unbe-               dem farblich abgehobene Infoboxen, wobei es
kannt sind, kann es helfen, die Broschüre mehr-        sich um Begriffserklärungen (in Blau) und Zu-
mals zu lesen, da nicht alle Begriffe und Kon-         satzinformationen (in Grün) handelt.
zepte bei Ersterwähnung erklärt werden und die
Verarbeitung von so vielen neuen Informatio-
nen Zeit braucht. Auch ist es wichtig zu wissen,
dass diese Broschüre nur einen Einblick in die
                                                       Informationsteil
Themen bietet und weiterführende Recherche
hilfreich sein kann.                                   Einleitung
Zudem geben wir Tipps und Informationen zum            Aromantik und Asexualität sind Spektren, auf
aromantischen und/oder asexuellen Coming               denen verschiedene aromantische (kurz aro)
Out. Dabei sprechen wir zunächst Personen an,          und asexuelle (kurz ace) Orientierungen veror-
die aromantisch und/oder asexuell sind und             tet werden.
schlagen vor, wie Ihr Euch auf Euer Coming             Aspec ist ein Sammelbegriff, der alle Orientie-
Out vorbereiten könnt. Wir adressieren auch            rungen, die auf diesen zwei verschiedenen
Personen, vor denen sich geoutet wird, und be-         Spektren liegen, umfasst. Der Begriff ist eine
reiten Euch darauf vor, wie Ihr auf ein Coming         aus dem Englischen übernommene Abkürzung
Out (nicht) reagieren solltet.                         von a-spectrum. Um über eines der beiden
Der Kommunikationsteil der Broschüre bietet            Spektren im Speziellen zu reden, gibt es die Be-
ein interaktives Coming Out Tool (dt. Werk-            griffe Arospec (aromantisches Spektrum) und
zeug) für aromantische und/oder asexuelle Per-         Acespec (asexuelles Spektrum).
sonen, die mit dem Ausfüllen und Teilen dieser         Es gibt verschiedene Schreibweisen des Be-
Broschüre ihr Coming Out gestalten wollen. In          griffs Aspec. Außerhalb dieser Broschüre gibt
diesem Teil können die eigene/n Orientie-              es die Schreibweisen Aspek (eingedeutscht von
rung/en, Label, Erwartungen, Wünsche und               Spektrum) und Aspec*, wobei der Asterisk die

                                                   2
Einblick in das Aspec - Informationen zu Aromantik und Asexualität & Hilfestellung zum Coming Out - Rubicon
Vielfalt anzeigen soll, die das Aspec repräsen-          von anderen Formen von Anziehung empfun-
tiert.                                                   den werden. Daher muss beispielsweise die ro-
                                                         mantische Orientierung einer Person nicht die
   Der Begriff Aspec wird manchmal als                   gleiche sein wie die sexuelle Orientierung die-
   eine Bezeichnung des Autismusspek-                    ser Person. Das SAM unterscheidet auch zwi-
   trums missverstanden. Es gibt auch ähn-               schen anderen Formen von Anziehung wie bei-
   lich klingende Bezeichnungen wie bei-
   spielsweise Aspie, eine Abkürzung für                 spielsweise ästhetischer oder platonischer An-
   Personen mit Asperger-Syndrom. Es be-                 ziehung. Es ist ein nützliches Werkzeug der
   steht kein Zusammenhang zwischen den                  Vermittlung für diejenigen, die verschiedene
   Spektren. Es ist möglich, dass sich eine              Formen von Anziehung empfinden und einzeln
   Person sowohl auf dem Aspec als auch                  betrachten möchten. Das SAM sagt allerdings
   auf dem Autismusspektrum verortet.                    nicht aus, dass alle Menschen verschiedene
                                                         Formen von Anziehung getrennt voneinander
Begriffe wie aspec, aromantisch und asexuell
                                                         empfinden müssen oder immer unterscheiden
können als Sammelbegriffe für die jeweiligen
                                                         können oder wollen. Es ist in Ordnung, roman-
Spektren, aber auch als Selbstbezeichnungen
                                                         tische und sexuelle Orientierung/en für sich sel-
benutzt werden. Selbstbezeichnungen werden
                                                         ber nicht zu trennen. Wir werden im Folgenden
auch Label genannt. Es geht darum, Teile der
                                                         zwischen Aromantik (als romantische Orientie-
eigenen Identität mit Worten ausdrücken zu
                                                         rung) und Asexualität (als sexuelle Orientie-
können. Oft handelt es sich bei Labeln um Be-
                                                         rung) unterscheiden, da sich nicht alle Men-
schreibungen der romantischen und/oder sexu-
                                                         schen notwendigerweise auf beiden Spektren
ellen Orientierung/en oder der Geschlechtsiden-
                                                         verorten.
tität, die jede Person für sich nutzen oder ableh-
nen kann. Die Anzahl der für sich verwendeten            Aspec Personen sind Teil der queeren Commu-
Label – für Orientierung/en und Geschlecht/er            nity (dt. Gemeinschaft) und werden durch das A
– kann sehr unterschiedlich sein.                        in dem Akronym LGBTQIAP+ repräsentiert.
                                                         Das A steht für Aromantik und Asexualität und
Selbstbezeichnungen von Orientierungen, die
                                                         auch für agender.
sich auf dem Aspec befinden, werden auch als
Microlabel bezeichnet.
                                                            Dieses Akronym steht für Lesbian, Gay,
Orientierungen, die nicht auf dem Aspec liegen,             Bi, Trans & Two-Spirit, Queer & Questi-
werden mit dem Begriff allo bezeichnet.                     oning, Inter, Aspec & Agender, Pan. Das
                                                            Akronym wird auch in anderen Zusam-
   Der Begriff allo ist die Abkürzung der                   mensetzungen verwendet, im Deutschen
   Begriffe alloromantisch (auch alloro)                    ist z. B. LBST+ (Lesbisch, Bi, Schwul,
   und allosexuell (auch allosex). Im Fol-                  Trans & Two-Spirit) eine übliche Abkür-
   genden benutzen wir allo um Personen                     zung. Das + steht stellvertretend sowohl
   zu bezeichnen, die weder asexuell noch                   für nicht aufgeführte queere Label als
   aromantisch sind.                                        auch für die Offenheit für weitere queere
                                                            Label.
Das Split Attraction Model (kurz SAM, dt. Mo-               Das A im Akronym LGBTQIAP+ wird
dell getrennter Anziehung) wurde innerhalb der              manchmal als Repräsentation für Ally
aspec Community entwickelt, um zu zeigen,                   (dt. Verbündete*r) verstanden. Diese In-
                                                            terpretation lehnen wir allerdings ab, da
dass zwischen verschiedenen Formen von An-
                                                            es keine queere Identität ist, ein*e Ally
ziehung unterschieden werden kann. Dabei                    zu sein. Als Ally der queeren Communi-
kann eine Form von Anziehung unabhängig

                                                     3
ty wird eine Person bezeichnet, die                  nicht bekannt. Die zeitgenössischen Communi-
   queere Personen und Gruppen unter-                   ties haben sich bereits in den 1990er Jahren ge-
   stützt, sich für ihre Rechte einsetzt und            bildet und sind inzwischen etabliert. Vor allem
   sich gegen ihre Diskriminierung positio-
                                                        online und englischsprachig sind viele aspec
   niert. Nicht-queere Personen können Al-
   lies für die queere Community sein und               Personen miteinander vernetzt. Aber auch off-
   auch queere Personen können Allies für               line und im deutschsprachigen Raum finden
   andere Personen oder Gruppen der Com-                sich immer mehr aspec Personen und Gruppen
   munity sein.                                         zusammen. Es gibt viele Möglichkeiten, sich
   Agender (auch genderless) ist ein Label              mit anderen aspec Personen auszutauschen und
   für Personen, die kein Geschlecht haben,             zu verbinden (→ Empfohlene Ressourcen, S.
   sich keinem Geschlecht zugehörig füh-                16).
   len, dem Konzept von Geschlecht neu-
   tral gegenüber stehen und/oder dieses                Neben dem romantischen und/oder sexuellen
   für sich ablehnen.                                   Empfinden einer Person gibt es keine Bedin-
                                                        gung, die erfüllt sein muss, um Orientierungen,
Es gibt Menschen, die sich auf dem Aspec ver-           die auf dem Aspec liegen, als Selbstbezeich-
orten, sich aber nicht als queer oder der queeren       nung zu nutzen. Genauso wenig gibt es Kriteri-
Community zugehörig empfinden. Wenn eine                en, die Personen oder Personengruppen vom
Person den Begriff queer nicht für sich benut-          Aspec ausschließen. Alle Menschen können
zen möchte, ist das ihr Recht und zu respektie-         sich auf dem Aspec verorten – unabhängig von
ren.                                                    Behinderung, Neurodiversität, Nationalität,
                                                        Ethnizität, Religion, Geschlecht, Familienstand,
   Wir verwenden den Begriff queer im                   Alter oder anderen Merkmalen.
   Sinne der Selbstbezeichnung von Perso-
   nen und Gruppen, die nicht-heterosexu-                  Neurodiversität bezeichnet die neurolo-
   ell, nicht-heteroromantisch, nicht-cisge-               gische Vielfalt von Menschen und lehnt
   schlechtlich (cisgeschlechtlich bedeutet                eine Pathologisierung dieser ab. Es wird
   sich völlig und ausschließlich mit dem                  wertfrei unterschieden zwischen neuro-
   Geschlecht zu identifizieren, das bei der               divergenten und neurotypischen Perso-
   Geburt zugewiesen wurde) oder nicht-                    nen.
   endogeschlechtlich (endogeschlechtlich
   bedeutet körperliche Merkmale zu ha-
   ben, die ausschließlich einem der binä-
                                                        Asexualität
   ren Geschlechter zugewiesen werden)
   sind.                                                Asexuelle Personen empfinden selten, nie oder
   Der Begriff queer wurde vor der Aneig-               in geringem Maße sexuelle Anziehung. Asexua-
   nung durch die Community als Schimpf-                lität ist ein Spektrum, auf dem verschiedene
   wort benutzt und wird deshalb von man-               asexuelle Orientierungen liegen. Asexualität ist
   chen Personen als Selbstbezeichnung                  vielfältig und umfasst unterschiedliche Arten
   abgelehnt.                                           sexueller Empfindung. Asexualität – ganz so
                                                        wie jede andere Sexualität – ist keine Entschei-
Aromantik und Asexualität sind keine neuen
                                                        dung.
Entdeckungen des 21. Jahrhunderts. Beide Ori-
entierungen haben eine Geschichte, die der Ent-         Was es bedeutet, asexuell zu sein oder sich auf
stehung der heutigen aspec Community lange              dem asexuellen Spektrum zu verorten, ist indi-
vorausgeht. Aufgrund der Unbekanntheit der              viduell und kann von jeder ace Person für sich
Orientierungen sind auch ihre Communities oft           selbst festgelegt werden. Dafür ist es nicht not-

                                                    4
wendig, Sex ausprobiert zu haben oder von Sex          Was Asexualität NICHT ist...
abgestoßen zu sein. Ob Personen sexuelle Er-           Personen, die nicht asexuell sind, werden als al-
fahrungen gemacht haben oder nicht, hat keine          losexuell bezeichnet. Dies bedeutet, dass sie ei-
Auswirkung auf die Geltung ihrer Asexualität.          nen Grad an sexueller Anziehung empfinden,
Sex zu haben, ohne sexuelle Anziehung zu Per-          der in einer heteronormativen Gesellschaft als
sonen zu verspüren, ist möglich, nicht automa-         die Norm oder der Standard vorausgesetzt wird.
tisch unangenehm und kann sehr verschiedene            Die Gesellschaft ist auf allosexuelle Personen
Beweggründe haben.                                     ausgerichtet, zum Beispiel indem sexuelle Be-
Es wird zwischen sexueller Orientierung, An-           ziehungen auf struktureller Ebene, aber auch in
ziehung und Erregung unterschieden.                    Medien und im Alltag, idealisiert und als „na-
Sexuelle Erregung ist eine geistige und/oder           türlich“ dargestellt werden. Allosexuelle Perso-
körperliche Empfindung, die eine Reaktion auf          nen können in diesem System leben, ohne sich
Stimulierung sein und das Verlangen nach se-           unwohl zu fühlen oder es zu hinterfragen. Ase-
xueller Befriedigung einschließen kann. Sie            xuelle Personen werden durch dieses System
muss nicht auf eine bestimmte Situation oder           diskriminiert (→ Diskriminierung und Unsicht-
Person gerichtet sein und wird von Menschen            barkeit, S. 8).
verschiedentlich häufig oder stark empfunden
                                                          Ein gesellschaftliches Konstrukt als na-
oder nicht empfunden. Das (Nicht-)Empfinden
                                                          türlich oder naturgegeben darzustellen,
von sexueller Erregung bestimmt nicht die se-             wird als Naturalisierung bezeichnet. Al-
xuelle Orientierung einer Person.                         les, was nach diesem Erklärungsmuster
Sexuelle Anziehung wird gegenüber bestimm-                angeblich von der Natur abweichen wür-
                                                          de, wird dadurch als weniger legitim und
ten Personen empfunden und kann das Verlan-
                                                          „unnatürlich“ ausgeschlossen.
gen nach sexueller Intimität mit diesen beinhal-
ten. Asexuelle Personen fühlen sich selten, nie        Das Zölibat ist eine im christlichen Glauben
oder in geringem Maße von anderen Menschen             fundierte Entscheidung, ohne Sex zu leben. Das
sexuell angezogen und/oder empfinden selten,           Zölibat und andere extern motivierte sexuell
nie oder weniger stark Verlangen nach sexueller        enthaltsame Lebensweisen (Abstinenz) sind
Intimität mit anderen Menschen.                        nicht mit Asexualität gleichzusetzen, da sie von
Sexuelle Orientierung ist die Ausrichtung, die         Sexualität unabhängige Entscheidungen sind.
sexuelle Anziehung hat oder haben kann. Wenn           Wenn Menschen ihre Sexualität oder Libido ab-
eine asexuelle Person sexuelle Anziehung emp-          gesprochen wird, ist das eine Desexualisierung.
findet, kann diese auch eine Ausrichtung haben,        Menschen mit Behinderung haben oft mit De-
sodass manche Menschen mehrere Label für               sexualisierung zu kämpfen, da ihnen Selbstbe-
ihre Sexualität zutreffend finden und für sich         stimmung und Eigenverantwortlichkeit entzo-
nutzen. Das Empfinden von sexueller Anzie-             gen oder aberkannt werden. Desexualisierung
hung kann beispielsweise von den Geschlech-            sowie medizinische Eingriffe zur Sterilisation
tern von Personen oder von den Bekanntheits-           sind keine Asexualität, da Sexualität nicht
oder Beziehungsgraden zu Personen abhängig             künstlich hergestellt oder aufgezwungen wer-
sein.                                                  den kann.
                                                       Asexualität ist ebenfalls keine körperliche oder
                                                       mentale Krankheit. Es gibt kein Mindestmaß an
                                                       sexueller Empfindung, Erregung oder Anzie-

                                                   5
hung, die ein Mensch empfinden muss oder             Was Aromantik NICHT ist...
sollte, um gesund zu sein. Die Entscheidungen,       Personen, die nicht aromantisch sind, werden
ohne Sex zu leben oder Sex zu haben, ohne se-        als alloromantisch bezeichnet. Dies bedeutet,
xuelle Anziehung zu empfinden, sind nicht be-        dass sie einen Grad an romantischer Anziehung
denklich oder schädlich.                             empfinden, der in einer heteronormativen Ge-
                                                     sellschaft als die Norm oder der Standard vor-
                                                     ausgesetzt wird. Die Gesellschaft ist auf alloro-
Aromantik
                                                     mantische Personen ausgerichtet, zum Beispiel
Aromantik bezeichnet eine romantische Orien-         indem romantische Beziehungen in Medien und
tierung, bei der selten, nie oder in geringem        im Alltag idealisiert und als „natürlich“ darge-
Maße romantische Anziehung verspürt wird.            stellt werden.
Aromantik ist ein Spektrum, auf dem verschie-
                                                     Aromantik ist nicht die Abwesenheit von Emo-
dene aromantische Orientierungen liegen. Ro-
                                                     tionen, der Fähigkeit zu lieben oder intime Be-
mantische Anziehung ist eine emotionale, auf
                                                     ziehungen zu führen. Die Orientierung bedeutet
eine oder mehrere Personen gerichtete Anzie-
                                                     nicht, dass aromantische Personen keine engen
hung, die das Verlangen nach einer romanti-
                                                     partner*innenschaftlichen Beziehungen einge-
schen Beziehung mit dieser/n umfassen kann.
                                                     hen können oder wollen.
Eine Person kann verschieden häufig oder stark
romantische Anziehung empfinden und kann             Aromantik ist nicht mit Asexualität gleichzuset-
das Bedürfnis verspüren, nach dieser Anzie-          zen. Die romantische Orientierung bestimmt
hung zu handeln oder nicht. Das Empfinden            nicht die Sexualität einer Person. Eine aroman-
von romantischer Anziehung kann beispiels-           tische Person kann jede sexuelle Orientierung
weise von den Geschlechtern von Personen             haben.
oder von den Bekanntheits- oder Beziehungs-          Abstinenz ist die Entscheidung, enthaltsam zu
graden zu Personen abhängig sein.                    leben. Aromantik ist eine romantische Orientie-
Keine oder wenig romantische Anziehung zu            rung und keine Entscheidung.
verspüren ist eine Abwesenheit, die nicht als        Aromantik ist keine körperliche oder mentale
Fehlen zu bewerten ist. Eine Person, die sich        Krankheit. Es gibt kein Mindestmaß an roman-
auf dem aromantischen Spektrum verortet,             tischer Anziehung, die ein Mensch empfinden
kann jegliche Form von Beziehung eingehen            muss oder sollte, um gesund zu sein.
und verschiedene Arten von Liebe empfinden.
                                                        Traumata oder traumatische Erfahrun-
   Wir verwenden die Begriffe sexuelle                  gen können Einfluss auf die sexuelle/n
   und romantische Orientierung. Der Be-                und/oder romantische/n Empfindung/en
   griff Romantik als Bezeichnung für die               einer Person nehmen. Daher kann auch
   romantische Orientierung (parallel zu                die Verortung auf dem Aspec mit Trau-
   der Verwendung des Begriffs Sexualität               ma verknüpft sein. Für die Intersektion
   als Bezeichnung für die sexuelle Orien-              von Aspec und Trauma wurden in der
   tierung) ist im Deutschen nicht geläufig,            Community verschiedene Label geprägt,
   kann aber genutzt werden. Der Begriff                die ebenso valide, bedeutsam und be-
   findet sich in den Bezeichnungen ver-                rechtigt sind wie andere Label.
   schiedener romantischer Orientierungen
   wie Aromantik, Heteroromantik etc.
   wieder.

                                                 6
Einstellungen zu Sex und Romantik                      Fluidität
Die politisch-gesellschaftliche Haltung einer          Romantische und sexuelle Orientierungen kön-
Person zu Sex sowie die Gefühle bezüglich se-          nen fluide (fließend) sein. Das bedeutet, dass
xueller Interaktion können unabhängig vonein-          sie nicht statisch und festgeschrieben sein müs-
ander betrachtet werden und sind nicht durch           sen, sondern sich im Laufe des Lebens ändern
die sexuelle Orientierung einer Person festge-         können.
legt.                                                  Dies muss nicht unbedingt der Fall sein – ein
Eine Person, die eine offene und unterstützende        Mensch kann ein Leben lang die gleiche/n Ori-
Einstellung zu sexueller Freiheit und Vielfalt         entierung/en haben. Aber genauso gut können
hat, wird als sex positive (dt. sexpositiv) be-        romantische und sexuelle Orientierungen vari-
zeichnet. Menschen, die keine oder keine starke        ieren und sich ändern – romantisches und sexu-
Meinung dazu vertreten, sind sex neutral (dt.          elles Erleben ist nicht vorgeschrieben, sondern
sexneutral). Und Personen, die eine ablehnende         vielfältig und unbegrenzt.
oder einschränkende Einstellung zu sexueller           Daher ist es durchaus möglich, die eigene/n
Freiheit und Vielfalt haben, werden als sex ne-        Orientierung/en in jedem Alter festzustellen
gative (dt. sexnegativ) bezeichnet.                    oder neu zu entdecken. Queere Personen müs-
Die Gefühle zur eigenen Teilnahme an sexuel-           sen nicht schon immer gewusst oder gefühlt ha-
len Handlungen können ebenfalls grob einge-            ben, dass sie queer oder „anders“ sind. Dies
ordnet werden. Wenn eine Person gerne Sex hat          kann zutreffen, muss es aber nicht. Es ist mög-
oder haben möchte, wird das als sex favourable         lich, unterschiedliche Label zu verschiedenen
(dt. sexzugeneigt) bezeichnet. Sex indifferent         Zeitpunkten des Lebens zu nutzen oder sich mit
(dt. sexgleichgültig) sind Personen, die eine          mehreren Labeln gleichzeitig zu identifizieren.
neutrale Haltung gegenüber sexuellen Interakti-        Dies macht die Erfahrung, das Empfinden und
onen haben. Menschen, die keinen Sex haben             das gewählte Label nicht weniger bedeutsam
möchten, sind sex averse (dt. sexabgeneigt). Es        oder berechtigt.
gibt auch Personen, die den Gedanken an Sex            Auch Aromantik und Asexualität können als
unangenehm finden und weder Sex haben wol-             passende Label für sich zu jedem Zeitpunkt im
len noch sexuellen Handlungen zum Beispiel in          Leben entdeckt werden oder für einen Zeitraum
Literatur oder Filmen begegnen möchten, dies           passende Label sein. Orientierungen auf dem
wird als sex repulsed (dt. sexabgestoßen) be-          Aspec sind nicht weniger oder mehr fließend
zeichnet. Personen, die eine gespaltene Mei-           als andere romantische oder sexuelle Orientie-
nung zu eigenen sexuellen Handlungen haben             rungen.
oder deren Einstellung dazu fluktuiert, sind sex
ambivalent (dt. sexambivalent).
                                                       Partner*innenschaftliche Beziehungen
Diese Begriffe werden auch für die individuelle
Einstellung zu Romantik und romantischen               In der heteronormativen Vorstellung lebt ein
Handlungen verwendet (z. B. romance positive/          Paar in einer romantischen und sexuellen Be-
romantikpositiv oder romance averse/romantik-          ziehung miteinander: Das Paar besteht aus ei-
abgeneigt).                                            nem Mann und einer Frau, beide sind cis- und
                                                       endogeschlechtlich, hetero- und alloromantisch
                                                       sowie hetero- und allosexuell und ihre Bezie-
                                                       hung ist monogam. Dieses Beziehungsmodell

                                                   7
ist ein Ideal, das gesellschaftlich als die wert-       oder kommandieren zu lassen. Wie andere Be-
vollste aller Beziehungen konstruiert wird.             ziehungen auch können queerplatonische Be-
Beziehungen und Beziehungsformen sind aber              ziehungen monogam oder polyam sein.
keine Grenzen gesetzt und können so individu-
ell sein wie die Menschen, die sie eingehen.
                                                        Diskriminierung und Unsichtbarkeit
Daher können hier nur ein paar Beispiele und
Denkanstöße gegeben werden.                             Aspecfeindlichkeit (auch Aspecmisie) bezeich-
                                                        net Feindlichkeit und Diskriminierung, die sich
Es ist möglich, keine partner*innenschaftli-
                                                        gegen das Aspec und/oder aspec Personen und
che/n Beziehung/en anzustreben. Dies nennt
                                                        Gruppen richtet. Aromantik und Asexualität
mensch Nonamory und wird abgegrenzt vom
                                                        werden bewusst und unbewusst diskriminiert.
temporären Single-Sein, wenn eine Beziehung
                                                        Das geschieht unter anderem durch die beste-
gewünscht wird.
                                                        hende heteronormative Gesellschaftsordnung.
Partner*innen in einer Beziehung müssen nicht           Heteronormativität bezeichnet sowohl die Er-
die gleiche/n romantische/n und sexuelle/n Ori-         wartung, alle Menschen seien nicht-queer, als
entierung/en haben. Die Arten der Beziehun-             auch die machtvolle Konstruktion und gesell-
gen, die Menschen eingehen können, sind nicht           schaftliche Verankerung (in Gesetzen, Verhal-
durch ihre Orientierung/en vorgeschrieben.              tensnormen etc.) dieser Erwartung als „natür-
Zudem können Beziehungen verschiedene                   lich“ und „normal“. Jede Person, die dieser
Komponenten beinhalten oder ausschließen,               Norm nicht entspricht, muss sich als „anormal“
beispielsweise müssen romantische Beziehun-             oder „anders“ outen, um in ihrer queeren Iden-
gen keine sexuelle Ebene haben und andersher-           tität wahrgenommen zu werden. Dadurch dass
um.                                                     Heteronormativität strukturell, gesellschaftlich
                                                        und individuell stets reproduziert wird, wird
Beziehungen können aus zwei oder mehr Part-
                                                        Queerness samt dem Aspec unsichtbar ge-
ner*innen bestehen. Polyamory (dt. viele/meh-
                                                        macht.
rere Lieben) bedeutet, gleichzeitig mehrere Be-
ziehungen mit verschiedenen Partner*innen               Heteronormativität umfasst verschiedene mit-
einzugehen oder in einer Beziehung mit mehre-           einander einhergehende Normvorstellungen.
ren Partner*innen zu leben. Polyame Beziehun-           Für das Aspec insbesondere diskriminierend ist
gen beruhen auf Transparenz und dem gemein-             Allonormativität: die Erwartung, dass alle Men-
samen Einverständnis aller beteiligten Perso-           schen alloromantisch und allosexuell seien und
nen.                                                    bei der dauerhaften Abwesenheit einer roman-
                                                        tisch-sexuellen Beziehung einen Mangel ver-
Eine weitere Form von Beziehung ist die queer-
                                                        spüren und unglücklich sein würden. Aspec
platonische (auch quasiplatonische) Beziehung.
                                                        Personen wird also ein Selbstverständnis aner-
Diese zeichnet sich durch eine Bindung aus, die
                                                        zogen und beigebracht, das ihnen in vielerlei
sehr individuelle Formen annehmen kann. Eine
                                                        Hinsicht (beispielsweise bezüglich ihrer Be-
queerplatonische Beziehung kann Elemente
                                                        dürfnisse, Gesundheit und Ziele) schadet. Aro-
von romantischen, sexuellen und platonischen
                                                        mantische und asexuelle Personen müssen sich
Beziehungen enthalten, neu interpretieren oder
                                                        diskriminierender Vorstellungen über sich auch
ablehnen. Es geht darum, eine Beziehung ein-
                                                        erst einmal bewusst werden und verlernen.
zugehen, die auf die Wünsche und Bedürfnisse
der Partner*innen zugeschnitten ist, ohne sich          Eine weitere spezifische Diskriminierungser-
von gesellschaftlichen Normen einschränken              fahrung von aspec Personen ist das breitflächi-

                                                    8
ge Unwissen, das über die Orientierungen be-            es zu Missverständnissen und Verwechslun-
steht. Sie werden weder in der Schule noch in           gen. Beide Orientierungen werden manch-
den Medien, die für mehr Sichtbarkeit und Auf-          mal als Entscheidung missverstanden. Aus
klärung sorgen könnten, thematisiert. Daraus            Unwissen kann auch unangebrachte Sorge
resultiert, dass viele Menschen nicht von der           um das Wohlergehen und die Zukunft aro-
Existenz des Aspec erfahren und/oder nicht              mantischer und asexueller Personen entste-
wissen, dass sie sich auf diesem verorten kön-          hen. Häufig resultiert diese Sorge aus allo-
nen.                                                    normativen Vorstellungen und Pathologisie-
Eine weitere Schwierigkeit der Identifikation           rung.
mit dem Aspec liegt darin, dass Aromantik und         • Pathologisierung. Die Annahme, Aromantik
Asexualität für „unmöglich“ gehalten werden             und Asexualität seien krankhaft und heilbar,
und die Existenz von aspec Personen geleugnet           z. B. durch Konversionstherapie. Manchmal
wird. Dadurch, dass Aromantik und Asexualität           werden die Orientierungen fehlerhaft für
erst sehr langsam in der Gesellschaft sichtbar          Symptome einer Krankheit oder Neurodiver-
werden, wird den Orientierungen immer noch              genz gehalten oder als die Folgen von
mit sehr viel Ungläubigkeit und Zweifel entge-          schlechten Erfahrungen oder Traumata abge-
gengetreten.                                            tan.
Der eigene Selbstfindungsprozess wird durch
                                                         Konversionstherapie bezeichnet eine ge-
die Unbekanntheit und die „Unmöglichkeit“ der
                                                         waltsame „Therapieform“ mittels derer
Orientierungen sehr erschwert und beginnt da-            versucht wird, queere Personen norm-
her häufig erst spät(er) und/oder dauert lange           konform zu machen.
an. Das aspec Coming Out wird ebenfalls da-
durch erschwert, dass aspec Personen davon
ausgehen müssen, dass die Person, gegenüber           Coming Out
der sie sich outen möchten, noch nie etwas von        Unter dem Begriff Coming Out verstehen viele
ihrer/n Orientierung/en gehört hat.                   den Moment, in dem eine Person zu erkennen
                                                      gibt, dass sie queer ist. Ein Coming Out ist aber
                                                      viel mehr als ein einzelner Moment. Es handelt
Zusammenfassung einiger Diskrimi-
                                                      sich um einen fortdauernden Prozess.
nierungsformen
                                                      Unterschieden wird zwischen dem inneren Co-
• Delegitimierung. Es wird nicht geglaubt,            ming Out (auch Coming In), das den inneren
  dass Aromantik und Asexualität existieren           Erkenntnisprozess einer Person bezeichnet, und
  oder die sich outende Person diese Orientie-        dem äußeren Coming Out, das einen freiwilli-
  rung/en hat. Manche sehen es als eine Phase         gen, selbstbestimmten Handlungsakt des Tei-
  an, die vorbei sei, sobald früher oder später       lens (zum Beispiel im Gespräch mit einer ande-
  „der*die Richtige“ gefunden würde. Damit            ren Person) bezeichnet. Weder das innere noch
  zusammenhängend besteht die falsche An-             das äußere Coming Out sind an ein bestimmtes
  nahme, dass nur eine romantisch-sexuelle            Alter gebunden. Auch muss eine Person sich
  Beziehung glücklich machen könne und für            nicht notwendigerweise vor anderen outen,
  ein erfülltes Leben notwendig sei.                  nachdem sie ein inneres Coming Out hatte.
• Fehlannahmen. Weil Menschen nicht wissen,           Ein selbstbestimmtes Coming Out ist nicht mit
  was Aromantik und Asexualität sind, kommt           einem fremdbestimmten Outing zu verwech-

                                                  9
seln, bei dem eine Person gegen ihren Willen            bisher erfahren wurde und in Zukunft erfahren
geoutet wird.                                           werden wird. Es ist wichtig, zu verstehen, dass
                                                        nicht die eigene Identität negativ oder falsch ist,
   Im Deutschen wird der Begriff Outing                 sondern das heteronormative Gesellschaftssys-
   auch synonym zu Coming Out verwen-                   tem, das Menschen ausschließt.
   det, er kann also ebenfalls eine selbstbe-
   stimmte Handlung bezeichnen – so ver-                Ein inneres Coming Out eröffnet aber auch
   wenden wir den Begriff aber nicht.                   neue Möglichkeiten. Selbsterkenntnis kann et-
                                                        was sehr Ermächtigendes und Befreiendes sein,
                                                        das in der persönlichen Entwicklung weiter-
Inneres Coming Out                                      hilft. Vielleicht kann nun endlich der eigenen
Das innere Coming Out ist ein persönlicher Er-          Person Ausdruck verliehen werden, wie dies
kenntnisprozess über die Abweichung der eige-           bisher nicht denkbar war. Es ist möglich, ein er-
nen Identität von der Heteronorm. Dieser indi-          fülltes Leben zu führen – oder herauszufinden,
viduelle Prozess verläuft nicht notwendigerwei-         was dies für sich persönlich beinhaltet – ohne
se linear. Wann der Erkenntnisprozess einsetzt          heteronormativen Lebensentwürfen zu folgen.
und wie lange er dauert, ist sehr verschieden.          Auch kann mensch sich mit der Community
Menschen entwickeln sich konstant weiter, der           vernetzen, die Informationen, Ressourcen und
Prozess der Identitätsfindung endet nicht mit           die Möglichkeit für Austausch, persönliche Be-
dem Finden eines passenden Labels. Die Identi-          ziehungen und einem Zugehörigkeitsgefühl bie-
tät wird sich vielleicht nicht immer stark wan-         tet.
deln, aber dies bleibt stets eine Möglichkeit (→
Fluidität, S. 7).
Mit einem inneren Coming Out kann Erleichte-            Äußeres Coming Out
rung, Zufriedenheit und Akzeptanz verbunden             Als äußeres Coming Out wird eine Situation
sein, aber auch internalisierte Queerfeindlich-         bezeichnet, in der sich eine Person vor anderen
keit, Hilflosigkeit und die Distanzierung von           als queer zu erkennen gibt. Dies kann ganz ver-
den eigenen Gefühlen. Oft ist das innere Co-            schiedene Formen annehmen und geschieht viel
ming Out mit einer Mischung aus sehr vielen –           häufiger als mensch möglicherweise annimmt.
negativen wie positiven – Gefühlen verbunden.
                                                        Da in der Gesellschaft breitflächig und struktu-
Für aspec Personen im Besonderen kann das in-           rell angenommen wird, dass jeder Mensch der
nere Coming Out viel Unsicherheit auslösen,             Heteronorm entspricht, kommen Personen, die
weil eine Abwesenheit von Gefühlen sehr                 dem nicht entsprechen, immer und immer wie-
schwierig zu entdecken und definieren ist.              der in die Situation, ihre Orientierung/en, ihr/e
Grundsätzlich ist die Erkenntnis, dass eine Per-        Geschlecht/er oder ihren Körper erklären, dafür
son von gesellschaftlichen Normen abweicht,             einstehen und darauf aufmerksam machen zu
nie einfach. Sich von den Annahmen zu verab-            müssen. In diesem Sinne ist ein Coming Out
schieden, die über das eigene Leben bestanden,          immer unfair: Eine nicht-queere Person muss
vor allem, wenn gesellschaftlich vermittelt             ihr Geschlecht, ihre Orientierung und Merkma-
wird, mensch wäre „falsch“ oder „krank“, kann           le ihres Körpers nicht mitteilen, thematisieren
ein schmerzhafter und überwältigender Prozess           oder vor invasiven Fragen verteidigen, wenn sie
sein. Es muss eine Auseinandersetzung damit             möchte, dass andere sie in ihrer Identität wahr-
stattfinden, welche Art von Diskriminierung             nehmen. Außerdem müssen bei einem Coming
                                                        Out auch negative Reaktionen erwartet werden.

                                                   10
Dies ist unglaublich kräftezehrend und belas-             und Weise auch immer geteilt werden, ist dem
tend.                                                     mit Respekt zu begegnen.
Daher ist es eine wichtige Entscheidung, ob
mensch ein äußeres Coming Out haben möchte
oder nicht. Es wird viel Druck auf queere Per-            Tipps für Dein Coming Out
sonen ausgeübt, sich zu outen, sobald sie ein in-         – Du meint im Folgenden eine aspec Person,
neres Coming Out hatten. Es ist absolut berech-           die sich outen möchte.
tigt und nachvollziehbar, wenn sich eine Person
                                                          Diese Broschüre ist eine Hilfestellung für ein
auch nach einem inneren Coming Out nicht vor
                                                          äußeres Coming Out. Sie ist dazu gedacht, Dir
anderen Personen outen möchte. Informationen
                                                          Infos, Tipps und einen Rahmen für ein Coming
über die eigene/n Orientierung/en, Geschlechts-
                                                          Out zu geben. Ob Du ein Coming Out möch-
identität oder den eigenen Körper werden nie-
                                                          test, liegt ganz allein bei Dir. Du hast das
mensch geschuldet. Keine Person ist weniger
                                                          Recht, für Dich zu entscheiden, ob, wem und
wert oder schlechter, wenn sie entscheidet, sich
                                                          wann Du von Deiner Identität erzählst. Es wird
nicht zu outen.
                                                          Menschen geben, die Dich unterstützen und re-
Offenheit über die eigene Identität kann aller-           spektieren werden und bei denen Du Dich si-
dings zu engeren, verständnisvolleren Bezie-              cher fühlen kannst.
hungen und einem sichereren Selbstgefühl
                                                          Aber Du schuldest niemensch ein Coming Out.
führen. Ein Coming Out kann als sehr befreiend
                                                          Es ist in Ordnung, wenn Du ein Coming Out
empfunden werden. Für manche Menschen
                                                          gerade oder grundsätzlich nicht möchtest – egal
kann es die richtige Entscheidung sein, sich in
                                                          aus welchen Gründen. Dies ändert nichts an
jedem Umfeld ihres Lebens zu outen (in der Fa-
                                                          Deiner Identität und Du bist deshalb nicht we-
milie, vor Freund*innen, auf der Arbeit etc.),
                                                          niger berechtigt, Dich mit Deinem Label zu
andere möchten vielleicht nur bestimmte Perso-
                                                          identifizieren. Egal ob du geoutet bist oder
nen oder Bekanntenkreise einweihen. Wichtig
                                                          nicht, es ist ebenso wenig Deine Pflicht, andere
ist immer, die Entscheidung zu treffen, die für
                                                          Personen über Aromantik und Asexualität auf-
sich selbst richtig und sicher ist. Ein Gefühl da-
                                                          zuklären. Du bist niemensch Bildungsarbeit
für zu gewinnen, ob ein Coming Out selbst ge-
                                                          schuldig, wenn Du diese nicht von Dir aus leis-
wünscht ist oder sich aufgrund von Druck und
                                                          ten möchtest.
fremder Erwartung wie die richtige Entschei-
dung anfühlt, kann schwierig sein.                        Um Dich sicherer zu fühlen und besser auf
                                                          mögliche Nachfragen reagieren zu können,
Bei einem geplanten Coming Out gibt es Vor-
                                                          kann es hilfreich sein, Dich über Deine Orien-
bereitungen und Überlegungen, die aspec Per-
                                                          tierung/en und Community zu informieren. Du
sonen helfen können, sich so sicher wie mög-
                                                          kannst Dich auf Dein Coming Out vorbereiten,
lich zu fühlen. Idealerweise ist das Coming Out
                                                          indem Du Coming Out Geschichten und Erfah-
einer Person ihre freie Entscheidung, dennoch
                                                          rungen anderer liest, zum Beispiel in sozialen
bleibt das äußere Coming Out eine komplexe
                                                          Netzwerken oder queeren Foren. Rat von Men-
Situation, die Sensibilität erfordert. Es kann
                                                          schen, die bereits out sind, kann sinnvoll sein,
auch passieren, dass Personen sich spontan oder
                                                          selbst wenn sie sich nicht auf dem Aspec veror-
unbeabsichtigt outen oder durch andere geoutet
                                                          ten.
werden. In jedem Fall sollte nicht mit Wertung
reagiert werden – wenn persönliche Informatio-            Grundsätzlich ist es hilfreich, die Einstellung
nen über die eigene Identität auf welche Art              und das Vorwissen Deines Gegenübers zu

                                                     11
Queerness und speziell dem Aspec einschätzen             Zweifelsfall kann bei der Beratungsstelle nach-
zu können, bevor Du Dich outest. Du kannst               gefragt werden, ob es Mitarbeitende gibt, die
vor Deinem Coming Out Artikel oder Medien                Erfahrung mit dem Aspec haben.
zu dem Thema teilen oder möglicherweise über             Als passender Zeitpunkt für ein Coming Out
Aromantik und/oder Asexualität reden, ohne               können Awareness Events (dt. Veranstaltungen
eine Verbindung zu Dir selbst zu ziehen. Aller-          für Sichtbarmachung und Sensibilisierung) ge-
dings kann sich die Einstellung einer Person zu          nutzt werden. Zu diesen Events gibt es immer
Queerness ändern und muss nicht zwingend                 besonders viele Ressourcen zum Thema und die
ihre Gefühle Dir und Deinem Coming Out ge-               Communities sind sichtbarer und zugänglicher.
genüber widerspiegeln.                                   Auf die Communities zu verweisen, kann Dei-
Wenn Du Dich für ein äußeres Coming Out ent-             nem Gegenüber zeigen, dass Du nicht alleine
scheidest, kannst Du Dir zunächst überlegen,             bist.
wem Du von Deiner/n Orientierung/en erzählen
willst. Dabei kann es helfen, Dir Deine Erwar-              Beispiele für Awareness Events sind der
tungen und Wünsche bezüglich des Coming                     Pride Month (Juni), die Aromantic Spec-
Out bewusst zu machen. Lass Dir so viel Zeit,               trum Awareness Week (im Februar), die
                                                            Ace Week (im Oktober) und der Interna-
wie Du brauchst, bis Du Dich bereit fühlst.                 tional Asexuality Day (6. April).
Wenn Du Dich bei mehreren Personen outen
möchtest, muss die Reihenfolge, in der Du das            Das Teilen eines Artikels oder das Hinweisen
tust, nichts darüber aussagen, wie wichtig die           auf ein Awareness Event können Startpunkte
Menschen für Dich sind oder wie nahe Ihr Euch            für ein Gespräch sein. Für den Fall, dass Du
steht. Es kann hilfreich sein, Dich erst vor Men-        nicht selbst ein Gespräch starten möchtest,
schen zu outen, deren Reaktion auf Dein Co-              kannst Du Schmuck, Buttons oder Kleidung
ming Out und deren Einstellung zu Deiner/n               tragen, die als Gesprächsaufhänger dienen kön-
Orientierung/en für Dich weniger bedeutsam               nen. Allerdings kann dies auch ungewollte
sind und so Übung und ein Gefühl dafür zu be-            Nachfragen und Reaktionen veranlassen.
kommen, wie es ist, ein Coming Out zu haben.             Nach Deinem Coming Out kann es nötig sein,
Oder vielleicht kannst Du Dich zunächst vor              Deinem Gegenüber etwas Zeit zum Verarbeiten
Personen outen, bei denen Du Dir sicher bist,            der neuen Informationen einzuräumen. Du hat-
dass sie Dich unterstützen werden. Danach hät-           test bereits Zeit, Deine Identität kennenzulernen
test Du Verbündete für Coming Out Situatio-              und Dich über Aromantik und Asexualität zu
nen, in denen Du Dich unsicher fühlst. Wenn              informieren und möglicherweise innere Wider-
Du eine verbündete Person hast, kannst Du sie            stände abzubauen – Dein Gegenüber beginnt
fragen, ob sie sich Zeit für Dich nimmt, nach-           vielleicht gerade erst mit diesem Lernprozess.
dem Du ein Coming Out hattest, oder sie bitten,          Der Person Reflexionszeit zu lassen, kann auch
bei einem Coming Out Gespräch dabei zu sein.             Dir zu Gute kommen, da bewusster und ange-
Für Coming Out Beratung und professionell be-            messener auf Dein Coming Out reagiert werden
gleitete Coming Out Gespräche, kannst Du                 kann. Du hast allerdings keine Verpflichtung,
Dich an Beratungsstellen wenden. Leider ist              unbestimmte Zeit auf eine Reaktion auf Dein
nicht garantiert, an Mitarbeitende zu geraten,           Coming Out oder Akzeptanz für Deine Orien-
die Expertise zum aspec Coming Out haben. Es             tierung/en zu warten.
kann aber auch helfen, sich zur generellen Co-           Neue Informationen zu erhalten, die nicht der
ming Out Situation beraten zu lassen oder im             eigenen Lebensrealität entsprechen und eventu-

                                                    12
ell am eigenen Weltbild rütteln, löst bei Men-           Gespräch:
schen Unsicherheit aus. Die Gefühle, die in              Im Gespräch kann ein direkter Austausch statt-
Deinem Gegenüber herrschen, sind aber keine              finden, in dessen Zuge auf eventuelle Rückfra-
Entschuldigung für unangebrachtes oder re-               gen eingegangen werden kann. Du erlebst die
spektloses Verhalten. Wenn Dein Gegenüber                erste unmittelbare Reaktion Deines Gegenübers
ignorant ist oder nicht mit sich reden lässt, ist        zu Deinem Coming Out. Eine Auseinanderset-
es in Ordnung, ein Gespräch zu beenden. Wenn             zung in Form eines Gesprächs kann überwälti-
Dein Gegenüber Deine Orientierung/en nicht               gend sein. Du hast die Möglichkeit, ein Ge-
anerkennt, liegt das nicht daran, dass Du sie            spräch einzeln oder mit einer unterstützenden
nicht „gut genug“ erklären konntest. Deine               Gruppe zu initiieren oder eine Person in unter-
Identität hängt nicht davon ab, ob eine andere           stützender Funktion (z. B. Verbündete*r, Bera-
Person diese nachvollziehen kann oder aner-              tungsperson) um Teilnahme zu bitten.
kennt. Du verdienst Respekt und weder Dein
Coming Out noch Deine Orientierung/en soll-
ten angezweifelt werden.                                 Brief/E-Mail:
Eine Coming Out Situation kann sowohl für                In einem schriftlichen Coming Out kannst Du
Dein Gegenüber als auch für Dich emotionale              Deine Worte mit Ruhe und Bedacht wählen. Du
Reaktionen hervorrufen. Weder Du noch Dein               erlebst die erste Reaktion Deines Gegenübers
Gegenüber sollten den Anspruch an Dich ha-               nicht mit und räumst diesem Reflexionszeit ein.
ben, während des gesamten Coming Out Pro-                In dieser Form werden auch Rückfragen und
zesses oder in einer konkreten Coming Out Si-            ein Austausch verzögert. Wenn Dein Coming
tuation durchgehend neutral, ruhig oder sach-            Out nicht zu einem Gesprächsthema werden
lich zu bleiben. Das äußere Coming Out ist               soll, kannst Du diesen Wunsch per Brief oder
nicht Deine alleinige Verantwortung – es ist             E-Mail ausdrücken. Es kann trotzdem passie-
eine Kommunikation zwischen mehreren Per-                ren, dass Dein Wunsch nicht respektiert wird.
sonen. Daher ist der Verlauf Deines Coming
Out trotz aller Vorbereitung nicht völlig vorher-
sehbar oder planbar.                                     Broschüre:

Dennoch kannst Du Dich entscheiden, welche               Du kannst diese Broschüre zur Gestaltung Dei-
Möglichkeit des Coming Out Du wahrnehmen                 nes Coming Out nutzen. Der Informationsteil
möchtest. Vor- und Nachteile einzelner Optio-            kann als Bildungsmaterial für Dein Gegenüber
nen sind immer je nach individueller Situation           zur Verfügung gestellt werden. Der Kommuni-
und Empfindung abzuwägen. Die folgenden                  kationsteil, der mögliche Grenzen, Wünsche
Denkanstöße zu Kommunikationswegen sind                  und Bedürfnisse thematisiert, kann zur Inspira-
nicht vollständig und dienen nur der Erwägung.           tion für ein Coming Out in anderer Form die-
Beispielsweise können Gespräche per Telefon              nen oder durch das Ausfüllen als Coming Out
oder ein Austausch über Messenger ebenso in              Tool genutzt werden. Auch bleibt Platz, um in-
Betracht gezogen werden.                                 dividuelle Zusätze zu ergänzen. Wie bei ande-
                                                         ren schriftlichen Coming Out erlebst Du beim
                                                         Versenden der Broschüre die erste Reaktion
                                                         Deines Gegenübers nicht und räumst diesem
                                                         Reflexionszeit ein. Auch hier werden Rückfra-
                                                         gen und ein direkter Austausch verzögert.

                                                    13
Mischung:                                             Tipps für den Umgang mit einem Co-
Du kannst verschiedene Kommunikationswege             ming Out
mischen. Zum Beispiel kannst Du einen Text            – Du meint im Folgenden eine Person, gegen-
vorbereiten und direkt im Anschluss des Lesens        über der sich jemensch geoutet hat.
ein Gespräch anbieten. Vielleicht möchtest Du
zunächst ein Coming Out Gespräch führen und           Wenn eine Person sich Dir gegenüber outet, be-
diese Broschüre oder eine andere schriftliche         gibt sie sich in eine sehr verletzliche Position.
Ressource zur späteren Reflexion anbieten.            Deshalb ist es wichtig, nicht unbedacht zu re-
Diese Broschüre kann Dir auch als Rahmen für          agieren und sich bewusst zu sein, dass sich das
ein Gespräch dienen oder möglicherweise ge-           Coming Out einer anderen Person nicht um
meinsam mit Deinem Gegenüber ausgefüllt               Dich dreht.
werden.                                               Ein Coming Out ist eine Mitteilung persönli-
                                                      cher Informationen – keine Einladung zur Dis-
                                                      kussionsrunde, Therapiesitzung, Unterrichts-
Zusammenfassung einiger Tipps für                     stunde oder Intervention, sofern dies nicht
Dein Coming Out                                       explizit von der sich outenden Person kommu-
Du kannst deutlich machen, dass                       niziert wird. Es ist sinnvoll, die sich outende
                                                      Person die Situation bestimmen zu lassen. Sie
• Deine Identität keine Entscheidung ist und          schuldet Dir keinerlei Informationen und befin-
  nicht zur Debatte steht.                            det sich nicht im Erklärungszwang. Der Zeit-
• Du lediglich eine Information über Dich ver-        punkt ihres Coming Out oder die Anzahl von
  mitteln möchtest, keine Diskussion führst.          Personen, vor der sich Dein Gegenüber bereits
                                                      geoutet hat, muss nicht zwingend eine Bedeu-
• Sorgen unangebracht und daraus entstehende          tung haben. Grenzen, die beim Coming Out ge-
  Hilfsangebote unerwünscht sind.                     setzt werden (zum Beispiel wenn eine Person
• Du nicht alleine bist, sondern zu einer Com-        über ihre Orientierung/en, aber nicht über ihren
  munity gehörst.                                     Beziehungsstatus reden möchte), sind unbe-
                                                      dingt zu respektieren.
• Du anbietest oder ablehnst, Fragen zu beant-
  worten. Selbst wenn Du das Fragenstellen            Selbst wenn das Coming Out überraschend für
  angeboten hast, besteht kein Zwang zu ant-          Dich ist und es Dir schwerfällt, die neuen Infor-
  worten.                                             mationen mit Deinem bisherigen Wissen über
                                                      die Person zu vereinen, hinterfrage Dein Ge-
• Du anbietest oder ablehnst, Ressourcen und
                                                      genüber nicht. Im Zweifelsfall weiß jeder
  Quellen zur Verfügung zu stellen, die Du als
                                                      Mensch am besten über sich selbst Bescheid.
  repräsentativ für Deine Orientierung/en em-
                                                      Orientierung/en anzuzweifeln oder Mitleid aus-
  pfindest.
                                                      zudrücken ist unangebracht.
• Du es erlaubst oder ablehnst, dass sich Dein        Wenn Du mit starken Gefühlen zu kämpfen
  Gegenüber mit anderen Personen über Dein            hast und die sich outende Person und ihre Ge-
  Coming Out austauscht.                              fühle nicht zur Priorität machen kannst, wäre es
                                                      angebracht, das Gespräch zu verschieben bis
                                                      Du Dir sicher bist, dass Dein Verhalten respekt-
                                                      voll ist und Du Deinen Gefühlen Ausdruck ver-
                                                      leihen kannst, ohne zu verletzen. Wenn Du Zeit

                                                 14
oder Abstand nach einem Coming Out brauchst,             Zusammenfassung einiger Tipps für
dann kommuniziere dies offen mit Deinem Ge-              Allies
genüber.
                                                         1. Höre zu und respektiere aspec Stimmen.
Am wichtigsten ist es, respektvoll und offen                Zweifle die Existenz und das Erleben von
miteinander zu kommunizieren. Akzeptanz und                 aspec Personen nicht an.
Unterstützung zu versichern und Freude dar-
über auszudrücken, dass etwas Persönliches mit           2. Nutze zur Verfügung stehende Informati-
Dir geteilt wurde, sind positive Reaktionen, die            onsquellen und erwarte von niemensch, für
mitgeteilt werden können und sollten.                       Dich Bildungsarbeit zu der/n eigene/n Ori-
                                                            entierung/en zu leisten.
Es kann hilfreich sein, sich Informationsquellen
unabhängig von der sich outenden Person zu               3. Respektiere persönliche Grenzen und be-
suchen, damit diese nicht ungewollt Bildungs-               sprich mit Deinem Gegenüber, welche Fra-
arbeit leisten muss. Eigene Recherche zu betrei-            gen gerne beantwortet werden und welche
ben zeigt, dass Du interessiert bist und Dich be-           überhaupt nicht gestellt werden sollten.
mühst, eine Verständnisbasis herzustellen.               4. Wirke Allonormativität entgegen, indem Du
Dass ein Coming Out nicht zur Bildung dient,                das Aspec sichtbar und auf Exklusion sowie
heißt nicht, dass Du keine Fragen stellen darfst.           Ignoranz aufmerksam machst.
Wenn Du Dir unsicher bist, ob und welche Art             5. Akzeptiere, dass Du Fehler machen wirst –
von Fragen Du stellen darfst, thematisiere dies             entschuldige Dich und gib weiterhin Dein
mit Deinem Gegenüber, um sicherzustellen,                   Bestes.
dass Du keine Grenzen übertrittst.
Eine wichtige Information, nach der Du Dich
erkundigen kannst, ist, ob Du über das Coming
Out mit anderen Personen sprechen darfst. Es
ist auch gut zu besprechen, ob Du die Person
vor anderen outen darfst oder sollst – zum Bei-
spiel wenn ihr falsche Label zugeschrieben
werden und Du in einer Position bist, diese zu
korrigieren. Generell ist es nicht verkehrt, zu
fragen, was Dein Gegenüber sich von Dir
wünscht.
Allyship (dt. Verbündete*r zu sein) ist ein Lern-
prozess, für den zunächst einmal nur Offenheit
und Bereitschaft zum Lernen nötig sind. Erken-
ne an, dass Dir Fehler passieren werden. Wenn
Dich jemensch auf unsensibles Verhalten oder
falsche Annahmen aufmerksam macht, nimm
diesen Hinweis an.

                                                    15
Empfohlene Ressourcen
Wenn Du mehr über Aromantik und Asexualität erfahren möchtest oder Dich mit der aspec
Community verbinden möchtest, können lokale Beratungsstellen und/oder queere Referate an
Universitäten eine erste Anlaufstelle sein. Außerdem empfehlen wir die folgenden Ressourcen:

   –   Auf dem Discord Server Aspec*German kann mensch mit anderen aspec Personen in
       Kontakt treten und Informationen zu aspec Gruppen- und Stammtischtreffen in Deutschland
       erhalten: 

   –   Das rubicon in Köln bietet Beratung für queere Personen an: 

   –   Das anyway in Köln bietet Beratung für junge queere Personen an: 

   –   pro familia bietet bundesweit Beratungsstellen und online Beratung für queere Personen an:
       
   –   Das englischsprachige Trevor Project adressiert queere Personen unter 25 Jahren und
       thematisiert Asexualität auf ihrer Website:
       
   –   AUREA arbeitet für die Sichtbarmachung und Anerkennung von Aromantik:
       
   –   Der Twitter Account @acearovolution dokumentiert die Entstehung eines Buches über
       Aromantik und Asexualität: 

   –   Der Twitter Account @Aces_NRW leistet asexuellen Aktivismus und LGBTQIA+
       Aufklärungsarbeit: 

   –   Die Aromantic and Asexual Characters Database führt eine Liste von Medien mit
       aromantischen und/oder asexuellen Charakteren: 

   –   Der englischsprachige Roman „Loveless“ von Alice Oseman behandelt das innere wie
       äußere Coming Out der aromantischen und asexuellen Protagonistin.

   –   Die Netflix Serie „BoJack Horseman“ behandelt am Rande das innere wie äußere Coming
       Out eines asexuellen Charakters.

   –   Das Zine „Wer A Sagt, Muss Nicht B Sagen“ dreht sich um persönliche Erfahrungen mit
       Asexualität: 

   –   Definitionen und Erklärungen zu verschiedenen aspec Labeln:

       –   auf dem aromantischen Spektrum: 
       –   auf dem asexuellen Spektrum: 

                                               16
–   Englischsprachige YouTube Videos und Kanäle von queeren Personen, die Asexualität
       und/oder Aromantik thematisieren:
       –   Evie Lupines Playlist „Asexuality“: 
       –   LordLanternheads YouTube Kanal: 
       –   Rowan Ellis Interview mit Alice Oseman: 
       –   Yasmin Benoits YouTube Kanal:
           
       –   Celestes Playlist „Aro Ace Stuff“: 
       –   AVEN Livestreams:
           
Zudem nutzt die aspec Community verschiedene Symbole, um Zugehörigkeit zu signalisieren:

   –   Flaggen sind wichtige Symbole der queeren Community. Die aro Community nutzt zwei
       Grüntöne, Weiß, Grau und Schwarz. Es gibt weitere Flaggen für verschiedene Identitäten
       auf dem Arospec. Die ace Community nutzt die Farben Schwarz, Grau, Weiß und Lila. Es
       gibt weitere Flaggen für verschiedene Identitäten auf dem Acespec.
   –   Ein weißer Ring am Mittelfinger ist ein Symbol der aro Community und kann verwendet
       werden, um Zugehörigkeit zu signalisieren.
   –   Ein schwarzer Ring am Mittelfinger ist ein Symbol der ace Community und kann verwen-
       det werden, um Zugehörigkeit zu signalisieren.
   –   Pfeile sind in Anlehnung an den Klang des englischen Wortes arrow (dt. Pfeil) ein Symbol
       der aro Community.
   –   Ass (engl. ace) Spielkarten sind ein Symbol der ace Community.

                 Aromantische Flagge                         Asexuelle Flagge

                                               17
Kommunikationsteil

Eigene Verortung
Im Folgenden hast Du verschiedene Möglichkeiten, Deine eigene Verortung darzustellen.
Dies kann eine Übung der Selbstreflexion sein oder als Werkzeug für ein Coming Out
genutzt und mit anderen geteilt werden. Wenn Du Dich entscheidest, den Kommunikations-
teil für Dein Coming Out zu nutzen und für andere Personen auszufüllen, müssen Deine
Einträge nicht unbedingt selbsterklärend sein. Du kannst Lücken lassen, Dinge durchstrei-
chen oder ergänzen – nutze diesen Teil der Broschüre nur, insofern Du Dich wohlfühlst und
es für Dich persönlich sinnvoll ist!

Farbspektren
Im ersten Farbspektrum kannst Du eintragen, ob, wie häufig oder
stark Du Anziehung gegenüber welchen Geschlechtern empfindest.
Im zweiten Farbspektrum kannst Du eintragen, ob, wie häufig oder
stark Du Anziehung in Relation zu Deinem Beziehungsgrad/-status
zu einer Person empfindest. Sieh diese Spektren als einen Vorschlag
an, den Du Dir so gestalten kannst, wie es für Dich passt – schreib
Dinge dazu, male inner- oder außerhalb des Spektrums – Dir sind
keine Grenzen gesetzt.
Das Barometer neben den Spektren kann eine Indikation geben, ob,
wie häufig oder stark Du ein Bedürfnis empfindest, nach Deiner An-
ziehung zu handeln.
Geschlechter und Beziehungsgrad/-status sind nicht die einzigen Ausrichtungen, die An-
ziehung haben kann, also fühl Dich frei, weitere Farbspektren auszufüllen und selbst zu
beschriften. Außerdem kann zwischen vielen Formen von Anziehung unterschieden werden.
Wenn Du eine andere Form von Anziehung für Dich unterscheidest, kannst Du diese eben-
falls in das unbeschriftete Farbspektrum eintragen.

Die Spektren können nicht die Realität abbilden! Die Darstellung soll keine Gegenüber-
stellung von Geschlechtern sein. Vielmehr soll sie sehr simplifiziert visualisieren, dass es
fließende Übergänge gibt, und eine Möglichkeit bieten, Anziehung abzubilden.

          Der Begriff nicht-binär kann als Sammelbegriff für das nicht-binäre Spektrum aber
          auch als Selbstbezeichnung genutzt werden und umfasst Geschlechtsidentitäten, die
          vollkommen oder teilweise außerhalb der Geschlechterbinarität existieren.

Beispiele für das Ausfüllen:

                                                 19
Sie können auch lesen