ISS-Expedition 57 Mit Alexander Gerst als Kommandant - Planetarium Mannheim

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ISS-Expedition 57 Mit Alexander Gerst als Kommandant - Planetarium Mannheim
Melina Dietrich / Planetarium Wolfsburg

 Alexander Gerst.
 Er fechtet, schwimmt und läuft.
 Außerdem liebt er den Nervenkitzel:
 Fallschirmspringen, Snowboarden,
 Bergsteigen, Klettern und Tauchen
 mag er besonders. Vor einer Mission
 verzichtet er aber auf Extremsport.
 © ESA

                                            6. Juni 2018

            ISS-Expedition 57
             Mit Alexander Gerst als Kommandant

Die Internationale
Raumstation über
der Erde, 2006
© NASA

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ISS-Expedition 57 Mit Alexander Gerst als Kommandant - Planetarium Mannheim
Melina Dietrich / Planetarium Wolfsburg

Auf den folgenden Seiten erfährst du
★ Wie die ISS-Expedition 57, die Mission Horizons abläuft S. 3
★ Was das Trainingszentrum in Russland so besonders macht S. 6
★ In welchem Raumfahrzeug Gerst zur ISS startet S. 7
★ Wie sich die Astronauten auf ihre Mission vorbereiten S. 8
★ Welche Experimente die Crew im Weltraum durchführt S. 10
★ Die wichtigsten Fakten zur Internationalen Raumstation S. 14
★ Wie Alexander Gerst Astronaut wurde S. 16
★ Eine kurze Zusammenfassung dieser Handreichung S. 19

                                                        Die Crew der
                                                        ISS-Expedition 57
                                                        © NASA / N. Moran

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                                   Gerst, Auñón-Chancellor, Prokopjew © NASA / Public Domain

Expedition 57:
Mission mit
Besonderheiten
40 Jahre nach dem ersten Raumflug eines Deutschen,
des DDR-Kosmonauten Sigmund Jähn im August 1978, startet der
41-jährige Alexander Gerst zu seiner zweiten Mission ins All. Der
Geophysiker und Vulkanologe aus dem baden-württembergischen
Künzelsau ist der elfte deutsche Raumfahrer, der dritte deutsche
Astronaut auf der Internationalen Raumstation (ISS) und außerdem
der erste seiner Auswahlgruppe, der einen zweiten Raumflug
absolviert. Sechs Monate lang forscht er in knapp
400 Kilometern Höhe, zur Vorbereitung trainiert Gerst im
texanischen Houston, in Moskau und in Köln.

Gemeinsam mit dem Russen Sergej Prokopjew und der
US-Amerikanerin Serena Auñón-Chancellor startet Alexander Gerst
am 6. Juni 2018 mit der Raumfähre Sojus MS-09 vom russischen
Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan zur ISS. Er nimmt dabei
die Rolle des Co-Piloten ein, Kommandant des Flugs ist der frühere
Kampfpilot Prokopjew, 33. Es ist der erste Raumflug für die zwei
Kollegen des Deutschen.

Mit Auñón-Chancellor ergab sich in der Besatzung eine kurzfristige
Änderung: Eigentlich war die NASA-Astronautin Jeanette Epps, 47,
für den Flug vorgesehen. Die Luftfahrtingenieurin und frühere CIA-
Geheimdienstlerin wäre die erste Afroamerikanerin gewesen, die
einen Langzeitaufenthalt auf der ISS absolviert. Doch an Epps Stelle
wird ihre 41-jährige Kollegin ins All fliegen, obwohl diese erst für
einen Flug später im Jahr vorgesehen war. Zu den Gründen des
Personalwechsels hat sich die NASA bisher noch nicht geäußert.
Auñón-Chancellor hat eine Ausbildung in Elektrotechnik und
Medizin und sorgt jetzt für eine andere Besonderheit: Auch eine
Astronautin kubanischer Abstammung war noch nie auf der ISS.

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                                              Alexander Gerst während seines
                                              täglichen Sportprogramms © ESA/NASA

Auf der Station tritt die dreiköpfige
Crew der ISS-Expedition 56 bei, der
56. Langzeitbesatzung der Internationalen
Raumstation. Zu dieser gehören der
Kommandant Andrew Feustel (USA)
sowie die Ingenieure Richard Arnold (USA)
und Oleg Artemjew (Russland).

Sechs Tage lang wird gearbeitet, wobei mit dem
zweieinhalbstündigen Sportprogramm und alltäglichen
Dingen wie Essen bereits viel Zeit verplant ist. So hat ein
Astronaut täglich nur etwa eine Stunde Zeit für sich, um mit der
Familie zu telefonieren, im langsamen Internet zu surfen oder aus
dem Fenster zu schauen. Am Samstag ist Putztag auf der ISS. Die
Sonntage sind abgesehen vom täglichen Sportprogramm frei.

Am 28. August 2018 endet die Expedition 56 und wird mit dem
Abkoppeln des Raumschiffs Sojus MS-08 von der ISS durch die
ISS-Expedition 57 abgelöst. Während Feustel, Arnold und Artemjew
auf die Erde zurückkehren, bleibt Gerst zusammen mit Prokopjew
und Auñón-Chancellor auf der Internationalen Raumstation. Die
Raumfahrer beginnen die Expedition 57 zunächst zu dritt, bevor im
September mit Alexei Owtschinin, Nikolai Tichonow und Nick Hague
drei weitere Expeditionsmitglieder zur ISS fliegen.

Gerst übernimmt während dieser Mission als erster deutscher und
zweiter Westeuropäer nach dem Belgier Frank de Winne das
Kommando auf der ISS. Diese verantwortungsvolle Aufgabe bedarf
spezieller Vorbereitung, denn im Notfall trifft er die
Entscheidungen. Darüber hinaus ist es als Kommandant seine
Aufgabe, den Kollegen zu helfen und sich laufend mit den
Bodenstationen in Houston und Oberpfaffenhofen abzustimmen.
Das Training bereitet ihn darauf vor: So muss Gerst wissen, welche
Funktion und Stärken die einzelnen Crew-Mitglieder haben und
dementsprechend die Übungen koordinieren.

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Bei seiner ersten Mission Blue Dot (Blauer Punkt) im Jahr 2014
führte Gerst als Bordingenieur mehr als 100 Experimente durch.
Auch diesmal werden wissenschaftliche Projekte einen Teil seines
Arbeitsalltags ausmachen. Dabei soll in Anlehnung an Blue Dot auch
auf die Verletzbarkeit und den dringend notwendigen Schutz des
Planeten Erde hingewiesen werden.

Wie üblich stellten die ESA-Astronauten ihre Mission unter ein
individuelles Motto: ISS-Expedition 57 trägt den Namen Horizons
(Horizonte). Er wurde gewählt, weil er international und intuitiv
verständlich ist. Der Horizont symbolisiert dabei die Neugier und
Faszination, Unbekanntes zu entdecken und zu erforschen.

Erstmals beteiligten sich zudem externe Künstler an der
Logo-Gestaltung für die Mission: Studierende im Fach
Kommunikationsdesign entwickelten auf Initiative des
Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) und in enger
Kooperation mit Alexander Gerst aus acht Entwürfen das finale
Horizons-Symbol.

Ob Gerst so viel Zeit für die sozialen Netzwerke wie bei seiner
vergangenen Mission hat, ist aufgrund seiner
Kommandantenfunktion ungewiss.

Im November 2018 dockt Sojus MS-09
mit Prokopjew, Auñón-Chancellor
und Gerst von der Raumstation ab.
Dann übernimmt Owtschinin das
Kommando und bildet mit
Tichonow und Hague die anfängliche
Crew der ISS-Expedition 58. Der
deutsche Astronaut fliegt mit seinem
Team zurück zur Erde. Mit der Landung
in Kasachstan endet dann die Mission
Horizons offiziell.

                                                 Horizons-Logo    © ESA

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        Module der Raumstation im Kosmonautenzentrum © ESA

         Eine Stadt voll Raumfahrtgeschichte
         Den rund 40 Kilometer nordöstlich von Moskau
         liegenden Ort, an dem Gerst während seiner
         Missionsvorbereitungen viel Zeit verbringt, umweht
         der Geist der Geschichte. Schon der sowjetische Raumfahrer
         Juri Gagarin hat in Swjosdny Gorodok für seinen legendären Flug
         von 1961 geübt, bei dem er der erste Mensch im Weltraum war.
         Heute trägt das städtische Trainingszentrum für Astronauten seinen
         Namen, Bilder und Statuen von Gagarin sind überall zu finden.

         Generationen von Astronauten werden seit den 1960er Jahren auf
         dem Gelände im ausgebildet. Bis heute ist es streng abgeriegelt.
         Eine Mauer, von außen verziert mit Raumfahrtsymbolen, begrenzt
         das gut drei Quadratkilometer große Areal. Wachleute kontrollieren
         Pässe. Nur wer angemeldet ist, darf hinein.

        Die alte Raumfahrerstadt ist ein Zeugnis der sowjetischen Idee, alle
        an einem Projekt beteiligten Menschen beruflich und privat an
Statue
von
        einem Ort zu versammeln: In Monostädten. Rund 5.500 Menschen
Gagarin leben nach offiziellen Angaben noch im „Sternenstädtchen“,
© NASA  darunter etwa 30 ehemalige Kosmonauten. Viele der Einwohner
        arbeiten im Trainingszentrum, das rund 1.600 Mitarbeiter
        beschäftigt und langjährigem Personal Wohnungen stellt.

                     In Swjosdny Gorodok steht die weltgrößte Zentrifuge. Sie
                        wurde 1980 gebaut und lässt auf ihre Fahrer mit 36
                          Umdrehungen pro Minute das bis zu 12-fache der
                             Erdbeschleunigung g wirken. Auf dem
                               Trainingsgelände befindet sich außerdem ein
                                 Wasserbecken, in dem sich anhand eines
                                  Modells Reparaturen in der Schwerelosigkeit
                                   trainieren lassen. Für die Familien der
                                    Kosmonauten wurden darüber hinaus
                                     mehrere Seen künstlich angelegt, es gibt
                                     einen Supermarkt und eine Schule.

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 Teil des Bedienpults eines Sojus-Simulators © NASA/Bill Ingalls

 Das Sojus-Raumschiff:
 Eine Kapsel voller Technik
 Das Sojus-Raumschiff ist seit 1967
 im Einsatz und inzwischen eines der
 sichersten Transportsysteme.
 Als Träger dient die Sojus-Rakete,
 die in der russischen Tradition,
 Raketen nach ihrer ersten Nutzlast
 zu benennen, ihren Namen erhielt.

 Das Raumschiff ist in etwa so groß wie ein
 Altglascontainer, voll von Ausrüstung und beinhaltet drei Plätze.
 In der Mitte sitzt der Pilot, bis heute stets ein männlicher Russe
 beziehungsweise Sowjetbürger. Im Notfall trifft er die
 Entscheidungen und steuert die normalerweise
 automatisch fliegende Kapsel. Auf dem linken
 Platz befindet sich der Co-Pilot, der stellvertretend
 die Verantwortung für das Raumschiff übernimmt,
 falls der Pilot nicht mehr handlungsfähig ist.

Sojus Raumfahrzeug im Orbit,
fotografiert von den Astronauten der
Apollo-Mission
© NASA

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                                                        trainiert gleich in
Kein Training für schwache Nerven                       der weltgrößten
                                                        Zentrifuge, 2013
Bei der ESA in Köln übt Gerst für die wissenschaftlichen © GCTC
Experimente, bei der NASA in Houston für den Alltagsbetrieb der
Raumstation. Doch den wohl wichtigsten Teil der Ausbildung, sein
Sojus-Flugtraining, absolviert er unter Leitung der russischen
Raumfahrtagentur Roskosmos im Kosmonautenzentrum des
Sternenstädtchens. Dafür muss er bei den Vorbereitungen seiner
ersten Mission 2014 extra Russisch lernen – Innerhalb von drei
Monaten.

Während der Übungen kommt auch die Zentrifuge zum Einsatz. Die
Kosmonauten trainieren für einige Minute mit dem 8-fachen der
Erdbeschleunigung. Normale Passagierflugzeuge erreichen Werte
von etwa 1,2 g. Die Kabine der Zentrifuge ist hoch
technisiert, um die Gesundheitswerte der
Passagiere zu überwachen. Nur solange
der Insasse einen Sicherheitsknopf
gedrückt hält, dreht sich das Gerät.
Das Training ist wichtig, um die
Astronauten auf den enormen
Druck vorzubereiten, der bei Start
und Landung für etwa 9 Minuten
auf ihrem Körper lastet. Ist die
Startsimulation überstanden,
warten auf die Raumfahrer
Übungen zur Arbeit im All. An
Modellen der russischen
ISS-Module können sich die
Crew-Mitglieder zunächst ohne
Schwerelosigkeit einprägen, wie es im
Inneren der Station aussieht. In einem
Tauchbecken proben sie anschließend in
robusten Raumanzügen die Arbeit bei
Außeneinsätzen.

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Um das Raumschiff Sojus-MS steuern zu
können, nimmt Gerst ein Jahr lang
Theoriestunden. Dann übt er das Fliegen
im Simulator. Die Trainer verfolgen die
Leistung von Gerst und seinen Kollegen
dabei auf Bildschirmen und verteilen
Noten. Wer schlecht abschneidet, muss die
Übung wiederholen.

Der Besatzungswechsel wirkt sich nicht auf das
Training aus, denn Auñón-Chancellor hat vorher bereits als Backup
         geübt. Lediglich die Kommunikation müssen die Crew-
                Mitglieder aufeinander abstimmen.

                                                                         Astronauten im
                                                                         Sojus-Simulator
                                                                         © ESA / S. Corvaja

                                              Gerst übt, wie er sich an der Rettungsleine
                                              eines Helikopters befestigt, falls die Sojus
                                              Kapsel in schwierigem Gelände landet. Auch
                                              Überlebenstraining ist für solche Fälle Teil
                                              seiner Vorbereitung.
                                              © Gagarin Cosmonaut Training Centre

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Astronauten und Versuchskaninchen
Bei dieser Expedition stehen rund 100 internationale Experimente
auf dem Programm. Deutsche Universitäten,
Forschungseinrichtungen und Firmen sowie das Deutsche Zentrum
für Luft- und Raumfahrt steuern rund 35 von ihnen zur Mission
Horizons bei. Die Versuche sollen Fragen aus Biologie und Medizin
beantworten. Weitere Wissenschaftsgebiete sind Physik,
Materialwissenschaft und Technologie. Darüber hinaus gibt es auch
ein Bildungsprogramm für Kinder und Jugendliche.

Im Experiment ICARUS geht es um das Migrationsverhalten von
Tieren. Ihr Wanderverhalten gibt Aufschluss über klimatische
Veränderungen auf der Erde. Es können außerdem Rückschlüsse
zum Schutz von Arten und Lebensräumen gezogen werden. Dazu
werden die Tiere mit Sensoren ausgestattet, deren Daten von der
ISS empfangen und zurück zur Erde gesendet werden.

Zum Einsatz kommen soll auch das in Deutschland entwickelte
Fluoreszenzmikroskop FLUMIAS. Mit ihm lassen sich Zellvorgänge
live verfolgen. Das Mikroskop zeigt gezielt
bestimmte Zellbestandteile und wie
sie sich ohne Schwerkraft verändern.
In Zukunft soll es ein größeres
Mikroskop mit Zentrifuge auf
der ISS geben, mit dem eine
Schwerkraft hinzugeschaltet
werden kann. So lassen sich
auf zellulärer Ebene
Erkenntnisse zur Wirkung der
Schwerkraft auf den Körper
gewinnen.
                      Gerst untersucht
                      seine Augen
                      © NASA

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Auch zur Immunphysiologie werden einige Experimente
durchgeführt. Dort geht es darum, das Immunsystem und
Krebserkrankungen besser zu verstehen. Im Weltraum lassen sich
Flüssigkeiten herstellen, die dem Blut ähneln. So kann man Krebs-
oder Immunzellen in einem flüssigen Substrat beobachten, ohne
dass sich nach einer gewissen Zeit etwas durch die Schwerkraft
absetzt.

Jedes ISS-Crewmitglied ist ebenfalls Teil von Versuchsreihen und
nimmt regelmäßig Messungen bestimmter Körperfunktionen vor.
Für zukünftige Reisen in den Weltraum ist es entscheidend, typische
Probleme wie Muskelschwund, Augenschäden und eine
verringerte Knochendichte genau zu verstehen und schließlich zu
lösen. Kürzlich wurde ein weiterer Faktor bekannt, der vor allem bei
Langzeitflügen zu mentalen und körperlichen Schwierigkeiten
führen könnte: Während die Körpertemperatur von Menschen auf
der Erde im Verlauf des Tages um etwa 0,5 Grad variiert und so zu
Phasen besonderer Leistungsfähigkeit führt, schwankt die
Temperatur der Astronauten um 1 Grad. Darüber hinaus wird ihr
Körper etwa zweieinhalb Monate lang stetig wärmer, bis er sich bei
ungefähr 38 Grad – also einer Art leichtem Dauerfieber – einpegelt.
Bei sportlicher Aktivität steigt die Temperatur sogar häufig auf mehr
als 40 Grad. Der Grund: Auf der Erde steigt warme Luft auf, kalte
Luft sinkt nach unten. In der Schwerelosigkeit gibt es diesen Effekt
nicht. Dies führt dazu, dass wie in einem Daunenschlafsack ein
abfallendes Temperaturfeld um den Körper herum entsteht.
                                                          Alexander Gerst
                                                          experimentiert auf
                                                          der Internationalen
                                                          Raumstation © NASA

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Ein anderes Experiment heißt Brain DTI.
Vor dem Flug wird das Gehirn der
Astronauten im Kernspintomografen
untersucht. Nach der Mission
schauen Wissenschaftler, was sich
verändert hat. Während einer
Weltraumexpedition fällt der
Gleichgewichtssinn aus, weil er nicht
mehr genutzt wird. Das Gehirn ignoriert
diesen Bereich und hält sich navigatorisch an
das Sehzentrum. Das ähnelt dem, was bei einem
Schlaganfall passiert. Die Erkenntnisse zu den Veränderungen,
die auf der ISS und nach dem Flug beobachtet werden,
können Schlaganfallpatienten helfen.

Während des Experiments MyotonS soll ein kleines Gerät
Alexander Gerst helfen, zu überprüfen, wie fit er ist: Das Gerät kann
durch einen Impuls auf der Haut in Sekundenschnelle das Verhalten
der darunter liegenden Muskulatur kontrollieren. Langfristig wird es
so möglich, individualisierte Trainingsprogramme für die
Astronauten zu erstellen. Auch jeder Erdenbürger, der sich nach
langer Krankheit oder Verletzung in der Rehabilitation befindet,
kann durch das Gerät gezielter trainieren.

Die Experimente im CAL – einem Labor zur Erforschung ultra-kalter
Atome – sind interessant für die Überprüfung der Allgemeinen
Relativitätstheorie von Albert Einstein. Sie spielen außerdem eine
Rolle bei extrem genauen Messverfahren für Längen und Zeiten, für
die Messung von Gravitationswellen oder die Entwicklung von
Quantencomputern.

 Materialproben, die an der Außenhülle der ISS befestigt sind und auf ihre
 Langlebigkeit und Widerstandsfähigkeit getestet werden © NASA/Ron Garan

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Dieses Mal wird die Crew außerdem einen
nichtmenschlichen Begleiter mit dem
Namen CIMON haben. Das von Airbus und
dem Deutschen Luft- und Raumfahrtzentrum
entwickelte Gerät ist eine künstliche Intelligenz,
die mit den Astronauten interagieren und sie
unterstützen soll. Seine Aufgaben: Fragen beantworten,       Roboter CIMON
Hintergrundinfos liefern, Dateien abspielen, vor Gefahren    steht zu Diesten
warnen, für Unterhaltung sorgen und Stress abbauen. Mit      © DLR/T. Bourry/ESA

CIMON soll getestet werden, wie man einen Assistenz-Roboter
bauen muss, damit er an Bord wirklich hilfreich ist.
Der etwa 5 Kilogramm schwere Helfer kann sich mit seinem eigenen
Propellerantrieb frei bewegen und dabei bis zu 0,36 Meter pro
Sekunde zurücklegen. Er misst 32 Zentimeter und ist rund, damit er
nichts beschädigt oder versehentlich Knöpfe drückt. Alexander
Gerst durfte über CIMONs Gesicht und Stimme entscheiden, das
Gerät wiederum kennt die Lieblingsmusik des Astronauten. So
sollen sich Mensch und Roboter besser anfreunden. Wenn die Crew
genug hat, kann sie CIMON in den Schlaf versetzen: Dann werden
alle Streams unterbrochen und das Team erhält mehr Privatsphäre.
Nach etwa zwei Stunden sind seine zwei Batterien leer.

Bake In Space möchte einen weltraumqualifizierten Ofen auf die ISS
schicken, um die Astronauten dort mithilfe einer für die
Weltraumumgebung geeigneten Teigmischung mit frischem Brot zu
versorgen. Dies kann für die Entwicklung von Lebensmitteln für
Langzeitmissionen interessant sein.

Auch Bildungsarbeit ist fester Bestandteil der Horizons-Mission.
Neben einem Schüler- und Studentenwettbewerb gibt es
verschiedene Mitmachexperimente im Flying Classroom 2.
Außerdem beinhaltet die Expedition ein Zeitkapselprojekt: Eine
Aluminiumkugel wird von Gerst an Bord der ISS versiegelt und soll
50 Jahre später geöffnet werden. Sie enthält Wünsche und
Zukunftsvorstellungen von Schülerinnen und Schülern und
wird nach dem Flug in einem Museum ausgestellt.

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Melina Dietrich / Planetarium Wolfsburg

              Blick auf die
              Erde von der            Internationale Raumstation:
              ISS Kuppel aus:            Das Tor zum Weltall
              Gersts
              Lieblingsplatz Die Internationale Raumstation
              © NASA
                     (englisch International Space Station, kurz ISS)
ist eine bemannte Raumstation, die in internationaler Kooperation
betrieben und ausgebaut wird. Die ISS ist ein gemeinsames Projekt
der US-amerikanischen NASA, der russischen Raumfahrtagentur
Roskosmos, der europäischen Raumfahrtagentur ESA sowie der
kanadischen und japanischen Raumfahrtagenturen CSA und JAXA.

In Europa sind die Länder Belgien, Dänemark, Deutschland,
Frankreich, Italien, die Niederlande, Norwegen, Schweden, die
Schweiz und Spanien beteiligt. Brasilien hat mit den USA ein
separates Abkommen über die Nutzung der ISS.

Die Raumstation ist seit dem 2. November 2000 permanent
besetzt. Im Januar 2014 gab die NASA bekannt, dass die Station
nach Absprache mit den internationalen Partnern bis mindestens
2024 weiter betrieben werden soll. Nach Angaben der ESA belaufen
sich die Gesamtkosten bis dahin auf etwa 100 Milliarden Euro.

Sollte die Station nicht mehr verwendet werden, ist ein gezielter
Wiedereintritt in die Erdatmosphäre über dem Südpazifik geplant.
Damit soll unter anderem Weltraumschrott vermieden, aber auch
sichergestellt werden, dass die Reste der Station über
unbewohntem Gebiet niedergehen.
                                                         Außenboardmanöver
                                                         auf der ISS während der
                                                         Bauarbeiten, 2006
                                                         © NASA

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Melina Dietrich / Planetarium Wolfsburg

Die ISS befindet sich in einer niedrigen Umlaufbahn von etwa
400 km Höhe und umrundet die Erde 16 Mal am Tag, also etwa alle
eineinhalb Stunden. Da die Bahnellipse nahezu kreisförmig ist,
schwankt die Höhe während eines Umlaufs um maximal
20 Kilometer.

Die mittlere Bahnhöhe nimmt durch den Luftwiderstand der Station
um 50 bis 150 m pro Tag ab. Diesem Höhenverlust wird je nach
Erfordernissen des Stationsbetriebs in unregelmäßigen Abständen
durch Triebwerkszündungen unter Aufwendung von etwa 7.000
Kilogramm Treibstoff pro Jahr entgegengewirkt. Das Heben der
abgesunkenen ISS erfolgt durch Beschleunigungen in Flugrichtung
der Station. Auf diese Weise wurde die mittlere Höhe der Station
zunächst zwischen etwa 330 und 400 Kilometern gehalten. Seit Juni
2011 wurden mehrfach größere Bahnanhebungen durchgeführt, um
die mittlere Höhe zunächst auf etwa 380 km zu bringen und ab Ende
2012 durchschnittlichen etwa 400 km Höhe zu erreichen. Dadurch
reduzierten sich der Einfluss der oberen Atmosphäre
und damit auch der tägliche Höhenverlust.                ISS, 2011 © NASA

Die Stromversorgung der Raumstation geschieht
ausschließlich über Sonnenenergie.

Die ISS erscheint unter günstigen Bedingungen
von der Erde aus etwa 25-mal so hell wie der
hellste Stern Sirius. Mit den Modulen, die in
Zukunft noch angedockt werden, vergrößert
sich die reflektierende Fläche der Station, so
dass die ISS noch höhere Helligkeitsklassen erreicht.

Die Raumstation ist periodisch zu bestimmten Zeiten von
Mitteleuropa aus am Himmel zu sehen: Zunächst während zwei bis
drei Wochen nahezu täglich in der Morgendämmerung, nach
einigen Tagen Pause dann zwei bis drei Wochen in der
Abenddämmerung. Diese Abfolge wiederholt sich in einem Abstand
von knapp zwei Monaten. Die genauen Zeitpunkte und Zugbahnen
der Überflüge sind online abrufbar.

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Melina Dietrich / Planetarium Wolfsburg

                                          Alexander Gerst:      Auf Expedition:
                                                                Gerst besteigt
                                          Wissenschaftler       Mount Erebus,
                                                                Antarktis © A. Gerst
                                          und Astronaut
                                     Der Schwabe wurde am 3. Mai 1976 in
                                   Künzelsau geboren und hatte schon
                                 immer ein großes Interesse am Universum.
                              Nach eigenen Aussagen lag dies auch am
                            Einfluss seines Großvaters.

               Gerst legte 1995 am Technischen Gymnasium in
         Öhringen das Abitur ab, leistete zunächst Zivildienst beim
DRK und bereiste anschließend ein Jahr lang als Rucksacktourist
verschiedene Länder. Stark beeindruckt von den Vulkanen
Neuseelands begann er, Geophysik zu studieren, und erlangte an
der damaligen Universität Karlsruhe 2003 das Diplom. Während
dieser Zeit nahm er an mehreren internationalen
Forschungsprojekten teil, bei denen er an abgelegene Orte wie die
Antarktis reiste. Gerst erarbeitete außerdem neue Techniken zur
Vulkanüberwachung, um Eruptionsprognosen zu verbessern. Er fing
an, am Institut für Geophysik der Universität Hamburg
wissenschaftliche Instrumente zu entwickeln, und absolvierte 2005
in Neuseeland seinen Master of Science in Geowissenschaften.
Beide Studiengänge schloss er mit Auszeichnung ab.

Im folgenden Jahr war er Sommerstipendiat des
Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). 2008 bewarb
er sich um eine Aufnahme in die Astronautenabteilung der
Europäischen Weltraumorganisation (ESA) und ließ seinen
Kindheitstraum wahr werden: Gerst setzte sich beim
Auswahlverfahren gegen 8.407 andere Bewerber durch und wurde
ein Jahr später als einziger Deutscher unter sechs angehenden
Astronauten der Öffentlichkeit vorgestellt.

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Melina Dietrich / Planetarium Wolfsburg

Die Crew der ISS-Expeditionen 40 und 41 begrüßt das Publikum
auf dem Weg zur Spitze der Sojus-Rakete © ESA/S. Corvaja

    Er beendete seine Arbeit am Institut für
    Geophysik und trat seine Ausbildung im
    Europäischen Astronautenzentrum
    (ECA) in Köln an. Gleichzeitig stellte er
    seine 2005 begonnene Doktorarbeit
    über die Eruptionsdynamik von Vulkanen
    fertig, mit der er im Mai 2010 an der
    Universität Hamburg promoviert wurde.
    Sechs Monate später wurde Alexander Gerst
    nach Abschluss der Grundausbildung in einer
    offiziellen Zeremonie im ECA endlich zum Astronauten ernannt.

    Ende 2011 nominierte die ESA ihn für seinen ersten Raumflug zur
    Internationalen Raumstation ISS. Der erfolgreiche Nachtstart von
    Sojus TMA-13M erfolgte am 28. Mai 2014 um 19:57 UTC in
    Baikonur.

    Gerst ist der elfte deutsche Raumfahrer und der dritte deutsche
    Astronaut auf der Internationalen Raumstation. Er fungierte als
    Bordingenieur der ISS-Expeditionen 40 und 41 und befand sich bis
    zum 10. November 2014 im All. Seine Mission trug die Bezeichnung
    Blue Dot, nach dem Foto Pale Blue Dot, das die Erde aus großer
    Entfernung als blassblauen Punkt zeigt. Während dieser Mission
    verwies er regelmäßig auf die Dringlichkeit, unseren besonderen
    Planeten zu schützen.

    Im Mai 2016 teilte die ESA mit, dass Alexander Gerst als erster
    seiner Auswahlgruppe für einen zweiten Flug zur Internationalen
    Raumstation eingeplant ist. Während seiner Langzeitmission von
    Juni bis November 2018 soll er für drei Monate auch die Funktion
    des Kommandanten übernehmen – Als erster Deutscher und
    zweiter Westeuropäer. Die Expedition trägt den Namen Horizons, in
    Anlehnung an die menschliche Faszination für die Entdeckung des
    Unbekannten.

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Melina Dietrich / Planetarium Wolfsburg

                                                       Gauck verleiht dem
                                                       Astronauten das
                                                       Bundesverdienstkreuz
Auszeichnungen                                         © BPA

2007 erhielt Gerst den Bernd Rendel Preis der
Deutschen Forschungsgemeinschaft für ausgezeichnete
Nachwuchsgeophysiker.

Wegen seiner wichtigen wissenschaftlichen Arbeit und seines
Engagements im Weltraum während seiner ISS-Mission verlieh
Bundespräsident Joachim Gauck ihm im Januar 2015 das
Bundesverdienstkreuz 1. Klasse.

Wenige Monate später wurde ein Asteroid nach Gerst benannt:
(190617) Alexandergerst.

Im April 2015 überreichte Ministerpräsident Winfried Kretschmann
ihm im Mannheimer Schloss den
Verdienstorden des Landes Baden-Württemberg.

Kurz darauf verlieh der Gemeinderat seiner Geburtsstadt Künzelsau
Alexander Gerst die Ehrenbürgerschaft.

Die Ehrensenatorenwürde der Universität Hamburg wurde ihm
2017 zuteil.

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Melina Dietrich / Planetarium Wolfsburg

Zusammenfassung
Am 6. Juni 2018 startet der Geophysiker und Vulkanologe
Alexander Gerst gemeinsam mit dem Russen Sergej Prokopjew und
der US-Amerikanerin Serena Auñón-Chancellor mit einer
Sojus Raumfähre zur ISS. Er nimmt dabei die Rolle des Co-Piloten
ein. Die Crew wird Teil der ISS-Expeditionen 56 und 57, wobei
letztere den Namen Horizons trägt. Bei dieser Expedition stehen
rund 100 internationale Experimente auf dem Programm.

Bei der ESA in Köln üben die Astronauten für die wissenschaftlichen
Experimente, bei der NASA in Houston für den Alltagsbetrieb der
Raumstation. Das Sojus-Flugtraining absolvieren sie im
Kosmonautenzentrum des so genannten Sternenstädtchens.
Tauchbecken, Zentrifugen und Flugsimulatoren sind Teil ihrer
Übungen.

Im Sternenstädtchen hat auch der sowjetische Raumfahrer
Juri Gagarin geübt. Er war der erste Mensch im Weltraum. Der Ort
ist eine Monostadt, viele der dort lebenden Menschen arbeiten im
dortigen Kosmonautenzentrum.

Das Sojus-Raumschiff ist seit 1967 im Einsatz und inzwischen eines
der sichersten Transportsysteme. Die ISS ist eine bemannte
Raumstation, die in internationaler Kooperation betrieben und
ausgebaut wird. Sie ist seit dem Jahr 2000 permanent besetzt.

                                                             Die Crew der
                                                             ISS-Expedition 57
                                                             © NASA / J. Blair

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Melina Dietrich / Planetarium Wolfsburg

Space Shuttle,
angedockt an
die ISS
© NASA

                                   Erfahre mehr
                            ★ Planetarium Wolfsburg
                           www.planetarium-wolfsburg.de

                           ★ Europäische Südsternwarte
                                  www.eso.org

                      ★ Europäische Weltraumorganisation
                                 www.esa.int

                ★ Gesellschaft Deutschsprachiger Planetarien
                         www.gdp-planetarium.org

              ★ Nationale Aeronautik- und Raumfahrtbehörde
                              www.nasa.gov

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