HDS.JOURNAL 2/2016 Hochschuldidaktisches Zentrum Sachsen
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› HDS.JOURNAL 2/2016 LEHRPRAXIS IM TRANSFER aktisches Zentrum Sachsen W E R K S TAT T B E R I C H T E | L E H R - L E R N - P ROJ E K T E Hochschul- didaktisches I S S N 2195-0334 Zentrum Sachsen
› I N H A LT 02 ■ ■ Editorial 46 ■ ■ ExegeseWerkstattWiki Nadine Hahm – Forschendes Lernen in der exegetischen Ausbildung HOCHSCHULDIDAKTISCHE PERSPEKTIVEN Jan Heilmann, Marco Frenschkowski, Tobias Flemming 04 ■ ■ Vom „Ob“ zum „Wie“ – Bedarfsorientierte Angebote 51 ■ ■ Expansionslernprojekt für den Studienbeginn Nachhaltigkeitsbeauftragte/r Julia Rohde, Anne Töpfer, Michaela Gläser- (ELP NHB) Zikuda Julia Breßler, Evelina Koch 14 ■ ■ Von der Kunst des Prüfens 58 ■ ■ Hochschulübergreifend Lernen, – Assessment Literacy Organisieren und Kommunizieren Heinz-Werner Wollersheim, Norbert Pengel – Erfahrungen des Projektes ID4BM Marcus Breitenstein, Jonathan Dyrna, Helge WERKSTATTBERICHT Fischer, Luis Meier, Kathrin Möbius, Sascha Schneider 33 ■ ■ Forschendes Lehren und Lernen gestalten: MODUL-3-PROJEKTE Ein standortübergreifendes Projektseminar zu 63 ■ ■ Selbsttests und peer-reviewed Wikis „Rechtsextremismus und zur Förderung von Anwendungs- Zivilgesellschaft und Analysefähigkeit in den Julia Schulze Wessel, Rico Behrens, Rebecca Wirtschaftswissenschaften Pates, Daniel Schmidt, Ellen Thümmler, Frank Anne Gleiß Schale ■ ■ Impressum 40 ■ ■ Forschend Lernen – Studentische Umsetzung eines kooperativen Forschungsprojekts in Eigenverantwortung Felix Riehl, Steffen Pacholak, Anna Dannemann, Robert Zetzsche, Christian Maiwald SEITE 1
› EDITORIAL PERSPEKTIVEN GUTER LEHRE LEHR-LERN-PRAXIS Liebe Lehrende, liebe Interessierte, Bekanntgegeben werden zudem die 2017/2018 ge- geführt werden. Inspirierend bleibt der Eindruck, in förderten Lehrkooperationen der 6. Kohorte im Rah- welch heterogener Weise in ganz unterschiedlichen Sie halten die nunmehr zwölfte reguläre Ausgabe des men des Verbundprojekts Lehrpraxis im Transfer plus. Fachdisziplinen mit dem Ansatz des forschenden Ler- Praxisjournals in den Händen. Die aktuell durch LiT geförderten Lehr-Lern-Projekte nens gearbeitet werden kann. sind ebenfalls im Rahmen einer moderierten Poster- Die Zahl Zwölf ist in sämtlichen Kulturkreisen vielfäl- session auf dem HDS.Forum vertreten. Wer sich ferner nicht sicher ist, was unter Expansi- tig mit Deutungen belegt – in antiken und christlichen onslernen zu verstehen ist und wie dieses in die ei- Vorstellungen galt/gilt sie beispielsweise als Symbol Den Kern der aktuellen Ausgabe bilden die Werk- gene Lehrpraxis integriert werden kann, sei hiermit der Vollkommenheit und Vollständigkeit – und wirkt stattberichte geförderter Lehr-Lern-Projekte aus der eingeladen, den Artikel von Julia Breßler und Evelina so bis tief in die Alltagswelt hinein: in mathematische 4. Kohorte. Diese präsentieren sich enorm vielfältig Koch genauer unter die Lupe zu nehmen. Ebenso er- Ordnungsprinzipien, in astronomische Zählsysteme – sowohl in Inhalt als auch in gewählter Darstellungs- kenntnisreich ist schließlich das Resümee der hoch- oder in politische Symbolik, wie beispielsweise die form. schulübergreifenden Lehrkooperation ID4BM, welche zwölf Sterne der EU-Flagge. das Konzept des projektbasierten Lernens u.a. durch Deutlich sticht heraus, dass der Schwerpunkt dieser den Einsatz virtueller Gruppenarbeit, des Flipped Apropos: Unter dem Titel „Hochschullehre: interna- Kohorte auf dem Themenfeld des forschenden Ler- Classroom, Peer Review und eTutoring umsetzt. tional, studierendenorientiert, nachhaltig?!“ be- nens liegt. Aus dreierlei Fachperspektiven heraus fasst sich das diesjährige HDS.Forum am 10. und wird sich diesem Ansatz in Theorie und Praxis genä- Neben den Werkstattberichten der 4. Kohorte der 11. November an der HTW Dresden unter anderem hert. In Interviewform beschreiben die Lehrenden des von LiT geförderten Lehr-Lern-Projekte stellt Anne mit der Internationalisierung der Curricula. Sowohl die Projektseminars „Rechtsextremismus und Zivilge- Gleiß eine gelungene Ergänzung ihrer Lehre durch Keynote von Prof. em. Elspeth Jones (Leeds Beckett sellschaft“, wie forschendes Lernen (hochschulüber- E-Learning in Form von Selbsttests und selbst erstell- University, United Kingdom) setzt sich hiermit ausei- greifend) in die politikwissenschaftliche Lehre inte- ten Wikis vor. Der Artikel beleuchtet dabei die Stärken nander, als auch der Workshop von Dr. Tanja Reif- griert werden kann. Eine „erfrischende Orientierung und Herausforderungen des Einsatzes von E-Learn- fenrath (Universität Göttingen) oder auch ein Disq- für theoriebetonte Module“ (S. 45) durch das for- ing-Tools in einem international ausgerichteten Mas- space, in dem fünf verschiedene Perspektiven auf die schende Lernen für den fächerübergreifenden Kom- terstudiengang der Wirtschaftswissenschaften. Internationalisierung der Hochschullehre aufgeworfen petenzerwerb im Bereich der Forschungsmethoden werden. beschreibt das Kooperationsprojekt zwischen der TU Auf all diese Lehr-Lern-Projekte eingestimmt werden Chemnitz und der TU Bergakademie Freiberg. Den Sie durch zwei Artikel zu weiterführenden Perspek- Sowie der Blick geweitet wird, wird der Fokus aber Weg des forschenden Lernens verfolgt drittens das tiven der Hochschuldidaktik. Im ersten Projekt wird auch wieder regionaler: Die Staatsministerin für Wis- Projekt ExegeseWerkstattWiki der theologischen Ins- sich mit der Frage auseinandergesetzt, welche Be- senschaft und Kunst, Frau Dr. Eva-Maria Stange ver- titute der TU Dresden und der Universität Leipzig, in darf Studierende benennen in Bezug a) auf den In- leiht im Rahmen des HDS.Forums den Sächsischen welchem die Ergebnisse der Exegese unter Nutzung formationsbedarf im Studienwahlprozess und b) auf Lehrpreis 2016. des Werkstatt-Prinzips in einem Wiki zusammen- den lernbezogenen Beratungsbedarf in der Studien- SEITE 2
› EDITORIAL eingangsphase. Aus dieser Bedarfserhebung wer- verborgene Schätze, die einer breiteren Fachöffent- den miteinander verzahnte Maßnahmen abgeleitet lichkeit zugänglich gemacht werden können. Hierfür und vorgestellt. Der zweite Artikel will Lehrende anre- kann ich mir beispielsweise sehr gut das Format der gen, die eigene Assessment Literacy weiterzuentwi- LiT.Shortcuts vorstellen oder die Nutzung von Disq- ckeln und bietet hierfür eine Ordnungsstruktur an, auf spaces auf Fachtagungen. deren Basis kompetenzorientiertes Prüfen und somit kompetenzorientiertes Lernen in der eigenen Lehr- Und gute Nachrichten darf ich zum Schluss noch praxis reflektiert werden kann. verkünden: All die sich in diesem Journal präsentierenden Pra- Die LiT-Förderung wird mit LiTplus bis 2020 fortge- xis- und Forschungsprojekte machen Lust auf Mehr: setzt. Der Fokus liegt dabei auf den Kooperationen mehr davon in der eigenen Lehr-Lern-Praxis auszu- zwischen Hochschulen für Angewandte Wissenschaf- probieren, mehr hochschuldidaktische Ansätze in der ten und sächsischen Universitäten. Es wird dem- Lehrpraxis erforscht zu sehen, mehr Synergieeffek- nach noch drei weitere Kohorten mit kooperativen te durch Kooperationen zu erreichen und mehr Ver- Lehr-Lern-Projekten geben, die eingereichten Pro- stetigungstendenzen der Projekte aufzugreifen und jekte des nächsten Jahres sind bereits gesichtet wor- zu diskutieren. Für die kommende Ausgabe des Jour- den. Wir dürfen gespannt bleiben! nals, in der die 5. Kohorte der Lehr-Lern-Projekte ihre Konzeptionen vorstellen wird, wünsche ich mir diesen Nadine Hahm, Projektmitar- letztgenannten Aspekt ganz besonders und im Sin- beiterin Lehrpraxis im Transfer ne der Vervollständigung dieser Ausgabe: eine ver- tiefte Betrachtung der Verstetigungsmöglichkeiten innovativer hochschuldidaktischer Lehr-Lern-Projek- te. Und sicherlich wird diese Facette ebenso in der Herbstausgabe, der HDS.Forum-Tagungsedition, un- ter dem Stichwort Nachhaltigkeit weiter vertieft wer- den. Neben der Darstellung konzeptioneller und theore- tischer Überlegungen, machen die hier vorgestell- ten Projekte insgesamt neugierig auf eine weitere Dimension: auf die ganz konkreten Ergebnisse, wel- che inhaltlich mit den Studierendengruppen erarbei- tet wurden. Diese mit hoher Wahrscheinlichkeit sehr inspirierenden Outcomes sind sicherlich weitere noch SEITE 3
› VOM „OB“ ZUM „WIE“ – BEDARFSORIENTIERTE ANGEBOTE FÜR DEN STUDIENBEGINN AUTORINNEN ABS T RACT 1. EINLEITUNG Julia Rohde Der Übergang von Schule zu Hochschule verläuft Der Übergang von Schule zu Studium wird häufig als Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Pädago- unbefriedigend, wenn die Passung von Studien- belastend erlebt (Leese 2010), da neben entwick- gische Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena; interesse und Fähigkeiten der Studienanfänger_in- lungspsychologischen (Großmaß & Hofmann 2007) Forschungsschwerpunkte: Lernberatung, empirische Lehr- nen mit den Anforderungen des Studiums nicht op- insbesondere studienbezogene Herausforderungen Lern-Forschung timal ist. An der Universität Jena werden ein Online zu meistern sind. Die Eingangsvoraussetzungen der julia.rohde@uni-jena.de Self-Assessment und ein lernbezogenes Beratungs- Studienanfänger_innen korrespondieren nicht immer angebot, aufbauend auf einer multimethodischen Be- mit den Anforderungen des Studiums. Belastungs- Anne Töpfer darfsanalyse, entwickelt. Erste Ergebnisse zeigen erleben, geringe Studienzufriedenheit, Lernschwie- Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Arbeitsbereich Sozi- den Zusammenhang von unrealistischen Erwartung- rigkeiten sowie Studienabbruch können die Folge alpädagogik der Friedrich-Schiller-Universität Jena; For- en, geringer Studienzufriedenheit und erhöhter Ab- sein. Damit dieser Übergang gelingen kann, kommt schungsschwerpunkte: Studienwahl und -zufriedenheit, bruchneigung. Lernbezogene Präventionsstrategien der Gestaltung der Studieneingangsphase besonde- Hochschulforschung hängen negativ mit erlebter Belastung durch Lern- re Bedeutung zu (Porter & Swing 2006). anne.toepfer@uni-jena.de schwierigkeiten zusammen. Der Artikel stellt Ergeb- nisse der Bedarfsanalyse und die entstehenden Un- Das in diesem Beitrag vorgestellte Projekt fokussiert Prof. Dr. Michaela Gläser-Zikuda terstützungsangebote vor. auf zwei Faktoren: Zum einen kann mangelnde Pas- Lehrstuhlinhaberin für Schulpädagogik am Institut für Er- sung zwischen Erwartungen, Interessen und Studien- ziehungswissenschaft, Universität Erlangen-Nürnberg; von inhalten zu verminderter Studienzufriedenheit und 2008 bis 2014 Lehrstuhlinhaberin und Projektleiterin von Studienabbruch führen (Hasenberg & Schmidt- „LehreLernen“ zur hochschuldidaktischen Qualifikation von Atzert 2013). Zum anderen können aber auch be- Lehrenden an der Universität Jena; Forschungsschwer- stehende Defizite im Bereich der Selbstregulation punkte: Selbstregulation, Lern- und Leistungsemotionen, (Spörer & Brunstein 2005), welche die Studierfähig- empirische Lehr-Lern-Forschung, Lehrer_innenbildung, keit wesentlich auszeichnet, Belastungen auslösen. Hochschulforschung, Studienzufriedenheit u.a. Daher werden an der Universität Jena ein Self-Assess- michaela.glaeser-zikuda@fau.de ment und ein Lernberatungskonzept für die Studien- eingangsphase entwickelt. Eine Bedarfsanalyse in Form einer multimethodischen Befragung von Erzie- hungswissenschafts- und Lehramtsstudierenden ge- währleistet den Adressatenbezug der Angebote. Ne- Schlagwörter: Studienwahlprozess, Studieneingangsphase, ben Forschungsstand, theoretischer Einbettung und Studienzufriedenheit, Online Self-Assessment, Lernberatung Design der Studie werden erste Ergebnisse dieser SEITE 4
› V O M „ O B “ Z U M „W I E “ – B E D A R F S O R I E N T I E R T E A N G E B O T E F Ü R D E N S T U D I E N B E G I N N Bedarfsanalyse vorgestellt und hinsichtlich der Ent- dien- und Lebensbedingungen (z. B. Struktur des rungsbezogene Studienwahl fördert die Entwicklung wicklung der Unterstützungsangebote vor und zu Auf- Studiums bzw. Erwerbstätigkeit) sowie dem Lernver- realistischer Studienerwartungen und trägt zu einer nahme des Studiums diskutiert. halten (z. B. Lernmotivation) des/der Einzelnen gene- besseren Passung zwischen Studierenden und Studi- riert (vgl. Blüthmann 2012). engang bei (u. a. Hasenberg & Schmitz-Atzert 2013; Westermann 2006). Die Inkongruenz von Vorstellun- 2 . H ER A U SFO R D ERUNGE N DE S 2. 1. BEDINGUNGEN DES gen zu Studieninhalten und -anforderungen sowie der S T U D I E NBEGIN NS STUDIENWAHLPROZESSES erlebten Studienrealität hingegen führt häufig zu Stu- dienabbruch (u. a. Voss 2007; Heublein et al. 2010; Im Zuge der Einführung der neuen Studiengänge hat Nach dem Erwerb der Hochschulzugangsberechti- Blüthmann et al. 2011). Dies zeigen auch Studien sich der Zeitpunkt des Studienabbruchs im Studien- gung treffen Studieninteressierte eine wegweisende zum Person-Environment-Fit-Ansatz bei Studieren- verlauf erheblich nach vorne verlagert – durchschnitt- Bildungsentscheidung und müssen dabei ihre Inter- den (Gilbreath, Kim & Nichols 2011). lich um fünf Fachsemester (Heublein, Hutzsch, essen und Fähigkeiten in den Blick nehmen. Mit der Schreiber, Sommer & Besuch 2010). Heublein et al. Diversifizierung von Studien- und Ausbildungsmög- 2. 2. LERNVERHALTEN IN DER (2010) benennen die Verdichtung der Anforderun- lichkeiten wird diese Studienwahl zunehmend zu ei- STUDIENEINGANGSPHASE gen sowie eine große Zahl an Leistungsüberprüfun- nem hochkomplexen, mit Entscheidungsunsicherheit gen bereits in den ersten Semestern als strukturbe- behafteten Prozess. Die Tragfähigkeit der Studien- „Von den Studierenden wird Autonomie, Selbstor- dingte Ursachen. Sofern die Studierenden nicht an- wahl erhöht sich mit einem möglichst frühen Beginn ganisation und -steuerung, aber auch Verantwor- geben, hinsichtlich ihres Fachs die falsche Wahl ge- der Informationssammlung und dem daraus resultie- tung für ihren Lernprozess erwartet“ (Schneider, troffen zu haben, begründen sie den Studienabbruch renden höheren Informationsstand (Spangenberg & Szczyrba, Wilbers & Wildt 2009, 5). Studierende sind zumeist entweder durch unbefriedigende Studien- Willich 2013). Die Übereinstimmung von Fachinter- beim Übergang von Schule zu Hochschule aufgefor- bedingungen oder durch überfordernde Studien- essen mit der inhaltlichen Ausrichtung des Studien- dert sich die notwendigen Selbstregulationsstrategien anforderungen (Blüthmann, Lepa & Thiel 2008; angebotes ist grundlegend für den Aufbau und die (z. B. Pintrich 2000; Zimmerman 2000) anzueignen. 2012). Mangelnde Informiertheit über die organisa- Aufrechterhaltung von Studienidentifikation und Ausgeprägte Selbstregulationsfähigkeit geht einher torische und strukturelle Ausgestaltung des gewähl- -motivation. Insbesondere intrinsische Studienwahl- mit erhöhter Motivation, hohem Selbstwirksamkeits- ten Studiengangs (Blüthmann, Thiel & Wolfgramm motive wirken sich hierbei förderlich auf die spätere erleben und Anstrengungsbereitschaft sowie mit bes- 2011), unzureichende Studienvoraussetzungen (z. B. Zufriedenheit mit dem Studium aus (Künsting & Li- seren Ergebnissen bei der Lernerfolgskontrolle (z. B. ungünstige Leistungsvoraussetzungen) sowie gerin- powski 2011). Über die fachlichen Interessen hinaus Boekaerts 2002; Zimmerman & Schunk 2011). Schie- ge Studienmotivation und wenig ausgeprägtes Fach- spiegeln sich in der Studienwahl auch langfristige Be- fele, Streblow und Brinkmann (2007) stellen fest, interesse (Brandstätter, Grillich & Farthofer 2006) sind rufs- und Lebensziele (Lörz, Quast & Woisch 2012). dass Unterschiede zwischen Studienabbrechern_in- mögliche Ursachen auf individueller Ebene. Studien- Studierende müssen im Studienverlauf eine „dauer- nen und Weiterstudierenden u. a. hinsichtlich moti- zufriedenheit geht mit verminderter Abbruchneigung hafte Verbindung zwischen ihren Interessen, ihren vationaler Merkmale und des Lernstrategieeinsatzes einher (Meulemann 1991) und lässt sich daher als Begabungen und dem gewählten Studienfach mit sei- nicht etwa bereits zum Studienbeginn bestehen, son- Studienerfolgskriterium modellieren, das sich aus ei- nen beruflichen Perspektiven“ (Heublein et al. 2010, dern sich erst im Laufe des Studiums zu Ungunsten nem Zusammenwirken von persönlichen Eingangs- 28) aufbauen können, um ihr Studium erfolgreich ab- der Abbrecher_innen entwickeln. Gelingt es den Ler- voraussetzungen (z. B. Studienwahlmotive), Stu- zuschließen. Eine interessengeleitete und anforde- nenden in den ersten Semestern ihr Arbeitsverhalten SEITE 5
› V O M „ O B “ Z U M „W I E “ – B E D A R F S O R I E N T I E R T E A N G E B O T E F Ü R D E N S T U D I E N B E G I N N an die Anforderungen und Rahmenbedingungen im Kompetenzen. Im Wintersemester 2012/13 wurden Teilstudie 3: Lernschwierigkeiten in der Studienein- Studium anzupassen, werden sie die Herausforde- 144 Studienanfänger_innen (Fachsemester: AM=1,9; gangsphase (Fragebogenerhebung). rungen des Studiums zufriedenstellender und erfolg- SD=1,2;1) zu ihren Eingangsvoraussetzungen befragt. Im Studienjahr 2013/14 wurden 152 Studierende des reicher bewältigen (u. a. Blüthmann 2012; Spörer & Die Stichprobe setzt sich aus 106 weiblichen und Bachelor-Studiengangs „Erziehungswissenschaft“ Brunstein 2005). 32 männlichen Studierenden (keine Angabe: N=6; (N=64) und Lehramtsstudierende3 im Rahmen der pä- Alter: AM=21,4; SD=3,1) zusammen. Diese schätzten dagogischen Studien (N=87) (keine Angabe: N=2) mit ihren Informationsstand vor Studienbeginn ein, ga- Hilfe des „Inventars studienbezogener Lern- und Ar- 3 . ER M ITTLUNG DE S ben an, welche Informationsangebote sie zur Studi- beitsstörungen“ (ISLA) (Güntert & Schleider 2011) zu UN TER STÜTZUNGS BE DARFS enorientierung in Anspruch genommen hatten und als Lernschwierigkeiten in den ersten Semestern befragt. wie hilfreich sie diese empfanden. Außerdem wurden Die 89 Frauen und 61 Männer (keine Angabe: N=3; An der Friedrich-Schiller-Universität Jena werden im mit Single-Items Studienwahlmotive (in Anlehnung an Alter: AM=21,6; SD=3,1) waren im 2. bis 4. Fachse- Fachbereich Erziehungswissenschaft zwei aufeinan- Heine, Willich & Schneider 2010; Hachmeister, Harde mester (AM=2,9; SD=1,1). Das ISLA4 gliedert sich der abgestimmte Angebote entwickelt, um den oben & Langer 2008), Berufsziele, Abbruchgedanken so- in sieben Bereiche mit jeweils zwei bis vier Subska- ausgeführten Herausforderungen des Studienbe- wie die Zufriedenheit mit den ersten Studienerfahrun- len: Es werden Merkmale, auslösende Situationen ginns zu begegnen: ein Online Self-Assessment im gen (in Anlehnung an Schwaiger 2002) erfasst. und Begleitumstände von Lernschwierigkeiten sowie Studienwahlprozess und ein Lernberatungsangebot Coping- und Präventionsstrategien erhoben. für die Studieneingangsphase. Bei der Konzeption Teilstudie 2: Erwartungen vor Studienbeginn (Inter- der Maßnahmen finden neben der Analyse des aktu- views). ellen Forschungsstandes die Ergebnisse einer vorge- Um die Erwartungen an das Studium bezüglich der lagerten Bedarfsanalyse Berücksichtigung. Studieninhalte und Studienbedingungen sowie Er- wartungen hinsichtlich des Auftretens von Studien- 3. 1. DESIGN DER BEDARFSANALYSE belastungen vor Studienbeginn genauer zu expli- zieren, wurden leitfadengestützte Tiefeninterviews Die multimethodisch angelegte Studie (Gläser-Ziku- mit Studierenden der Erziehungswissenschaft (N=5) da, Seidel, Rohlfs, Gröschner & Ziegelbauer 2012) am Ende des ersten Fachsemesters geführt, tran- fokussiert in drei Teilerhebungen auf die Analyse des skribiert und einem inhaltsanalytischen Verfahren2 Informationsbedarfs im Studienwahlprozess sowie unterzogen. den lernbezogenen Beratungsbedarf in der Studien- eingangsphase: 3 Das Lehramtsstudium im neuen „Jenaer Modell“ (vgl. Kleine- 1 AM = arithmetisches Mittel; SD = Standardabweichung spel 2014) ist bereits modularisiert und entspricht hinsichtlich der Studi- enbedingungen den neuen Bachelor-Studiengängen. Teilstudie 1: Eingangsvoraussetzungen zu Studien- beginn (Fragebogenerhebung). 2 Die Tiefeninterviews wurden anhand der Soft-Laddering Im Jenaer Bachelor-Studiengang „Erziehungswissen- Methode nach der Means-End Theorie geführt und ausgewertet. Die 4 Für die Reliabilitäten wurden größtenteils mit .70 < Cron- Ergebnisse wurden anschließend in Form einer Hierarchical Value Map bachs α < .88 zufriedenstellende bis gute Kennzahlen ermittelt. Für die schaft“ haben Studieninteressierte nur vage Vorstel- dargestellt (vgl. Reynolds & Gutman, 1988). Trennschärfe liegen Werte zwischen .30 und .78 vor. lungen von möglichen Berufsfeldern und relevanten SEITE 6
› V O M „ O B “ Z U M „W I E “ – B E D A R F S O R I E N T I E R T E A N G E B O T E F Ü R D E N S T U D I E N B E G I N N 3. 2.Abb. ZENTRALE ERGEBNISSE 1: Hierarchical Value Map (HVM): Gedanken- wissenschaftliche Studiengänge mit vermeintlich hö- Dabei empfanden 60,4% der Befragten den Praxis- struktur der Studienanfänger und -anfängerinnen zu herer Berufsfeldprägnanz, wie Psychologie (47,8%), umfang im Studium als zu niedrig, 56,3% der Befrag- 3. 2.inhaltlichen Erwartungen an das Studium 1. INFORMATIONSBEDARF IM der Erzie- Soziale Arbeit/Sozialpädagogik (15,2%) und Lehr- ten wünschten sich mehr Bezüge zu den Berufsfel- STUDIENWAHLPROZESS hungswissenschaft. amtsstudiengänge (15,2%). Insbesondere intrin- dern. Circa ein Drittel der Studienanfänger_innen hat- sische Motive wie z. B. Interesse am Fachgebiet te bereits mindestens einmal darüber nachgedacht, INFORMATIONSBEDARF: Die Studierenden greifen (AM=3,68; SD=0,54) und eine Tätigkeit im Umgang REFLEXION das Studium abzubrechen (38,2%) oder den Studien- PÄD. PRAXIS bei der Studienwahl am häufigsten auf Online-Infor- mit Menschen (AM=3,63; SD=0,62) kamen bei der gang zu wechseln (29,2%). Als Beweggrund wer- mationsangebote zurück. WOHL- Studienfachwahl zum Tragen. den hauptsächlich enttäuschte Erwartungen bezüg- FÜHLEN SOZIALE lich der Studieninhalte (24,3%) genannt. 70,1% der Befragt nach ihrem Informationsstand vor Aufnah- STUDIENZUFRIEDENHEIT: Die Erwartungen der EINBINDUNG Studierenden stellten sich eine berufliche Tätigkeit in BESSERE me des Studiums geben die Studienanfänger_innen Studieninteressierten bezüglich der Praxisorientie- ORGANISATION der sozialen Arbeit vor. Die Ergebnisse der Tiefenin- WELT PÄD. HANDELN überwiegend an, sich „zu wenig“ bis „ausreichend“ rung des Studienangebotes werden enttäuscht. terviews zeigten u. a., dass die bedeutendste Erwar- (AM=2,65; SD=0,62)5 informiert gefühlt zu haben. tung an das Studium der Erwerb berufsqualifizieren- Insbesondere der Informationsstand zu den The- Die größte Unzufriedenheit mit dem Studium bezog der Kompetenzen ist. Vornehmlich erwartet wurden men Studienanforderungen (AM=2,48; SD=0,77), sichSICHERHEIT auf das Theorie-Praxis Verhältnis in den Veran- Studieninhalte, die zur Arbeit in pädagogischer Praxis FLEXIBILITÄT berufliche Möglichkeiten und Aussichten (AM=2,57; staltungen (AM=2,14; SD=0,69) und die Berufsori- befähigen. Dem zugrunde lag in erster Linie das Be- SD=0,77) sowie die Studiensituation an der Hoch- BERUFSQUALIFIKATION entierung des Lehrangebotes (AM=2,15; SD=0,66). dürfnis anderen Menschen zu helfen (s. Abb. 1). schule (AM=2,59; SD=0,71) wird nicht als hinreichend SELBST- zufriedenstellend eingeschätzt. Das Informations- BESTÄT- LEISTUNG SELBSTVER- INHALTLICHE IGUNG WIRKLICHUNG BREITE angebot, auf das bei der Entscheidung vorwiegend REFLEXION PÄD. PRAXIS zurückgegriffen wird, ist die Homepage der Universi- WOHL- FÜHLEN tät; 95% der Befragten nutzten dieses. SOZIALE EINBINDUNG BESSERE WELT ORGANISATION PÄD. HANDELN ALLTAGS- INTERESSE BEZUG STUDIENWAHLMOTIVE: Knapp ein Drittel der Stu- UMGANG MIT KINDERN UND dienanfänger_innen in der ErziehungswissenschaftJUGENDLICHEN SICHERHEIT FLEXIBILITÄT hatte ursprünglich einen anderen Studienwunsch. BERUFSQUALIFIKATION SELBST- BESTÄT- LEISTUNG SELBSTVER- INHALTLICHE PSYCHOLOGISCHE IGUNG WIRKLICHUNG BREITE INHALTE 31,9% PERSÖNLICHKEIT der befragten Studienanfänger_innen geben ALLTAGS- an, dass ihr aktuelles Studium der Erziehungswissen- INTERESSE UMGANG MIT BEZUG KINDERN UND schaft nicht ihr erster Fachwunsch war. Als ursprüng- JUGENDLICHEN liche Wahl finden sich vorwiegend andere sozial- PSYCHOLOGISCHE INHALTE PERSÖNLICHKEIT 5 Alle nachfolgenden Werte beziehen sich auf eine vierstufige Abb. 1: Hierarchical Value Map (HVM): Gedankenstruktur der Studienanfänger und -anfängerinnen zu Skala von „unzureichend“/„sehr unzufrieden“ bis „sehr gut“/“sehr zufrie- inhaltlichen Erwartungen an das Studium der Erziehungswissenschaft. den“ (1–4). SEITE 7
› V O M „ O B “ Z U M „W I E “ – B E D A R F S O R I E N T I E R T E A N G E B O T E F Ü R D E N S T U D I E N B E G I N N 3. 2.Tab. 1: Ausgewählte Gruppenunterschiede hinsichtlich 2. LERNBEZOGENER Maße zu. Sie gaben doppelt so häufig Leistungssi- schieben von Arbeitsaufträgen, bemerkbar als durch BERATUNGSBEDARF der erlebten BelastungINdurch DERLernschwierigkeiten (Einfak- tuationen als Auslöser ihrer Lernschwierigkeiten an emotionale (AM=1,66; SD=1,22), z. B. Prüfungsangst, STUDIENEINGANGSPHASE torielle Varianzanalyse, Post-Hoc: Scheffé-Test) wie Studierende, die sich schwach belastet fühlten psychisch-vegetative (AM=1,99; SD=0,88), z. B. Ner- (s. Tab. 1). vosität, oder arbeitsverhaltensbezogene (AM=2,30; BELASTUNGSERLEBEN: Knapp jede_r vierte Stu- SD=0,98) Merkmale, z. B. zu häufige Pausen. In der dierende der vorliegenden Studie fühlt sich in der MERKMALE: Zu Studienbeginn äußern sich Lern- Gruppe der schwach belasteten Studierenden traten Studieneingangsphase stark durch Lernschwierigkei- schwierigkeiten am häufigsten bezogen auf motivati- motivationale Merkmale signifikant seltener auf als ten belastet. onale Merkmale. bei den übrigen Studierenden (s. Tab. 1). 23,78% (N=34) der befragten Studienanfänger_innen Lernschwierigkeiten machten sich in den ersten Se- gaben an, ihr allgemeines Belastungserleben durch mestern signifikant häufiger (p=.00) durch motiva- Lernschwierigkeiten sei bereits in den ersten Semes- tionale Merkmale (AM=3,26; SD=1,04), z. B. Auf- tern hoch bis sehr hoch6. Der Gruppe der stark (Wer- te 4–5 auf der Skala) Belasteten stehen die mittelmä- ßig (Werte 2–3 auf der Skala) (65,03%, N=93) und schwach (Werte 0–1 auf der Skala) (11,19%, N=16) belasteten Studierenden gegenüber. Der Anteil der beiden Geschlechter ist in allen drei Gruppen gleich- verteilt. AUSLÖSENDE SITUATIONEN: In den ersten Se- mestern treten Lernschwierigkeiten insbesondere bei leistungs- und prüfungsbezogenen Situationen auf. Während bei allen Befragten Leistungs- und Prü- fungsanforderungen (AM=2,12; SD=1,05), z. B. das Erstellen von Hausarbeiten, signifikant (p=.00) häu- figer Lern- und Arbeitsstörungen auslösten als Se- minar- und Gruppenanforderungen (AM=1,21; SD=0,98), z. B. Arbeit in Lerngruppen, so traf dies auf die stark belasteten Studierenden in besonderem Tab. 1: Ausgewählte Gruppenunterschiede hinsichtlich der erlebten Belastung durch Lernschwierigkeiten (Einfaktorielle Varianzanalyse, Post-Hoc: Scheffé-Test) 6 Alle Skalen des ISLA werden auf einer sechsstufigen Ant- wortskala von „gar nicht“ bis „sehr stark“ (0–5) beantwortet. SEITE 8
› V O M „ O B “ Z U M „W I E “ – B E D A R F S O R I E N T I E R T E A N G E B O T E F Ü R D E N S T U D I E N B E G I N N RISIKEN: Tab. 2: Ungünstiges Differenzierungsmerkmale voninOnline Arbeitsverhalten der Stu- als stark belastete Studierende auf Präventionsstra- merhofer, Heukamp & Hornke 2006). Es handelt sich Self-Assessments dieneingangsphase (in Anlehnung stellt an Heukamp, ein besonderes Risiko für tegien der Arbeitsorganisation, z. B. Finden eigener bei den webbasierten Selbsttests explizit nicht um Putz, Milbradt die Entstehung von& Lernschwierigkeiten Hornke 2009, 4) dar. Lernmethoden und -strategien, zurück. Verfahren der Studierendenauswahl, sondern um In- formationsangebote, die durch autonome Bearbei- Neben der ungünstigen Gestaltung des Lernverhal- 4 . E NT WI CKL UNG V O N tung und unmittelbare Rückmeldung den Selbstselek- tens (AM=2,34; SD=1,10), z. B. unklare Arbeitszie- UNT E RS T ÜT Z UNG S ANG E BO T E N tionsprozess anregen (Hasenberg & Schmitz-Atzert le, bildeten ungünstiges Zeitmanagement (AM=1,86; 2014). Milbradt, Zettler, Putz, Heukamp & Hornke SD=1,24), z. B. ungeregelte Lernzeiten, schlechte Ar- Auf Grundlage des bisherigen Forschungsstandes (2008) berichten über positive Effekte von Self-As- beitsplatzgestaltung (AM=1,84; SD=1,26), z. B. Lärm- zu Herausforderungen des Studienbeginns und den sessments auf Informiertheit und Unsicherheit hin- belästigung, und schwierige emotionale Bedingungen Ergebnissen der Bedarfsanalyse werden Unterstüt- sichtlich der Anforderungen der Studienangebote. (AM=1,71; SD=1,18), z. B. Versagens- und Prüfungs- zungsangebote für den Studienwahlprozess und die Online Self-Assessments lassen sich entlang folgen- angst, die wesentlichsten individuellen und kontextu- Studieneingangsphase entwickelt. der Gestaltungsmerkmale differenzieren: ellen Risiken für die Entstehung von Lernschwierig- keiten. Bei schwach Belasteten standen ungünstige 4. 1. ONLINE SELF-ASSESSMENT Die Bedarfsorientierung: Das geplante Online lernbezogene Bedingungen, z. B. mangelnde Lern- Self-Assessment fokussiert, als fach- und hoch- strategien, deutlich seltener im Zusammenhang mit Das Unterstützungsangebot: Anliegen von Hochschu- schulspezifisches Angebot, auf die klarere Beschrei- Lernschwierigkeiten als bei den übrigen Studieren- len ist das Profil eines Studiengangs mit seinen An- bung und Verdeutlichung der inhaltlichen Konzeption den (s. Tab. 1). forderungen und Zielen nachvollziehbar zu kommu- des Studiengangprofils des Bachelor-Studiengangs nizieren (Heine, Briedis, Didi, Haase & Trost 2006). „Erziehungswissenschaft“ an der Universität Jena. PRÄVENTION: Der häufige Einsatz lernbezogener Online Self-Assessments bieten in einem systemati- Durch die Einbettung in vor Ort vorhandene, zielgrup- Präventionsstrategien geht mit geringer Belastung schen, selbstgesteuerten Prozess, der die Passung penspezifisch aufbereitete Online-Informationsange- durch Lernschwierigkeiten einher. persönlicher Voraussetzungen unter Einschränkung bote zum Studiengang (z. B. informative Interviews von Selbsttäuschung ermittelt, eine kostenlose Ent- mit Studierenden und Lehrenden) soll eine Kopplung Alle Studierenden griffen bei der Bewältigung von scheidungshilfe bei der Studienentscheidung (Zim- zwischen einem umwelt- und personenzentrierten bereits bestehenden Lernschwierigkeiten gleicher- maßen auf Bewältigungsstrategien der Arbeitsor- ganisation (AM=2,87; SD=1,01), z. B. das Setzen erreichbarer Studienziele, und des Ausgleichsverhal- tens (AM=2,89; 0,99), z. B. Ruhe und Entspannungs- phasen, zurück. In Bezug auf Präventionsstrategien setzten die schwach Belasteten ebenso häufig wie alle anderen Studierenden freizeitbezogene Präven- tionsstrategien, z. B. Ausgleich durch sportliche Akti- vitäten, ein; darüberhinaus griffen sie jedoch häufiger Tab. 2: Differenzierungsmerkmale von Online Self-Assessments (in Anlehnung an Heukamp, Putz, Milbradt & Hornke 2009, 4) SEITE 9
› V O M „ O B “ Z U M „W I E “ – B E D A R F S O R I E N T I E R T E A N G E B O T E F Ü R D E N S T U D I E N B E G I N N Abb.(Heukamp Ansatz 2: Phasenmodell der individuellen et al. 2009) gewährleistetLernberatung werden. zesses beraten. Abbildung 2 zeigt das zugrundelie- ken und Instrumente, z. B. Lerntagebücher, forma- Überandie derSelbsteinschätzung Universität Jena von u. a. Persönlich- gende Phasenmodell der individuellen Lernberatung tives Assessment, entwickelt und ausgewählt. Die keitseigenschaften, Studieninteresse und -motivation (in Anlehnung an das Zyklische Phasenmodell der bedeutsamen motivationalen Merkmale von Lern- erhalten Studieninteressierte eine individuelle Rück- Selbstregulation, Zimmermann & Campillo 2003 so- störungen werden, z. B. durch Ermittlung motivatio- meldung zu ihrer Passung zum angebotenen Studi- wie das Allgemeine Rahmenmodell für selbstregulier- naler Defizite und des Attribuierungsstils, die Interes- engang. Weiterhin wird das Assessment die Möglich- tes Lernen, Pintrich 2000): sensberücksichtigung bei der Zielformulierung sowie keit bieten, Erwartungen bezüglich der Studieninhalte die Vermittlung von Strategien zur Motivationsregula- und -anforderungen sowie persönliche Ziele mit dem Die Bedarfsorientierung: Für Beratungsanlässe ent- tion, berücksichtigt. Risikobedingungen, die bei der Studienangebot abzugleichen (z. B. mit Hilfe von Bei- lang der in den ersten Semestern besonders häufig Entstehung von Lernschwierigkeiten entscheidend spielaufgaben und Absolventenportraits). Lernschwierigkeiten auslösenden Situationen, z. B. sind, werden ebenfalls aufgegriffen: Strategien des das Erstellen von Hausarbeiten, die Vorbereitung von Zeitmanagements, der Arbeitsplatzgestaltung sowie 4. 2. INDIVIDUELLE LERNBERATUNG Prüfungen, werden Materialien, z. B. Gesprächsleit- Emotionsregulationsstrategien, z. B. bei Prüfungs- fäden, Checklisten, Handreichungen sowie Techni- angst, werden eingeführt. Wichtigste Ansatzpunkte Das Unterstützungsangebot: Der individuellen Lern- sind jedoch ungünstige epistemische Überzeugun- beratung liegt ein Verständnis von pädagogischer gen sowie mangelnde kognitive und metakognitive Beratung als Problemlöseprozess (vgl. Thiel 2003) Lernstrategien der Studienanfänger_innen. Mit Blick zugrunde. Übergeordnetes Ziel ist die „Hilfe zur auf Coping- und Präventionsstrategien liegt der Fo- Selbsthilfe“ (Rausch, Hinz & Wagner 2008): Hilfe kus der Studierenden auf sinnvollem Ausgleichs- und zur Selbsthilfe beim Lernen also – und damit Unter- Freizeitverhalten. Hier ermöglicht die Lernberatung, stützung von selbstreguliertem Lernen (z. B. Perels, das lernbezogene Strategierepertoire stärker ins Be- Gürtler & Schmitz 2005). Zur Effektivität von Lernstra- wusstsein der Lernenden zu rücken und so Lern- tegietrainings, die auf eine Verbesserung der Selbst- schwierigkeiten präventiv zu begegnen. regulation abzielen und außerhalb des regulären Stu- dienangebots angesiedelt sind, liegen zahlreiche Studien vor, die u. a. auch etwas breiter ausgerich- 5 . FA Z I T U N D A U S B L I C K tet Studienprobleme in den Blick nehmen (z. B. Hat- tie, Biggs & Purdiem 1996). Allerdings werden hier in Dieser Beitrag stellt ein Projekt vor, das auf die Ent- der Regel Studierendengruppen geschult und nicht wicklung bedarfsgerechter Unterstützungsangebo- auf die Beratung und Begleitung des Einzelnen fo- Abb. 2: Phasenmodell der individuellen Lernberatung an der te für die Studieneingangsphase abzielt. Wie darge- Universität Jena kussiert. Hingegen wird Lernberatung an der Uni- legt, stellt der Übergang von Schule zu Hochschule versität Jena als spezifische Form der Beratung (vgl. eine wichtige Lebensphase sowie einen bedeutsa- Pätzold 2004; 2009) bzgl. des Lernverhaltens in der 6 Dieses Begriffsverständnis ist abzugrenzen von Ansätzen, men Wechsel zwischen Lehr-Lernsystemen dar, der Studieneingangsphase realisiert.6 Die Studierenden die „Lernberatung“ als allgemeine didaktische Orientierung bei der oftmals mit Belastungen einhergeht. Dies ist insbe- Gestaltung von Lehr-Lern-Situationen begreifen (vgl. Klein & Reutter werden je nach Beratungsanlass in mehreren Sitzung- 2005). sondere dann der Fall, wenn zu den oftmals unrealis- en zu (Teil-)Aspekten des selbstregulierten Lernpro- tisch eingeschätzten individuellen Voraussetzungen SEITE 10
› V O M „ O B “ Z U M „W I E “ – B E D A R F S O R I E N T I E R T E A N G E B O T E F Ü R D E N S T U D I E N B E G I N N und Erwartungen Unklarheit über die Studienanforde- stützung des Übergangs von Schule zu Hochschule Boekaerts, Monique (2002): Bringing about change rungen und -inhalte hinzukommen, die darüber hin- aus unserer Sicht als Beitrag zur Hochschulentwick- in the classroom: strengths and weaknesses of the aus noch mit einem diffusen künftigen Berufsfeld im lung umso dringlicher. self-regulated learning approach. In: Learning and Zusammenhang stehen (im vorliegenden Fall im Ba- Instruction, 12(6), 589–604. Online abrufbar unter: chelor-Studiengang „Erziehungswissenschaft“). Au- http://www.sciencedirect.com/science/article/pii/ ßerdem wirken sich ungünstige lernbezogene Stu- 6 . L I T E RAT URV E RZ E I CHNI S S0959475202000105 (letzter Zugriff am 26.08.2014). dienvoraussetzungen, z. B. ein gering ausgeprägtes Lernstrategierepertoire, negativ auf Studienerfolg und Blüthmann, Irmela (2012): Individuelle und studien- Brandstätter, Hermann, Grillich, Ludwig & Fartho- -zufriedenheit aus. Die Ergebnisse der Bedarfsana- bezogene Einflussfaktoren auf die Zufriedenheit von fer, Alois (2006): Prognose des Studienabbruchs. lyse lieferten Hinweise für die Entwicklung adressa- Bachelorstudierenden. In: Zeitschrift für Erziehungs- In: Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und Pä- tengerechter Unterstützungsangebote. Zur Erhöhung wissenschaft, 15(2), 273–303. Online abrufbar unter: dagogische Psychologie, 38(3), 121–131. On- der Studienzufriedenheit als Studienerfolgskriteri- http://link.springer.com/article/10.1007/s11618-012- line abrufbar unter: http://econtent.hogrefe.com/doi/ um des Studienbeginns ist ein gemeinsamer Einsatz 0270-3 (letzter Zugriff am 26.08.2014). abs/10.1026/0049-8637.38.3.121 (letzter Zugriff am von Self-Assessment und Lernberatungsangebot an 26.08.2014). der Universität Jena geplant. Die vorgestellten Unter- Blüthmann, Irmela, Lepa, Steffen & Thiel, Felicitas stützungsangebote werden systematisch aufeinander (2008): Studienabbruch und -wechsel in den neuen Gilbreath, Brad, Kim, Tae-Yeol & Nichols, Broo- bezogen: Ergebnisse des Self-Assessments sollen Bachelorstudiengängen. Untersuchung und Analyse ke (2011): Person-Environment Fit and ist effects on in Form individueller Rückmeldungen an Studien- von Abbruchgründen. In: Zeitschrift für Erziehungs- university students: a response surface methodology interessierte mit Empfehlungen für die Teilnahme am wissenschaft, 11(3), 406–429. Online abrufbar unter: study. In: Research in Higher Education, 52, 47–62. Lernberatungsangebot verknüpft werden, z. B. bei http://link.springer.com/article/10.1007/s11618-008- geringen Werten im Bereich „Fähigkeit zum/Interesse 0038-y (letzter Zugriff am 26.08.2014). Gläser-Zikuda, Michaela, Seidel, Tina, Rohlfs, am wissenschaftlichen Arbeiten“. Lernschwierigkeiten Carsten, Gröschner, Alexander & Ziegelbauer, Sa- in der Studieneingangsphase soll durch einen Erwar- Blüthmann, Irmela, Lepa, Steffen & Thiel, Feli- scha (Hrsg.) (2012): Mixed Methods in der empiri- tungsabgleich mittels des Self-Assessments vorge- citas (2012): Überfordert, Enttäuscht, Verwählt oder schen Bildungsforschung. Münster: Waxmann. beugt werden, da z. B. einerseits eine geringe Lern- Strategisch? Eine Typologie vorzeitig exmatrikulier- motivation aus enttäuschten Erwartungen resultieren ter Bachelorstudierender. In: Zeitschrift für Pädago- Großmaß, Ruth & Hofmann, Roswitha (2007): kann und andererseits hohes Fachinteresse bezogen gik, 58(1), 89–108. Übergang ins Studium – Entwicklungsaufgabe und auf das Entstehen von Lernschwierigkeiten präventiv Statuspassage im Spiegel von Beratungserfahrun- wirkt. Zudem kann die individuelle Lernberatung bei Blüthmann, Irmela, Thiel, Felicitas & Wolfgram, gen. In: Verhaltenstherapie und Psychosoziale Pra- nicht eindeutigen Studienmotiven und -zielen eben- Christine (2011): Abbruchtendenzen in den Bache- xis, 39(4), 799–805. falls positiv unterstützen. lorstudiengängen. Individuelle Schwierigkeiten oder mangelhafte Studienbedingungen? In: Die Hochschu- Güntert, Marion & Schleider, Karin (2011): Studien- Die im Zuge des Bologna-Prozesses entstandenen, le, 1, 110–126. Online abrufbar unter: http://www.hof. bezogene Lern- und Arbeitsstörungen. Hamburg: Ko- hochregulierten und prüfungsdichten Studiengänge uni-halle.de/journal/texte/11_1/Bluethmann.pdf (letz- vač. machen die Umsetzung solcher Angebote zur Unter- ter Zugriff am 26.08.2014). SEITE 11
› V O M „ O B “ Z U M „W I E “ – B E D A R F S O R I E N T I E R T E A N G E B O T E F Ü R D E N S T U D I E N B E G I N N Hachmeister, Cort-Denis, Harde, Maria E. & Lan- Heine, Christoph, Willich, Julia & Schneider, Hei- unter: http://www.fachportal-paedagogik.de/fis_bil- ger, Markus F. (2007): Einflussfaktoren der Studie- drun (2010): Informationsverhalten und Entschei- dung/suche/fis_set.html?FId=946883 (letzter Zugriff nentscheidung – Eine empirische Studie von CHE dungsfindung bei der Studien- und Berufswahl. Stu- am 14.08.2014). und EINSTIEG. Gütersloh: CHE. Online abrufbar dienberechtigte 2008 ein halbes Jahr vor dem Erwerb unter: http://www.che.de/downloads/Einfluss_auf_ der Hochschulreife. Hannover: HIS. Leese, Maggie (2010): Bridging the Gap: Supporting Studienentscheidung_AP95.pdf (letzter Zugriff am Student Transition into Higher Education. In: Journal 26.08.2014). Heublein, Ulrich, Hutzsch, Christopher, Schreiber, of Further and Higher Education, 34(2), 239–251. On- Jochen, Sommer, Dieter & Besuch, Georg (2010): line abrufbar unter: http://www.tandfonline.com/doi/ Hasenberg, Svea & Schmitd-Atzert, Lothar (2013): Ursachen des Studienabbruchs in Bachelor- und in abs/10.1080/03098771003695494#.U_xUpkjbYUU Die Rolle von Erwartungen zu Studienbeginn: Wie herkömmlichen Studiengängen. Ergebnisse einer (letzter Zugriff am 26.08.2014). bedeutsam sind realistische Erwartungen über Stu- bundesweiten Befragung von Exmatrikulierten des dieninhalte und Studienaufbau für die Studienzufrie- Studienjahres 2007/08. Hannover: HIS. Lörz, Markus, Quast, Heiko & Woisch, Andreas denheit? In: Zeitschrift für Pädagogische Psycholo- (2012): Erwartungen, Entscheidungen und Bildungs- gie, 27(1–2), 87–93. Online abrufbar unter DOI: http:// Heukamp, Verena, Putz, Daniel, Milbradt, Annika & wege. Studienberechtigte 2010 ein halbes Jahr nach dx.doi.org/10.1024/1010-0652/a000091 (letzter Zu- Hornke, Lutz F. (2009): Internetbasierte Self-Assess- Schulabgang. Hannover: HIS. griff am 26.08.2014). ments zur Unterstützung der Studienentscheidung. In: Zeitschrift für Beratung und Studium, 4, 78–84. Meulemann, Heiner (1991): Zufriedenheit und Erfolg Hasenberg, Svea & Schmitd-Atzert, Lothar (2014): Online abrufbar unter: http://www.universitaetsverlag- in der Bildungslaufbahn. Ein Längsschnitt vom Gym- Internetbasierte Selbsttests zur Studienorientierung. webler.de/inhalte/zbs-1-2009.pdf#page=6 (letzter Zu- nasium bis zum Studienabschluss. In: Zeitschrift für In: Beiträge zur Hochschulforschung, 36(1), 8–28. griff am 26.08.2014). Sozialisationsforschung und Bildungssoziologie, 11, Online abrufbar unter: http://short4u.de/53fc533f- 215–238. bb792 (letzter Zugriff am 26.08.2014). Klein, Rosemarie & Reutter, Gerhard (2005): Die Lernberatungskonzeption - Grundlagen und Praxis. Milbradt, Annika, Zettler, Ingo, Putz, Daniel, Heu- Hattie, John, Biggs, John & Purdie, Nola (1996): Baltmannsweiler: Schneider. kamp, Verena & Hornke, Lutz F. (2008): Ziele von Effects of learning skills interventions on student lear- Self-Assessments und ihre Bedeutung für Entwick- ning: A meta-analysis. In: Review of Educational Re- Kleinespel, Karin (Hrsg.) (2014): Ein Praxissemes- lung und Evaluation. In: Report Psychologie, 33, search, 66, 99–136. Online abrufbar unter: http://rer. ter in der Lehrerbildung. Konzepte, Befunde und Ent- 352–362. sagepub.com/content/66/2/99.short (letzter Zugriff wicklungsperspektiven am Beispiel des Jenaer Mo- am 26.08.2014). dells. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. Pätzold, H. (2004): Lernberatung und Erwachsenen- bildung. Baltmannsweiler: Schneider. Heine, Christoph, Briedis, Kolja, Didi, Hans-Jörg, Künsting, Josef & Lipowsky, Frank (2011): Studi- Haase, Klaudia & Trost, Günter (2006): Auswahl- enwahlmotivation und Persönlichkeitseigenschaften Pätzold, Henning (2009): Pädagogische Beratung und Eignungsfeststellungsverfahren beim Hochschul- als Prädiktoren für Zufriedenheit und Strategienut- und Lernberatung. In: PÄD-Forum: unterrichten erzie- zugang in Deutschland und ausgewählten Ländern. zung im Lehramtsstudium. In: Zeitschrift für Pädago- hen, 5, 196–199. Online abrufbar unter: http://nbn-re- Eine Bestandsaufnahme. Hannover: HIS. gische Psychologie, 25(2), 105–114. Online abrufbar solving.de/urn:nbn:de:0111-opus-31990 (letzter Zu- griff am 26.08.2014). SEITE 12
› V O M „ O B “ Z U M „W I E “ – B E D A R F S O R I E N T I E R T E A N G E B O T E F Ü R D E N S T U D I E N B E G I N N Perels, Franziska, Gürtler, Tina, & Schmitz, Bern- abrufbar unter DOI: http://dx.doi.org/10.1026/0049- Voss, Rödiger (2007): Studienzufriedenheit. Analyse hard (2005): Training of self-regulatory and prob- 8637.39.3.127 (letzter Zugriff am 26.08.2014). der Erwartungen von Studierenden. (Wissenschafts- lem-solving competence. In: Learning and Instruction, und Hochschulmanagement, Band 9). Lohmar: Eul 15, 123–139. Online abrufbar unter: http://www.scien- Schneider, Ralf, Szczyrba, Birgit, Welbers, Ulrich Verlag. cedirect.com/science/article/pii/S095947520500023X & Wildt, Johannes (Hrsg.) (2009): Wandel der Lehr- (letzter Zugriff am 26.08.2014). und Lernkulturen. Bielefeld: Bertelsmann. Westermann, Rainer (2006): Studienzufriedenheit. In: Rost, Detlef H. (Hrsg.): Handwörterbuch Pädago- Pintrich, Paul R. (2000): The Role of Goal Orienta- Schwaiger, Manfred (2002): Die Zufriedenheit mit gische Psychologie (3. Aufl.). Weinheim: Beltz, 869– tion in Self-Regulated Learning. In: Boekaerts, Mo- dem Studium der Betriebswirtschaftslehre an der 877. nique, Pintrich, Paul R. & Zeidner, Moshe (Hrsg.): Ludwig-Maximilians-Universität München. In: Schrif- Handbook of self-regulation. San Diego: Academic ten zur empirischen Forschung und quantitativen Un- Zimmerhofer, Alexander, Heukamp, Verena Press, 452–502. ternehmensplanung, Heft 9. München: Universität. & Hornke, Lutz F. (2006): Ein Schritt zur fundierten Studienfachwahl - Webbasierte Self-Assessments in Porter, Stephen R. & Swing, Randy L. (2006): Un- Spangenberg, Heike & Willich, Julia (2013): Zum der Praxis. In: Report Psychologie, 31(2), 62–72. derstanding How First-Year Seminars Affect Persis- Einfluss des Entscheidungs- und Informationsverhal- tence. In: Research in Higher Education, 47(1), 89– tens auf die Studienaufnahme. In: Adonk, Jupp, Kuh- Zimmerman, Barry J. (2000): Attaining self-regu- 109. Online abrufbar unter: http://link.springer.com/ nen, Sebastian U. & Bornkessel, Philipp (Hrsg.): Von lation: A social cognitive perspective. In: Boekaerts, article/10.1007/s11162-005-8153-6 (letzter Zugriff am der Schule zur Hochschule. Analysen, Konzeptionen Monique, Pintrich, Paul R. & Zeidner, Moshe (Hrsg.): 26.08.2014). und Gestaltungsperspektiven des Übergangs. Müns- Handbook of self-regulation. San Diego: Academic ter: Waxmann, 167–178. Press, 13–39. Rausch, Adly, Hinz, Arnold & Wagner, Rudi F. (2008): Modul Beratungspsychologie. Bad Heilbrunn: Spörer, Nadine & Brunstein, Joachim C. (2005): Zimmerman, Barry J. & Campillo, Magda (2003): Klinkhardt. Strategien der Tiefenverarbeitung und Selbstregu- Motivating Self-Regulated Problem Solvers. In: Da- lation als Prädiktoren von Studienzufriedenheit und vidson, Janet E. & Sternberg, Robert J. (Hrsg.): The Reynolds, Thomas J. & Gutman, Jonathan (1988): Klausurleistung. In: Psychologie in Erziehung und Psychology of Problem Solving. Cambridge: Universi- Laddering theory. Method, analysis, and interpreta- Unterricht, 52(2), 127–137. Online abrufbar unter: ty Press, 233–262. tion. In: Journal of Advertising Research, 28(1), 11– http://www.reinhardt-journals.de/index.php/peu/artic- 31. Online abrufbar unter: http://universalrg.org/Full- le/view/78 (letzter Zugriff am 26.08.2014). Zimmerman, Barry J. & Schunk, Dale H. (2011): Text/12013144.pdf (letzter Zugriff am 26.08.2014). Handbook of self-regulation of learning and perfor- Thiel, Heinz-Ulrich (2003): Phasen des Beratungs- mance. New York: Routledge. Schiefele, Ulrich, Streblow, Lilian & Brinkmann, prozesses. In: Krause, Christina, Fittkau,Bernd, Fuhr, Julia (2007): Aussteigen oder Durchhalten. Was un- Reinhard & Thiel, Heinz-Ulrich (Hrsg.): Pädagogische terscheidet Studienabbrecher von anderen Studieren- Beratung. Grundlagen und Praxisanwendungen. Pa- den? In: Zeitschrift für Entwicklungspsychologie und derborn: Ferdinand Schöningh, 73–84. Pädagogische Psychologie, 39(3), 127–140. Online SEITE 13
› VON DER KUNST DES PRÜFENS – ASSESSMENT LITERACY AUTOREN ABS T RACT 1. DAS KREUZ MIT DEN PRÜFUNGEN Prof. Dr. Heinz-Werner Wollersheim Dieser Beitrag möchte mit der Weiterentwicklung von Prüfungen sind – seit jeher, möchte man sagen – Erziehungswissenschaftliche Fakultät, Institut für Bildungs- Assessment Literacy für zukunftsfähige Lern- und nicht sehr beliebt, weder bei Lehrenden noch bei Stu- wissenschaften, Professur für Allgemeine Pädagogik, Uni- Prüfungsumgebungen an Hochschulen (Advanced Learn- dierenden. Bei Lehrenden wird Prüfen nicht selten als versität Leipzig ing and Examination Spaces) einen Beitrag zur Qualitäts- belastendes Anhängsel der Lehre empfunden: ver- wollersheim@uni-leipzig.de sicherung von Studium und Lehre leisten. Dazu wird die bunden mit hohem zeitlichen Aufwand, wenig ergie- Entwicklung von Assessment Literacy bei Hochschulleh- big für die eigene wissenschaftliche Arbeit und – bei Norbert Pengel, M. Ed. renden auf zwei Stufen dargelegt: Zunächst werden ex- hohen Fallzahlen zumal – als „hinderndes Element“ Erziehungswissenschaftliche Fakultät, Institut für Bildungs- emplarische Problemfelder aus verschiedenen Prüfungs- der eigenen „eigentlichen“ Aufgaben. Studierende wissenschaften, Professur für Allgemeine Pädagogik, Uni- formaten beschrieben und Lösungsvorschläge angeboten, wiederum erleben Prüfungen als risiko- und stressbe- versität Leipzig um Ansatzpunkte für die Reflexion der eigenen Prüfungs- ladene notwendige Passagen, als Tore, die auf dem norbert.pengel@uni-leipzig.de praxis zu liefern (Kap. 2.1). Auf einer zweiten Stufe werden Weg zum erfolgreichen Studienabschluss regelmäßig Assessments als Teil von kompetenzorientierten Lern- und zu öffnen sind, bevor es weitergehen kann. Prüfungsumgebungen gesehen. Dazu wird das Konstrukt Kompetenz, dessen Bedeutung im Hochschulkontext so- Diese alte Abneigung gegenüber Prüfungen prallt ge- wie das Constructive Alignment als hochschuldidaktisches genwärtig auf eine quantitative und qualitative Re- Planungsmodell für eine kompetenzorientierte Hochschul- organisation von Prüfungen im Zusammenhang der lehre und als Steuerungsinstrument für die Qualitäts- Neuformulierung akademischen Lernens als Kompe- sicherung von Prüfungen skizziert. Vor diesem Hintergrund tenzerwerb. Kompetenzorientierung in Studium und werden Ansatzpunkte für das Konzept einer Assessment Lehre gehört zum positiven Kern des Bologna-Pro- Literacy in Higher Education abgeleitet, die Funktions- zesses (Wildt & Wildt 2011). Der shift from teaching to weisen, Rahmenbedingungen und Formate des Prüfens learning als damit verbundener hochschuldidaktischer in einen systematischen Zusammenhang bringen sollen Perspektivwechsel gestaltet sich domänenspezifisch (Abb. 1). Diese Wissenssammlung beansprucht nicht dem durchaus unterschiedlich; eine wesentliche Gemein- Leser Unbekanntes zu entdecken. Vielmehr soll Vorhande- samkeit liegt in der Kohärenz von Lernprozess und nes gesammelt, gesichtet, geordnet und bewertet werden Prüfung – dem Constructive Alignment (Biggs 2003, und so als Ausgangsbasis für künftige Forschungen im Be- Biggs & Tang 2007): Zuvor festgelegte Kompetenzen reich des Lehrens und Lernens an Hochschulen dienen. werden durch intendierte Learning Outcomes opera- tionalisiert; in einem zweiten Schritt wird geklärt, wie Schlagwörter: Assessment Literacy, Constructive Alignment, das Erreichen dieser Learning Outcomes überprüft Kompetenzorientierung, Prüfungsformate, Qualitätssicherung werden kann, um dann drittens entsprechende Lern- SEITE 14
› VON DER KUNST DES PRÜFENS – ASSESSMENT LITERACY situationen zu arrangieren, in denen diese Learning Assessment Literacy reflektiert Prüfungspraxis un- instrumente weiterentwickeln, um sie sicherer und Outcomes erreicht werden können. Der Frage, wie abhängig vom Medium, in dem die Prüfung gestal- einfacher in der Handhabung zu machen? Zu die- man überprüfen kann, ob die intendierten Learning tet wird. Allerdings ist nicht zu übersehen, dass ins- sem Zweck werden in Kap. 2.1 exemplarisch aktuelle Outcomes erreicht werden, kommt damit eine neue besondere die Digitalisierung von Hochschulbildung Problemfelder im Zusammenhang mit verschiedenen Funktion zu: Prüfungen steuern den Lernprozess besonderen Anlass für vielfältige Kontroversen bie- Prüfungsformaten beschrieben. – assessment drives teaching (Abb. 1). tet. Gerade darin liegt auch eine bedeutende Chance: Assessment Literacy trägt dazu bei, die Weiterent- Darüber hinaus sind mittel- und langfristige Strate- wicklung von Studium und Lehre in digitalen Lernum- gien erforderlich, wenn es um die Auseinanderset- gebungen durch Lehrende an Hochschulen (Abb. zung mit kompetenzorientierten Assessments geht 1) voranzutreiben (Stiggins 1995, Webb 2002, Whi- (Kap. 2.2). Dies gilt in besonderem Maße im Kontext te 2009, Crisp 2014, Brown et. al 2015, Wollersheim zukünftiger digitaler Lern- und Prüfungsumgebun- 2016). Damit verweist dieser Beitrag auch auf eine gen (Advanced Learning and Examination Spaces). wichtige Frage, die an dieser Stelle nur aufgewor- Durch die Gestaltung von Modulen und Lehrveran- fen, aber nicht geklärt werden kann: Welche Merkma- staltungen an Hochschulen im Zusammenhang mit le und Strukturen kennzeichnen zukunftsfähige digi- Constructive Alignment wächst die Bedeutung von talisierte Lern- und Prüfungsumgebungen und welche Assessments für den Lernprozess. Durch die Angabe Formen und Funktionen von Assessments werden intendierter Learning Outcomes werden die Kompe- darin benötigt? tenzen, die Studierende entwickeln sollen, operatio- nalisiert. Auf Basis dieser Operationalisierung entwi- Abb. 1: Qualitätssicherung in Lehre und Studium: Constructive Align- ckeln Lehrende eine Modulprüfung. ment und Assessment Literacy 2 . E NT WI CKL UNG S S T UF E N V O N AS S E S S ME NT L I T E RACY Gleichzeitig haben Studierende durch diese Opera- Ob Prüfen und Geprüft werden im neuen Modell be- tionalisierung Anhaltspunkte dafür, was sie nach Ab- liebter werden, mag dahingestellt bleiben. Soll Prü- Im Hochschulalltag zeigt sich mitunter, dass die Pra- schluss der Lehrveranstaltung wissen, verstehen so- fen allerdings seiner lernsteuernden Funktion gerecht xis des universitären Prüfens nicht in jedem Fall aus- wie in der Lage sein sollen zu tun und können ihren werden, benötigen Hochschullehrende ein grundle- reichend reflektiert ist. Um dieser Problematik zu be- Lernprozess aktiv daran ausrichten. Im Rahmen von gendes Wissen über Prüfungen sowie ein geschärf- gegnen, müssen für die Entwicklung von Assessment kompetenzorientierten Lernumgebungen können ent- tes Bewusstsein dafür, dass Prüfen mehr ist als Ab- Literacy sowohl kurzfristige als auch mittel- und län- sprechende formative Assessments den Lernprozess fragen von Faktenwissen und bereits in der Planung gerfristige Strategien bedacht werden. der Studierenden begleiten (Abb. 1). der Lehrveranstaltung berücksichtigt werden muss. Dies ist nicht immer gegeben.Abb. 1: Qualitätssicherung In der Praxis folgt die inKurzfristige Lehre und Studium: Constructive Strategien Alignment setzen sich und Assessment mit bereits eta- Literacy Sowohl in der Auseinandersetzung mit der Frage Gestaltung von Prüfungen nicht selten bestimmten blierten Prüfungsformen auseinander. Leitfragen „Was will ich prüfen?“ als auch in der Bereitstellung Fachtraditionen oder Modellen vormals selbst erleb- sind: Wie kann man das, was in Prüfungen derzeit von Assessments im Lernprozess liegt mithin das Po- ter Prüfungen, ohne dass Fragen nach Kompetenz- geschieht, besser machen? Wie kann man in me- tenzial von Assessments als lernförderliches Element orientierung und Lernsteuerung notwendigerweise thodisch gesicherter Weise bestehende Prüfungs- in kompetenzorientierten Lernumgebungen. ins Bewusstsein treten. SEITE 15
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