EINFÜHRUNG IN DIE GEOMETRIE

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Dr. Michael Gieding
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EINFÜHRUNG IN DIE
GEOMETRIE
SKRIPT ZUR GLEICHNAMIGEN VORLESUNG IM WINTERSEMESTER
2007/2008

KAPITEL 0
WICHTIGE GRUNDBEGRIFFE DER MATHEMATIK:
MENGEN, RELATIONEN, FUNKTIONEN

 Vo r l e s u n g e n 2 : R e l a t i o n e n
Kapitel 0: Mengen, Relationen, Funktionen
       Vorlesungen 2: Relationen                      1 Relationen
                                            1.1 Vorbemerkungen und Ziel dieser Vorlesung

1      Relationen
1.1 Vorbemerkungen und Ziel dieser Vorlesung
    1.1.1 Rote Karte?
        „Wenn Herr Fandel jetzt die rote Karte zieht, so steht das in keiner Relation zum Foul
       von Schweinsteiger.“
       Die Worte des Fußballreporters könnten sich auf ein Foul beziehen, das Schweinsteiger
       vor kurzem beging und für welches er nicht rot gesehen hat.
       Es könnte aber auch sein, dass Schweinsteiger gerade ein Foul begangen hat, welches
       nach den Regeln nicht so schwerwiegend ist, als dass es mit Rot zu ahnden wäre.
       In jedem Fall wird ein Vergleich angestellt. Im ersten Fall vergleicht der Reporter das
       Foul von Schweinsteiger mit dem Foul eines anderen Spielers. Im zweiten Fall erfolgt
       der Vergleich bezüglich eines abstrakten in den Regeln festgelegten Fouls.
       Die entsprechende Relation ließe sich wie folgt formulieren: Foul A ist genau so böse
       wie Foul B.

    1.1.2 Halt dich senkrecht
       Im Schulpraktikum war der Begriff der Senkrechten zu behandeln. Der Praktikant hatte
       ein Bild der Schweizer Nationalflagge auf eine Folie gedruckt und fragte die Schüler,
       welche Linien Senkrechte wären. Bei den Schülern stellte sich nach den ersten
       Antworten leichte Unsicherheit ein.
       Der Grund für diese Unsicherheit: Die Frage des Praktikanten war völlig unsinnig. Eine
       Antwort wie Gerade a steht senkrecht ist lediglich eine Aussageform, der kein
       Wahrheitswert zuzuordnen ist. Erst wenn man die Lage von a bezüglich einer anderen
       Geraden b (Ebene, Strahl, Strecke) betrachtet, ist es sinnvoll davon zu sprechen, dass a
       eine Senkrechte ist.
       Die Relation Gerade a steht senkrecht auf Gerade b ist zweistellig.
       Wahrscheinlich wäre eine derartige Panne in einer Unterrichtsstunde zum Thema der
       Parallelität nicht passiert.

    1.1.3 Vater werden ist nicht schwer ...
       Tanja bereitet sich mit den anderen an der Tanke auf den Discobesuch vor. Ein älterer
       Herr springt aus einem roten Golf und fängt an, auf Tanja einzureden. Als er weg ist,
       fragt Mike, was das denn für eine komische Type gewesen wäre. Verlegen sagt Tanja:
       „mein Vater“.
       Eine Person A kann von einer Person B der Vater sein. Im Gegensatz zu der Relation a
       steht senkrecht zu b ist die zweistellige Relation ist Vater von nicht symmetrisch. Tanja
       ist schließlich nicht ihr eigener Großvater.

    1.1.4 Unter Vätern
       Während es sinnlos ist, davon zu sprechen, dass die Gerade a senkrecht ist, macht die
       Aussage Meier ist Vater durchaus Sinn. Gibt es also auch einstellige Relationen?
       Die Menge aller Männer teilt sich unter dem Gesichtspunkt Vater sein in genau zwei

                                                                     1
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                                        ph-heidelberg.de/wp/gieding/lehre/geometrieeinfuehrung/
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   Teilmengen (in diesem Fall spricht man auch von Klassen): Väter und diejenigen
   Männer, die keine Kinder haben. Zu einem gegebenen Zeitpunkt gehört jeder Mann zu
   genau einer dieser beiden Teilmengen.1 Aus der Eigenschaft Vater sein ergibt sich
   damit eine zweistellige Relation.
   Meier und Schulze seien jeweils Väter. Sie stehen beide in Relation zueinander: Meier
   gehört unter dem Gesichtspunkt der Vaterschaft zur selben Klasse von Männern wie
   Schulze.
   Demgegenüber stehen weder Meier noch Schulze mit Wowereit in Relation. Dieser
   gehört zu der anderen Klasse von Männern (wiederum unter dem Gesichtspunkt der
   Vaterschaft).2
   Das Bestehen einer Relation zwischen Meier und Schulze ließe sich auch derart
   artikulieren, dass beide nicht mit Wowereit zur selben Klasse gehören.
   Wie auch immer, eine Relation muss wenigstens zweistellig sein.

1.1.5 Dreiecksbeziehung
   Tom ist der Liebhaber von Gabi. Zu der Ehre der Liebhabereigenschaft kommt er durch
   die Existenz von Frank, dem Ehemann von Gabi. Tom, Gabi und Frank stehen in einer
   dreistelligen Relation zueinander, der klassischen Dreiecksbeziehung.
   Wir könnten diese Relation auch so formulieren: Gabi steht zwischen zwei Männern.

1.1.6 Pfeile
   In der analytischen Geometrie wurden Pfeile addiert:
                       b

                                                              b                                    b        a+b
       a
                      a+b
                                                                a                                     a
   Abbildung 1                               Abbildung 2                                 Abbildung 3
                  r       r
   Für die Pfeile a und b aus Abbildung 1 ist das kein Problem. Mitunter waren die
                                                            r
   Pfeile jedoch auch so angeordnet, dass der Endpunkt von a nicht mit dem
                       r
   Anfangspunkt von b zusammenfiel (Abbildung 2). In diesem Fall hat man einfach
                                                 r
   einen anderen Pfeil genommen und diesen zu a addiert. Sicher hat dieser andere Pfeil
                                             r
   gewisse Gemeinsamkeiten mit dem Pfeil b , steht zu diesem gewissermaßen in einer
   Relation. Wenn wir es jedoch ganz genau betrachten, wurden in Abbildung 3 doch nicht
                        r     r
   wirklich die Pfeile a und b addiert, oder?

   1
     Juristische Fälle, in denen ein Mann als Vater angesehen wird und nur die dem Kind zugehörige Mutter
   weiß, dass eigentlich jemand anderes der Vater des Kindes ist, sind in unserer idealisierten
   mathematischen Welt nicht relevant.
   2
     Der Autor unterstellt einfach mal, dass Wowereit keine Kinder hat.

                                                                  2
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1.1.7 Zusammenfassung
   Die vorangegangenen Abschnitte verdeutlichten auf populärwissenschaftliche Art den
   Begriff der Relation:
       • Von einer Relation zu sprechen hat nur Sinn, wenn wenigstens zwei Objekte in
            Beziehung zueinander gesetzt werden.
       • Relationen können unterschiedliche Eigenschaften haben.
       • Es besteht ein gewisser Zusammenhang zwischen bestimmten Relationen und
            der Teilung von Mengen in eine bestimmte Art von Teilmengen, die so
            genannten Klassen.
   Ein grundlegendes Verständnis für diesen Zusammenhang zwischen Relationen und
   Klassseneinteilungen ist notwendig für einen kompetenten Mathematikunterricht.
   Ziel der Vorlesung ist, einen Beitrag zur Herausbildung dieses Verständnisses zu
   leisten. Dem Charakter der Lehrveranstaltung entsprechend, werden dabei insbesondere
   Bezüge zum Stoff des Geometrieunterrichts berücksichtigt.

1.1.8 Vereinbarungen zu Schreibweisen
   Wir wollen die folgenden Vereinbarungen zur Bezeichnung von geometrischen
   Objekten treffen:
   Objektart                                                         Schreibweisen
   Punkte                                                            Große lateinische Buchstaben:
                                                                     z.B.: Punkt A, Punkt B, C, D, Q, M, …
   der Raum in der räumlichen Geometrie                              P (großes, kursives, fettes P)
   (Menge aller Punkte)
   Ebenen                                                            kleine griechische Buchstaben:
                                                                     ε, α, β, δ, ...
   die Ebene, wenn nur ebene Geometrie                               E (großes, kursives, fettes E)
   gemeint ist
   Geraden                                                           kleine lateinische Buchstaben:
                                                                     z.B.: Gerade g, h, m, l, a, b, c, …
   Geraden,                                                          Nennung der Punkte, die die Gerade
   für die zwei Punkte gegeben sind, die die                         bestimmen:
   Gerade bestimmen.                                                 z.B.: Gerade AB, Gerade EF
   Strahlen bzw. Halbgeraden                                         kleine lateinische Buchstaben:
                                                                     z.B.: Strahl g, Halbgerade h, m, l, a, b, c,
                                                                     …
   Strahlen (Halbgeraden),                                           Strahl AB+ (A: Anfangspunkt, B: Punkt auf
   für die der Anfangspunkt und ein weiter                           dem Strahl)
   Punkt gegeben sind                                                Strahl AB- : Gerade AB\Strahl AB+
   Ebenen,                                                           Ebene A, B, C
   Bezeichnung durch drei Punkte, die die
                                                                 3
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Ebene eindeutig bestimmen
Ebenen,                                  Ebene g,P
Bezeichnung durch eine Trägergerade und Ebene AB,P
einen Punkt der Ebene, der nicht auf der
Trägergerade liegt
Halbebenen,                              gP+, gP-,
Bezeichnung durch Trägergerade und       AB,P+, AB,P-
Punkt außerhalb der Trägergeraden in der
durch die Halbebene eindeutig bestimmten
Ebene
Winkel                                                            kleine griechische Buchstaben:
                                                                  α, β, γ, δ, ...
Winkel,                                                           ∠(a, b) oder ∠( SA+ , SB + )
Bezeichnung durch Nennung der beiden
Schenkel
Winkel,                                                           ∠ASB
mit dem Scheitelpunkt S und den beiden
Punkten A und B auf den Schenkeln
Winkelgröße                                                       α , ∠( a, b) , ∠( SA + , SB + ) , ∠ASB

Strecken,                                                         Kleine lateinische Buchstaben:
Bezeichnung ohne Nennung der                                      z.B.: Strecke s, h, m, p, q, a, b, c, …
Endpunkte
Strecken,                                                         AB, PQ, ...
Bezeichnung durch Nennung der
Endpunkte
Streckenlänge                                                      AB , PQ , a

Abstand zweier Punkte A und B                                      AB
                                                                  Bemerkung: Es gilt natürlich: AB = AB

Gerichtete Strecken (Pfeile),                                     AB
Bezeichnung durch Anfangspunkt A und
Endpunkt B
Dreiecke,                                                         ΔABC oder ABC
Bezeichnung durch Nennung der
Eckpunkte
Vierecke,                                                         ABCD
Bezeichnung durch Nennung der
Eckpunkte

                                                              4
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                              1.2 Spezielle Relationen, ihre Eigenschaften und daraus abgeleitete Begriffe

1.2 Spezielle Relationen, ihre Eigenschaften und daraus abgeleitete Begriffe
  1.2.1 Die Relation Parallel auf der Menge der Geraden
     Die Geradenparallelität ist eine zweistellige Relation auf der Menge der Geraden des
     Raumes.
   Definition: (Parallelität von Geraden)
     Zwei Geraden g1 und g2 sind parallel zueinander, wenn sie
        •   zu ein und derselben Ebene gehören und
          • entweder identisch sind oder keinen Punkt gemeinsam haben.
     Schreibweise: g1||g2

  1.2.2 Eigenschaften der Relation der Parallelität von Geraden des Raumes
   Reflexivität:
     Jede Gerade ist zu sich selbst parallel: ∀g ∈ P:g||g
   Symmetrie:
    Wenn g1||g2 so auch g2||g1.
   Transitivität:
    Wenn g1||g2 und g2||g3 dann auch g1||g3.
    Die Eigenschaften der Reflexivität und der Symmetrie ergeben sich unmittelbar aus der
    Definition der Relation. Die Transitivität ist zwar anschaulich unmittelbar einsichtig,
    für einen echten Beweis bedarf es jedoch weiterer Aussagen der Geometrie, die uns
    momentan noch nicht zur Verfügung stehen.

  1.2.3 Klasseneinteilung aller Geraden einer Ebene durch die Relation der Parallelität
        von Geraden
     Im Folgenden betrachten wir nur Geraden ein und derselben Ebene ε. Die Relation der
     Geradenparallelität teilt diese Menge in verschiedene Teilmengen (so genannte
     Klassen) ein.
     Die Elemente dieser Klassen nach der Relation
     Geradenparallelität sind zueinander parallele
     Geraden. Die Abbildung 4 illustriert zwei der
     entstehenden Klassen.
     Für alle Klassen der Ebene ε nach der Relation
     Geradenparallelität gilt:
         1. Jede Gerade der Ebene ε gehört zu genau
             einer der Klassen.
         2. Zwei verschiedene Klassen sind disjunkt.
         3. Keine der Klassen ist die leere Menge.
         4. Die Vereinigung aller Klassen ist die
             Ebene ε.
                                                                                                                       Abbildung 4

                                                                     5
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                                                     1.3 Beispiel: Zwischenrelation

   Definition: (Richtung)
    Jede der Klassen einer Ebene ε nach der Relation Geradenparallelität heißt eine
    Richtung auf ε.

  1.2.4 Parallelgleichheit von Strecken
   Definition: (Parallelität von Strecken)
     Zwei Strecken sind zueinander parallel, wenn die durch die Strecken eindeutig
     bestimmten Geraden zueinander parallel sind.
     In Zeichen: a||b, AB || CD , AB || h
   Definition: (Parallelgleichheit von Strecken)
    Zwei Strecken stehen zueinander in der Relation parallelgleich, wenn sie parallel sind
    und die gleiche Länge haben.
    Unmittelbar einsichtig ist, dass die Relation der Parallelgleichheit von Strecken die
    Eigenschaften der Reflexivität, Symmetrie und Transitivität erfüllt.
    Ebenso wie die Relation der Geradenparallelität teilt die Relation der Parallelgleichheit
    von Strecken jede Ebene ε in Klassen ein. Jede dieser Klassen besteht aus Strecken von
    ε, die zueinander parallel sind und die gleiche Länge haben.
  1.2.5 Pfeilklassen
     Unter einem Pfeil versteht man eine gerichtete Strecke. Während bei normalen Strecken
     keiner der beiden Streckenendpunkte vor dem anderen ausgezeichnet ist, fungiert bei
     einer gerichteten Strecke der eine als Anfangspunkt und der andere als Endpunkt.
   Definition: (Pfeilgleichheit)
     Ein Pfeil ሬሬሬሬሬԦ
               ‫ ܤܣ‬heißt pfeilgleich zum Pfeil ሬሬሬሬሬԦ
                                               ‫ ܦܥ‬, wenn eine Verschiebung existiert, die A
     auf C und B auf D abbildet.
     Zwei zueinander in dieser Relation stehende Pfeile haben die folgenden Eigenschaften:
         1. Sie haben die gleiche Länge.
         2. Sie sind parallel zueinander. (Gehören zur selben Richtung bzw. haben dieselbe
             Richtung.)
         3. Sie haben denselben Richtungssinn.
     Auch die Relation der Pfeilgleichheit teilt die Menge der Pfeile einer Ebene ε in
     Klassen ein, die so genannten Pfeilklassen.
     Aus der Schule ist der Vektorraum der Pfeilklassen bekannt.

1.3 Beispiel: Zwischenrelation
    Die Zwischenrelation wird auf der Menge der Punkte definiert. Um davon sprechen zu
    können, dass ein Punkt zwischen anderen Punkten liegt, muss man wenigstens drei
    Punkte betrachten, die Zwischenrelation ist also eine dreistellige Relation.
   Definition: (Zwischenrelation für Punkte)
    Der Punkt B liegt genau dann zwischen den Punkten A und C, wenn |AB|+|BC|=|AC| gilt
    und der Punkt B weder identisch mit A noch mit C ist.

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                        Einführung in die Geometrie, Skript zur gleichnamigen Vorlesung im Wintersemester 2007/2008
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Kapitel 0: Mengen, Relationen, Funktionen
     Vorlesungen 2: Relationen                           1 Relationen
                                                      1.4 Der Begriff der Relation

  1.3.1 Teilbarkeitsrelation
   Definition: (Teilbarkeitsrelation)
     Die ganze Zahl t ist ein Teiler der ganzen Zahl z, wenn eine ganze Zahl q mit z = q ⋅ t
     existiert.
     Schreibweise: t/z

  1.3.2 Eigenschaften der Teilbarkeitsrelation
   Reflexivität:
     Jede ganze Zahl z ist ein Teiler von sich selbst, denn es gilt z = 1 ⋅ z .
   Symmetrie?:
     Wenn eine ganze Zahl p ein Teiler der ganzen Zahl q ist, so ist ist die Zahl q dann und
     nur dann ein Teiler von p, wenn die beiden Zahlen p und q gleich sind. Die Symmetrie
     gilt demnach nicht für die Teilbarkeitsrelation.
   Antisymmetrie:
     Die Eigenschaft ∀p, q ∈ Z : p / q ∧ q / p ↔ p = q bedeutet, dass die Teilbarkeitsrelation
     antisymmetrisch ist.
   Transitivität:
     Behauptung: die Teilbarkeitsrelation ist transitiv,
     d.h. ∀p, q, r ∈ Z : p / q ∧ q / r → p / r
     Beweis:
     p / q → ∃s ∈ Z : q = p ⋅ s , q / r → ∃t ∈ Z : r = q ⋅ t
     Ersetzen in r = q ⋅ t q durch p ⋅ s : r = p ⋅ s ⋅ t .
     Damit ist p ein Teiler von r.
     Eine Relation, die wie die Teilbarkeitsrelation reflexiv, antisymmetrisch und transitiv
     ist, heißt Halbordnung.

1.4 Der Begriff der Relation
  1.4.1 Vereinbarung
     Es sei zunächst vereinbart, dass immer dann wenn wir von Relationen sprechen,
     stillschweigend zweistellige (binäre) Relationen gemeint sind. Sollten wir in speziellen
     Fällen drei und noch höherstellige Relationen meinen, werden wir dieses extra betonen.

  1.4.2 Der Abstraktionsprozess der Begriffsbildung
     Bei Relationen wird zwischen bestimmten Elementen einer Menge U und bestimmten
     Elementen einer Menge Z (die g.g.f. gleich U sein kann) eine Beziehung hergestellt:
          •    Personen, die in bestimmten Verwandschaftsbeziehungen stehen,
          •    Strecken, die z.B. die gleiche Länge haben,
          •    Geraden und Ebenen, die zueinander senkrecht stehen,
          •    ... .

                                                                    7
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                                                    1.4 Der Begriff der Relation

   Aus abstrakter Sicht ist es völlig belanglos, welchen Sinn die speziellen Beziehungen
   haben. In diesem Sinne ist das Aufstellen einer Relation nichts anderes als die Bildung
   geordneter Paare von Elementen, wobei die erste Komponente dieser Paare ein Element
   aus U und die zweite ein Element aus Z ist.
   Eine Relation ist in diesem abstrakten Sinne also nicht anderes als eine Menge
   geordneter Paare.
   Im Allgemeinen wird nicht jedes Element aus U mit jedem Element aus Z in Relation
   stehen. Es gibt dann also Paare aus UxZ, die zur Relation gehören und natürlich auch
   solche Paare aus UxZ, die nicht zur Relation gehören.
   Eine Relation zwischen den Elementen einer Menge U und einer Menge Z ist
   dementsprechend eine Teilmenge aus dem Kreuzprodukt UxZ.

1.4.3 Definition des Relationsbegriffs
 Definition: (zweistellige Relation)
   Es seien U und Z zwei nicht leere Menge.
   Jede Teilmenge des Kreuzproduktes MxN ist eine zweistellige (binäre) Relation R:
    R ⊆U ×Z .
   Die Menge U heißt Ursprungsmenge der Relation R.
   Die Menge Z heißt Zielmenge der Relation R.
   Bemerkung:
   Es gibt Relationen bei denen die Ursprungsmenge U und die Zielmenge Z identisch
   sind: U=Z=M. Wir sprechen dann von einer Relation auf einer Menge M.3
   Vereinbarung:
   Für die Aussage „Element a steht mit Element b in Relation R“ seien die folgenden
   Schreibweisen vereinbart: (a, b ) ∈ R oder aRb .
 Definition: (Relation)
  Es seien M 1 , M 2 , K, M n nichtleere Mengen. Jede Teilmenge aus M 1 × M 2 × K× M n ist
  eine (n-stellige) Relation.

1.4.4 Äquivalenzrelationen
 Definition: (Reflexivität)
   Eine Relation R auf der Menge M ist reflexiv, wenn für jedes Element a aus M aRa gilt:
   R ist reflexiv := ∀a ∈ M : aRa .
   Beispiele: Geradenparallelität, Gleichheitsrelation, Teilbarkeitsrelation.
   Gegenbeispiele: senkrecht auf der Menge der Geraden.
 Definition:(Symmetrie)
   Eine Relation R ist symmetrisch, wenn mit aRb auch bRa gilt:
   R ist symmetrisch := ∀(a, b) ∈ R : (b, a ) ∈ R
   Beispiel: Geradenparallelität,
   Gegenbeispiel: Teilbarkeitsrelation.

   3
       z.B. ist die Geradenparallelität eine Relation auf der Menge der Geraden des Raumes.

                                                                  8
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       Vorlesungen 2: Relationen                      2 Klasseneinteilungen
                                                     2.1 Die Idee der Klasseneinteilung

     Definition: (Transitivität)
      Eine Relation R ist transitiv, wenn mit aRb und bRc auch aRc gilt.
      R ist transitiv := ∀(a, b ), (b, c ) ∈ R : (a, c ) ∈ R .
      Beispiele: Geradenparallelität,
      Gegenbeispiel: senkrecht auf der Menge der Geraden.
     Definition: (Äquivalenzrelation)
      Eine Relation R heißt Äquivalenzrelation, wenn sie reflexiv, symmetrisch und transitiv
      ist.
      Beispiele: Geradenparallelität, Flächengleicheit, Ähnlichkeit von geometrischen
      Figuren, Kongruenz von geometrischen Figuren.
      Gegenbeispiele: Teilbarkeitsrelation, senkrecht auf der Menge der Geraden.

2      Klasseneinteilungen
2.1 Die Idee der Klasseneinteilung
    2.1.1 Schulklassen
       Die übliche morgendliche Hektik an der „Maier-Vorackerer“ Grund- und
       Hauptschule:
       Frau Schulze-Mackenroth zog es für heute vor, ihr Burnout-Syndrom mit Tannenzäpfle
       und Ouzo zu pflegen, weshalb sie sich kurz vor knapp bei Rektor Gendarm telefonisch
       krank gemeldet hat.
       In ihrer Grundschulklasse geht es derweilen drunter und drüber. Xulio-Dävid hat seine
       überforderte allein erziehende Mutter ausgetrickst und das Methylphenidat nicht
       genommen. Jetzt lässt er seine ADHS hemmungslos an seinen Klassenkameraden aus.
       Zu Hause bei Lehrer Steiner gab es ein weiteres mal Stress wegen der jungen blonden
       Referendarin, die Steiner betreut. Er kommt deshalb eine Stunde früher. Erleichtert
       sieht ihn Rektor Gendarm beim Anmarsch auf die Schule. Aus dem Rektoratsfenster ruft
       er Steiner zu: „Du musst ganz schnell in die Klasse von Xulio-Dävid. Es brennt mal
       wieder!“
       Damit ist eindeutig geklärt, in welche Klasse Herr Steiner gehen muss. Rein formal
       hätte Rektor Gendarm natürlich auch die Namen von anderen Schülern nennen können,
       die mit Xulio-Dävid in dieselbe Klasse gehen. An der klassischen Grund- und
       Hauptschule geht jeder Schüler in genau eine Klasse. Die Schulklassen einer solchen
       Schule sind auch im mathematischen Sinn eine Klasseneinteilung auf der Menge der
       Schüler der Schule:
            • Je zwei Schulklassen sind disjunkt zueinander, d.h. jeder Schüler gehört einer
                 und nur einer Klasse an.
            • Klassen ohne Schüler haben keinen Sinn, d.h. die leere Menge ist keine
                 Schulklasse.
            • Die Vereinigungsmenge aller Schulklassen ist die Menge aller Schüler der
                 Schule.

                                                                      9
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                                                 2.1 Die Idee der Klasseneinteilung

2.1.2  / 4
   Die Menge der ganzen Zahlen lässt sich wie folgt in 4 Teilmengen einteilen:
    0 := {K, − 8, − 4, 0, 4, 8, 12, K} , 1 := {K, − 7, − 3, 1, 5, 9, 13, K}
    2 := {K, − 6, − 2, 2, 6, 10, 14, K} , 3 := {K, − 5, − 1, 3, 7, 11, 15, K}
   Jede der vier Teilmengen hat eine besondere Qualität: Es handelt sich bei ihnen um
   mathematische Klassen. Alle vier Klassen zusammen sind eine Klasseneinteilung auf
   der Menge der ganzen Zahlen. Letzteres ergibt sich aus den folgenden drei
   Eigenschaften dieser vier Klassen:
        • Keine der vier Klassen ist leer.
        • Je zwei der Klassen sind disjunkt.
        • Die Vereinigungsmenge aller vier Klassen ist die Menge der ganzen Zahlen.
2.1.3 Der Kreis mit dem Radius r
   In der Ebene E ist jeder Kreis k durch seinen Mittelpunkt Mk und seinen Radius rk
   eindeutig bestimmt.
   Unter K wollen wir die Menge aller Kreise von E verstehen. K lässt sich unter dem
   Gesichtspunkt der Radienlänge in Teilmengen einteilen. In einer Teilmenge liegen alle
   Kreise aus K, die dieselbe Radienlänge haben. Auch diese Einteilung der Menge K in
   Teilmengen ist eine Klasseneinteilung auf der Menge K. Im Gegensatz zu der
   Klasseneinteilung /4 besteht diese Einteilung aus unendlich vielen Klassen.
        • Keine der Teilmengen ist die leere Menge.4
        • Jeder Kreis hat eine eindeutig bestimmte Radienlänge. Damit gehört jeder Kreis
             zu genau einer der Klassen. Anders ausgedrückt: Je zwei der Klassen sind
             disjunkt.
        • Die Vereinigungsmenge aller Klassen ist die Menge K.
   Der Mathematiker ist recht penibel beim Gebrauch von bestimmten und unbestimmten
   Artikeln. Von dem Kreis mit dem Radius 5 Längeneinheiten zu sprechen, erzeugt
   bereits bei Abiturienten, die Mathematik nicht abgewählt haben, ein ungutes Gefühl.
   Schließlich gibt es nicht nur einen Kreis mit dieser Radienlänge.
   Wenn trotzdem von dem Kreis mit dem Radius 5 Längeneinheiten gesprochen wird, so
   ist die gesamte Klasse aller Kreise mit der entsprechenden Radienlänge gemeint.

2.1.4 Kennst du eine, kennst du alle
   In späteren Kapiteln werden wir den Begriff der Kongruenz von Figuren genauer
   klären. Bereits auf der Grundlage des Schulwissens ist uns intuitiv klar, dass die
   Relation Figur F1 ist kongruent zu Figur F2 (in Zeichen: F1 ≅ F2 ) eine
   Äquivalenzrelation ist. Eine derartige Relation teilt die Menge, auf der sie definiert
   wurde, in Klassen ein. In einer Klasse nach der Relation F1 ist kongruent zu F2 liegen
   alle die Figuren des Raumes P, die zueinander kongruent sind.

   4
     Auch wenn wir den entarten Fall von Kreisen mit dem Radius 0 Längeneinheiten zulassen. Eine Klasse
   ist dann die Menge aller Punkte von E.

                                                                  10
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                                                 2.1 Die Idee der Klasseneinteilung

          • Jede Figur ist zumindest zu sich selbst kongruent. Die leere Menge ist
             demzufolge keine dieser Klassen.
          • Je zwei der Klassen sind disjunkt.
          • Die Vereinigungsmenge aller Teilmengen von zueinander kongruenten Figuren
           ist unser Raum P.
   Die Aussage der Disjunktheit zweier Klassen nach der Relation Kongruenz von Figuren
   soll bewiesen werden. Da es sich bei der Relation um eine Äquivalenzrelation5 handelt,
   dürfen wir die davon ausgehen, dass die Kongruenzrelation transitiv ist.
   Beweis der Disjunktheit zweier Teilmengen nach der Relation Kongruenz von Figuren:
   Wir führen den Beweis indirekt und nehmen an, dass es zwei nicht identische
   Teilmengen T1 und T2 nach der Relation Kongruenz von Figuren gibt, deren
   Durchschnitt nicht leer ist.
   Es sei jetzt F eine Figur, die sowohl zu T1 als auch zu T2 gehört. Wegen der
   Zugehörigkeit von F zu beiden dieser Teilmengen von P gelten jetzt die folgenden
   beiden Aussagen:
   (I)       ∀F1 ∈ T1 : F1 ≅ F
   (II)       ∀F2 ∈ T2 : F ≅ F2
   Wegen der Transitivität der Relation Kongruenz von Figuren folgt aus (I) und (II):
   (III)  ∀F1 ∈ T1 , F2 ∈ T2 : F1 ≅ F2
   Nach (III) sind die beiden Teilmengen T1 und T2 identisch, was ein Widerspruch zu
   unserer Annahme ist.
   Natürlich kann man eine jede nicht leere Menge nach Gutdünken in zueinander
   disjunkte Teilmengen einteilen. Man kann sich dann freuen, eine Klasseneinteilung
   erzeugt zu haben.
   Die Einteilung der Menge der Figuren des Raumes in Klassen, deren Elemente
   zueinander kongruente Figuren sind, ergibt jedoch einen weiteren Aspekt im Sinne der
   für diesen Abschnitt gewählten Überschrift: Hat man eine Figur einer Klasse
   untersucht, so weiß man im Wesentlichen auch alles über die weiteren Figuren dieser
   Klasse. Wenn z.B. ein Repräsentant einer Figurenklasse den Flächeninhalt 5 cm2 hat, so
   haben auch alle weiteren Figuren dieser Klasse diesen Flächeninhalt.

2.1.5 Heidelberger Impressionen, ein Gegenbeispiel
   In der Heidelberger Altstadt sieht auch außerhalb der regulären Faschingszeit gar
   komisch anzusehende Narren. Sie tragen lustige Kappen und hübsche Schärpen über
   der Brust. Insbesondere japanische Touristen freuen sich über den Anblick dieser
   Spezies der Heidelberger Studentenschaft, die allgemein als die Korporierten
   bezeichnet wird.
   Dem ungeübten Beobachter mag der eine Korporierte wie der andere vorkommen.
   Auch dem Touristen aus Fernost ist es völlig egal, welcher Studentenverbindung

   5
    Diese Aussage ist uns bis dato natürlich nur intuitiv klar. An späterer Stelle werden wir einen exakten
   Beweis nachliefern.

                                                                  11
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                              2.2 Die Beziehung zwischen Klasseneinteilungen und Äquivalenzrelationen

     Jurastudent Siegfried Seidel angehört, wenn er nur artig versteht, sein Bier zu trinken
     und dabei schöne Heidelberger Lieder zum Vortrage bringen kann.
     Dem Eingeweihten ist aber schon klar, dass die Aufteilung der Heidelberger
     Korporierten auf die Verbindungen Frankonia, Allemania und wie sie alle heißen
     mögen eine Klasseneinteilung auf eben dieser Menge der Korporierten ist.
     Der altlinke Besucher von „Sonderbar“ und „Karl“ dagegen freut sich über den
     Umstand, dass diese Teilmengen der Korporierten keine Klasseneinteilung auf der
     Menge der Heidelberger Studierenden ist.

2.2 Die Beziehung zwischen Klasseneinteilungen und Äquivalenzrelationen
  2.2.1 Definition des Begriffs der Klasseneinteilung
   Definition: (Klasseneinteilung)
     Es sei M eine Menge. K sei eine Menge von Teilmengen der Menge M. K heißt genau
     dann Klasseneinteilung von M, wenn die folgenden Eigenschaften erfüllt sind:
     (I)     { }∉ K ,
     (II)        ∀T1 , T2 ∈ K : T1 ∩ T2 = { },
     (III)       U      =M.
                 Ti∈K

    Wegen der Eigenschaft I und dem Umstand, dass die leere Menge nur sich selbst als
    Teilmenge hat, ist die Gültigkeit des folgenden Satzes unmittelbar einsichtig:
   Satz 1:
    Es existiert keine Klasseneinteilung der leeren Menge.

  2.2.2 Klasseneinteilung und zugehörige Äquivalenzrelation
     Jede Klasseneinteilung K einer Menge M zieht eine Relation in folgendem Sinne nach
     sich:
   Definition:( Relation, die eine Klasseneinteilung nach sich zieht)
     Es sei M eine Menge und K eine Klasseneinteilung von M.
     Je zwei Elemente a und b der Menge M stehen in der Relation RK zueinander, wenn
     eine Klasse T aus K existiert, zu der sowohl a als auch b gehört.
     Anders ausgedrückt: a und b gehören zu ein und derselben Klasse von K.
     Formal: ∀a, b ∈ M : aRK b :⇔ ∃T ∈ K : a ∈ T ∧ b ∈ T .
    Nach den Beispielen, die wir bezüglich der Klasseneinteilungen und
    Äquivalenzrelationen betrachtet haben, ist es nicht sehr überraschend, dass die eben
    definierte Relation RK die Eigenschaften einer Äquivalenzrelation erfüllt.
   Satz 2:
    Jede Relation RK nach einer Klasseneinteilung ist eine Äquivalenzrelation.
   Beweis:
    Es sei M eine Menge und K eine Klasseneinteilung von M.
    Ferner sei die Relation RK entsprechend obiger Definition eingeführt:
     ∀a, b ∈ M : aRK b :⇔ ∃T ∈ K : a ∈ T ∧ b ∈ T

                                                                    12
                        Einführung in die Geometrie, Skript zur gleichnamigen Vorlesung im Wintersemester 2007/2008
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                            2.2 Die Beziehung zwischen Klasseneinteilungen und Äquivalenzrelationen

   Wir haben zu zeigen, dass RK eine Äquivalenzrelation ist.
        • Reflexivität von RK:
             Da K eine Klasseneinteilung ist, gehört jedes Element von M zu genau einer
             Klasse von K. Selbstverständlich liegt jedes Element von M mit sich selbst in
             derselben Klasse.
        • Symmetrie von RK:
             Die Symmetrie ist unmittelbar einsichtig: Wenn das Element a aus M mit dem
             Element b aus M in derselben Klasse von K liegt, dann liegt natürlich auch
             anders herum b mit a in dieser Klasse.
        • Transitivität von RK:
             Es ist zu zeigen: Für alle a, b, c aus M gilt:
             Wenn aRKb und bRKc dann auch aRKc.
             Entsprechend der Definition der Relation RK lässt sich die Behauptung wie folgt
             „übersetzen“:
             Wenn a und b in derselben Klasse liegen und b und c in derselben Klasse liegen,
             dann liegen auch a und c in derselben Klasse.
             Mit dieser Übersetzung ist unser Beweis auch schon abgeschlossen.

2.2.3 Äquivalenzrelationen und zugehörige Klasseneinteilungen
 Satz 3:
   Jede Äquivalenzrelation R auf einer Menge M erzeugt auf M eine Klasseneinteilung.
 Beweis:
   Es sei R eine Äquivalenzrelation auf der Menge M.
   Wir konstruieren eine Zerlegung von M in eine Menge K von Teilmengen auf die
   folgende Art und Weise:
   Es sei a ein beliebiges Element aus M. Alle Elemente b aus M, zu denen a in der
   Relation R steht, gehören zu einer Teilmenge Ta von M:
    Ta := {b / b ∈ M ∧ aRb}
   Die Menge aller Teilmengen, die man auf diese Weise gewinnt, bilden unsere Menge K
   von Teilmengen von M:
   K := {Tx / x ∈ M }
   Es ist jetzt zu zeigen, dass K die Eigenschaften einer Klasseneinteilung erfüllt:
        • Die leere Menge gehört nicht zu K, denn jedes Element a von M steht wegen der
             Reflexivität von R mit sich selbst in der Relation R.
        • Zwei beliebige Teilmengen Ta und Tb aus K sind entweder identisch oder
             disjunkt:
             Ta := {c / c ∈ M ∧ aRc} , Tb := {d / d ∈ M ∧ bRd}
             Es existieren jetzt genau zwei Fälle:
             Fall 1: aRb (a steht in der Relation R zu b)

                                                                  13
                      Einführung in die Geometrie, Skript zur gleichnamigen Vorlesung im Wintersemester 2007/2008
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                         2.2 Die Beziehung zwischen Klasseneinteilungen und Äquivalenzrelationen

                     In diesem Fall steht wegen der Transitivität von R a zu jedem Element
                     von Tb in Relation. Dementsprechend ist Tb eine Teilmenge von Ta:
                     Tb ⊆ Ta
                     Andererseits steht b wegen der Symmetrie und der Transitivität von R
                     in der Relation R zu jedem Element von Ta. Ta ist demzufolge eine
                     Teilmenge von Tb:
                     Ta ⊆ Tb
                     Aus Tb ⊆ Ta und Ta ⊆ Tb folgt die Identität der Mengen Ta und Tb.
          Fall 2: ¬aRb (a steht nicht in der Relation R zu b)
                   In diesem Fall sind die beiden Teilmengen disjunkt zueinander. Für den
                   Beweis dieser Aussage nehmen wir an, dass Ta und Tb nicht disjunkt
                   zueinander sind.
                   Unter dieser Annahme existiert wenigstens ein Element c aus M, das
                   sowohl zu Ta als auch zu Tb gehört. Die Zugehörigkeit von c zu den
                   beiden Teilmengen Ta und Tb bedeutet nicht anderes, als dass sowohl
                   aRc als auch bRc gilt. Wegen der Symmetrie der Relation R gilt dann
                   natürlich auch cRb. Aus aRc und cRb folgt wegen der Transitivität von
                   R, dass a in der Relation R zu b steht.
                   Letzteres ist ein Widerspruch zur Voraussetzung des Falls 2.
     • Die Vereinigung aller Teilmengen Tx mit x aus M ist die Menge M selbst.
          Jedes Element von M steht wegen der Reflexivität von R zu sich selbst in der
          Relation R. Demzufolge gehört jedes Element von M zu einer der konstruierten
          Teilmengen. Damit ist die Vereinigung aller konstruierten Teilmengen von M
          die Menge M selbst.

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                   Einführung in die Geometrie, Skript zur gleichnamigen Vorlesung im Wintersemester 2007/2008
                                  ph-heidelberg.de/wp/gieding/lehre/geometrieeinfuehrung/
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