Globale Szenarien und Prognosen zur Energieversorgung im Vergleich - ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND
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Globale Szenarien und Prognosen zur Energieversorgung im Vergleich ENERGIE FÜR DEUTSCHLAND Sonderveröffentlichung
Bedeutung der Corona-Pandemie für Szenarien Aktuelle Vorhersagen über die globale Entwicklung der Energiemärkte können natürlich noch nicht die derzeitigen Veränderungen im Zusammenhang mit der Corona Krise berücksichtigen. Auch jetzt – im Frühjahr 2020 – ist es noch nicht möglich, Dauer, Intensität und Verlauf der Pandemie auf Weltwirtschaft und auf Energiemärkte greifbar einschätzen zu können. Bei der vorliegenden Sonderveröffentlichung ist als Basis von einem Stand vor Ausbruch der Corona Krise ausgegangen worden. Aufbauend auf den World Energy Scenarios analysiert der Weltenergierat derzeit unter Mithilfe seiner Mitglieder, wie sich Energiemärkte, internationale Zusammenarbeit, Klimaschutz oder Transformation der Energiewirtschaft nach der Krise entwickeln könnten. Die Umfrageergebnisse und Diskussionen heben drei Themen hervor: 1. Steigende Bedeutung der gesellschaftlichen Widerstandsfähigkeit: Dabei steht die Stabilität der Energieversorgung genauso im Fokus wie die Resilienz von Menschen, Kontrollsystemen, ganzer Sektoren sowie der finanziellen Sta- bilität einzelner Firmen. Hierbei gilt es, nicht ein Risiko unabhängig von den anderen zu betrachten, sondern die Möglichkeit mehrfacher Schocks und kaskadierender Krisen wie Pandemien, Auswirkungen des Klimawandels, Extremwetterereignisse und Cybersicherheit im Blick zu haben. 2. Digitale Beschleunigung: Auf der positiven Seite werden höhere Produktivität und neue Arbeitsweisen erwartet, auf der negativen Seite eine stärkere gesellschaftliche Spaltung durch digitale Qualifikationslücken bis hin zur ver- stärkten Gefahr von Datenmissbrauch und Cyberangriffen. Es wird eine neue Geopolitik im Umgang mit Daten ge- ben. 3. Rolle fundamentaler Normen in der Klimapolitik: Gestaltung von tiefgreifenden Richtlinien und durchgreifender Politik sowie drastischer Innovationen in Unternehmen, gesellschaftlich aktiviert von unten nach oben. Impressum Globale Szenarien und Prognosen zur Energieversorgung im Vergleich Redaktionsschluss: April 2020 Herausgeber: Weltenergierat – Deutschland e.V. Gertraudenstraße 20 | 10178 Berlin Deutschland T (+49) 30 2061 6750 F (+49) 30 2028 2462 E info@weltenergierat.de www.weltenergierat.de WEC_Deutschland Mit freundlicher Unterstützung der innogy SE Autoren: Dr. Hans-Wilhelm Schiffer (Mitglied im Studies Committee des WEC | Lehrbeauftragter an der RWTH Aachen) Burkhard von Kienitz (Mitglied im Studies Committee des WEC | Lehrbeauftragter an der TU München | E.ON SE) Druck: DCM Druck Center Meckenheim GmbH www.druckcenter.de Titelbild: © Richard – stock.adobe.com 2
Vorwort Liebe Leserin, lieber Leser, Die Energiewirtschaft steht weltweit vor großen Heraus- dern aus Wissenschaft, Politik, Industrie und Verbänden forderungen. Wir befinden uns mitten in einer grundle- neutral und unabhängig auf den Energiebereich zu bli- genden Transformation – weg von zentralen, top-down cken. Mir selbst ist dieser Blick sehr wichtig und ich organisierten Versorgungssystemen hin zu dekarbonisier- empfinde die interdisziplinäre und globale Zusammen ten, digitalen, dezentralen aber auch stark volatilen Sys- arbeit als sehr bereichernd. So beziehen wir in die Erar- temen. Und dabei müssen unsere Unternehmen sich beitung unserer World Energy Scenarios schon länger immer resilienter aufstellen – Cyberangriffe, extreme Wet- wichtige Einflüsse und gesellschaftliche Veränderungen terereignisse, Pandemien oder andere Ereignisse fordern außerhalb des Energiebereichs ein, wie Urbanisierung, Energiesysteme und Mitarbeiter immer stärker heraus. Bevölkerungsentwicklung oder Mobilität. Natürlich be- fassen wir uns auch mit anderen Studien und haben uns Wie werden sich unsere Märkte im Rahmen dieser Trans- jetzt zur Veröffentlichung einer umfassenden Synopse formation entwickeln? Was hält die Zukunft für uns be- vieler am Markt verfügbarer Szenarien und Prognosen reit? Dazu gibt es eine Vielzahl von Prognosen und Sze- entschieden. Vielleicht beantwortet die Lektüre viele Fra- narien – in den letzten Ausgaben der „Energie für gen, hoffentlich weckt sie aber auch Ihr Interesse, selber Deutschland“ haben wir einige vorgestellt. Im letzten Studien zur Hand zu nehmen und festzustellen, wie viel Jahr haben wir zudem systematische Unterschiede und man aus diesen Arbeiten lernen kann. Im Übrigen lernt grundlegend verschiedene Zielsetzungen aufgezeigt – man meiner Erfahrung nach auch dann, wenn man eine von plausiblen Szenarien bis zu normativen Ansätzen Studie nach sorgfältiger Prüfung verwirft, zum Beispiel, (EfD 2019, Artikel 2.2). weil man den Prämissen nicht folgt. Es lohnt sich auf jeden Fall trotz aller Unsicherheit für Die engagierte Mitarbeit im Weltenergierat kann für Un- alle Entscheider im Energiebereich, auf Grundlage ver- ternehmen und Politik gerade jetzt besonders wichtig schiedener Vorausschätzungen sowohl die Strategie des sein: dieses vielseitige Netzwerk von unterschiedlichsten Unternehmens als auch das Geschäftsmodell insgesamt Experten kann besonders schnell und qualifiziert auf so zu überprüfen: Sind wir robust genug und zukunftsfähig unerwartete Ereignisse wie COVID-19 wichtige und für aufgestellt? Das erfordert eine sehr gründliche Auseinan- die eigene strategische Ausrichtung wegweisende Ant- dersetzung mit möglichen Entwicklungen und man sollte worten finden. dabei flexibel, offen und selbstkritisch bleiben. Denn es besteht die Gefahr, dass wir uns in Gesellschaft, Politik Ich wünsche Ihnen eine spannende Lektüre und hoffe und Unternehmen immer stärker gegen das wappnen, auf Ihre Mitarbeit! was schon passiert ist, als gegen das, was noch passie- ren könnte. Zudem neigen wir dazu, von der Zukunft eher eine lineare Fortschreibung dessen zu erwarten, was wir gerade erlebt haben. Können wir so disruptive Ereignisse erkennen – wenn zum Beispiel technische Innovationen, veränderte Kundenerwartungen und poli- tisch-regulatorische Vorgaben zusammentreffen? Dr.-Ing. Leonhard Birnbaum World Energy Council – Chair of Studies Committee Die Mitarbeit im Weltenergierat bietet eine einzigartige innogy SE – CEO Möglichkeit, in einem weltweiten Netzwerk aus Entschei- E.ON SE – Member of Board 3
Executive Summary Globale Szenarien und Prognosen zur 4. Die weltweite Stromnachfrage erhöht sich überpropor- Energieversorgung im Vergleich tional stark. Dies ist insbesondere zurückzuführen auf den vermehrten Stromeinsatz als Mittel zur Dekarbonisie- Energieszenarien und -prognosen sind keine Prophezei- rung im Verkehrs- und Wärme- bzw. Kältesektor. Für den ungen, dennoch geben sie Orientierung für Entscheider Anstieg im Stromverbrauch sind fast ausschließlich die aus Wirtschaft und Politik, für die Wissenschaft und die Entwicklungs- und Schwellenländer verantwortlich. Gesellschaft im Allgemeinen. Sie helfen dabei, weltweite Trends zu erkennen und einzuordnen. In diesem Bericht 5. Neue Technologien drängen auf den Markt, insbeson- wurden die aktuellen Ergebnisse der Prognosen und Sze- dere die Digitalisierung schreitet voran. Dies bringt ver- narien sowie ihre Methodologien und Annahmen folgen- schiedene Sektoren enger zusammen und neue Akteure der Institutionen dargestellt: Internationale Energie-Agen- im Energiesektor in Erscheinung. Das Energiesystem tur, Energy Information Administration, Shell, ExxonMobil, wird intelligenter, transparenter und effizienter. Zugleich BP, Equinor, DNV-GL, McKinsey und World Energy Coun- entstehen neue Risken in der Energieversorgung wie Cy- cil. Trotz aller Differenzen in Methodik und Erkenntnis berangriffe. Aber auch Technologien wie Carbon Capture lassen sich deutliche Gemeinsamkeiten in der Bewer- and Usage/Storage (CC(U)S) werden in großen Umfang tung der zukünftigen globalen Energieversorgung erken- Umsetzung finden aufgrund von Klimaschutzpolitik. nen, teilweise bis zum Jahr 2040 oder sogar bis zum Ende des Jahrhunderts. 6. Die ökonomischen und die geopolitischen Schwer- punkte verschieben sich in den nächsten Jahrzehnten in 1. Die künftigen Zuwachsraten im globalen Energiever- Richtung Asien. Aufgrund des Bevölkerungs- und Wirt- brauch fallen deutlich niedriger aus als in der Vergangen- schaftswachstums werden insbesondere China und Indi- heit, trotz Wirtschaftswachstum und Bevölkerungszu- en technologische Entwicklungen treiben. Die beiden wachs. Diese Entwicklung ist vor allem auf eine Staaten allein werden zwei-Drittel der weltweiten Kohle- gesteigerte Energieeffizienz zurückzuführen. Der Zu- nachfrage Mitte des Jahrhunderts bestimmen, aber auch wachs am Energieverbrauch geht vor allem auf die Ent- zunehmend eine bestimmende Größe in der internatio- wicklungs- und Schwellenländer (Nicht-OECD-Staaten) nalen Politik darstellen. Dies hat Implikationen für Han- zurück. delsströme, zukünftige Konflikte um Ressourcen und neue zwischenstaatliche Beziehungen in der Zukunft. 2. Die Transformation der Energieversorgung ist ein welt- weites Phänomen. Neben der Steigerung der Energieeffi- 7. Klimafragen gewinnen an Bedeutung. Damit verän- zienz zeigt dies vor allem die Ausbreitung von erneuerba- dern sich heutige Strukturen, denn das Energiesystem ren Energien. Sinkende Technologiepreise und die muss Klimaschutzmaßnahmen umsetzen, aber sich zu- Anpassung von politischen Rahmenbedingungen zu gleich auch an veränderte Klimaverhältnisse wie Wasser- Gunsten einer nachhaltigen Energieversorgung sind Trei- knappheit, höhere Temperaturen oder extreme Wettersi- ber dieser Entwicklung. tuationen anpassen. In keinem der plausiblen Szenarien werden die Pariser Klimaziele erreicht. Die Dekarbonisie- 3. Anders als in den letzten Jahrzehnten wird das Wachs- rung von Industrie und Verkehr bilden die größte Heraus- tum des Primärenergieverbrauchs und insbesondere des forderung. Stromverbrauchs praktisch vollständig durch erneuerba- re Energien, vor allem Wind und Solar, gedeckt. Weltweit werden bereits heute mehr Investitionen in erneuerbare Energien getätigt als in fossile Energien. 4
Globale Szenarien und Prognosen zur Energieversorgung im Vergleich Charakterisierung von Szenarien und In Prognosen wird versucht, die künftige Entwicklung – in Prognosen der Regel modellgestützt – auf Basis von als wahrschein- lich angenommenen Parametern unter anderem zur Ent- Szenarien und Prognosen sind ein unverzichtbares wicklung von Demografie, Wirtschaftsleistung, Welt- „Werkzeug“ für die Strategieerarbeitung von Unterneh- marktpreisen für Energie, technologischen Innovationen men ebenso wie für die Entscheidungsfindung der Poli- und politischer Rahmensetzung darzulegen. Szenarien tik. Angesichts der langfristigen Auswirkungen von Inves- sind dagegen grundsätzlich nicht als Vorhersagen zu ver- titionen gilt dies in besonderer Weise für die stehen. Dies gilt für exploratorische ebenso wie für nor- Energieversorgung. Ausblicke zu diesem Sektor können mative Szenarien. Auch als „Outlook“ ausgewiesene Stu- sich auf Teilbereiche, wie etwa den Stromsektor, oder auf dien zeigen nicht unbedingt eine als wahrscheinlich Angebot und Nachfrage aller Energieträger und -techno- angesehene Entwicklung auf. Beispielhaft können dafür logien beziehen. Unterscheidungsmerkmale sind ferner die Szenarien Current Policies und Stated Policies des die geografische Abgrenzung (z. B. einzelne Staaten, EU/ World Energy Outlook 2019 der International Energy Europa oder Welt) und auch der gewählte Zeithorizont. Agency (IEA) genannt werden. Eintrittswahrscheinlich- Maßgeblich für die Bewertung der Ergebnisse entspre- keiten sind diesen Szenarien nicht zugeordnet. Vielmehr chender Zukunftsaussagen ist der zugrunde gelegte me- wird aufgezeigt, wohin unterstellte Entwicklungen führen thodische Ansatz. würden. Dies trifft auch für das Sustainable Development Scenario der IEA zu. Darin wird abgeleitet, was passieren müsste, um die Ziele der Vereinten Nationen für eine nachhaltige Entwicklung zu erreichen. Abbildung 1: Einordnung verschiedener globaler Szenarien und Projektionen zur Energieversorgung nach Kategorien Exploratorische Projektionen Normative Szenarien Organisation/Studie (Plausible) Szenarien • Current policies (CP) • Sustainable Development IEA (2019) World Energy Outlook to 2040 (SD) • New policies (NP) EIA (2017) International Energy Outlook • Reference Case (RC) bis 2040 Shell (2013/18) New Lens Scenarios • Mountain (M) • Sky (S) Mountain Ocean (2013) and Sky (2018) • Ocean (O) to 2010 ExxonMobil 2019 Outlook for Energy: • Reference A Perspective to 2040 • Evolving Transition • Rapid Transition (RT) BP (2019) Energy Outlook to 2040* (ET) Equinor (2019) Energy Perspectives • Reform (Rf) • Renewal (Rn) to 2050 • Rivalry (Rv) DNV GL (2019) Energy • A single forecast of Transition Outlook to 2050 the energy future McKinsey (2019) • Reference Case (RC) Global Energy Perspective 2019 • Modern Jazz (MJ) WEC (2019) World Energy Scenarios • Unfinished Symphony to 2050 (US) • Hard Rock (HR) * zusätzlich sind in der BP-Studie „Alternative“Szenarien ausgewiesen, wie u.a. „More Energy, Less Globalization“ 5
Neben der International Energy Agency legen eine Reihe industriellen Niveau), universeller Zugang zu zeitge- weiterer Institutionen und Unternehmen regelmäßig Ana- mäßer Energie bis 2030 und drastische Reduzierung lysen zur künftigen weltweiten Entwicklung von Angebot der Luftverschmutzung. Dies sind die drei Bereiche, in und Nachfrage im Energiebereich vor. Dies sind insbe- denen die Entwicklung im Stated Policies Scenario sondere der World Energy Council (WEC), die U.S. Ener- hinter den Erfordernissen zurückbleibt. gy Information Administration (EIA), die internationalen Öl- und Gaskonzerne ExxonMobil, Shell, BP und Equinor Das Stated Policies Scenario wird von der IEA als das sowie die Beratungsunternehmen DNV GL und McKin- zentrale Szenario klassifiziert. Diese Wahl macht, wie in sey. In Abb. 1 erfolgt eine Einordnung verschiedener der Szenario-Technik üblich, keine Aussage über die globaler Studien, die seit Anfang 2019 vorgelegt worden Wahrscheinlichkeit des Eintretens oder die Wünschbar- sind. Berücksichtigt sind der die World Energy Scenarios keit dieses oder eines der anderen Szenarien. Vielmehr 2019 des World Energy Council, der World Energy Out- werden die Entwicklungstrends veranschaulicht, die sich look 2019 der International Energy Agency, der Internati- unter den jeweiligen Rahmenbedingungen nach Ein- onal Energy Outlook 2019 der U.S. Energy Information schätzung der IEA abzeichnen. Angesichts der Klassifi- Administration, die Shell-Szenarien und darunter insbe- kation des Stated Policies Scenarios als zentrales Szena- sondere das Szenario Sky aus dem Jahr 2018, der 2019 rio konzentrieren sich die folgenden Aussagen darauf. Outlook for Energy: A Perspective to 2040 von ExxonMo- bil, der BP Energy Outlook – 2019 Edition, die Energy Der weltweite Primärenergieverbrauch nimmt von 14,3 Perspectives 2019 von Equinor, sowie der Energy Transi- Milliarden Tonnen Öläquivalent (Mrd. toe) im Jahr 2018 tion Outlook von DNV GL und die Global Energy Perspec- um 24 % auf 17,7 Mrd. toe im Jahr 2040 zu (Abb. 2). tive 2019: Reference Case von McKinsey. Das ist mit durchschnittlich 1,0 % pro Jahr eine deutlich geringere Zunahme als in der Vergangenheit. Entschei- dend sind der Anstieg der Weltbevölkerung von 7.602 World Energy Outlook 2019 der IEA Millionen im Jahr 2018 auf 9.172 Millionen im Jahr 2040 sowie die weiter zunehmende Wirtschaftsleistung. Die Im November 2019 hat die International Energy Agency Hälfte des erwarteten Anstiegs der Weltbevölkerung wird den World Energy Outlook 2019 (WEO 2019) vorgelegt. der Entwicklung in Afrika zugeschrieben. Die Zahl der Dem Ausblick mit Zeithorizont 2040 liegen drei Szenari- dort lebenden Menschen nimmt in dem genannten Zeit- en zugrunde, für die – abhängig von den jeweils getroffe- raum von 1.287 Millionen auf 2.095 Millionen zu. Der in nen Annahmen – ein quantifizierter Ausblick zur Ent- den kommenden zwei Jahrzehnten erwartete Zuwachs wicklung von Angebot und Nachfrage nach Energieträgern im Energieverbrauch ist so groß, wie der heutige Energie- unter Differenzierung nach Weltregionen gegeben wird. verbrauch von Nordamerika und Russland zusammen. Bei den Szenarien handelt es sich ausdrücklich nicht um Der Anstieg im Energieverbrauch erklärt sich ausschließ- Prognosen sondern um – unter den getroffenen Annah- lich durch die verstärkte Nachfrage in den Entwicklungs- men – mögliche konsistente Zukunftsbilder. und Schwellenländern (Abb. 3). • Das Szenario Current Policies (CP) geht von unverän- Vom gesamten Zuwachs im globalen Primärenergiever- derten energie- und klimapolitischen Rahmenbedin- brauch wird in etwa jeweils die Hälfte durch erneuerbare gungen aus, berücksichtigt also nur die bis Mitte 2019 und durch konventionelle Energien gedeckt. Die einzel- rechtlich verbindlich in Kraft gesetzten Regelungen. nen Energiearten verzeichnen eine unterschiedliche Ent- wicklung: • Das Szenario Stated Policies (SP) zeigt auf, wie sich das Energiesystem bei Zugrundelegung der aktuellen • Der Verbrauch an Erdöl erhöht sich global bis 2040 Politik und der bis Mitte 2019 angekündigten (stated) um 9 %. Wichtigster Treiber ist die wachsende Nach- Pläne entwickeln könnte. frage des Transportsektors und der Petrochemie. • Das Szenario Sustainable Development (SD) be- • Der Verbrauch an Kohle nimmt weltweit bis 2040 um schreibt einen integrierten Ansatz zur Verwirklichung 1 % ab. Zunahmen im Kohleverbrauch werden im der energiebezogenen Aspekte der UN-Ziele für nach- Wesentlichen nur noch in einer Reihe von Entwick- haltige Entwicklung, d. h. entschlossene Klimaschutz- lungs- und Schwellenländern in Asien, vor allem in maßnahmen im Einklang mit dem Pariser Klima-Ab- Indien, erwartet. In China wird bis 2040 mit einem kommen (Begrenzung des globalen Temperaturan- Rückgang des Kohleverbrauchs um 9 % gegenüber stiegs auf unter 2 Grad Celsius im Vergleich zum vor- 2018 gerechnet. Für die EU wird eine Reduktion des 6
Abbildung 2: Entwicklung des Primärenergieverbrauchs gemäß den Szenarien der IEA in Mtoe 19.177 20.000 5% 17.723 9% 7% 3% 14.314 2% 10 % 3% 15.000 Andere 13.279 Erneuerbare 9% 5% 5% 3% 25 % 17 % 1% 5% Biomasse 10.027 25 % 12 % 4% 10.000 10 % 2% 23 % Wasserkraft 7% 9% 21 % 29 % 31 % 28 % 24 % Kernenergie 5.000 36 % Gas 23 % 27 % 23 % Öl 21 % 23 % 11 % 0 Kohle 2000 2018 Current Stated Sustainable Policies Policies Development 2040 Quelle: International Energy Agency, World Energy Outlook 2019 Abbildung 3: Zuwachs im Primärenergieverbrauch nach Weltregionen 2018 bis 2040 in Mtoe gemäß Stated Policy Scenario 97 Eurasien Europa Nordamerika –277 –28 China Japan 785 –81 Mittlerer 443 Osten Indien 925 413 Südost-Asien 480 Mittel- und 253 Südamerika Afrika 399 Andere asiatische Staaten und Australien/Neuseeland Quelle: International Energy Agency, World Energy Outlook 2019 7
Kohleverbrauchs um 73 %, für die USA um 40 % im Die weltweite Stromnachfrage nimmt bis 2040 mit 2,0 % Vergleich zu 2018 ausgewiesen (Abb. 4). pro Jahr und damit doppelt so stark zu wie der Primär- energieverbrauch (Abb. 5). Für den Anstieg im Stromver- • Erdgas ist der einzige fossile Energieträger, dessen brauch sind zu fast 90 % die Entwicklungs- und Schwel- Anteil am Weltenergieverbrauch bis 2040 zunimmt, lenländer verantwortlich, zu zwei Drittel in Asien. Die bis und zwar von 23 % auf 25 %. In der zweiten Hälfte 2040 errechnete Zunahme im globalen Stromverbrauch der 2020er Jahre löst Erdgas damit die Kohle als hat eine Dimension, die der Summe des heutigen Strom- zweitwichtigsten Energieträger – nach Erdöl – ab. verbrauchs der USA, der EU-28 und Chinas entspricht. Nach Energieträgern zeichnet sich folgende Entwicklung • Die Perspektiven der Kernenergie haben sich im Ver- ab: gleich zu den in den Jahren zuvor aufgezeigten Pers- pektiven drastisch eingetrübt. Der bis 2040 erwartete • Die weltweite Stromerzeugung aus erneuerbaren Zuwachs entspricht ‚nur noch‘ 28 %. Im WEO 2016 Energien steigt im Zeitraum 2018 bis 2040 um 165 %. war noch ein Plus von 78 % angesetzt worden. Damit decken die erneuerbaren Energien rund drei Viertel des gesamten Zuwachses der Stromnachfrage • Die Produktion erneuerbarer Energien erhöht sich bis ab. Der Anteil der erneuerbaren Energien an der glo- 2040 um 83 %; deren Anteil am Primärenergiever- balen Stromerzeugung steigt von 26 % im Jahr 2018 brauch steigt von 14 % im Jahr 2018 auf 21 % im auf 44 % im Jahr 2040. Jahr 2040. • Die Stromerzeugung aus Kohle legt demgegenüber Der Anteil der fossilen Energien, also von Kohle, Erdöl nur um 3 % zu. Damit sinkt der Anteil von Kohle an und Erdgas, am Primärenergieverbrauch verringert sich der weltweiten Stromerzeugung von 38 % im Jahr von 81 % im Jahr 2018 auf 74 % im Jahr 2040. 2018 auf 25 % im Jahr 2040. Kohle wird als Haupt- brennstoff für die Stromerzeugung von den erneuer- baren Energien abgelöst. Abbildung 4: Entwicklung des Verbrauchs an Kohle nach Staaten/Weltregionen bis 2040 in Mtce im Stated Policy Scenario 763 2000 2018 2040 USA 451 272 459 EU 319 87 129 Afrika 159 161 955 China 2.834 2.568 208 Indien 586 1.157 45 Südost-Asien 204 389 0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 3.000 Quelle: International Energy Agency, World Energy Outlook 2019 8
Abbildung 5: Entwicklung der Stromerzeugung gemäß den Szenarien der IEA in TWh 45.000 42.824 41.373 38.713 22 % Andere 29 % Erneuerbare 30.000 25.603 14 % Wasserkraft 15 % 49 % 10 % 8% 16 % 8% 15.441 10 % 24 % 2% 18 % 15.000 17 % 23 % 22 % Kernenergie 1% 17 % 3% 1% 11 % Gas 18 % 8% 30 % 38 % 25 % 14 % Öl 39 % 1% 0 6% Kohle 2000 2018 Current Stated Sustainable Policies Policies Development 2040 Quelle: International Energy Agency, World Energy Outlook 2019 • Die Stromerzeugung aus Erdgas erhöht sich in absolu- quenzen im Vergleich zum Szenario Stated Policies erfol- ten Größen um 45 %. Der Anteil von Erdgas an der gen: Stromerzeugung sinkt nur leicht von 23 % auf 22 %. • Stabilisierung des gesamten Primärenergieverbrauchs • Der Beitrag von Öl zur Stromerzeugung vermindert in etwa auf heutigem Niveau durch verstärkte Energie- sich von 3 % auf unbedeutende 1 %. effizienz • Der Zubau von Kernkraftwerken (Abb. 6) konzentriert • Drastischer Rückgang im Verbrauch insbesondere sich auf Länder, in denen diese Technologie staatliche von Kohle, aber auch von Öl und Erdgas Unterstützung erfährt. Dies sind vor allem China, Indi- en und Russland sowie auch Staaten des Mittleren • Fast Verdoppelung des Beitrags der Kernenergie ge- Ostens. Weltweit verringert sich der Anteil der Kern- genüber dem heutigen Stand energie an der Stromerzeugung von 10 % im Jahr 2018 auf 8 % im Jahr 2040. • Nahezu Verzehnfachung der Nutzung neuer erneuer- barer Energien, insbesondere Wind und Sonne, bei Die globalen energiebedingten CO2-Emissionen nehmen gleichzeitigem Ausbau der Nutzung auch von Wasser- bis 2040 noch um 7 % im Vergleich zu 2018 zu. Zwar kraft und Biomasse. flacht sich der Emissionsanstieg im Vergleich zur Vergan- genheit deutlich ab. Allerdings würde damit das Ziel, den Der Anteil erneuerbarer Energien erhöht sich bis 2040 im Temperaturanstieg auf unter 2 Grad Celsius zu begren- Sustainable Development Scenario, und zwar auf 34 % zen, deutlich verfehlt. des Primärenergieverbrauchs und auf 67 % der weltwei- ten Stromerzeugung. In dem IEA-Szenario Sustainable Development wird u. a. aufgezeigt, wie die CO2-Emissionen verlaufen müssten, Bewertung: Die Ergebnisse des WEO der IEA sind geprägt um sie in Einklang mit dem Pariser Klimaabkommen zu durch die in den Modellrechnungen getroffenen Annah- bringen – Rückgang um 52 % bis 2040 im Vergleich zu men. Die unterstellten Kosten für die verschiedenen 2018. Um diesem Zielszenario gerecht zu werden, müss- Energietechnologien haben ebenso einen großen Einfluss ten Weichenstellungen mit vor allem folgenden Konse- auf die Ergebnisse wie die Annahmen zu den künftigen Preisen für CO2. Das zeigt insbesondere ein Vergleich 9
Abbildung 6: Weltweiter Zubau an Stromerzeugungskapazität nach Energieträgern bis 2040 2019 bis 2040 erwarteter weltweiter Zubau von Stromerzeugungs- Kapaziät von 8.473 GW im Stated Policies Scenario (davon knapp ein Drittel Ersatz bestehender Anlagen) entspricht ... Erneuerbare Kern- Energien Kohle Gas Öl energie … 37 x im Vergleich zur heutigen Stromerzeugungskapazität in Deutschland (225 GW) Quelle: International Energy Agency, World Energy Outlook 2019 zwischen dem Szenario Stated Policies und dem Zielsze- bis 2050 wird nicht prognostiziert, was geschehen wird; nario Sustainable Development. Vergleicht man die aktu- vielmehr werden in verschiedenen Szenarien die Auswir- ell von der IEA vorgelegten Ergebnisse mit den Modell- kungen unterschiedlicher Annahmen aufgezeigt. Im Mit- rechnungen der Vergangenheit, so wird insbesondere telpunkt der Studie steht ein Reference Case (RC) – er- deutlich, dass die Erwartungen zur Kernenergie deutlich gänzt um alternative Szenarien, die durch höheres bzw. herabgesetzt wurden, während die Perspektiven für die niedrigeres Wirtschaftswachstum bzw. durch höhere erneuerbaren Energien von Jahr zu Jahr positiver einge- bzw. niedrigere Weltmarktpreise für Öl im Vergleich zum schätzt wurden. Trotzdem könnten die Zubauten für Reference Case gekennzeichnet sind. Die im Folgenden Kernkraftwerke auch im WEO 2019 noch zu hoch ange- für den IEO 2019 ausgewiesenen Ergebnisse beziehen setzt sein. Auf der anderen Seite dürfte auch für diese sich ausschließlich auf den Reference Case. Der Refe- Publikation gelten, dass die Aussichten der erneuerbaren rence Case kann als „Baseline“-Einschätzung charakteri- Energien immer noch unterschätzt werden, im Szenario siert werden, die sich auf folgende Vorgaben stützt: Current Policies ohnehin, aber auch im dem zentralen Szenario Stated Policies. Anders ist die Situation im Sze- • Globales Wirtschaftswachstum von durchschnittlich nario Sustainable Development. Dabei ist allerdings der 3,0 % pro Jahr im Zeitraum 2018 bis 2050 Charakter dieses Szenarios zu berücksichtigen, in dem nicht aufgezeigt wird, was künftig zu erwarten ist, son- • Berücksichtigung der sich abzeichnenden demografi- dern was nach Auffassung der IEA geschehen müsste, schen Entwicklungen und von geplanten Änderungen damit die ambitionierten Anforderungen der UN-Ziele für der Infrastruktur nachhaltige Entwicklung eingehalten werden. • Kosten- und „Performance“-Verbesserungen bei be- kannten Technologien – basierend auf historischen International Energy Outlook 2019 der EIA Trends Die U.S. Energy Information Administration (EIA) hat im • Fortbestand der derzeit gültigen politischen und regu- September 2019 den International Energy Outlook 2019 latorischen Rahmenbedingungen sowie der bestehen- (IEO 2019) veröffentlicht. In diesem Ausblick auf die den Zielvorgaben – etwa zum Klimaschutz – über den globale Entwicklung von Energieangebot und -nachfrage gesamten Betrachtungszeitraum. 10
Der RC berücksichtigt nicht mögliche Veränderungen in wird bis 2050 mehr als eine Verdoppelung des Kohlever- der Zukunft, wie unter anderem: brauchs im Vergleich zu 2018 erwartet. Demgegenüber geht die Kohlenachfrage in China zurück. In China wird • Neufassung oder Modifikationen von internationalen die auch künftig erwartete deutliche Zunahme der Elek Vereinbarungen trizitätsnachfrage durch wachsende Beiträge von Erdgas, Kernenergie und erneuerbaren Energien zur Stromerzeu- • Größere geopolitische oder ökonomische Umbrüche gung gedeckt. Allerdings wird auch für 2050 noch mit einem Kohleanteil an der Stromerzeugung in China von • Künftige technologische Durchbrüche 29 % errechnet – gegenüber heute knapp zwei Drittel. In Indien ist laut RC der EIA von mehr als einer Verdoppe- • Veränderungen der gegenwärtigen Politiken, die zu lung der Stromerzeugung aus Kohle bis 2050 (im Ver- Anpassungen von Gesetzen, Verordnungen oder gleich zu 2018) auszugehen. Da die gesamte Stromer- staatlichen Zielen führen. zeugung des Landes sich mehr als vervierfacht, verringert sich der Anteil der Kohle an der Stromerzeugung von Dem Szenario (RC) liegt zugrunde, dass sich der Welt- 73 % im Jahr 2018 auf 38 % im Jahr 2050. marktpreis für Rohöl von etwa 70 $/Barrel im Jahr 2018 auf 100 $/Barrel bis 2050 – gemessen im Geldwert des Am weltweiten Primärenergieverbrauch sind fossile Ener- Jahres 2018 – erhöht. gien 2050 mit 68 % beteiligt – gegenüber 80 % im Jahr 2018. Der Anteil der Kernenergie am Primärenergiever- Die auf dieser Basis durchgeführten Modellrechnungen brauch sinkt im gleichen Zeitraum von knapp 5 % auf kommen zu dem Ergebnis, dass der globale Primärener- gut 4 %. gieverbrauch bis 2050 im Vergleich zu 2018 um 47 % ansteigt. Dieser Zuwachs geht vor allem auf den zuneh- Die globale Stromerzeugung nimmt von 2018 bis 2050 menden Energiebedarf der Entwicklungs- und Schwel- um 79 % zu. Dieser Zuwachs wird vor allem von den er- lenländer (Nicht-OECD-Staaten) zurück (+ 68 %). Im neuerbaren Energien – insbesondere Wind und Solar – Unterschied dazu wird für die Industriestaaten eine Zu- gedeckt. 2025 verdrängen die erneuerbaren Energien nahme von „lediglich“ 15 % erwartet. die Kohle als Energieträger Nr. 1 in der Stromerzeugung. Bis 2050 vergrößert sich der Anteil der erneuerbaren Zur Deckung des wachsenden Bedarfs tragen alle Ener- Energien an der weltweiten Stromerzeugung auf 49 % gieträger bei. Das stärkste Wachstum erzielen die (2018: 28 %). Der Beitrag der Kernenergie vermindert erneuerbaren Energien. Der globale Primärenergiever- sich von 11 % im Jahr 2018 auf 8 % im Jahr 2050. Das brauch an erneuerbaren Energien steigt von 2018 bis bedeutet, dass auch 2050 noch 43 % der globalen 2050 um 166 %. Damit erhöht sich deren Anteil vom Stromerzeugung (gegenüber 61 % im Jahr 2018) auf Primärenergieverbrauch von 15 % im Jahr 2018 auf dem Einsatz fossiler Energien basieren. Dazu tragen Koh- 28 % im Jahr 2050. Die erneuerbaren Energien entwi- le mit 22 Prozentpunkten und Erdgas mit 21 Prozent- ckeln sich damit bis 2050 zur weltweit wichtigsten Ener- punkten bei. giequelle – vor Öl, Erdgas, Kohle und Kernenergie. Das größte Wachstum unter den fossilen Energieträgern wird Die energiebezogenen CO2-Emissionen steigen zwischen – bezogen auf den Zeitraum 2018 bis 2050 – mit 44 % 2018 und 2050 global mit einer jahresdurchschnittlichen für Erdgas ausgewiesen – verglichen mit 22 % für Öl. Der Rate von 0,6 %, verglichen mit einer jährlichen Wachs- weltweite Kohleverbrauch vermindert sich bis in die tumsrate von 1,8 % im Zeitraum 1990 bis 2018. In den 2030er Jahre, weil Kohle in einer Reihe von Weltregionen OECD-Staaten wird ein leichter Rückgang erwartet in der Stromerzeugung durch Erdgas und erneuerbare (– 0,2 % pro Jahr). Dem steht ein Anstieg in den Nicht- Energien ersetzt wird. Treiber sind Entwicklungen bei den OECD-Staaten von 1 % pro Jahr im Zeitraum 2018 bis Kosten der verschiedenen Technologien und bei politi- 2050 gegenüber. schen Maßnahmen. In den 2040er Jahren erhöht sich der Kohleverbrauch infolge einer verstärkten Nachfrage Bewertung: In dem Bericht der EIA wird explizit darauf der Industrie und einer vermehrten Nutzung in der hingewiesen, dass die vorgelegte Projektion keine Pro Stromerzeugung von Nicht-OECD-Staaten in Asien – mit gnose darstellt, was künftig geschehen könnte, sondern Ausnahme von China. dass es sich um Ergebnisse von Modellrechnungen han- delt, die ausweisen, wie sich die Entwicklung unter den Zwei Drittel des weltweiten Kohleverbrauchs entfallen getroffenen Annahmen darstellen könnte. Die Annahmen 2050 auf nur zwei Länder: China und Indien. Für Indien insbesondere zur politischen Rahmensetzung unterstel- 11
len ein Festhalten am Status Quo. Tatsächlich zu erwar- us im Vergleich zum vorindustriellen Niveau halten, wer- ten sind allerdings deutlich veränderte Weichenstellun- den als entscheidend herausgestellt: gen, die sich auf die künftige Energieversorgung auswirken. Verglichen mit den in Vorjahren von der EIA 1. Die Bevölkerung bevorzugt hoch-effiziente und CO2- vorgelegten Projektionen haben sich die Einschätzungen arme Optionen bei der Deckung der Energienach aber auch bereits in der vorgelegten „Baseline“-Projekti- frage. on gravierend verändert, und zwar insbesondere zuguns- ten eines deutlich erhöhten Beitrags der erneuerbaren 2. Eine sprunghafte Veränderung in der effizienten Nut- Energien zur Energieversorgung. zung von Energie bewirkt – im Vergleich zu histori- schen Trends – weit stärkere Verbesserungen. Shell Scenarios 3. In den 2020er Jahren werden global CO2-Beprei- sungs-Mechanismen von den Regierungen in Kraft Im Jahr 2013 waren in der Shell-Studie New Lens (Neuer gesetzt – mit entsprechenden Konsequenzen für die Blickwinkel) zwei Szenarien – Mountains und Oceans – Kosten CO2-intensiver Güter und Dienstleistungen. veröffentlicht worden. In beiden Szenarien war eine Mo- dellierung des globalen Energiesystems bis 2100 erfolgt. 4. Es erfolgt mehr als eine Verdreifachung der weltweiten Besonderes Merkmal des Szenarios Oceans ist, dass die Elektrifizierungsrate des Endenergieverbrauchs mit Marktkräfte entscheidender Treiber der Entwicklung der Folge, dass sich die globale Stromerzeugung ge- sind, während in Mountains dem Staat eine starke Rolle genüber heute nahezu verfünffacht. eingeräumt wird. Gemäß beiden Szenarien stellt sich während der kommenden Jahrzehnte ein erhebliches 5. Der Beitrag neuer Energiequellen verfünfzigfacht sich; Wachstum des weltweiten Primärenergieverbrauchs ein, fossile Brennstoffe werden in den 2050er Jahren um- wobei Steigerungsrate und Struktur des Energiever- fassend durch erneuerbare Energien verdrängt. brauchs zwischen Mountains und Oceans differieren. Der Ausbau erneuerbarer Energien und die breite An- 6. Etwa 10.000 große CCS-Anlagen werden gebaut – ver- wendung von Carbon Capture and Storage (CCS) spielen glichen mit weniger als 50, die in den 2020 Jahren in bei der zu erwartenden Transformation der Energiever- Betrieb sind. Bis 2070 steigt die Menge des abge- sorgung eine starke Rolle. Netto-Treibhausgas-Emissio- schiedenen CO2 auf 12 Mrd. t pro Jahr und flacht sich nen von Null werden in beiden Szenarien erst gegen En- danach ab; die Nutzung fossiler Brennstoffe sinkt fort- de des 21. Jahrhunderts erreicht. gesetzt. Dies führt dazu, dass das gesamte Energie- system negative Treibhausgas-Emissionen hervor- 2018 hat Shell auf Basis ergänzender Analysen das Sze- bringt. nario Sky – Meeting the Goals of the Paris Agreement vorgestellt, mit dem ein möglicher Pfad für eine Dekarbo- 7. Die Entwaldung wird per Saldo (Saldo aus Abholzung nisierung der globalen Wirtschaft mit Netto-Treibhaus- und Aufforstung) gestoppt. Mit zusätzlicher Wieder- gas-Emissionen von Null aus der Nutzung von Energie aufforstung eines Gebietes von der Größe Brasiliens bis zum Jahr 2070 aufgezeigt wird. In diesem Ziel-Szena- eröffnet sich die Möglichkeit, den Anstieg der globalen rio wird bei der staatlichen Rahmensetzung eine Priori- Temperatur auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. sierung auf Maßnahmen zum Klimaschutz unterstellt – bei gleichzeitiger Entwicklung disruptiver neuer Das Szenario Sky weist also aus, was nach Auffassung Technologien, also von Innovationen, die etablierte Tech- von Shell ein technologisch, industriell und wirtschaftlich nologien und Verfahren verdrängen oder ersetzen. Sky ein Zukunftspfad sein müsste. Im Ergebnis erreicht die geht von einer umfassenden Kombination sich gegensei- Klimaerwärmung bei entsprechender Umsetzung in den tig verstärkender Treiber aus, beschleunigt durch Gesell- 2060er Jahren ihren höchsten Stand und vermindert schaft, Märkte und Regierungen. Dies begünstigt Investi- sich danach mit der Konsequenz, dass bis 2100 der An- tionen und Verhaltensänderungen zugunsten des stieg der globalen Temperaturen auf etwa 1,75 Grad Klimaschutzes. Celsius begrenzt bleibt. Sieben Faktoren, die in diesem theoretischen und sehr Bewertung: In dem Zielszenario Sky wird aufgezeigt, auf ambitionierten Szenario die Entwicklung bis 2070 prägen welche Weise eine vollständige Dekarbonisierung der und den globalen Temperaturanstieg unter 2 Grad Celsi- weltweiten Energieversorgung bis 2070 erreicht werden könnte. Es wird deutlich, dass fossile Energien auch in 12
diesem Szenario noch eine wichtige Rolle bei der De- lich der politischen Rahmensetzung, den Verbraucher- ckung des weltweiten Energiebedarfs spielen. Entschei- präferenzen sowie der geopolitischen und wirtschaftlichen dend für einen Zukunftspfad, der dem in diesem Szena- Entwicklung. rio vorgegebenen primären Ziel gerecht wird, sind die Steigerung der Energieeffizienz, der beschleunigte Aus- Die Erhöhung des globalen Energieverbrauchs geht aus- bau erneuerbarer Energien, die Abscheidung von Spei- schließlich auf die zunehmende Nachfrage in den Ent- cherung von CO2 sowie Aufforstungsprogramme, mit de- wicklungs- und Schwellenländern zurück. Dort steigt der nen ebenfalls CO2 gebunden werden kann. Positiv ist zu Energieverbrauch bis 2040 um 37 %, während für die bewerten, dass nicht nur Modelle gerechnet werden, OECD-Staaten mit einem Rückgang um 6 % gerechnet sondern Wirkungen und Wechselwirkungen starker Ver- wird (Abb. 7). änderungen betrachtet werden. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass solche Dynamiken immer unterschätzt wer- Zu den Treibern gehört das Wachstum der Weltbevölke- den. rung von 7,5 Milliarden im Jahr 2017 auf 9,2 Milliarden im Jahr 2040. Indien zieht schon bald als bevölkerungs- reichste Nation an China vorbei. Die stärkste Bevölke- Global Energy Outlook 2019 von ExxonMobil rungszunahme findet allerdings in Afrika statt. Die demo- grafischen Trends, wie Anstieg der jungen Bevölkerung in In der Publikation 2019 Outlook for Energy: A Perspecti- Afrika und der alternden Bevölkerung in den OECD-Staa- ve to 2040 wird für den Zeitraum 2017 bis 2040 ein An- ten und in China beeinflussen die Energiemärkte, ge- stieg der weltweiten Energienachfrage um 20 % prognos- kennzeichnet durch geografische Verlagerungen bei Pro- tiziert. Die zusätzliche Nachfrage entspricht der Summe duktion, Transport und Nutzung von Energie. des heutigen Energieverbrauchs Europas und Indiens. Die Projektion basiert auf den als wahrscheinlich angese- Ein weiterer entscheidender Treiber ist das Wachstum henen Trends bei Technologie und Innovationen, bezüg- der Wirtschaftsleistung, die sich weltweit im Zeitraum Abbildung 7: Entwicklung des Energieverbrauchs – differenziert nach OECD- und Nicht-OECD-Staaten – gemäß 2019 Outlook for Energy von ExxonMobil OECD Nicht-OECD 2017: 5.500 Mtoe 2017: 8.550 Mtoe 39 % 28 % 10 % 16 % 21 % 9% Öl 26 % 2% 33 % 16 % Gas Kohle Kernenergie 2040: 5.200 Mtoe 2040: 11.675 Mtoe Erneuerbare Energien* 28 % 36 % 16 % 17 % 24 % 9% 32 % 6% 26 % 6% * einschließlich Biomasse/Abfall Quelle: ExxonMobil 2019, Outlook for Energy: A Perspective to 2040 13
2017 bis 2040 fast verdoppelt, wobei die Zuwachsrate in durch die wachsende Nachfrage im Straßen-Gütertrans- den Entwicklungs- und Schwellenländern mehr als zwei port und im Flugverkehr. Damit sinkt der Anteil von Öl im Mal so stark ausfällt wie in den OECD-Staaten. Darüber Verkehrssektor von 94 % im Jahr 2017 auf 86 % im Jahr hinaus prägen drei spezifische Treiber die Nachfrage- 2040. Biokraftstoffe, Gas und Strom werden zunehmen- Trends. Dazu gehören die Entwicklung neuer Technologi- de Anteile gewinnen, aber in Summe auf einen Beitrag en, die politische Rahmensetzung und die Verbraucher- von 14 % zur Deckung der Energienachfrage des Trans- präferenzen. portsektors begrenzt bleiben. Zwar verringert sich künftig der Anteil der fossilen Energi- In privaten Haushalten sowie im Sektor Gewerbe/Handel/ en am globalen Energieverbrauch von 81 % im Jahr Dienstleistungen wird von einem Anstieg der Energie- 2017 auf 76 % im Jahr 2040. Gleichwohl leisten fossile nachfrage um 20 % im Zeitraum 2017 bis 2040 ausge- Energien – trotz des rückläufigen Verbrauchs an Kohle – gangen. Die Zunahme der Bevölkerung und der wach- mit 51 % den größten Beitrag zur Deckung der bis 2040 sende Wohlstand führen zu einer Erhöhung der erwarteten zusätzlichen Energienachfrage. Kernenergie Energienachfrage für Wohngebäude, Büros, Schulen, ist zu 16 % beteiligt, und die erneuerbaren Energien de- Geschäftshäuser und Krankenhäuser. Das Nachfrage- cken 33 % des Bedarfszuwachses ab. wachstum in diesem Sektor wird praktisch vollständig durch Strom gedeckt. • Erdöl bleibt weltweit wichtigster Energieträger. Der Verbrauch steigt um 14 %. Damit sinkt dessen Anteil Ein Anstieg des Energieverbrauchs von 17 % wird für die am gesamten Primärenergieverbrauch von 32 % im Industrie prognostiziert. Das größte Wachstumspotenzial Jahr 2017 auf 30 % im Jahr 2040. wird der chemischen Industrie zugeschrieben. Die stei- gende Nachfrage nach Kunststoffen und anderen petro- • Erdgas löst die Kohle als zweitwichtigsten Energieträ- chemischen Produkten sind hier die entscheidenden ger in der ersten Hälfte der 2020er Jahre ab. Der Treiber. Zusätzliche Anteile an der Bedarfsdeckung wer- Verbrauchszuwachs von Erdgas ist mit 36 % mehr als den vor allem für Strom und für Erdgas, daneben in ge- doppelt so groß wie die Steigerung bei Erdöl. Damit ringerem Umfang auch für Öl, erwartet. 2040 decken nimmt der Anteil von Erdgas am Primärenergiever- diese drei Energieträger rund drei Viertel des Energiebe- brauch von 23 % im Jahr 2017 auf 26 % im Jahr darfs der Industrie – gegenüber zwei Drittel im Jahr 2017. 2040 zu. Der Rest entfällt auf Kohle und andere Energien. • Der Kohleverbrauch sinkt weltweit um 9 %. Konse- Die gesamte weltweite Stromnachfrage steigt von 22.168 quenz ist ein Rückgang im Anteil dieses Energieträ- TWh im Jahr 2017 um 59 % auf 35.277 TWh im Jahr gers am Primärenergieverbrauch von 26 % im Jahr 2040. In den Entwicklungs- und Schwellenländern wird 2017 auf 20 % im Jahr 2040. fast mit einer Verdoppelung des Stromverbrauchs ge- rechnet. Demgegenüber bleibt der Anstieg in den OECD- • Der Beitrag der Kernenergie erhöht sich von 5 auf Staaten auf 19 % begrenzt. Der Mix der Einsatzenergien 7 %. zur Stromerzeugung verschiebt sich. Deutliche Einbußen erleiden Kohle und Öl. Demgegenüber wird Erdgas ein • Die Zuwächse bei erneuerbaren Energien um drei wachsender Anteil zugeschrieben. Dies gilt auch für die Prozentpunkte auf 17 % erklären sich vor allem durch Kernenergie. Am stärksten legen allerdings die erneuer- den stark steigenden Beitrag von Wind- und Solar- baren Energien zu. Wasserkraft, bisher global noch größ- energie. te erneuerbare Energiequelle, steigert den Beitrag um 30 %. Die Stromerzeugung aus Windenergie erhöht sich Im Transportsektor wird von einer um 27 % global stei- bis 2040 auf mehr als das Vierfache im Vergleich zu genden Energienachfrage ausgegangen. Milliarden Men- 2017. Damit steigt der Anteil von Wind an der globalen schen werden künftig zur Mittelschicht gehören – mit der Stromerzeugung von 2 % auf 6 % im Jahr 2040. Ein Konsequenz steigender Mobilität verbunden mit mehr Wachstum in vergleichbarer Dimension wird – gemessen Pkw auf den Straßen, einem zunehmenden Schwerlast- in absoluten Größen – auch für die anderen erneuerba- verkehr und einem stark wachsenden Flugverkehr. Mine- ren Energien, insbesondere Solar, erwartet. ralölprodukte bleiben nach Einschätzung von ExxonMobil die bei weitem wichtigste Energieform im Transportsek- Die Verringerung der Energieintensität, der von 19 % auf tor. So wird mit einem Anstieg im Ölverbrauch von 16 % 24 % wachsende Beitrag CO2-freier Energien sowie der im Zeitraum 2017 bis 2040 gerechnet, vor allem bedingt sich ändernde Mix der fossilen Energien zulasten von 14
Kohle und zugunsten von Erdgas sorgen dafür, dass die Bewertung: Die Einschätzung zur Entwicklung der erneu- Zunahme der weltweiten energiebezogenen CO2-Emissi- erbaren Energien ist von ExxonMobil im Vergleich zu onen bis 2040 auf 5 % begrenzt bleibt. So werden 35,0 letztjährigen Prognosen schrittweise heraufgesetzt und Milliarden Tonnen CO2-Emissionen für 2040 erwartet – 2019 erneut angehoben worden. Allerdings dürfte die gegenüber 33,4 Milliarden Tonnen im Jahr 2017. Dynamik der Entwicklung immer noch unterschätzt sein. Die Attraktivität des Ausbaus erneuerbarer Energien hat Damit klafft zwischen dem Ergebnis der Prognose und sich aufgrund der erreichten Kostensenkungen generell den Zielen des Pariser Klima-Abkommens eine gewaltige erhöht und damit Investitionen in den Ausbau dieser Lücke. Statt des erwarteten Anstiegs müssten die CO2- Energien begünstigt. Auch die Rolle, die dem Energieträ- Emissionen bis 2040 auf den Stand des Jahres 1980 ger Strom künftig zukommt, könnte noch zu restriktiv zurückfallen. Das wird angesichts der Tatsache, dass veranschlagt worden sein. So erwartet die IEA gemäß 2040 die Weltbevölkerung doppelt so groß und die Wirt- WEO 2019 im Stated Policy Scenario einen Anstieg der schaftsleistung fünf Mal so hoch sein wird wie 1980, als weltweiten Stromnachfrage bis 2040 auf 36.453 TWh. eine enorme Herausforderung gesehen. Um die Emissio- Durch Sektorenkopplung können auch außerhalb der nen an Treibhausgasen zügig zu reduzieren, bedarf es Stromerzeugung deutlich größere Potenziale zur CO2- nach Auffassung von ExxonMobil verstärkter politischer Emissionsminderung mobilisiert werden als dies von dem Interventionen, verbunden mit massiven Auswirkungen Konzern gesehen wird. Verstärkte Fortschritte etwa im auf die wirtschaftliche Aktivität und den Lebensstil der Bereich der Elektromobilität wären mit einem niedrigeren Bevölkerung. Eine Politik, die Innovation fördert und Fle- Beitrag von Mineralölprodukten im Verkehrssektor ver- xibilität durch Wettbewerb und freie Märkte ermöglicht, bunden. Aber auch in diesem Fall bliebe Öl im Transport- wird als entscheidend angesehen, damit die kosteneffizi- sektor unverändert die dominierende Energiequelle. Für entesten Möglichkeiten zur Senkung der Emissionen an das Erreichen ambitionierter Klimaschutzziele befürwor- Treibhausgasen ausgeschöpft werden. Folgende vier Pfa- tet ExxonMobil kosteneffiziente Lösung unter Bewahrung de werden als Schlüssel gesehen: von Technologie-Offenheit und unter Verzicht auf Diskri- minierung einzelner Technologien. Dieser Ansatz wird zu • Verstärkung der Energieeffizienz unter Flankierung Recht als wirksamer Schlüssel zur Verminderung der von Investitionen durch politische Maßnahmen, die im weltweiten Treibhausgas-Emissionen gesehen. Verkehrssektor, im Gebäudebereich und in der Indus- trie innovative Lösungen anreizen. BP Energy Outlook – 2019 Edition • Veränderung des Energiemix zu Quellen mit geringe- ren Treibhausgas-Emissionen, insbesondere zuguns- Im Februar 2019 ist eine Neuauflage des BP Energy ten erneuerbarer Energien sowie von Kernenergie und Outlook zur weltweiten Entwicklung von Energieangebot CCS, aber auch hin zu Erdgas. und -nachfrage bis 2040 veröffentlicht worden. Dieser Outlook umfasst verschiedene Szenarien, bezeichnet mit • Umsetzung von Politiken, die kosteneffiziente Lösun- Evolving Transition, More Energy, Less Globalization und gen befördern – dazu wird eine umfassende Beprei- Rapid Transition. Diese Szenarien sind nicht als Vorher- sung von CO2, ob als Steuer, als Handelsmechanis- sagen zu verstehen. Sie zeigen vielmehr die möglichen mus oder in Form anderer marktbasierter Maßnah- Auswirkungen unterschiedlich gesetzter Annahmen, ins- men als Schlüssel gesehen. besondere bezüglich der politischen Rahmensetzung, auf. Schwerpunkt ist das Szenario Evolving Transition • Investitionen in Forschung und Entwicklung – Mögli- (ET). Das bedeutet aber nicht, dass die Eintrittswahr- che innovative technologische Durchbrüche werden scheinlichkeit dieses Szenarios am größten ist. Ange- im Strombereich bei Netzen und Speichern (Batterien, sichts der bestehenden Unsicherheiten können ebenso chemische Speicher und Wasserstoff), im Transport- Entwicklungen gemäß den anderen in der Studie berück- bereich bei Bio-Kraftstoffen, Brennstoffzellen und Bat- sichtigten Szenarien eintreten. terien, in der Industrie u. a. bei CCS und Wasserstoff, im Gebäudebereich bei weniger kohlenstoffhaltigen Im Szenario ET wird davon ausgegangen, dass sich die Materialen für effizientes Bauen sowie in der Generie- Politiken der Regierungen, technologische Innovationen rung von negativen Treibhausgas-Emissionen durch sowie die Präferenzstrukturen der Gesellschaft in glei- Nutzung von Bioenergie mit CCS, direkter Abschei- cher Geschwindigkeit weiterentwickeln, wie dies für die dung von CO2 aus der Luft und der Nutzung von CO2 jüngste Vergangenheit zu beobachten war. Die nachfol- gesehen. 15
genden Aussagen beziehen sich auf dieses – von BP in schnittlich 56 % zu. Demgegenüber bleibt der Primär- den Vordergrund gestellte – Szenario. energieverbrauch in den OECD-Staaten über die Be- trachtungsperiode praktisch konstant. Für die EU wird Zu den Grundannahmen gehört, dass die Weltbevölke- sogar mit einem Rückgang gerechnet. rung von 7,5 Milliarden im Jahr 2017 auf 9,2 Milliarden im Jahr 2040 wächst. Bezüglich der globalen Wirtschafts- Die größte Wachstumsdynamik wird für Indien aufgezeigt leistung (GDP) wird von einem jahresdurchschnittlichen (+ 156 %). Im Durchschnitt anderer asiatischer Staaten Wachstum von 3 ¼ % ausgegangen. Das bedeutet mehr beträgt der Zuwachs etwa 40 %. Im Mittleren Osten sind als eine Verdopplung des GDP – verbunden mit einem es 55 %. Auch in anderen Wirtschaftsräumen wird mit steigenden Wohlstand vor allem in den schnell wachsen- deutlichen Zuwächsen gerechnet. Dies gilt beispielswei- den Schwellenländern. se für Brasilien oder für den afrikanischen Kontinent. Zentrale Ergebnisse sind: Der globale Primärenergiever- Für den Primärenergieverbrauch nach Energieträgern brauch erhöht sich im Betrachtungszeitraum um 32 %. werden folgende globale Trends aufgezeigt: Der Stromverbrauch nimmt in etwa doppelt so stark wie der Primärenergieverbrauch zu. Damit entkoppeln sich • Der Anteil fossiler Energien verringert sich von 85 % das Energie- und auch das Stromverbrauchswachstum im Jahr 2017 auf 73 % im Jahr 2040, wobei Erdgas aufgrund der erwarteten Effizienzverbesserungen von der stark und Erdöl moderat wachsen, während der Koh- Entwicklung der Wirtschaftsleistung. Der Energiemix ver- leverbrauch weltweit leicht zurückgeht. 2040 entfallen ändert sich zugunsten der erneuerbaren Energien, und 64 % des weltweiten Kohleverbrauchs auf China und zwar deutlich stärker als BP das in den vorangegangenen Indien. Outlooks eingeschätzt hatte. • Der Anteil der Kernenergie bleibt mit rund 4 % kons- Der erwartete Zuwachs im Primärenergieverbrauch fin- tant. det ausschließlich in den Entwicklungs- und Schwellen- ländern, den Nicht-OECD-Staaten, statt. Dort nimmt der • Der Anteil erneuerbarer Energien (einschließlich Was- Energieverbrauch im Zeitraum 2017 bis 2040 um durch- serkraft) erhöht sich von 11 % auf 22 %. Abbildung 8: Primärenergieverbrauch nach Endverbrauchssektoren* – gemäß ET-Szenario im 2019 BP Energy Outlook 20 17,9 in Milliarden Tonnen Öläquivalent Mrd. toe 16,1 Transport 15 14,3 12,2 10 9,4 Industrie** 8,1 6,6 Nicht- 4,9 energetischer 5 Verbrauch Gebäude 0 1970 1980 1990 2000 2010 2020 2030 2040 * Der Primärenergieverbrauch zur Stromerzeugung ist den Endverbrauchssektoren gemäß deren Stromverbrauch zugeordnet. ** Industrie ohne nichtenergetischen Verbrauch Quelle: 2019 BP Energy Outlook, Outlook for Energy: A Perspective to 2040 16
57 % des Anstiegs im Primärenergieverbrauch werden durch die Zuwächse bei erneuerbaren Energien lässt durch erneuerbare Energien, insbesondere Sonne und sich der wachsende Bedarf im Szenario ET nicht decken. Wind, gedeckt. Aber auch fossile Energien tragen mit Ergänzend hat BP in einem der Zusatzszenarien, dem 39 % zur Deckung des wachsenden Bedarfs bei, Kern- Rapid Transition (RT-Szenario) ermittelt, was passieren energie mit 4 %. Der Energieverbrauch steigt in allen müsste, um dem 2-Grad-Ziel gerecht zu werden. Dazu Sektoren der Volkswirtschaft weiter an – in der Industrie, müssten die CO2-Emissionen bis 2040 um 46 % gegen- im Gebäudebereich und im Transportsektor (Abb. 8). über dem Stand des Jahres 2017 sinken. Als Schlüssel- faktoren werden eine nahezu vollständige Dekarbonisie- Die Welt wird elektrischer. Strom gewinnt in allen Ver- rung der Stromerzeugung genannt – verbunden mit einer brauchssektoren an Bedeutung. Im Gebäudebereich ist breiten Elektrifizierung der Endverbraucher-Aktivitäten. Strom fast die alleinige Wachstumsenergie; Klimatisie- Die Dekarbonisierung der Stromerzeugung erfordert eine rung und verbesserte Ausstattung mit elektrischen Gerä- Erhöhung des Beitrags erneuerbarer Energien – unter- ten in den Schwellenländern sind die entscheidenden stützt von Verbesserungen in den Bereichen Energiespei- Treiber. Elektrisch betriebene Fahrzeuge nehmen stark cher und Flexibilisierung der Nachfrage (Demand-Side- an Bedeutung zu, konzentriert auf Pkw, Leichtlastkraft- Response) – plus mehr Abscheidung und Nutzung bzw. wagen (light-duty trucks) und im öffentlichen Verkehr Speicherung von CO2 (Carbon Capture and Usage/Sto- eingesetzte Busse. Im ET-Szenario wird damit gerechnet, rage – CCUS) in Verbindung mit der Nutzung von Gas dass die Zahl der elektrisch betriebenen Fahrzeuge 2040 und Kohle. weltweit 350 Mio. erreicht; davon entfallen rund 300 Mio. auf Pkw. Equinor‘s Energy Perspectives 2019 Der globale Stromerzeugungsmix ändert sich im Szenario ET stark. Erneuerbare Energien lösen Kohle als wichtigs- Der Konzern Equinor, mehrheitlich in norwegischem ten Energieträger zur Stromerzeugung ab. Sie decken Staatsbesitz, nutzt Szenarien, um zu beschreiben, wie mehr als zwei Drittel des Wachstums im weltweiten Politik, Technologie und Marktbedingungen Entwicklun- Stromverbrauch. Die Anteile der fossilen Energieträger, gen in sehr verschiedene Richtungen auslösen können, insbesondere von Kohle und Öl, gehen dagegen stark in erwünschte und in unerwünschte. Drei unterschiedli- zurück. che Szenarien werden dazu gewählt, um mögliche globa- le Energiemarkt-Trends bis zum Jahr 2050 zu analysie- Die CO2-Emissionen erhöhen sich im Szenario ET noch ren – benannt mit Reform, Renewal und Rivalry. Diese um 7,5 % bis 2040 auf 35,9 Mrd. t gegenüber 33,4 Mrd. t Szenarien zeigen eine Spannweite auf, innerhalb derer im Jahr 2017. Das verbindet BP mit der Aussage, dass sich die Energieversorgung – differenziert nach Energie- ein umfassendes Bündel zusätzlicher Maßnahmen not- trägern, Sektoren und Weltregionen – sowie Treibhaus- wendig ist, um eine Entwicklung zu bewirken, die im gas-Emissionen entwickeln könnten. Einklang mit dem Pariser Klima-Übereinkommen steht. Von den gesamten CO2-Emissionen, die im Szenario ET Zwei der Szenarien, Reform und Rivalry, illustrieren, wo- für 2040 genannt werden, entfallen auf die Stromerzeu- hin sich die Welt bewegen könnte, sofern sich die gegen- gung 14,2 Mrd. t, auf die Industrie 9,7 Mrd. t, auf den wärtigen Verhältnisse auf den Energiemärkten sowie die Transportsektor 8,8 Mrd. t und auf den Gebäudebereich makroökonomischen und geopolitischen Entwicklungen 3,2 Mrd. t. nicht signifikant ändern. Reform, als das zentrale Szena- rio bezeichnet, charakterisiert eine Zukunft, die von tech- Bewertung: Im Vergleich zu seinen vorjährigen Outlooks nologischen Innovationen und günstigen Marktkräften, hat BP die erneuerbaren Energien deutlich hochgestuft unterstützt von graduell verstärkten energie- und klima- und den Beitrag von Kernenergie herabgesetzt. Damit politischen Maßnahmen, bestimmt wird. Rivalry be- haben die getroffenen Einschätzungen deutlich an Plau- schreibt eine Zukunft, in der sich die Transformation der sibilität gewonnen. Ferner wird ein stärkerer Fuel Switch Energieversorgung verlangsamt, ausgelöst durch Mangel zugunsten von Gas und zulasten von Kohle angenom- an Vertrauen, geopolitische Instabilität und die Wahl inef- men, als in Vorjahren. Insbesondere für Solar- und Wind- fizienter Lösungen zur Bewältigung der anstehenden He- energie werden jetzt Zuwachsraten von jährlich gut 7 % rausforderungen. Renewal zeigt demgegenüber auf, wo- erwartet, die deutlich über die in der Vergangenheit ge- hin sich die Energiemärkte bewegen sollten, damit eine troffenen Annahmen hinausgehen. Aber auch nach die- nachhaltige Zukunft erreicht werden kann. Renewal ist ser Neueinschätzung müssen fossile Energien vergrößer- getrieben von einer schnellen und signifikanten Verstär- te absolute Beiträge zur Bedarfsdeckung leisten. Allein kung der Energie- und Klimapolitik sowie globaler politi- 17
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