Nachhaltige entwicklung in deutschland - Indikatorenbericht 2012 Statistisches Bundesamt

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Nachhaltige entwicklung in deutschland - Indikatorenbericht 2012 Statistisches Bundesamt
nachhaltige entwicklung
in deutschland
Indikatorenbericht 2012

Statistisches Bundesamt
Herausgeber
Statistisches Bundesamt, Wiesbaden

Gestaltung
Statistisches Bundesamt

Erschienen im Februar 2012
Stand der Indikatoren: Oktober 2011

Bestellnummer: 0230001-12900-1

Fotorechte Umschlag
© iStockphoto.com / AVTG
© panthermedia.net / Christian Schwier

Gedruckt auf RecyStar Polar aus 100% Altpapier,
zertifiziert mit dem Blauen Engel.

© Statistisches Bundesamt, Wiesbaden 2012
  Vervielfältigung und Verbreitung, auch auszugsweise,
  mit Quellenangabe gestattet.
Vorwort

Die nationale Strategie für nachhaltige             der Daten zu den Indikatoren stammt aus          Ergebnis einer einfachen rechnerischen
Entwicklung in Deutschland wird zehn                der amtlichen Statistik, insbesondere auch       Fortschreibung der Entwicklung in der Ver-
Jahre alt. Mit dem Indikatorenbericht 2012          aus den Umweltökonomischen und den               gangenheit bis zum angestrebten Zieljahr.
legt das Statistische Bundesamt die vierte          Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen.          Obwohl die Symbole auch Veränderungen
Bestandsaufnahme zur Entwicklung der                                                                 des Status im Zeitverlauf zeigen, ist ein
Nachhaltigkeitsindikatoren vor.                     Nachhaltigkeitspolitik ist langfristig ange-     Vergleich mit den Ergebnissen des vorher-
                                                    legt, sie soll nicht vom kurzfristigen politi­   gehenden Indikatorenberichts 2010 nur
„Nachhaltigkeit“ hat sich zunehmend als             schen Tagesgeschäft bestimmt werden. Es          eingeschränkt möglich. Dies hängt mit den
ein zentrales Prinzip in Politik und Gesell-        besteht also in jeder Hinsicht ein hohes         Veränderungen bei Definitionen und Zielen
schaft etabliert. Erfolge wie auch Miss­            Interesse an Kontinuität. Dies schließt die      zusammen. Außerdem ist zu berücksichti­
erfolge bei der Umsetzung der politischen           Möglichkeit der Weiterentwicklung des Indi-      gen, dass der aktuelle Rand je nach Indika­
Strategie werden mit ausgewählten Indika­           katorensatzes jedoch nicht aus. Im Bericht       tor bei unterschiedlichen Jahren liegt und
toren gemessen, wobei die Indikatoren               2012 hat sich die Anzahl der Einzelindika-       sich damit Einflüsse unterschiedlicher
großenteils mit quantitativen Zielvorgaben          toren auf nunmehr 38 erhöht. Es wurden           Konjunkturphasen niederschlagen können.
versehen sind. Die Aufgabenverteilung               drei Indikatoren – zu Staatsverschuldung         Eine erste Wahrnehmung der Symbole
­zwischen Politik und Statistik sieht vor,          und Ressourcenschonung – neu aufge-              sollte also nicht das Studium der Texte mit
dass die Inhalte der Strategie, die Indikato­       nommen und drei Indikatoren – in den             ihren Hintergrundinformationen und Analy-
 ren und die Zielwerte von der Bundes­re­           Bereichen Erneuerbare Energien, Bildung,         sen ersetzen.
 gie­rung festgelegt werden, während das            Kriminalität – neu definiert. Darüber hinaus
 Statistische Bundesamt in eigener Verant­          hat die Bundesregierung für zwei Indikato­
 wortung die Indikatorenberichterstattung           ren – Innovation, 18- bis 24-Jährige ohne
 mit der Bereitstellung von Daten und statis­       Abschluss – ihre Zielgrößen geändert.
 tischen Analysen übernimmt, den Grad der
 Zielerreichung ermittelt und die Bundes­           Zur schnellen Orientierung über den Stand
 re­gierung in Methodenfragen berät. Dabei          der Nachhaltigkeitsindikatoren haben wir
 arbeitet die amtliche Statistik nach dem           jedem Indikator eines von vier möglichen         Roderich Egeler
 Grundsatz einer neutralen, transparenten           „Wettersymbolen“ zugewiesen. Diese Kenn-         Präsident des Statistischen Bundesamtes
 und unabhängigen Berichterstattung und             zeichnung ist keine politische Bewertung
 fordert dieses Prinzip in der Zusammen­ar­         und – wenn das Zieljahr noch nicht erreicht
 beit auch immer wieder ein. Der größte Teil        ist – auch keine Prognose, sondern das

Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012                                                                          3
Inhalt

I. Generationengerechtigkeit
Ressourcenschonung                                                                                  Staatsverschuldung
1a, b Energieproduktivität, Primärenergieverbrauch  .  .  .  .  .  .  .  6                          6a, b Staatsdefizit, strukturelles Defizit  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  18
1c        Rohstoffproduktivität  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  8   6c        Schuldenstand .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  20

Klimaschutz                                                                                         Wirtschaftliche Zukunftsvorsorge
2         Treibhausgasemissionen .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  10           7         Verhältnis der Bruttoanlageinvestitionen zum BIP  .  .  .  .  22

Erneuerbare Energien                                                                                Innovation
3a, b Anteil erneuerbarer Energien am Endenergieverbrauch,                                          8         Private und öffentliche Ausgaben für Forschung
      Anteil des Stroms aus erneuerbaren Energiequellen am                                                    und Entwicklung .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  24
      Stromverbrauch  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  12
                                                                                                    Bildung
Flächeninanspruchnahme                                                                              9a        18- bis 24-Jährige ohne Abschluss .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  26
4         Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche .  .  .  .  .  .  .  .  14                      9b        30- bis 34-Jährige mit tertiärem oder
                                                                                                              postsekundarem nicht-tertiären Abschluss .  .  .  .  .  .  .  .  28
Artenvielfalt
                                                                                                    9c        Studienanfängerquote .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 30
5         Artenvielfalt und Landschaftsqualität  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  16

4                                                                                                        Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012
Inhalt

II. Lebensqualität                                                                                         III. Sozialer Zusammenhalt
Wirtschaftliche Leistungsfähigkeit                                                                         Beschäftigung
10        BIP je Einwohner .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  32         16a, b Erwerbstätigenquote .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 54

Mobilität                                                                                                  Perspektiven für Familien
11a       Gütertransportintensität .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 34              17a, b Ganztagsbetreuung für Kinder  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  56
11b       Personentransportintensität  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  36
                                                                                                           Gleichstellung
11c, d Anteile des Schienenverkehrs und der
                                                                                                           18        Verdienstabstand zwischen Frauen und Männern .  .  .  .  . 58
       Binnenschifffahrt .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 38
                                                                                                           Integration
Landbewirtschaftung
                                                                                                           19        Ausländische Schulabsolventen mit Schulabschluss  .  .  . 60
12a       Stickstoffüberschuss .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 40
12b       Ökologischer Landbau .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 42               IV. Internationale Verantwortung

Luftqualität                                                                                               Entwicklungszusammenarbeit
13        Schadstoffbelastung der Luft .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  44                  20        Anteil öffentlicher Entwicklungsausgaben am
                                                                                                                     Brutto­nationaleinkommen  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  62
Gesundheit und Ernährung
14a, b Vorzeitige Sterblichkeit  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  46               Märkte öffnen
                                                                                                           21        Deutsche Einfuhren aus Entwicklungsländern .  .  .  .  .  .  . 64
14c, d Raucherquote von Jugendlichen und Erwachsenen . . . . 48
14e       Anteil der Menschen mit Adipositas (Fettleibigkeit) .  .  .  . 50                                Anhang
Kriminalität                                                                                               Übersicht zum Status der Indikatoren .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 66
15        Straftaten .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  52   Definitionen der Indikatoren .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  .  . 72

Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012                                                                                                                                 5
I. Generationengerechtigkeit

Ressourcenschonung                                                            1a
                                                                                                                                 1a Energieproduktivität
                                                                                                                                 1b Primärenergieverbrauch
Ressourcen sparsam und effizient nutzen
                                                                              1b                                                 Der Einsatz von Energie ist für den Wirt-
                                                                                                                                 schaftsprozess von großer Bedeutung, denn
                                                                                                                                 nahezu jede Produktionsaktivität ist mit
Energieproduktivität und Wirtschaftswachstum                                                                                     dem Verbrauch von Energie ­verbunden. Die
1990 = 100
                                                                                                                                 privaten Haushalte verbrauchen Energie
                                                                                                        Ziel: 200
200                                                                                                                              insbesondere für Heizung und ­Warmwasser,
                                                                                                                                 für elektrische Geräte sowie den Betrieb
180                                                                                                                              von Kraftfahrzeugen. Der Verbrauch von
                                                                                                                                 Energie ist mit vielfältigen Umweltbelastun­
160                                                                                                                              gen verbunden wie z. B. der Beeinträchti­
                                                                                                                                 gung von Landschaft, Ökosystemen, Böden
140                                                                                                137,4                         und Gewässern durch den Abbau energeti­
                                           Energieproduktivität                                    129,5                         scher Rohstoffe und der Emission von
120
                                                            Bruttoinlandsprodukt (preisbereinigt)                                Schad­stoffen und klimawirksamen Treibhaus-
                                                                                                                                 gasen. Nicht zuletzt ist der Ver­brauch nicht
100
                                                                                                   94,2 Ziel1:                   erneuerbarer Rohstoffe im Hinblick auf die
                                                 Primärenergieverbrauch
    80
                                                                                                        76,3                     Bewahrung der Lebensgrundlagen künftiger
                                                                                                                                 Generationen von großer Bedeutung.
    60                                                                                                               Ziel1:
                                                                                                                     47,7        Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie ist es, die
    40
                                                                                                                                 Energieproduktivität (preisbereinigtes
         1990    95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 07 08 09 2010                                       2020      2050        Bruttoinlandsprodukt je Einheit Primärener-
                                                                                                                                 gieverbrauch) bis zum Jahr 2020 gegenüber
1 Das Ziel entspricht einer Senkung des Primärenergieverbrauchs um 20 % gegenüber 2008 (76,3) in 2020 bzw. um 50 %
gegenüber 2008 (47,7) in 2050 (Energiekonzept).
                                                                                                                                 1990 zu verdoppeln. Als neues Ziel der
Quelle: Statistisches Bundesamt, Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e. V.                                                       Nachhaltigkeitsstrategie kommt dazu, den
                                                                                                                                 Primärenergieverbrauch von 2008 bis 2020
                                                                                                                                 um 20 % (entspricht dem Wert von 76,3 %

6                                                                                                          Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012
I. Generationengerechtigkeit

in der Grafik, bezogen auf 1990 = 100) und          Der Energieverbrauch der privaten Haus-         und 2010 insgesamt um 7,5 % gestiegen.
von 2008 bis 2050 um 50 % (entspricht               halte (ohne Kraftstoffe) ist zwischen 1990      Zwischen 2000 und 2010 ist er dagegen um
47,7 % bei 1990=100) abzusenken.                    und 2010 um 8,4 % gestiegen, zwischen           7,1 % gesunken. Ein rückläufiger Verbrauch
                                                    2000 und 2010 ist er fast unverändert           ist beim Straßenverkehr zu beobachten
Die Energieproduktivität hat sich in Deutsch-       geblieben. Verbrauchserhöhend wirkte sich       (– 11,5 % im Zeitraum 2000 bis 2009; siehe
land von 1990 bis 2010 um 37,4 % erhöht.            die gestiegene Nachfrage nach Energie-          auch Indikatoren 11a und 11b), während
Der Produktivitätsanstieg signalisiert zwar         dienstleistungen aus, bei Raumwärme ist         der Luftverkehr einen hohen Anstieg auf-
einen effizienteren Energieeinsatz, geht            die zunehmende Wohnfläche entschei-             weist (+ 23,3 % von 2000 bis 2009).
aber nur mit einem bescheidenen absolu-             dend. Allerdings haben Einsparungen der
ten Rückgang des Primär­energieverbrauchs           Haushalte und eine verbesserte Wärme-           Die inländische Energiewirtschaft ist durch
um 5,8 % einher. Die Effizienzsteigerung            dämmung der Gebäude den Brennstoff-             eine hohe Importabhängigkeit bei Energie
wurde durch ein Wirtschaftswachstum von             verbrauch deutlich gesenkt. Beim Strom          gekennzeichnet. Der Anteil der Nettoimpor-
29,5 % weitgehend aufgezehrt. Eine Fort-            hat die erhöhte Ausstattung der Haushalte       te (Einfuhr minus Ausfuhr minus Bunker)
setzung des bisherigen durchschnittlichen           mit Elektrogeräten verbrauchssteigernd          am Primärenergieverbrauch erhöhte sich im
Entwicklungstempos würde weder bei der              gewirkt. Ab 2007 ist hier erstmals ein leich-   Zeitraum von 1990 bis 2010 deutlich von
Energieproduktivität noch beim Primärener-          ter Verbrauchsrückgang zu beobachten,           56,8 % auf 70,7 %.
gieverbrauch ausreichen, um die gesetzten           der vermutlich auf Einsparungen in Folge
Ziele bis zum Jahr 2020 zu erreichen.               des starken Preisanstiegs bei Elektrizität
Im Jahr 2010 ist die Energieproduktivität           zurückzuführen ist.
gegenüber dem Vorjahr um 0,9 % gesunken.            In der Industrie stieg der Energieverbrauch
Weitgehend parallel zum BIP stieg umge-             zwischen 2000 und 2010 um 5,0 %. 2010
kehrt der Energieverbrauch, letzterer um            erhöhte sich der Verbrauch konjunkturbe-
4,6 %. Dies ist vor allem auf die sehr kühle        dingt mit 10,2 % sehr stark. Im Vorjahr war
Witterung in 2010 zurückzuführen. Gemes-            der Verbrauch in Folge der Wirtschaftskrise
sen an den Temperaturen an den Heiztagen            um 8,8 % gesunken. Die gestiegene Effizi-
war es in Deutschland im Jahr 2010 um               enz beim Einsatz von Energie konnte den
rund 17 % kälter als im Jahr zuvor. Tempe-          wachstumsbedingten Mehrverbrauch nur
raturbereinigt hätte der Verbrauch mit 1,6 %        teilweise kompensieren. Im Sektor Verkehr
deutlich schwächer zugenommen.                      ist der Energieverbrauch zwischen 1990

Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012                                                                         7
I. Generationengerechtigkeit

Ressourcenschonung                                                                                                         1c Rohstoffproduktivität
                                                                                                                           Die Nutzung von Rohstoffen ist unverzicht-
Ressourcen sparsam und effizient nutzen
                                                                                                                           bar für die wirtschaftliche Entwicklung.
                                                                                                                           Sie ist jedoch auch mit Belastungen für
                                                                                                                           die Umwelt verbunden. Außerdem stehen
Rohstoffproduktivität und Wirtschaftswachstum                                                                              nicht erneuerbare Bodenschätze, die heute
1994 = 100                                                                                                                 verbraucht werden, künftigen Generati-
                                                                                                             Ziel: 200     onen nicht mehr zur Verfügung. Für viele
200
                                                                                                                           Unter­nehmen sind Rohstoffe bedeutsame
                                                                                                                           Einsatz- und damit Kostenfaktoren. Ein
180                                                                                                                        sparsamer und effizienter Umgang mit Roh­
                                                                                                                           stoffen liegt daher im Interesse aller gesell-
160                                                                                                                        schaftlichen Gruppen. Die Bundes­regierung
                                                                                                                           verfolgt das Ziel, die Rohstoffproduktivität
                                                                                                     147,5
                                                                                                                           bis zum Jahr 2020 bezogen auf das Basis-
140
                                           Rohstoffproduktivität1                                                          jahr 1994 zu verdoppeln.
                                                                                                     122,3                 Die Rohstoffproduktivität drückt aus, wie
120
                                                                                                                           viel Bruttoinlandsprodukt (in Euro, preisbe-
                                                      Bruttoinlandsprodukt (preisbereinigt)                                reinigt) je eingesetzter Tonne an abioti­
100                                              Rohstoffentnahme und Importe (einschl. indirekte Importe)                 schem Primärmaterial erwirtschaftet wird.
                Rohstoffentnahme und Importe                                                  82,7                         Zum abiotischen Primärmaterial zählen
                                                                                                     82,9
    80                                                                                                                     die im Inland aus der Natur entnommenen
                                                                                                                           Rohstoffe – ohne land- und forstwirtschaft-
                                                                                                                           liche Erzeugnisse – und alle importierten
    60
         1994 95    96     97      98   99 2000 01     02    03     04   05   06   07   08    09 20102        2020
                                                                                                                           abiotischen Materialien (Rohstoffe, Halb-
                                                                                                                           und Fertigwaren).
1 Abiotisch. 2 Vorläufige Daten.

8                                                                                                    Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012
I. Generationengerechtigkeit

Die Rohstoffproduktivität erhöhte sich zwi-         Materialeinsätze führten bei gestiegenem       zusammen umfassen alle Rohstoffe, die bei
schen 1994 und 2010 um 47,5 %. Bei rück-            Bruttoinlandsprodukt zu dem erwähnten          der Herstellung der deutschen Importgüter
läufigem Materialeinsatz (– 17,1 %) stieg           Produktivitätsanstieg.                         im Ausland verwendet wurden (z. B. Erze
das Bruttoinlandsprodukt um 22,3 %. Nach-                                                          zur Herstellung von Maschinen, Erdöl zu
dem von 2008 auf 2009 ein vergleichs­               Bedeutsam für die Interpretation der           Erzeugung von Kunstfasern, Energieträger
weise deutlicher Anstieg der Produktivität          Entwicklung des Rohstoffindikators ist         zur Produktion von Stahl). 2009 wurden
zu verzeichnen war (+ 5,4 Prozentpunkte),           auch, dass der Materialeinsatz zunehmend       beispielsweise 538 Millionen Tonnen Güter
ist sie im Jahr 2010 nur geringfügig gestie-        durch Importe gedeckt wird, die mit ihrem      direkt eingeführt, für deren Herstellung im
gen (+ 0,7 Prozentpunkte). Insgesamt                Gewicht in den Indikator eingehen (soge-       Ausland rund 1 600 Millionen Tonnen Roh-
entwickelte sich der Indikator zwar in die          nannte direkte Importe). Während die Ent-      stoffe eingesetzt wurden. Zwischen 2000
angestrebte Richtung, das Tempo der Erhö-           nahme von Rohstoffen im Inland zwischen        und 2009 ist der so abgegrenzte Rohstoff­
hung der letzten fünf Jahre würde jedoch            1994 und 2010 um 349 Millionen Tonnen          einsatz (gestrichelte Linie) ebenfalls zurück-
nicht ausreichen, um das gesetzte Ziel zu           (– 32 %) zurückgegangen ist, stieg die         gegangen (– 11,3 %), jedoch weniger stark
erreichen. Der Indikator würde damit im             Einfuhr von Rohstoffen sowie Halb- und Fer-    als der Rohstoffeinsatz, der nur die direkten
Zieljahr 2020 rund 82 % des erforderlichen          tigwaren um 93 Millionen Tonnen (+ 24 %)       Importe umfasst (– 13,8 %). Damit ergibt
Wegs zum Zielwert zurückgelegt haben, was           an. Der Anteil der importierten Güter am       sich auch hier ein Anstieg der Rohstoff-
dem Status der Stufe 2 („leicht bewölkt“)           gesamten Primärmaterialein­satz erhöhte        produktivität, der jedoch geringer ausfällt
entspricht.                                         sich damit von 26 % im Jahre 1994 auf          als ohne Berücksichtigung der indirekten
                                                    39 % im Jahre 2010. Quantitativ bedeutsam      Importe.
Die Zunahme der Rohstoffproduktivität               sind bei dieser Verlagerung insbesondere
zwischen 1994 und 2010 ist vor allem auf            die gestiegenen Importe von metallischen
einen rückläufigen Einsatz von Bauroh-              Halb- und Fertigwaren (+ 96 %) sowie von
stoffen um 34,4 % bzw. 274 Millionen Ton-           fossilen Energieträgern.
nen zurückzuführen. Der mengenmäßige
Einsatz von fossilen Energieträgern nahm            Diese Entwicklung gab Anlass, dem Roh­
seit 1994 nur geringfügig ab (− 2,8 %).             stoffindikator eine zusätzliche Information
Demgegenüber nahm der Einsatz von Erzen             zur Seite zu stellen, die ergänzend zur Roh-
und ihren Erzeugnissen in diesem Zeitraum           stoffentnahme in Deutschland und zu den
deutlich zu (um 45 % bzw. um 39 Millio-             direkten Importen die „indirekten Importe“
nen Tonnen). Die insgesamt rückläufigen             enthält. Direkte und indirekte Importe

Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012                                                                          9
I. Generationengerechtigkeit

Klimaschutz                                                                                                       2 Treibhausgasemissionen
                                                                                                                  Der Klimawandel ist eine große Heraus-
Treibhausgase reduzieren
                                                                                                                  forderung für die Menschheit. Deutsch-
                                                                                                                  land hat sich daher verpflichtet, seine
                                                                                                                  Emissionen der sechs im Kyoto-Protokoll
Treibhausgasemissionen (sechs Kyotogase) in CO2-Äquivalenten                                                      genannten Treibhausgase und Treibhaus-
Basisjahr = 100                                                                                                   gasgruppen im Durchschnitt des Zeitraums
                                                                                                                  zwischen 2008 und 2012 gegenüber dem
       100     101,4                                                                                              Jahr 1990 um 21 % zu reduzieren. Die Bun-
100
                                                                                                                  desregierung hat sich darüber hinaus zum
 90                                                                                                               Ziel gesetzt, die Emissionen bis 2020 um
                                                                                    Ziel: 79
 80                                                                                                               40 % unter das Niveau von 1990 zu senken.
                                                                                  74,7
                                                                                                                  Als langfristiges Ziel strebt die Bundesregie-
 70                                                                                                               rung im Rahmen des Energiekonzepts bis
                                                                                               Ziel: 60
 60                                                                                                               2050 eine Senkung der Treib­hausgase um
                                                                                                                  80 bis 95 Prozent im Vergleich zu 1990 an.
 50
                                                                                                                  Zu den Treibhausgasen zählen gemäß dem
 40
                                                                                                                  Kyoto-Protokoll folgende Stoffe: Kohlendi-
 30
                                                                                                       Ziel:      oxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid
 20
                                                                                                       20 bis 5   = Lachgas (N2O), teilhalogenierte Fluorkoh-
                                                                                                                  lenwasserstoffe (H-FKW / HFC), perfluorierte
 10                                                                                                               Kohlenwasserstoffe (FKW / PFC) und Schwe-
     0
                                                                                                                  felhexafluorid (SF6). Emissionen dieser
      Basis-           91 92 93 94 95 96 97 98 99          01 02 03 04 05 06 07 08 09                             Gase entstehen mengenmäßig vor­wiegend
       jahr    1990                                 2000                                2010    2020      2050    bei der Verbrennung fossiler Energieträger
Quelle: Umweltbundesamt                                                                                           wie Kohle, Erdöl und Erdgas. Sie treten aber
                                                                                                                  auch bei nicht energetischen Aktivitäten,
                                                                                                                  z. B. bei der Erzeugung von Eisen und Stahl,

10                                                                                        Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012
I. Generationengerechtigkeit

beim Umgang mit Lösungsmitteln, beim                Krise, im Vorjahr überproportional zurück-   Basisjahr um 12,7 % (– 0,5 ­Milliarden Ton-
Einsatz von Mineral­dünger, bei der Tierhal-        gegangen waren.                               nen CO2-Äquivalente) zurück. Dabei war
tung oder bei der Deponie auf.                                                                   der in 2009 gegenüber dem Vorjahr be­o­
                                                    Nach Ergebnissen der Umweltökonomi­          bachtete Rückgang von 6,9 % ­auffallend
Seit 1990 hat Deutschland die Freisetzung           schen Gesamtrechnungen entstammten           deutlich und vor allem ökonomisch be-
von Treibhausgasen deutlich vermindert.             die Treib­hausgasemissionen aus Deutsch-     dingt. Entsprechend der ­Berichterstattung
Bezogen auf das Basisjahr des Kyoto-Pro-            land im Jahr 2009 überwiegend dem            der UNFCCC (United Nations ­Framework
tokolls (1990/1995; ohne Emissionen aus             produzierenden Gewerbe (58,0 %), gefolgt     Convention on Climate Change) lag
Landnutzungsänderungen und Forstwirt-               vom Konsum der privaten Haushalte            Deutsch­land im Jahr 2009 bei den Indus-
schaft) sank die Gesamtemission in CO2-             (20,6 %), den Dienstleistungen (13,2 %)      triestaaten hinter den USA (6,6 Milliarden
Äquivalenten bis zum Jahr 2009 um rund              und der Landwirtschaft (8,2 %). Dabei ist    Tonnen CO2-Äquivalente), Russland (2,2
312 Millionen Tonnen bzw. 25,3 %. Damit             den privaten Haushalten durch ihren Strom-   Milliarden Tonnen) und Japan (1,2 Milliar­
erreichte Deutschland die angestrebte               verbrauch zusätzlich ein Teil der hohen      den Tonnen) mit 0,9 Milliarden Tonnen
Emissionsreduktion schon im ersten Jahr             Emissionen des Produktionsbereichs           CO2-Äquivalenten an vierter Stelle und
des Verpflichtungszeitraums. Den weit-              „Erzeugung und Verteilung von Strom und      zählt damit weiterhin zu den größten
aus größten Anteil am gesamten Ausstoß              Gas“ anzulasten. Zwischen 2000 und 2009      Emittenten von Treibhausgasen unter den
von Treibhausgasen hatte mit 85,7 % in              wurde der Rückgang der Treibhausgase         Industriestaaten. Der Indikator hat viele
2009 das Kohlendioxid, während Methan               zu 72 % in den Produktionsbereichen und      ­Querbezüge, z. B. zu den Indikatoren 1a,b,
mit 5,3 %, Lachgas mit 7,3 % und die                zu 28 % beim Konsum durch die privaten        3, 4, 5, 8, 11, 12.
fluorierten Kohlenwasserstoffe mit 1,3 %            Haushalte erreicht (ohne Emissionen aus
dazu beitrugen. Von 1990 bis 2009 ging              der Verwendung von Biomasse). Diese
Kohlendioxid um 252,9 Millionen Tonnen              Berechnungen (nach dem Inländerkonzept)
CO2-Äquivalente bzw. um 24,3 % zurück.              berücksichtigen die Emissionen der Inlän-
Ein Großteil der Reduktion (111 Millionen           der im Ausland, aber nicht die der Auslän-
Tonnen) fand hier vor allem durch Betriebs-         der im Inland.
stilllegungen in den ersten fünf Jahren seit
1990 statt. Nach einer ­Zeitnahprognose             Nach Angaben der europäischen Umwelt­
des Umweltbundesamtes stiegen die Treib­            agentur gingen die Treibhausgasemissio­
hausgasemissionen 2010 wieder an, nach-             nen in der EU-15 zwischen 2009 (3,7 Milli­
dem sie, bedingt durch die ökonomische              arden Tonnen CO2-Äquivalente) und dem

Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012                                                                     11
I. Generationengerechtigkeit

Erneuerbare Energien                                                             3a
                                                                                                                                      3a Anteil erneuerbarer Energien
                                                                                                                                      		 am Endenergieverbrauch
Zukunftsfähige Energieversorgung ausbauen                                                                                             3b Anteil des Stroms aus erneuerbaren
                                                                                 3b
                                                                                                                                      		 Energiequellen am Stromverbrauch
                                                                                                                                      Die Reserven wichtiger fossiler Energieträ-
Anteil erneuerbarer Energien am Energieverbrauch
in %
                                                                                                                                      ger wie Öl und Gas sind begrenzt und ihre
                                                                                                                         Ziel: 80
                                                                                                                                      Nutzung ist mit der Emission von Treibhaus-
80                                                                                                                                    gasen verbunden. Ein Umstieg auf erneuer-
                                                                                                                                      bare Energien (EE), die sich als natürliche
70                                                                                                                                    Energiequellen ständig regenerieren, verrin-
                                                                                                                         Ziel: 60
                                                                                                                                      gert die energetisch bedingten Emissionen
60                                                                                                                                    und damit das Ausmaß des ­Klimawandels.
                                                                                                                                      Er reduziert die Abhängigkeit von Energie­
50                                                                                                                                    importen, mindert den Ressourcenver-
                                                                                                                                      brauch, kann die Versorgungssicherheit
40                                                                                                            Ziel:35                 erhöhen, fördert technische ­Innovationen
                                                                                                                                      und führt zu Effizienzgewinnen.
30
                                                                                                                                      Ziel der Nachhaltigkeitsstrategie der Bun-
20                                                                                                 17,0       Ziel: 18                desregierung ist es, den Ausbau erneuer­
                                                Anteil am (Brutto-)Stromverbrauch
                                                                                                                                      barer Energieträger voranzutreiben. Zu
                   Anteil am Endenergieverbrauch1                                                 10,9      Ziel: 12,5
10                                                                                                                                    den erneuerbaren Energien zählen u. a.
                                                                                               9,4                                    Wasserkraft, Windkraft, Solarenergie und
                                                                         Anteil am Primärenergieverbrauch2
 0                                                                                                                                    Geothermie, aber auch Biomasse und der
     1990 91 92 93 94 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10                                        2020       2050        biologisch abbaubare Anteil von Abfällen
1 Brutto-Endenergieverbrauch. 2 Nach Wirkungsgradmethode.                                                                             aus Haushalten.
Quelle: Arbeitsgruppe Erneuerbare Energien – Statistik, Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen e. V., Zentrum für Sonnenenergie- und
Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg, Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, Stand: Juli 2011

12                                                                                                              Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012
I. Generationengerechtigkeit

Die Entwicklung des Einsatzes der EE wird           2010 von 3,1 % auf 17,0 % und hat damit        Der Anteil der EE an der Stromerzeugung
in der Nachhaltigkeitsstrategie anhand der          das Ziel für 2010 deutlich überschritten.      stieg seit dem Jahr 2000 besonders durch
Indikatoren „Anteil erneuerbarer Energien           Die positive Entwicklung wurde durch eine      die zunehmende Nutzung der ­Windenergie.
am Endenergieverbrauch“ (3a) und „Anteil            Reihe gesetzlicher Maßnahmen ­unterstützt      So nahm die Stromerzeugung mittels
des Stroms aus erneuerbaren Energiequel-            (Europäische Richtlinie 2001/77/EG zur För-    Windenergie von 7 550 Gigawattstunden im
len am Stromverbrauch“ (3b) gemessen.               derung der Stromerzeugung aus EE in 2004,      Jahr 2000 (Anteil am gesamten EE-Strom:
Der Verlauf des bisherigen Indikators               Neufassung des Erneuerbare-Energien-           20 %) auf 37 793 Gigawattstunden im Jahr
„Anteil der erneuerbaren Energien am                Gesetz (EEG) und das Erneuerbare-­Energien-    2010 (Anteil am gesamten EE-Strom: 37 %)
Primärenergieverbrauch“ wird zur Informati-         Wärmegesetz (EEWärmeG)). Das EEG ver­          zu. Die Stromerzeugung aus Biomasse hat
on in der Grafik weiter mitgeführt. Entspre-        pflichtet die Netzbetreiber, vorrangig Strom   sich im Zeitraum von 2000 bis 2010 fast
chend der EU-Richtlinie 2009/28/EG soll             aus erneuerbaren Energien abzunehmen.          verzehnfacht. Die Wärmeerzeugung aus EE
der Anteil der EE am gesamten Bruttoend­            Seit Januar 2007 sind weiterhin alle Unter-    erfolgte zuletzt zu 92 % aus Biomasse.
energieverbrauch in der EU bis zum Jahr             nehmen, die fossile Kraftstoffe in den
2020 auf 20 % steigen. Für Deutschland              Verkehr bringen, zur Abgabe einer bestimm­     Durch die Verminderung von Emissionen
ergibt sich hieraus ein Zielwert von 18 %,          ten Mindestmenge an Biokraftstoffen            hat der Indikator eine positive Korrelation
der in die Nachhaltigkeitsstrategie über-           verpflichtet.                                  zu Indikator 2 (Treibhausgasemissionen).
nommen wurde. Im Jahr 2050 soll dieser                                                             Nach Berechnungen des Umweltbundes-
Anteil 60 % betragen. Bei der Stromerzeu-           Der Anteil der einzelnen erneuerbaren          amtes wurden durch die Nutzung erneuer-
gung war das Ziel der Bundesregierung,              Energieträger am gesamten Endenergiever-       barer Energien im Jahr 2010 Treibhausgas­
bis zum Jahr 2010 einen Anteil der EE von           brauch aus EE war 2010 sehr unterschied-       emissionen von rund 118 Millionen Tonnen
12,5 % zu erreichen. Bis 2020 soll sich             lich. 71 % entfielen auf Bioenergien, 13 %     CO2-Äquivalenten vermieden. Der Anbau
dieser Anteil auf mindestens 35 % und bis           auf Windenergie und 7 % auf Wasserkraft.       von Biomasse zur energetischen N  ­ utzung
2050 sogar auf mindestens 80% erhöhen.              Entsprechend der Struktur des gesamten         kann jedoch zur Flächenkonkurrenz auf der
                                                    Energieaufkommens erneuerbarer Energien        begrenzten landwirtschaftlichen Nutzfläche
Im Zeitraum 1990 bis 2010 stieg der Anteil          entfielen im Jahr 2010 auf die Stromerzeu-     führen sowie negative Folgen für Land-
der EE am Endenergieverbrauch von 1,9 %             gung 38 %, auf die Wärmeerzeugung 49 %         schaftsqualität und Artenvielfalt nach sich
auf 10,9 %. Bei einer Weiterentwicklung wie         und auf die biogenen Kraftstoffe 13 %.         ziehen (siehe Indikator 5). Der Indikator
in den letzten fünf Jahren würde das Ziel                                                          EE hat vielfältige Querbezüge zu weiteren
für 2020 mehr als erreicht. Der Anteil am                                                          Indikatoren der Strategie.
Stromverbrauch erhöhte sich von 1990 bis

Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012                                                                       13
I. Generationengerechtigkeit

Flächeninanspruchnahme                                                                                                    4 Anstieg der Siedlungs-
                                                                                                                            und Verkehrsfläche
Nachhaltige Flächennutzung
                                                                                                                          Die unbebaute, unzerschnittene und un­zer­
                                                                                                                          siedelte Fläche ist eine begrenzte und
                                                                                                                          gleichwohl begehrte Ressource. Um ihre
Anstieg der Siedlungs- und Verkehrsfläche                                                                                 Nutzung konkurrieren z. B. Land- und Forst­
in ha pro Tag                                                                                                             wirtschaft, Siedlung und Verkehr, Natur-
          Gebäude- und Freifläche, Betriebsfläche1          Verkehrsfläche                                                schutz, Rohstoffabbau und Energieerzeu-
                                                                                                                          gung, wobei sich insbesondere die
          Erholungsfläche, Friedhof         gleitender Vierjahresdurchschnitt
                                                                                                                          Siedlungs- und Verkehrsflächen stetig
                                                                                                                          ausdehnen.
160
                                                                                                                          Zu den direkten Umweltfolgen der Auswei-
                                                                                                                          tung der Siedlungs- und Verkehrsflächen
         120
120                                                                                                                       zählen der Verlust der natürlichen Boden-
         120                                                                                                              funktionen durch Versiegelung, der Verlust
                                                                                                                          fruchtbarer landwirtschaftlicher Flächen
                                                                                                87                        oder der Verlust naturnaher Flächen mit
 80
                                                                                               77                         ihrer Biodiversität. Zudem zieht jede Neu-
                                                                                                                          erschließung von Bauflächen im Umfeld
 40                                                                                                                       der Städte und außerhalb der bisherigen
                                                                                                         Ziel: 30
                                                                                                                          Siedlungskerne auch weiteren Verkehr
                                                                                                                          und Flächenzerschneidung nach sich. Dies
     0                                                                                                                    führt zu Folgelasten wie Lärm und Schad-
         1993- 97     98    99   2000 01       02    03   04     05    06       07   08   09   10         2020            stoffemissionen, aber auch zu erhöhtem
         1996                                                                                                             Aufwand für die Bereitstellung der nötigen
1 Ohne Abbauland.                                                                                                         Infrastruktur.

14                                                                                                  Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012
I. Generationengerechtigkeit

Ziel der Bundesregierung ist es, die Nut­           Die Berechnung des Anstiegs der Sied-          che, Friedhof“ sowie „Verkehrsfläche“ ver-
zung neuer Flächen für Siedlungs- und Ver-          lungs- und Verkehrsfläche als gleitender       teilte, betrug 2010 bei einer Zunahme von
kehrszwecke bis 2020 auf durchschnittlich           Vierjahresdurchschnitt (dargestellt als        77 ha pro Tag das entsprechende Verhältnis
30 Hektar (ha) pro Tag zu begrenzen.                Kurve) liefert derzeit belastbarere Aussagen   43:30:27. Neben der deutlichen Abnahme
                                                    als die auf einzelne Jahre bezogenen Anga-     des Anteils der Gebäude- und Freiflächen
In den letzten Jahren hat sich der Zuwachs
                                                    ben (Säulen). Ursache sind methodische         und Betriebsflächen am Zuwachs der Sied-
an Siedlungs- und Verkehrsfläche mit
                                                    Umstellungsarbeiten in den amtlichen           lungs- und Verkehrsfläche ist die Zunahme
er­kennbarem Trend abgeschwächt. Der
                                                    Liegenschaftskatastern, auf denen die          des Anteils der Erholungsflächen und Fried-
glei­tende Vierjahresdurchschnitt für neu in
                                                    Flächenstatistik basiert. Der gleitende        höfe bemerkenswert. Letztere ist u. a. auf
Anspruch genommene Flächen für Sied-
                                                    Vierjahresdurchschnitt zeigt eine kontinu-     die vorgenannten Umstellungsarbeiten in
lungs- und Verkehrszwecke lag 2010 bei
                                                    ierliche Abschwächung des Zuwachses der        den Katastern zurückzuführen. Unabhängig
87 ha pro Tag. Eine Fortsetzung der durch-
                                                    Siedlungs- und Verkehrsfläche zwischen         von der Betrachtung des Flächenzuwachses
schnittlichen jährlichen Entwicklung der
                                                    den Jahren 2000 (129 ha pro Tag) und           betrug der Anteil der Erholungsflächen und
letzten Jahre würde jedoch weiterhin nicht
                                                    2010 (87 ha pro Tag). Diese Entwicklung        Friedhöfe an der Siedlungs- und Verkehrs-
genügen, um das vorgegebene Reduktions­
                                                    korrespondiert mit den Bauinvestitionen,       fläche im Jahr 2010 lediglich 9,1 %.
ziel bis 2020 zu erreichen.
                                                    die sich in diesem Zeitraum preisbereinigt
Die Siedlungs- und Verkehrsfläche umfasst           um insgesamt 15,8 % verringert haben.          Rund 53 % der Siedlungsfläche wurde im
„Gebäude- und Freifläche, Betriebsfläche            Betrachtet man die Entwicklung im Einzel-      Jahr 2008 von den privaten Haushalten –
(ohne Abbauland)“, „Erholungsfläche, Fried­         nen, so ist nach einer kontinuierlichen Ver-   überwiegend zum Wohnen – beansprucht.
hof“ sowie „Verkehrsfläche“. „Siedlungs-            ringerung bis 2005 in der Folge ein Auf und    Die Siedlungsfläche der privaten Haus-
und Verkehrsfläche“ und versiegelte Fläche          Ab bei den Bauinvestitionen festzustellen.     halte stieg im Zeitraum 1992 bis 2008 um
können nicht gleichgesetzt werden, da in            Ob dies auch auf den Anstieg der Sied-         28,3 %. Sie nahm damit erheblich stärker
die Siedlungs- und Verkehrsfläche auch              lungs- und Verkehrsfläche durchschlägt,        zu als die Zahl der Einwohner (+ 1,3 %). Ein
un­bebaute und nicht versiegelte Flächen            bleibt abzuwarten.                             wesentlicher Grund ist die deutlich gestie-
eingehen. Schätzungen ergeben für die                                                              gene Wohnfläche pro Kopf, die zwischen
Siedlungs- und Verkehrsfläche einen Versie-         Während sich im Jahr 2000 die Zunahme          1993 und 2006 um 18,5 % (von 36 m2 auf
gelungsgrad von 43 bis 50 %. Auch unter             der Siedlungs- und Verkehrsfläche (131 ha      43 m2 pro Kopf) zunahm.
den Erholungsflächen gibt es versiegelte            pro Tag) prozentual im Verhältnis 66:16:18
Flächen (z. B. Sportplätze).                        auf die drei Komponenten „Gebäude- und
                                                    Freifläche, Betriebsfläche“, „Erholungsflä-

Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012                                                                        15
I. Generationengerechtigkeit

Artenvielfalt                                                                                           5 Artenvielfalt und Landschaftsqualität

Arten erhalten – Lebensräume schützen                                                                   Eine große Artenvielfalt an Tieren und Pflan-
                                                                                                        zen ist eine wesentliche Voraussetzung
                                                                                                        für einen leistungsfähigen Naturhaushalt
                                                                                                        und bildet eine wichtige ­Lebensgrundlage
 Artenvielfalt und Landschaftsqualität                                                                  des Menschen. Natur und Landschaft in
 Index 2015 = 100                                                                                       Deutschland sind durch ­Jahrhunderte wäh­
                                                                                                        rende Nutzungen geprägt. Zur Erhaltung
          Index insgesamt           Teilindex Siedlungen       Teilindex Wälder
                                                                                                        der daraus entstandenen und der natürlich
          Teilindex Agrarland       Teilindex Binnengewässer
                                                                                                        gewachsenen Vielfalt reicht ein kleinflächi­
120                                                                                                     ger Schutz von Arten und Lebensräumen
         107                                                                               Ziel: 100    nicht aus. Vielmehr sind nachhaltige For­men
                 101
100                                                                                                     der Landnutzung in der Gesamtlandschaft,
                                                                                                        eine Begrenzung von Emissionen und ein
                                                                                                        schonender Umgang mit der Natur erforder-
 80
                                                                                                        lich. Auf diese Weise kann die Artenvielfalt
                                                                                                        erhalten und zugleich die Lebensqualität
 60                                                                                                     des Menschen gesichert werden.
                         77                                                                             Der Indikator liefert Informationen zur
 40
                                                                                      67                Artenvielfalt, zur Landschaftsqualität und
                                                                                                        zur Nachhaltigkeit der Landnutzungen. Der
 20
                                                                                                        Berechnung des Indikators liegt die Ent-
                                                                                                        wicklung der Bestände von 59 Vogelarten
     0                                                                                                  zu Grunde, die die wichtigsten Landschafts-
         1970   1975    1990 91 92 93 94 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 07 08 09      2015       und Lebensraumtypen in Deutschland
Quelle: Bundesamt für Naturschutz, 2011
                                                                                                        repräsentieren (Agrarland, Wälder, Sied-
                                                                                                        lungen, Binnengewässer, Küsten/Meere
                                                                                                        sowie die Alpen). Die Größe der Bestände

16                                                                                Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012
I. Generationengerechtigkeit

(nach Anzahl der Reviere bzw. Brutpaare)            kann das Ziel von 100 % in 2015 nicht ohne      die Verbauung, z. B. durch Küstenschutz-
spiegelt die Eignung der Landschaft als             erhebliche zusätzliche Anstrengungen von        maßnahmen.
Lebensraum für die ausgewählten Vogel-              Bund, Ländern und auf kommunaler Ebene
arten wider. Da neben Vögeln auch andere            in möglichst allen Politikfeldern mit Bezug     Die Veränderung des Klimas, die wesentlich
Arten an eine reichhaltig gegliederte Land-         zum Natur- und Landschaftsschutz erreicht       durch die Emission von Treibhausgasen
schaft mit intakten, nachhaltig genutzten           werden.                                         verursacht wird, führt bereits heute zu
Lebensräumen gebunden sind, bildet der                                                              einer Verschiebung der Verbreitungsge-
Indikator indirekt auch die Entwicklung             Die Teilindikatoren für Agrarland (66 % des     biete vieler Arten und beginnt die Land-
zahlreicher weiterer Arten in der ­Landschaft       Zielwerts in 2009), für Siedlungen (59 %),      schaften in Deutschland umzuformen. Der
und die Nachhaltigkeit der Landnutzung              für Küsten und Meere (56 %) sowie für die       vom Menschen verursachte Klimawandel
ab. Ein Expertengremium hat für jede ein­           Alpen (77 %) entwickelten sich in den letz-     könnte künftig die Artenvielfalt sowie das
zelne Vogelart Bestandszielwerte für das            ten 10 Jahren bis 2009 statistisch signifi-     Artenspektrum durch Einwanderung und
Jahr 2015 festgelegt, die erreicht werden           kant weg vom Ziel. Für Wälder und Binnen-       Aussterben von Tier- und Pflanzenarten
könnten, wenn europäische und ­nationale            gewässer (jeweils bei 70 %) ist in diesem       wesentlich verändern. Grünlandumbruch
rechtliche Regelungen mit Bezug zum                 Zeitraum kein statistisch signifikanter Trend   und zunehmender Energiepflanzenanbau
Natur­schutz und die Leitlinien einer nach­         feststellbar.                                   können negative Auswirkungen auf Land-
haltigen Entwicklung zügig umgesetzt                                                                schaftsqualität und ­Artenvielfalt haben.
                                                    Die wichtigsten Ursachen für den Rückgang       Offen ist bisher, in welcher ­Weise sich der
­werden. Aus dem Grad der Zielerreichung            der Artenvielfalt sind – regional unter-
 bei allen 59 Vogelarten wird jährlich ein                                                          demografische Wandel in Abwanderungs-
                                                    schiedlich – eine intensive land- und forst-    gebieten auf Artenvielfalt und Landschafts-
 Wert für den Gesamtindikator berechnet.            wirtschaftliche Nutzung, Zerschneidung und      qualität auswirken wird. Der Indikator hat
Der Wert des Indikators für Artenvielfalt           Zersiedelung der Landschaft, Versiegelung       direkte und indirekte Querbezüge zu vielen
und Landschaftsqualität lag im Jahr 1990            von Flächen sowie Stoffeinträge (z. B. Säu-     Indikatoren der Strategie, u. a. zu 1c, 2, 3,
deutlich unter den Werten, die für die Jahre        rebildner oder Nährstoffe). Im Siedlungs-       4, 11, 12, 13.
1970 und 1975 rekonstruiert wurden. In              bereich wirken sich Verluste an naturnahen
den letzten zehn Beobachtungsjahren                 Flächen und dörflichen Strukturen aufgrund
(1999 bis 2009) hat sich der Indikatorwert          von Bautätigkeit und Flächenversiegelung
(statistisch signifikant) verschlechtert.           negativ aus. Gefährdungsfaktoren für
Im Jahr 2009 lag er bei knapp 67 % des              Lebensräume an der Küste sind Störungen
Zielwerts. Bei gleichbleibender Entwicklung         durch eine gestiegene Freizeitnutzung und

Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012                                                                          17
I. Generationengerechtigkeit

Staatsverschuldung                                                         6a                                     6a Staatsdefizit
                                                                                                                  6b Strukturelles Defizit
Haushalt konsolidieren –
Generationengerechtigkeit schaffen                                         6b                                     Solide Staatsfinanzen sind ein wichtiger
                                                                                                                  Beitrag zu einer nachhaltigen Finanzpolitik.
                                                                                                                  Eine Politik, die heutige Staatsausgaben
Staatsdefizit                                                                                                     übermäßig durch Neuverschuldung finan-
in % des Bruttoinlandsprodukts                                                                                    zieren würde und die Rückzahlung dieser
       Staatsdefizit1            strukturelles Defizit
                                                                                                                  Schulden allein zukünftigen Generationen
                                                                  Wirtschaftswachstum
                                                                                                                  überließe, wäre nicht tragfähig.
 4
                                                                                           3,7
 3
                                                                                                                  Der Indikator zum Staatsdefizit orientiert
                                                                                                                  sich an den auf europäischer Ebene einge-
 2                                                                                                                führten „Maastricht-Kriterien“. Danach soll
 1                                                                                                                das jährliche Staatsdefizit der Mitgliedslän-
                                                                                                 Limit            der der Eurozone den Referenzwert von 3 %
 0                                                                                               Strukturelles    des BIP stets unterschreiten. Mittelfristig
                                                                                                 Defizit:
-1                                                                                                                wird ein ausgeglichener Haushalt oder ein
                                                                                                 -0,5
-2                                                                                                                Überschuss angestrebt. Als weiterer Indika-
                                                                                          -2,1 Limit              tor wurde daher das strukturelle Defizit neu
-3                                                                                               Staatsdefizit:
                                                                                                 -3,0             in die Nachhaltigkeitsstrategie aufgenom-
-4                                                                                                                men. Das strukturelle Finanzierungsdefizit
                                                                                        -4,3                      ist eine Maßgröße für die Finanzierungs-
-5
                                                                                                                  lücke in den öffentlichen Haushalten und
-6
     1991 92 93 94 95 96 97 98 99 2000 01 02 03 04 05 06 07 08 09 10                                              spiegelt das über den Konjunkturzyklus
                                                                                                                  hinweg bestehende Haushaltsdefizit des
1 Gesamtstaatlicher Finanzierungssaldo in % des BIP.
                                                                                                                  Staates wider. Entsprechend dem in 2005
Quelle: Statistisches Bundesamt, Bundesministerium der Finanzen                                                   reformierten Stabilitäts- und Wachstums­
                                                                                                                  pakt ist das Ziel ein strukturell nahezu

18                                                                                         Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012
I. Generationengerechtigkeit

ausgeglichener Haushalt. Dieses Mittelfrist­        und einem marginalen Defizit im Jahr 2008       Die staatliche Einnahmenquote ging 2010
ziel wird für Deutschland bei Einhaltung            verschlechterte sich der gesamtstaatliche       auf 43,6 % zurück. Gründe waren steuer-
eines gesamtstaatlichen strukturellen, das          Finanzierungssaldo im Jahr 2009 auf ein         liche Maßnahmen (erweiterte Absetzbarkeit
heißt um konjunkturelle und Einmaleffekte           Defizit von 3,2 % in Relation zum BIP. Im       von Versicherungsbeiträgen sowie die
bereinigten Defizits von maximal 0,5 % des          Jahr 2010 wurde der Maastricht-Referenz­        Konjunkturpakete) und die Absenkung von
BIP erreicht. Zur Bestimmung dieser Grenze          wert mit einer Defizitquote von 4,3 %           Beitragssätzen in der gesetzlichen Kran-
werden neben der Schuldenstandsquote                (105,9 Milliarden Euro) deutlich überschrit-    kenversicherung. Zwar sank die staatliche
auch zukünftige Belastungen der öffent-             ten. Aufgeteilt auf die staatlichen Ebenen      Ausgabenquote 2010 gegenüber dem
lichen Haushalte infolge der Bevölkerungs-          betrugen die Defizite des Bundes 79,7 Milli-    Vorjahr ebenfalls. Der Rückgang fiel jedoch
alterung berücksichtigt.                            arden Euro, der Länder 22,8 Milli­arden Euro    mit 0,2 Prozentpunkten relativ gering aus.
                                                    und der Gemeinden 5,7 Milliar­den Euro.
Durch die im Grundgesetz verankerte Schul-          Einen positiven Finanzierungs­saldo von 2,3     Die Ausgaben durch Vermögenstransfers
denregel für Bund und Länder soll sicher­           Milliarden Euro wies allein die Sozialver­      sind 2010 um fast 30 Milliarden Euro
gestellt werden, dass die ­gesamtstaatlichen        sicherung auf.                                  gestiegen. Dies steht in engem Zusam-
Vorgaben des Maastricht-Vertrags auch                                                               menhang mit der – einmaligen – Übertra-
nationalstaatlich umgesetzt werden.                 Das strukturelle Defizit betrug 2010 2,1 %      gung von Risikopositionen der WestLB
Danach sollen weder Ausgabenerhöhungen              des BIP. Zur Überschreitung des Mittelfrist-    und der Hypo Real Estate-Gruppe auf
noch Steuersenkungen dauerhaft über Kre-            ziels eines maximalen strukturellen Defizits    Anstalten des öffentlichen Rechts inner-
ditaufnahme finanziert werden. Der Bund             von 0,5 % des BIP haben insbesondere            halb der Bundesanstalt für Finanzmarkt-
soll seine strukturelle Nettokreditaufnahme         strukturelle Verschlechterungen der Haus-       stabilisierung (FMSA). Dagegen wiesen die
in gleichmäßigen Schritten bis 2016 auf             halte infolge expansiver finanzpolitischer      übrigen Ausgaben (Sozialleistungen oder
maximal 0,35 % des BIP zurückführen und             Maßnahmen zur Krisenbewältigung beige-          Arbeitnehmerentgelte) sehr viel geringere
danach diese Grenze nicht überschreiten.            tragen. Im ersten Halbjahr 2011 stiegen die     Zuwächse als das BIP auf. Die geleisteten
Die Länder dürfen ab 2020 überhaupt keine           staatlichen Einnahmen kräftig an (+ 6,0 %       Vermögenseinkommen, die ganz über-
strukturellen Defizite mehr aufweisen.              im Vergleich zum ersten Halbjahr 2010)          wiegend die Zinsausgaben des Staates
                                                    und die Staatsausgaben erhöhten sich nur        enthalten, sanken sogar absolut von 63,8
Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat die            noch wenig (+ 0,3 %). Das Finanzierungs-        Milliarden Euro (2009) auf 61,9 Milliarden
öffentlichen Finanzen in Deutschland                defizit des Staates sank auf 7,2 Milliarden     Euro (2010).
spürbar in Mitleidenschaft gezogen. Nach            Euro. Die Defizitquote für das erste Halbjahr
einem geringen Überschuss im Jahr 2007              2011 betrug 0,6 %.

Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012                                                                        19
I. Generationengerechtigkeit

Staatsverschuldung                                                                                                    6c Schuldenstand
                                                                                                                      Neben dem Staatsdefizit ist auch der gesamt­
Haushalt konsolidieren –
                                                                                                                      staatliche Schuldenstand ein wichtiger Indi-
Generationengerechtigkeit schaffen
                                                                                                                      kator für die Solidität der Staatsfinanzen.
                                                                                                                      Von der Höhe des Schuldenstands hängt
                                                                                                                      unter anderem ab, welche Aufwendungen
Schuldenstandsquote                                                                                                   der Staat für Zinsausgaben leisten muss.
Maastricht Schuldenstand in % des BIP                                                                                 Die Frage, bis zu welchem Schuldenstand
                                                                                                                      die Finanzen eines Staates als tragfähig
                                                                                                                      anzusehen sind, ist kaum allgemeingültig
90
                                                                                                         83,2         zu beantworten. Die Antwort darauf kann
80                                                                                                                    sich von Land zu Land stark unterscheiden
                                                                                                                      und hängt unter anderem von der langfris­
                                              Referenzwert: 60
70                                                                                                                    tigen Entwicklung der Wirtschaftskraft,
                                                                                                                      das heißt vom Wachstumspotential des
60
                                                                                                                      je­weiligen Landes ab. Entscheidend für
50                                                                                                                    die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen
     39,5                                                                                                             ist vor allem die Schuldenstandsquote,
40                                                                                                                    also der Schuldenstand im Verhältnis zum
                                                                                                                      Bruttoinlandsprodukt (siehe auch die Trag-
30
                                                                                                                      fähigkeitsberichte des Bundesministeriums
20                                                                                                                    der Finanzen). Die Schuldenstandsquote
                                                                                                                      zeigt an, wie hoch die relative Last ist, die
10                                                                                                                    der Staatshaushalt zu tragen hat und geht
                                                                                                                      als neuer Indikator in die Nachhaltigkeits-
 0
     1991 92    93    94   95    96    97   98    99 2000 01     02   03   04   05   06   07   08   09   10           strategie ein.

Quelle: Deutsche Bundesbank, Stand: 21. November 2011                                                                 Im Stabilitäts- und Wachstumspakt der
                                                                                                                      Europäischen Union ist der Referenzwert

20                                                                                              Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012
I. Generationengerechtigkeit

für die maximale Schuldenstandsquote auf            Schuldenstands in 2010 bei. Gleichzeitig       vor Gründung der Abwicklungsanstalten,
60 % festgelegt. Dies ist auch der für den          hat sich dadurch aber auch das staatliche      stetig gesunken und die der Länder gestie-
Bericht relevante nationale Zielwert des            Finanzvermögen erhöht. Zahlungen aus den       gen.
Indikators. Die im Grundgesetz verankerte           öffentlichen Haushalten sind dafür noch
Schuldenregel soll eine nachhaltige Rück-           nicht geflossen. Dieser Teil neuer Schulden    Den Schulden des Staates stehen auf der
führung der Schuldenstandsquote sichern.            führt daher nicht zu einer höheren Zinsbela-   Aktivseite der Vermögensbilanz Vermögens­
                                                    stung in den Haushalten.                       güter – Sachvermögen und ­Geldvermögen –
Die Schuldenstandsquote in Deutschland                                                             gegenüber. Erst die Bilanzierung von Schul­
liegt seit 2002 stets und mittlerweile sogar        Beim Bund erhöhten sich die Schulden zum       den und Vermögen ermöglicht eine ökono-
deutlich höher als auf europäischer Ebene           Ende des Jahres 2010 gegenüber 2009            misch sinnvolle Aussage über die Be­las­
vorgeschrieben. Nachdem sie Mitte der               um 242 Milliarden Euro auf rund 1 308          tung zukünftiger Generationen. Die g­ rößte
vergangenen Dekade aufgrund der Konso-              Milliarden. Euro. Dieser hohe Zuwachs geht     Ver­mögensposition des Staates sind die
lidierung der öffentlichen Haushalte auf            überwiegend auf den erwähnten Anstieg          Bauten (Straßen, Schulen, öffentliche Ge-
65,2 % im Jahr 2007 zurückgegangen war,             der Schulden in Zusammenhang mit der           bäude). Nach der Sachanlagenvermögens-
stieg sie in den Folgejahren kontinuierlich         Errichtung der Abwicklungsanstalt der Hypo     rechnung des Statistischen Bundesamtes
an. Die öffentlichen Haushalte waren Ende           Real Estate zurück. Die Schulden der Länder    hatten diese im Jahr 2009 einen Vermö-
2010 mit insgesamt 2 062 Milliarden Euro            erhöhten sich im Jahr 2010 um 49 Milliar-      genswert von 1 067 Milliarden Euro. Den
verschuldet. Dies entsprach rechnerisch             den Euro auf 620 Milliarden Euro, was zu       zweitgrößten Vermögenswert bilden inzwi-
einer Schuldenlast von 25 219 Euro pro              einem großen Teil durch die Errichtung der     schen die Wertpapiere aufgrund der Betei­
Kopf. Der Anstieg ist im Zusammenhang               Abwicklungsanstalt der WestLB bedingt          ligung an den genannten Abwicklungsan­
mit der Finanz- und Wirtschaftskrise zu             war. Die Schulden der Gemeinden stiegen        stalten. Der Indikator der Maastricht-
sehen. Die starke Zunahme von 74,4 % im             im Jahr 2010 um 5 Milliarden Euro auf 134      Schuldenstandsquote hat neben direkten
Jahr 2009 auf 83,2 % im Jahr 2010 (um 294           Milliarden Euro. Die Sozialversicherungen      Bezügen zu den Indikatoren 6a, b und 10
Milliarden Euro) geht insbesondere darauf           wiesen im Jahr 2010 einen Überschuss von       vielfache Querbeziehungen zu anderen
zurück, dass die neu errichteten Abwick-            gut 1 Milliarde Euro auf. Damit entfielen im   Nachhaltigkeitsindikatoren aus dem ökono-
lungsanstalten für die Banken Hypo Real             Jahr 2010 63,5 % der gesamten Schulden         mischen, dem sozialen und dem Umwelt-
Estate und WestLB dem Sektor Staat zuge-            auf den Bund, 30,1 % auf die Länder und        bereich.
ordnet werden und ihre Verbindlichkeiten            6,5 % auf die Gemeinden. Anteilig waren
in den Schuldenstand einfließen. Dies trug          die Schulden des Bundes und der Gemein-
mit 213 Milliarden Euro zum Anstieg des             den zwischen 2000 und 2009, das heißt

Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012                                                                      21
I. Generationengerechtigkeit

Wirtschaftliche Zukunftsvorsorge                                                              7 Verhältnis der Bruttoanlage­investitionen
                                                                                                zum BIP
Gute Investitionsbedingungen schaffen – Wohlstand dauerhaft erhalten
                                                                                              Die wirtschaftliche Leistungskraft und die
                                                                                              Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft
                                                                                              hängen entscheidend von den Investitionen
Verhältnis der Bruttoanlageinvestitionen zum BIP                                              der Unternehmen und des Staates ab. Ins­
in %                                                                                          besondere über Investitionen in neue Aus­
                                                                                              rüstungen und immaterielle Anlagen wer-
25
     23,2
                                                                                              den Innovationen realisiert sowie ­Märkte –
                                                                                              und damit auch Beschäftigung – gesichert
                                                                                              oder ausgeweitet. Gleichzeitig können Inve-
20                                                                                            stitionen dazu beitragen, die Energie- und
                                                                             17,5
                                                                                              Ressourceneffizienz zu stei­gern, z. B. durch
                                                                                              Energieeinsparmaßnahmen an Gebäuden,
15                                                                                            Realisierung umwelteffizienter Produkti-
                                                                                              onstechniken oder Herstellung umwelteffi-
                                                                                              zienter Güter. Auf der anderen Seite gehen
10                                                                                            besonders Bauinvestitionen mit erheb-
                                                                                              lichem Materialverbrauch und, soweit es
                                                                                              sich um Erweiterungen handelt, zusätz-
 5                                                                                            licher Inanspruchnahme von Siedlungs-
                                                                                              und Verkehrsflächen einher (siehe umwelt-
                                                                                              bezogene Indikatoren, z. B. 1c und 4).
 0
     1991         2000    01     02     03     04   05   06   07   08   09    10

22                                                                      Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012
I. Generationengerechtigkeit

Zu den Bruttoanlageinvestitionen zählen             Die Investitionstätigkeit im Jahr 2009        Jahr 2010 entfielen auf die Dienstleistungs-
Bauten (Wohnbauten und Nichtwohnbau-                wurde durch die Folgen der weltweiten         bereiche, 1991 waren es 70,7 %. Der größte
ten), Ausrüstungen (Maschinen, Fahrzeuge,           Finanz- und Wirtschaftskrise geprägt. Die     investierende Bereich ist das Grundstücks-
Geräte) und sonstige Anlagen (immaterielle          Ausrüstungsinvestitionen (preisbereinigt)     und Wohnungswesen. Auf diesen Bereich
Anlagegüter wie Software und Urheber-               brachen mit einem Rückgang von 22,8 %         entfielen im Jahr 2010 32,6 % der gesam-
rechte, Grundstücksübertragungskosten,              gegenüber dem Vorjahr regelrecht ein. Die     ten neuen Anlagen. Der steigende Inves­
Nutztiere).                                         Bauinvestitionen gingen um 3,0 % zurück.      titionsanteil der Dienstleistungsbereiche
                                                    Stabilisierend wirkten die Bauinvestitionen   war im gesamten Zeitraum mit Ausnahme
Im Durchschnitt der letzten fünf Berichts-          des Staates, die im Krisenjahr 2009 noch      der Jahre 2007 und 2008 zu beobach-
jahre ist das Verhältnis der Bruttoanlagein-        einen Zuwachs von 2,8 % aufwiesen. Dieser     ten, in denen ein überdurchschnittliches
vestitionen in jeweiligen Preisen zum Brut-         Zuwachs und die Förderung der Investiti-      Wirtschafts- und Investitionswachstum im
toinlandsprodukt (die Investitionsquote)            onstätigkeit im Rahmen der Konjunkturpro-     Produzierenden Gewerbe wieder zu einer
leicht angestiegen, ein statistischer Trend         gramme vom November 2008 und Januar           kurzfristigen Erhöhung der Anteile an den
ist allerdings nicht erkennbar. Zwischen            2009, z. B. durch das Gebäudesanierungs-      gesamten Investitionen führte.
1991 und 2005 sank die Investitionsquote            programm, haben einem noch stärkeren
von 23,2 % auf 17,3 %. Bis zum Jahr 2008            Rückgang der Bauinvestitionen entgegen-       Das gesamte Nettoanlagevermögen
wuchsen die Bruttoanlageinvestitionen wie-          gewirkt. Im Jahr 2010 trat eine Erholung      (Summe der Anlageinvestitionen abzüglich
der kräftiger als das BIP und die Quote stieg       der Investitionstätigkeit ein. Die Ausrü-     Abschreibungen) betrug im Jahr 2009 rund
auf 18,6 % (2008). In 2008 kam der Anstieg          stungsinvestitionen stiegen preisbereinigt    8 012 Milliarden Euro. Im Eigentum der
allerdings zum Erliegen. In 2010 erreichte          gegenüber dem Vorjahr kräftig um 10,5 %,      Unternehmen waren davon 6 807 Milliarden
die Investitionsquote 17,5 %. Im Jahr zuvor         die Bauinvestitionen um 2,2 %.                Euro, beim Staat 1 097 Milliarden Euro. Bei
lag sie nach dem starken Rückgang der                                                             der Ermittlung des gesamten Vermögens
Investitionstätigkeit in 2009 bei nur noch          Die Investitionstätigkeit hat sich im Zeit-   sind zum Sachvermögen noch der Wert
17, 2 %. Während die Bauinvestitionen im            raum 1991 bis 2010 stark vom Produzieren­     von Land und das Geldvermögen hinzuzu-
Jahr 2010 den Stand vor der Finanz- und             den Gewerbe zu den Dienstleistungsbe­rei­     rechnen (zur Vermögensbilanz des Staates
Wirtschaftskrise fast wieder erreicht haben,        chen verlagert. Während 1991 noch 27,5 %      siehe Indikator 6b).
liegen die Ausrüstungsinvestitionen noch            der Investitionen in neue Anlagen von
erheblich – mit 14,7 % – unter dem Vorkri-          Unternehmen des Produzierenden Gewer-
senstand.                                           bes getätigt wurden, waren dies 2010 nur
                                                    noch 18,7 %. 79,6 % der Investitionen im

Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012                                                                      23
I. Generationengerechtigkeit

Innovation                                                                                                                      *       8 Private und öffentliche Ausgaben
                                                                                                                                           für Forschung und Entwicklung
Zukunft mit neuen Lösungen gestalten
                                                                                                                                         Die Ausgaben für Forschung und Entwick-
                                                                                                                                         lung (FuE) sind eine wichtige, wenn auch
                                                                                                                                         nicht die alleinige Bestimmungsgröße für
Private und öffentliche Ausgaben für Forschung und Entwicklung                                                                           das Innovationstempo einer Volkswirt-
Ausgaben in % des BIP
                                                                                                                                         schaft. Je höher die Ausgaben sind, desto
       Deutschland                Japan                USA                 EU-27
                                                                                                                                         größer ist die Aussicht auf eine dyna-
                                                                                                                                         mischere Entwicklung der Produktivität,
3,5                                                                                                                                      ein stärkeres Wirtschaftswachstum, eine
                                                                                                                                         verbesserte Wettbewerbsfähigkeit und
                                                                                                                      Ziel: 3*           nicht zuletzt die Chance, dass sich unsere
3,0                                                                                                                                      Produktions- und Konsummuster in Rich-
                                                                                                                                         tung Nachhaltigkeit weiterentwickeln.
2,5                                                                                                                                      Der hier dargestellte Indikator umfasst die
                                                                                                                                         Ausgaben von Wirtschaft, Staat und Hoch-
                                                                                                                                         schulen für Forschung und Entwicklung
2,0                                                                                                                                      und stellt diese in Relation zum Bruttoin-
                                                                                                                                         landsprodukt (BIP). Der Rat von Barcelona
1,5
                                                                                                                                         hat 2002 als Zielvorgabe für Europa einen
                                                                                                                                         Anteil der FuE-Ausgaben von 3 % im Jahr
                                                                                                                                         2010 beschlossen. Diese Vorgabe wurde
1,0                                                                                                                                      im Rahmen der nationalen Nachhaltigkeits-
      1991 92    93    94    95    96   97    98    99 2000 01       02    03   04    05    06    07   08 091           2020             strategie der Bundesregierung für Deutsch-
* Neues Ziel/neue Bewertung; keine Vergleichbarkeit mit Vorperiode. Erläuterung siehe Darstellung zum Indikator.
                                                                                                                                         land als Ziel übernommen. Übereinstim-
1 Schätzung.                                                                                                                             mend mit dem Ziel der Europäischen Union
Quelle: Organisation for Economic Co-operation and Development (OECD)                                                                    wird im Rahmen der EU 2020-Strategie nun-
                                                                                                                                         mehr für 2020 (statt wie bisher für 2010)

24                                                                                                                 Statistisches Bundesamt, Nachhaltige Entwicklung in Deutschland, 2012
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