Journal der DEFA-Stiftung - Das Journal der DEFA-Stiftung

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Editorial: 20 Jahre DEFA-Stiftung

Jeder Tag
ein Abenteuer
So hieß ein Buch, das mich durch meine Kindheit be-            kraft« vor und spielen auf einen Film an, den die Mit-
gleitete. Der Autor, seinen Namen habe ich vergessen,          arbeiterinnen und Mitarbeiter der DEFA-Stiftung sehr
beschrieb eine Fahrradtour rund um die Welt. Eine              lieben, Jochen Kraußers grotesken Leuchtkraft der
Reise, die von platten Reifen, verschlissenen Felgen,          Ziege. Wir wollen damit einige Schlaglichter auf unsere
steinigen Aufstiegen, kurvenreichen Abfahrten und              Arbeit werfen, auf Geleistetes und noch Kommendes.
vielen Begegnungen mit meist sympathischen Zeitge-             Ein Text über Marion Keller, die erste Regisseurin der
nossen begleitet war. Jeder Tag ein Abenteuer? – Das           DEFA, soll neugierig machen auf das im Februar 2019
wäre für die Arbeit in der DEFA-Stiftung womöglich             erscheinende Buch »Sie«, in dem wir rund sechzig
übertrieben. Ganz falsch ist dieser Vergleich aber nicht:      Porträts von Frauen versammeln, die zwischen 1945 und
Unser Archiv mit rund 12.000 Filmen aus fast fünf Jahr-        1990 in den DEFA-Studios arbeiteten. Außerdem erin-
zehnten birgt so viel Spannendes, Überraschendes und           nert sich Filmkomponist Peter Rabenalt an seine Lehrer
noch Unentdecktes, dass es eine andauernde Freude              von der DEFA und Filmhistoriker Jeanpaul Goergen an
ist, diese Schätze zu heben und sie gemeinsam mit un-          Karlheinz Munds außergewöhnlichen Dokumentarfilm
seren Partnern und Freunden für ein heutiges, vor allem        Memento über die jüdischen Friedhöfe Berlins. Lutz
junges Publikum zu erschließen.                                Dammbeck, Sylke Laubenstein-Polenz und Melanie
  Vor zwanzig Jahren, am 6. Dezember 1998, wurde die           Hauth reflektieren über aktuelle Probleme und Chan-
DEFA-Stiftung gegründet. Der dafür zuständige Berliner         cen der Digitalisierung; dazu passend veröffentlichen
Senator für Justiz genehmigte die Stiftung auf Antrag der      wir das Dornröschen-Kapitel aus Walter Becks Arbeits-
beiden Stifter Bundesanstalt für vereinigungsbedingte          biographie »Mär und mehr«, die 2019 in unserer Manu-
Sonderaufgaben und Beauftragter der Bundesregierung            skript-Reihe erscheinen soll. Mit einem Interview über
für Angelegenheiten der Kultur und Medien. Seither ist         die Marcel-Marceau-Filme der DEFA weisen wir auf
viel geschehen: Rund die Hälfte aller DEFA-Spielfilme,         eine wunderbare Archiv-Entdeckung hin. Die Texte von
dazu zahlreiche Trick- und Dokumentarfilme wurden auf          Rainer Simon und Detlef Kannapin begleiten einige der
DVD zugänglich gemacht. Seit 2012 wurden viele wichti-         uns wichtigen DVD-Neuveröffentlichungen in diesem
ge Filme digitalisiert, die DEFA-Stiftung regte filmhistori-   Jahr, zu denen zweifellos die Konrad-Wolf-Box mit all
sche Forschungen an und gab selbst rund fünfzig Bücher         seinen Kinofilmen gehört.
heraus. Retrospektiven im In- und Ausland belegen das             Die große Umfrage über »weiße Flecken« der
anhaltende Interesse am DEFA-Erbe. Die Preise der              DEFA-Forschung, die unser Journal einleitet, vermittelt
DEFA-Stiftung für jüngere Filmschaffende auf diversen          eine Ahnung davon, dass zum Thema DEFA noch längst
Festivals tragen dazu bei, den Begriff DEFA aber nicht         nicht alles gesagt und geschrieben, noch längst nicht
nur retrospektiv zu benutzen. All das ist nur möglich mit      alles getan worden ist. So wird es also weitergehen,
unseren Partnern, von denen an dieser Stelle besonders         weitere zwanzig Jahre und vielleicht noch mehr: Jeder
der BKM, der FFA sowie den ostdeutschen Bundeslän-             Tag ein Abenteuer!
dern, die unsere Digitalisierungen fördern, Dank ausge-
sprochen werden soll – ebenso wie Progress, Icestorm
und dem DEFA-Filmverleih bei der Stiftung Deutsche
Kinemathek, die unsere Filme öffentlich machen.
  Zum 20. Jahrestag der DEFA-Stiftung legen wir hier                   Ralf Schenk, Vorstand der DEFA-Stiftung
erstmals ein Journal mit dem schönen Titel »Leucht-                                         im November 2018

                                                               1
Journal der DEFA-Stiftung - Das Journal der DEFA-Stiftung
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Inhalt

         4    Weiße Flecken der DEFA-Historie?
              Eine Umfrage zum Stand der DEFA-Forschung
                                                                               Neue Tricks für alte Tricks?

                                                                         68    Schuld und Sühne
                                                                               Ein Diskussionsbeitrag von Prof. Lutz Dammbeck
                                                                               zur digitalen Neubearbeitung seiner Filme

         27   DEFA-Forschung: international
              Ein Überblick über junge DEFA-Forschung weltweit           70    Digitalisierung als Chance
                                                                               zur Bewahrung kultureller Vielfalt
                                                                               Sylke Laubenstein-Polenz von der Stiftung für das sorbische Volk
                                                                               über die Digitalisierung des sorbischen Filmerbes und den
                                                                               DEFA-Animationsfilm Als es noch Wassermänner gab

         30   Der sozialistische Regisseur
              Detlef Kannapin stellt Konrad Wolf und seine Filme vor     72    »Frau Augenzeuge«: Dr. Marion Keller
                                                                               (6.8.1910 – 28.1.1998)
                                                                               Ein Essay von Günter Jordan und Claudia Köpke

         42   »Die Form war mir wichtig –
              wer das versteht, ist mir egal«                            94    Marcel Marceau (1923–2007)
                                                                               Der Pantomime zu Gast bei der DEFA –
              Rainer Simon über seinen Film Das Luftschiff                     Ein Interview mit Barbara Barlet

              Dornröschen: digital
                                                                         100   Beschädigungen
                                                                               Wie der DEFA-Dokumentarfilm Memento (1966)
         46   Farben wie im Märchen?
              Melanie Hauth und René Pikarski geben Einblicke
                                                                               von Karlheinz Mund über die jüdischen Friedhöfe Berlins entsteht
                                                                               und was ihm nach dem SED-Kahlschlagplenum widerfährt
              in die digitale Neubearbeitung von Dornröschen
                                                                               Ein Essay von Jeanpaul Goergen
         49   Mär und mehr
              Dornröschen: Ein arbeitsbiographisches Kaleidoskop
              von Regisseur Walter Beck
                                                                         114   Rückblick: DEFA 2018

         56    eine Lehrer von der DEFA
              M
              Prof. Peter Rabenalt über sein Studium an der              115   Ausblick: DEFA 2019
              Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam Babelsberg

                                                                         116   Impressum
Journal der DEFA-Stiftung - Das Journal der DEFA-Stiftung
n
Umfrage

              Weiße Flecken
              der DEFA-Historie?
              Eine Umfrage zum Stand der DEFA-Forschung

              Die Geschichte der DEFA ist die am besten ausge-          Autoren, nur selten getragen von einem universitären
              leuchtete Phase der deutschen Filmgeschichte. So          Unterbau.
              steht es hin und wieder geschrieben, und da ist ja auch     Trotz zahlreicher Publikationen gibt es freilich noch
              was dran. In den vergangenen zwanzig Jahren erschien      immer »weiße Flecken«, die zu füllen die DEFA-Stiftung
              eine Reihe von Büchern, die einen Gesamtüberblick         beitragen möchte. In einer Umfrage baten wir Filmhis-
              über das DEFA-Schaffen leisteten, einzelne Gattun-        toriker, Autoren und Freunde der Stiftung um Anregun-
              gen und Genres ins Blickfeld nahmen, Regisseure,          gen und Wünsche. Die Resonanz war groß: Weit über
              Schauspielerinnen und Schauspieler porträtierten, die     zwei Drittel der Angeschriebenen antworteten auf
              Binnenstruktur des DDR-Filmwesens darstellten. Viele      unsere Fragen oder in einem freien Kommentar. Diese
              dieser Bände wurden von der DEFA-Stiftung initiiert       Umfrage ist dabei nur ein Anfang und wir laden alle un-
              und herausgegeben. Bemerkenswert ist: Sie entstan-        sere Leser herzlich dazu ein, sich mit weiteren offenen
              den oftmals als Initiative einzelner Autorinnen und       Themen an der Diskussion zu beteiligen.

              Wir wollten wissen:

              1. Welchen Filmen, Genres oder besonderen Programmen innerhalb des DEFA-Filmstocks sollte mehr
              kuratorische, filmpublizistische und filmwissenschaftliche Aufmerksamkeit geschenkt werden?

              2. Welche bisher nur wenig beachtete Persönlichkeit der DEFA oder wessen
              Werk und Schaffen verdient eine umfangreiche Auseinandersetzung?

              3. Anfangs- und Wendezeit, Gesichter und Plakate, Frauen bei der DEFA, jüdische, antifaschistische, Zensur- und
              andere Themen: Viele solcher filmübergreifenden Schwerpunkte wurden bereits beleuchtet, aber welche
              vermissen Sie bislang in der Publizistik zur DEFA-Geschichte?

              4. Welche Publikationen oder DVD-Editionen zur DEFA-Geschichte der letzten zwanzig Jahre kommt Ihrer
              Meinung nach besondere Bedeutung zu? Worüber haben Sie sich gefreut, worüber haben Sie sich geärgert?

              5. Welches DEFA-Thema interessiert Sie zurzeit besonders?

          4                                                               5
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Die Antworten werfen grundsätzliche Probleme auf, wie        Dr. Günter Agde                                            wären vielerlei internationale Aspekte zu erkunden, vor
bei Günter Jordan oder Rudolf Jürschik: Für wen und          Filmhistoriker, Journalist und Autor,                      allem inwiefern »Ankaufs«- und »Verkaufs«-Preise mit
zu welchem Zweck wird DEFA-Forschung betrieben?              Mitglied im Verband der deutschen Filmkritik und           ideologischen (oder anderen politischen, z. B. außen-
Gibt es für entsprechende Bücher, für den DEFA-Film          Mitgründer sowie Autor der Zeitschrift Filmblatt           politischen) Vorgaben durch HV oder ZK in Deckung
überhaupt noch ein Publikum, und wenn ja, auf wel-                                                                      gebracht wurden oder Widersprüche aufbrachen. (Zum
chen Wegen muss dieses Publikum »erobert« werden.            Ich wünschte »irgendeine« Form, um wichtige                DDR-TV gibt es zu dem Außenhandels-Thema schon
Klaus-Dieter Felsmann weist darauf hin, die Filme auf        DEFA-Filmkritiken gesammelt zu kriegen, evtl. als Inter-   ein paar Untersuchungen.) Soweit ich weiß, ist aber die
ihre »Rezeptionspotenziale hinsichtlich der Gegenwart«       net-Quelle, also schnell verfügbar, natürlich nach den     Aktenlage im Bundesarchiv dürftig. Man könnte freilich
zu überprüfen und die in ihnen verhandelten »allge-          gültigen filmhistorischen Regeln aufbereitet und mit       versuchen, in den Beständen des Finanzministeriums
meinmenschlichen Fragen« in den Fokus der Diskussion         den üblichen Titel- und Personenregistern.                 oder der DDR-Banken »gegenzulesen«.
zu rücken. Grit Lemke plädiert dafür, die Filme aus ei-        Weiter (obwohl ich nicht weiß, ob das zu den Aufga-        Schließlich wünschte ich mir Personal-Studien von
nem rein filmwissenschaftlichen Diskurs zu lösen und sie     ben der DEFA-Stiftung gehören sollte): Erschließung        Kameraleuten (z. B. Roland Dressel, Christian Lehmann
mehr als »kulturhistorische Quellen von Alltagskultur«       der Akten und Dokumente des Verbands der Film- und         u. a.) und von Filmleuten »der zweiten Reihe«, wie etwa
zu untersuchen: »Inwiefern haben sie Identität gestiftet     Fernsehschaffenden der DDR. Der »Nachlass« des VFF         Kurt Jung-Alsen, Helmut Krätzig, Eva Seemann, auch zu
und reflektiert?«                                            ist nach meinem Wissen komplett und bisher noch nicht      Hermann-Ernst Schauer und anderen Film-Funktionä-
   Somit wird eine Fülle offener Fragen angesprochen.        aufgearbeitet im Archiv des Filmmuseums Potsdam            ren des »Apparats«, ohne dass ich weiß, wie man diese
Die DEFA-Stiftung, aber ebenso deutsche und inter-           eingelagert. Möglicherweise könnte er auch komplett        Studien publik und /oder zugänglich machen sollte.
nationale Forschungsinstitutionen werden also auch in        und als eigenständiger Bestand ans Bundesarchiv            Wichtig wäre in jedem Fall, exakte Werkverzeichnisse
den kommenden Jahren genügend zu tun haben, um               abgegeben werden. (Ein ähnlich gelagerter Fall ist der     der Leute anzulegen und verfügbar zu halten. Und
das DEFA-Erbe aufzubereiten: Wenig oder gar nicht            »Nachlass« des DDR-Schriftstellerverbandes. Der liegt      dass sie mühevoll zu erarbeiten wären, kann ich mir gut
erforscht sind beispielsweise die Arbeit von DEFA-Syn-       als geschlossener Bestand im Archiv der Akademie der       vorstellen.
chronstudio, DEFA-Außenhandel, DEFA-Kopierwerk.              Künste und ist dort einsehbar.)                              Und schließlich liegt mir der (riesige) Bestand der
Das hat Gründe: Akten sind nur unvollständig oder –            Ich könnte mir eine (oder mehrere) Studien               nicht-realisierten DEFA-Spielfilm-Projekte am Herzen.
wie im Falle des Synchronstudios – fast gar nicht über-      zu den DEFA-»Betriebsteilen« Kopierwerk und                Ich hab’ ihn mir mal durchgesehen und viele interes-
liefert, und auch die Zeitzeugen werden immer weniger.       Außenhandel vorstellen: Beim Kopierwerk könnten/           sante Spuren gefunden. Da liegen auch noch schöne             Wie verändert Technologie unsere Lebenswelt?
Angemahnt wird eine Studie zum Filmverleih. Mehrfach         sollten die Beziehungen zwischen den Kameraleuten          Schätze. Ich gebe zu, dass ich keine brauchbare Idee          Eine zeitlose Frage in Das zweite Leben des Friedrich
gefordert: eine umfassende Untersuchung zum Einfluss         und den Kopierwerk-Technikern untersucht werden, z. B.     habe, was damit anzufangen wäre. n
                                                                                                                                                                                      Wilhelm Georg Platow (Siegfried Kühn, 1973)
der Staatssicherheit auf die DEFA-Betriebe; ein vorbe-       die Debatten um Körnigkeiten, Güsse, Temperaturen.
reitendes Gespräch mit dem Bundesbeauftragten für            Dabei sollte es weniger um das ingenieurtechnische
die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes fand statt.     »Innenleben« des Betriebs gehen, sondern vielmehr
   Einige Wünsche werden schon bald in Erfüllung             um dieses Spannungsfeld zwischen Technik (Kopien)          Klaus-Dieter Felsmann                                         potenziale hinsichtlich der Gegenwart gerichtet
gehen: Ein Buch, das zu Beginn des kommenden Jahres          und Ästhetik (die »Handschriften« und Spezialwün-          Filmpublizist und Autor,                                      werden. Wir wissen inzwischen viel über die Produkti-
erscheint, porträtiert mehr als fünfzig Regisseurinnen       sche der Kameraleute). Und beim DEFA-Außenhandel           Leiter der Buckower Mediengespräche                           onsprozesse, die politischen Auseinandersetzungen im
der DEFA und erinnert dabei auch an Pionierinnen                                                                        und Herausgeber ihrer Schriftenreihe                          Rahmen des DDR-Systems und über die künstlerischen
des DEFA-Films, deren Namen selbst Eingeweihten                                                                                                                                       Ansprüche und Absichten der Protagonisten. Nunmehr
heute kaum noch geläufig sein dürften. Publikationen                                                                    Einleitend möchte ich allen Gründern und Mitarbeitern         wäre genauer zu fragen, welchen Gewinn kann ein heu-
                                                                         Kameramann Christian Lehmann auf der
zu Slatan Dudow, Volker Koepp und Günter Rätz sind                                                                      der DEFA-Stiftung für deren bedeutende kulturpoliti-          tiges Publikum aus der Begegnung mit DEFA-Filmen
in Vorbereitung. Und es gibt erste Vorgespräche über                       Preisverleihung der DEFA-Stiftung 2015       sche Idee und deren Umsetzung danken. Es konnte ein           ziehen? Inwiefern stellen die Filme eine wichtige Quelle
einen Band, in dem die Schnittmeisterinnen der DEFA                                                                     wichtiger Teil des kulturellen Erbes gesichert und, was       zeitgeschichtlicher Betrachtung dar? Es ist angesichts
von ihren Erfahrungen berichten.                                                                                        vielleicht noch wichtiger ist, für die öffentliche Rezepti-   von Publikumsgesprächen immer wieder erstaunlich,
   Wir bedanken uns bei allen, die sich die Zeit für diese                                                              on aufgearbeitet werden. Von großer Bedeutung war in          wie die Zuschauer, wenn sie etwas älter sind, in den
Umfrage genommen haben und haben uns natürlich                                                                          vielen Jahren das Stipendienprogramm, mit dem nicht           filmischen Inszenierungen ihr eigenes Leben wieder-
über jeden Jubiläumsgruß gefreut, der die Antworten                                                                     nur die Aufarbeitung der DEFA-Geschichte gefördert            finden. Bankett für Achilles von Roland Gräf erzählt
begleitete. n                                                                                                           wurde, sondern zahlreiche neue Filmprojekte in der            offensichtlich über die Arbeit und die Lebensformen
                                                                                                                        Entwicklung gestärkt werden konnten. Hier ist im bes-         weitaus allgemeingültiger, als allein durch die lokale
                                                                                                                        ten Sinne Kunst der Vergangenheit zum Paten für Kunst         Ansiedlung des Films in Bitterfeld gegeben ist. Das
                                                                                                                        der Gegenwart geworden. Lebendiger kann Erbe nicht            zweite Leben des Friedrich Wilhelm Georg Platow von
                                                                                                                        wirken und von daher wäre zu wünschen, dass solche            Siegfried Kühn erweist sich mit Blick auf die Konflikte,
                                                                                                                        Programme wieder aufgelegt werden können.                     die die technischen Innovationen innerhalb der Arbeits-
                                                                                                                          Innerhalb der Forschung und der damit verbundenen           welt mit sich bringen, als hoch aktuell. Die junge Lehre-
                                                                                                                        Publikationen war der Blick bisher naturgemäß zuerst          rin Karla in Herrmann Zschoches gleichnamigem Film
                                                                                                                        auf Prozesse der Vergangenheit gerichtet. Bald drei-          fasziniert gegenwärtige Schülergenerationen, weil über
                                                             Kameramann Roland Dressel auf der Preisverleihung          ßig Jahre nach dem Ende der DEFA sollte aus                   diese Figur Fragen verhandelt werden, die ihren Alltag
                                                             der DEFA-Stiftung 2017                                     meiner Sicht der Blick stärker auf Rezeptions-                erstaunlich unmittelbar betreffen. Das Spannungs-

                                                             6                                                                                                                        7
Journal der DEFA-Stiftung - Das Journal der DEFA-Stiftung
verhältnis zwischen Kunstanspruch und Publikum, das                                                                       für die die DEFA »ferne Filmgeschichte« ist, bestenfalls
Konrad Wolf in Der nackte Mann auf dem Sportplatz                                                                         eine abgeschlossene filmhistorische Epoche wie das
verhandelt, ist auch 55 Jahre nach Entstehen des Films                                                                    Weimarer Kino oder die französische Nouvelle Vague,
so relevant wie einst.                                                                                                    im schlimmsten Fall die uninteressante Filmproduktion
  Unabhängig vom politischen Systemhintergrund ihrer                                                                      eines untergegangenen Staates. Wie diese neue Gene-
Entstehungszeit stellen sich viele DEFA-Filme allge-                                                                      ration für die DEFA-Filmgeschichte begeistern? Welche
meinmenschlichen Fragen zum Verhältnis zwischen den                                                                       Vermittlungsangebote sind dafür notwendig? Die Un-
Individuen innerhalb von auf stetem Wachstum basie-                                                                       terstützung und Förderung filmpädagogischer
renden modernen Wirtschaftssystemen. Hier sollte                                                                          Projekte sollte der DEFA-Stiftung ein besonderes
die Stiftung künftig stärker anknüpfen und dabei das                                                                      Anliegen sein, nicht nur in den kommenden 20
potentielle Publikum deutlicher in den Fokus öffentlich-                                                                  Jahren ihrer Arbeit. n
keitswirksamer Aktivitäten nehmen. n

                                                           Die DEFA-Stars Marita Böhme und Manfred Krug in                Jeanpaul Goergen
Dr. Ralf Forster                                           Auf der Sonnenseite (Ralf Kirsten, 1961)                       Filmhistoriker, film- und medienwissenschaftlicher
Filmwissenschaftler und Autor                                                                                             Autor sowie Kurator zahlreicher Filmprogramme
zur Filmtechnikgeschichte, stellvertretender
Sammlungsleiter des Filmmuseums Potsdam                                                                                   Ganz allgemein würde ich es begrüßen, wenn die
                                                           schaftliche Forschungseinrichtung zu profilieren. Die          DEFA-Stiftung – soweit es ihre Satzungsziele ermögli-
Die DEFA-Stiftung hat in ihren 20 Jahren eine gute Ar-     Zeit wird hier den Ausschlag in Richtung des zweiten           chen – das gesamte Filmschaffen der DDR in den Blick
beit geleistet, so dass es größere weiße Flecken in der    Aspektes geben, was sicher zu begrüßen ist. Dies ver-          nehmen könnte. Deutlich unterbelichtet erscheinen mir       Die Selbstbestimmung und -behauptung von Kindern
Reflexion des ostdeutschen Filmerbes kaum zu geben         bindet sich mit der Fragestellung, ob nicht Anfang bis         der Filmverleih, insbesondere das tatsächlich vor Ort       ist auch Thema in Das Eismeer ruft (Jörg Foth, 1983)
scheint. Auch durch die Stiftung ist das abgeschlossene    Mitte der 1990er Jahre geschriebene Standardwerke              gezeigte Programm, das in Detailstudien am Beispiel
DEFA-Erbe das weltweit mit am intensivsten beforschte.     (Das zweite Leben ..., Schwarzweiß und Farbe) bald             einzelner Kinos herauszuarbeiten wäre. Auch die Film-
   Natürlich sind der Dokumentarfilm genauso wie der       als historisch gelten und Aussagegehalte überprüft             kritik in der DDR bleibt sowohl in ihrer Breite
Werbe- und Lehrfilm, also die eher peripheren Formate,     werden müssen.                                                 als auch in Einzelbeispielen zu erforschen. Auch            befand. Welche Beziehung hatte die DEFA zu dieser
bisher weniger als der Spielfilm berücksichtigt worden –     Letztens ist es aus meiner Sicht die klare Aufgabe der       scheinen mir Arbeiten über das Land-Kino zu fehlen. n       Institution und welchen Nutzen hat sie daraus gezogen,
was aber in anderen nationalen Kinematographien            DEFA-Stiftung, zu einer geregelten und transparenten                                                                       beziehungsweise welche DEFA-Einzelsujets sind dann im
kaum anders ist.                                           wissenschaftlichen Förderpraxis zurückzukehren, wie dies                                                                   Ausland gelaufen, in fremden Wochenschauen?
   Was fehlt, ist weiterhin eine explizite Wirt-           bis (ich glaube) 2012 der Fall war. Besonders dringlich                                                                       Ein Genre, das ich bisher als in der wissen-
schaftsgeschichte der DEFA, auch eine, die den             erscheint die Wiederaufnahme der Förderung beim Rolf           Karl Griep                                                  schaftlich/theoretischen Auseinandersetzung
Valuta-Betrieb DEFA untersucht. Schließlich gibt           Richter-Stipendium, das ja nur einmal vergeben wurde.          Leiter der Berliner Außenstelle des Bundesfilmarchivs       für unterbewertet halte, sind die Kinderfilme. Ich
es meiner Ansicht nach weiterhin kein Projekt, das das       Ich wünsche der DEFA-Stiftung weiterhin stabile gute         und Mitglied des DEFA-Stiftungsrats                         meine damit weniger die Märchenfilme als vielmehr Fil-
Verhältnis von DEFA und Staatssicherheit aufhellt bzw.     Jahre und noch eine lange Existenz. n                                                                                      me für Kinder und über Kinder. Moritz in der Litfaßsäule
aufklärt.                                                                                                                 Meine Fragezeichen, die ich im Folgenden versuche so        ist dabei ein Beispiel für den Spielfilm, aber es gab außer
   Ebenso sollte das Ziel einer DDR-Gesamtfilmografie                                                                     klar wie möglich zu skizzieren, sind nicht immer nur wis-   den Spielfilmen dokumentarische Arbeiten für und über
nicht aus dem Blick geraten – Volker Petzold und ich                                                                      senschaftlich zu beantworten und ich denke auch, dass       Kinder.
hatten dazu zwischen 2004 und 2014 mit Datenbanken         Jörg Frieß                                                     die DEFA-Stiftung mit den Themen, die ich anreißen             Gibt es eigentlich eine umfassende Arbeit über die
zu drei Produzentengruppen (private Filmhersteller,        Leiter des Zeughauskinos am                                    möchte, kreativ umgehen sollte.                             Kameraleute der DEFA? Dabei denke ich sowohl an
»Globallizenzträger« und Amateurfilm) wichtige Bau-        Deutschen Historischen Museum in Berlin                          Als einen großen Komplex möchte ich die Beziehun-         Spielfilmkameraleute als auch an die Kameraleute der
steine geliefert. Eine solche Filmografie erfordert        und dessen Filmarchiv                                          gen zwischen der DEFA und dem Ausland benennen.             Dokumentaristen.
natürlich methodische Vorüberlegungen, beispiels-                                                                         Dabei scheint es mir, dass die ausländischen Filme im          Die Entwicklung des Farbfilms, seinen bewussten oder
weise, welche TV-Formate dort zu berücksichtigen           Jenseits der kanonischen, klassischen Filme liegt nicht sel-   Verleih der DEFA beziehungsweise von PROGRESS noch          unbewussten Einsatz im Spiel- oder Dokumentarfilm,
sind; eine Kooperation mit dem DRA dürfte kaum ein         ten das populäre Kino. Das Kino der Stars, der Unterhal-       nicht ausreichend ins Auge gefasst worden sind. Insbe-      scheint mir ein weiteres Thema zu sein, das sich lohnen
Problem darstellen. Warum also nicht ein gemeinsames       tung, der leichten Muse. Welche Bedeutung und Funktion         sondere natürlich auch die Arbeit des Synchronstudios       würde. Auch der bewusste Verzicht von Farbmaterial in
Web-Portal von DRA, DEFA-Stiftung und dem Film-            hatte der DEFA-Star im »Arbeiter- und Bauernstaat« DDR?        und damit meine ich nicht nur die »Koproduktionen«, wie     den späteren Jahren könnte ein Thema sein.
museum Potsdam (dort ist inzwischen die Amateur-           Wie harmlos war das Lustspiel? Welches Vergnügen berei-        die mit Frankreich, Kuba oder der UdSSR, sondern auch          Ich weiß, dass Ralf Schenk der 70-mm-Film auch am
film-Datenbank auf 4.700 Titel angewachsen). Ich bin zur   teten Musikfilm, Parodie und Satire? Für das Zeughauskino      zum Beispiel die »USA-Produktionen«, die in der DDR in      Herzen liegt. Aber gibt es eine vernünftige Arbeit über
Mitarbeit an einem solchen Vorhaben gerne bereit.          gehören DEFA-Genrefilme der 1970er- und 1980er-Jahre           synchronisierter Fassung liefen. Mich persönlich inte-      die »DEFA-Produktionen« mit diesem Material?
   Generell befindet sich die DEFA-Stiftung in der nicht   zu den größten Überraschungen seiner Programmarbeit.           ressiert besonders, welche Auslandsbeziehungen der             Schließlich ist mir als politischer Mensch und »Wes-
unkomplizierten Situation, auf der einen Seite »Erinne-    Über sie würden wir gerne mehr erfahren.                       Augenzeuge hatte. Mir ist bewusst, dass es die INNA         si« die Entwicklung der politischen Einflussnahme
rungsinstitution« für ehemalige DEFA-Angehörige zu           Über 25 Jahre sind seit dem Ende der DEFA vergangen.         gab, eine vereinfacht gesagt internationale Tauschbörse     von Seiten der Regierung, SMAD oder verschiedener
sein und auf der anderen Seite sich als seriöse wissen-    Im Kino begegnen wir Zuschauerinnen und Zuschauern,            für Wochenschaueinzelsujets, deren Sitz sich in Brüssel     Regierungsinstitutionen späterer Jahre wichtig. Dabei-

                                                            8                                                                                                                          9
Journal der DEFA-Stiftung - Das Journal der DEFA-Stiftung
wäre zu untersuchen, wie diese Einflussnahme inhalt-                                                                 Veröffentlichungen anderer Herausgeber, die vor
lich und strukturell ausgerichtet war und wie sich das                                                               Stiftungsgründung erschienenen Schriften. Nur mit
im Laufe der Zeit geändert hat. Der zweite politisch/                                                                Hilfe eines solchen Vademekums ist der historische
historische Komplex, der mich interessieren würde, ist                                                               Gang und wissenschaftliche Stand der Editionen zu
die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte,                                                                 bestimmen. Warum ist das wichtig? Neueste Veröf-
der NS-Zeit, Diktatur ganz generell und der Holocaust                                                                fentlichungen in der Presse heben neueste Veröffent-
im Speziellen. Einige dieser Themen sind in einer Reihe                                                              lichungen wie die von Habel und Helmbold als das
von Spielfilmen behandelt worden. Deutlich weniger die                                                               endliche Nonplusultra einer Gesamtdarstellung des
»Weimarer-Zeit« und die »Kaiser-Zeit«. Dabei sollte man                                                              DEFA-Films heraus. Nichts gegen diese Editionen. Ihre
auch den Dokumentarfilm in den Fokus nehmen, der sich                                                                Würdigung ist selbstverständlich, wie es ihre Einord-
in den ersten Jahren der DDR nicht durch DEFA-Produk-                                                                nung in die Entwicklung der DEFA-Geschichtsschrei-
tionen auszeichnete, sondern sich auf ausländische Filme                                                             bung seit 1990 ist. Sonst ist kein Urteilen möglich. Die
in deutscher Fassung beschränkte. Ich meine dies wären                                                               DEFA-Stiftung übt weder Zensur aus, noch führt sie
auch interessante zeithistorische Themen. n                                                                          den Autoren die Feder, noch erteilt sie Noten. Als was
                                                                                                                     und als wer tritt sie gegenüber Autoren, Aufgaben und
                                                                                                                     Aufträgen auf? Als Verbreiter von Angeboten oder als
                                                             Bisher nicht auf DVD veröffentlicht: Der Mann mit
                                                                                                                     Generalist oder als Auftraggeber in Kooperation mit
Dr. Thomas Heimann                                                                                                   anderen Einrichtungen? Was ist, was soll die Schriften-    Bisher wenig im Fokus: Der Regisseur Erich Engel, hier
                                                             dem Ring im Ohr (Joachim Hasler, 1983) über die
Medienhistoriker, Pädagoge und Autor                                                                                 reihe? In welchem Kontext stehen die Texte? Worauf/        bei Dreharbeiten zu Geschwader Fledermaus (1958)
zur Film- und Fernsehgeschichte der DDR                      Geschichte eines Zimmermanns und Opfers der             wogegen beziehen sie sich? Wer nimmt sie zur Kennt-
                                                             Nürnberger Rassengesetze                                nis? Welches ist die Strategie in der Sache und in der
Ich meine, dass doch dem Bestand an populärwissen-                                                                   Werbung? Woran wird sie erkennbar?
schaftlichen Themen mehr Aufmerksamkeit gewidmet                                                                     Babelsberger Dramaturgien: DEFA-Film ist – wie             wenig Gebrauch davon gemacht wurde. Vielleicht ist
werden sollte. Denn Gerhard Knopfe schätzte in sei-                                                                  osteuropäischer/sowjetischer Film – nicht mit angel-       aber auch mehr zu finden und also beispielhaft. Wenn
nem »Kalendarium« jeweils tausend Kurzfilme für den          zum Thema Beginn des Zweiten Weltkrieges her-           sächsischem Vokabular zu fassen und zu erfassen. Mit       man denn sucht.
Kinoeinsatz und weitere tausend für das Fernsehen.           vorzuheben (mit DVD-Editionen, Einzeldarstellungen,     anderen Worten: die »Ostachse« ist neu zu vermes-          Neuer deutscher Film: Hier hat sich die DEFA zwei-
Liegt eine vollständige Erschließung mittlerweile vor?       Filmreihen), sowohl Spielfilme als auch Dokumentar-     sen und thematisieren. Das wendet den Slogan von           mal den Schneid abkaufen lassen. Das erste Mal in
Neben der Verwertung dieses Stocks scheint mir die           filme; eine Edition mit Regiearbeiten etwa von Konrad   den »Ulmer Dramaturgien« auf DEFA an. Was ist, von         Bezug auf die frühen Jahre, als neuer deutscher Film
zunehmende Bedeutung der produzierenden DEFA­                Wolf, Heiner Carow, Ralf Kirsten, Joachim Kunert,       Klaren, v. Gordon, Steinhauer bis Jürschik, darunter       tatsächlich bei der DEFA lag. Das zweite Mal in der ers-
Studios (für Kurzfilm, populärwissenschaftlicher Film,       Janos Veiczi oder ...                                   zu verstehen? Was hat künstlerisch getragen, was war       ten Hälfte der sechziger Jahre. Das hielt zwar keinen
für Dokumentarfilm) als auftragsausführende Einrich-            Eigenes Interesse: Neben meiner jetzigen Beschäf-    Irrweg, was aktuell bis heute?                             Vergleich mit den vergleichbaren Auf- und Ausbruchs-
tungen für die publizistischen Redaktionen und Berei-        tigung mit Filmen der DEFA und des Fernsehens, die         Damit kommt man auf Zusammenhang und Differenz          filmen in SU, Polen, ČSSR stand, war aber vom Vorgang
che des Fernsehens noch zu wenig untersucht zu sein.         sich auf die polnische Nachbargesellschaft beziehen,    von DEFA und Ufa. Es bringt nichts, die Aneigung der       her vergleichbar und nachzuzeichnen, weil es neu und
Wäre hier ein Zeitzeugenprojekt noch sinnvoll?               interessiere ich mich für die Auseinandersetzung der    Ufa in der DEFA und ihr Weiterwirken in Rechnung zu        wichtig dort wie hier für die Gesellschaft und hier wie
An DVD-Editionen finde ich insbesondere die beiden           DEFA und des Fernsehens mit dem Bürgerkrieg in          stellen. Die Ufa hat nicht nur auf dem Babelsberger        dort ästhetisch neu war. Von West bis Ost und Nord
Ausgaben mit Verbotsfilmen der DEFA gelungen,                Spanien 1936–1939.                                      Gelände, sondern auch in den Babelsberger Gewer-           bis Süd waren die Gesellschaften in Bewegung gera-
auch hinsichtlich ihrer Ausstattung mit ergänzendem             Viele Grüße und meine besten Wünsche                 ken gewirkt. Erst die Auflösung des Gesamtbetriebes        ten. Eine Kopernikanische Wende eben. Die Konzent-
Begleitmaterial. In diesem Zusammenhang möchte ich           zum Jubiläum! n                                         nach der Wende, also das Ende der DEFA, war auch           ration auf das Jahr 1965 (Plenum) hat diesen geschicht-
auch den Band »Verbotene Utopie. Die SED, die DEFA                                                                   das endgültige Ende der Ufa. Die Gemengelage um            lichen Vorgang eher verdeckt als aufgedeckt und das
und das 11. Plenum« herausheben.                                                                                     neuen, fortschrittlichen deutschen Film ist nicht mit      Jahr 1968 als Bezugsjahr von Ost und West hat das nur
  An filmübergreifenden Schwerpunkten scheint es                                                                     Verweis auf Namen- und Titelregister zu fassen. Was        äußerlich festgezurrt. Für den Selbstwert in der Sache
mir reizvoll, nochmals die Zeit der siebziger Jahre unter    Dr. Günter Jordan                                       war/ist der Fortschritt?                                   und das Selbstwertgefühl/-bewusstsein der Filme-
Gesichtspunkten eines filmischen Modernismus mit Blick       Dokumentarfilmregisseur, Publizist                         Kunst und Denken können Verbündete, ja Geschwis-        macher: Das geschah in der DDR und bei der DEFA
auf internationale Tendenzen in Ost und West zu be-          und Autor zur Film- und Fernsehgeschichte               ter sein. Das diesjährige Marx-Jubiläum lenkt noch         geschichtlich-gesellschaftlich und filmisch 5–7 Jahre
trachten, wie auch hinsichtlich einer kontrastiven Anglei-                                                           einmal den Blick auf Eisenstein und seine geplante         früher als die Ausrufung des »Neuen Deutschen Films«
chung/Auseinandersetzung mit dem Fernsehformat.              Beispielhaft für mich in Thema, Inhalt, Struktur und    Kapital-Verfilmung. Ja das! Bei alldem, was danach         im Westen. Zu den soziologisch relevanten Aspekten,
  Sicherlich sollte mit Erscheinen des Bandes »Bilder        Sprache der Schriftenreihe sind Bergmann und Golde      kommt, wird es wieder kleinlaut. Nur einem einzigen        auch in der Differenzierung im Osten, hat Engler in
des Jahrhunderts« 2015 weiter die Arbeit des Staatli-        bei den Erinnerungen, SFA und Elke Schieber bei den     Mann wird es als Verdienst zugestanden, Marxist            »Die Ostdeutschen« Wesentliches gesagt, was von
chen Filmarchivs und seine Bedeutung für Filmproduk-         Dokumentationen, Badel und Hammerthaler bei den         unter den Regisseuren zu sein: Erich Engel. Immerhin.      den Filmhistorikern nicht aufgegriffen worden ist.
tion und Fernsehpublizistik erforscht werden wie auch        Erkundungen. Stil ist eben doch alles.                  Vielleicht ist die Nachfrage erlaubt, worum es sich        Soziologie und Film I – Arbeit: Eine große Arbeit
seine kulturelle Arbeit etwa über die »camera« oder          Schriftenreihe: Das Wichtigste ist die Herausgabe       dabei überhaupt handelt. Vielleicht kann das mal           über Arbeit, Arbeiter, Arbeiterklasse, arbeiterliche Ge-
die Beteiligung an Dokfilmfestivals.                         eines Vademekums, also einer Quellendokumentation       ausgetestet werden. Vielleicht hat das Gebrauchswert.      sellschaft (Engler) im DDR-Film. Welche Beobachtun-
  Mit Blick auf das Jahr 2019 plädiere ich sehr              über die neuere Literatur zur DEFA, also die Bücher     Vielleicht kann die DEFA als abschreckendes Beispiel       gen soziologischer (ökonomischer, ideeller) Art geben
dafür, Möglichkeiten zu überprüfen, DEFA-Filme               der Schriftenreihe, die zur Schriftenreihe gehörigen    dienen, gerade weil im Hochland des Marxismus so-          DEFA-Filme her? Bestandsaufnahme und als Botschaft

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Journal der DEFA-Stiftung - Das Journal der DEFA-Stiftung
in die Zukunft. Ich habe das Meinige dazu gesagt. Eine     Diskussionen im Künstlerischen Rat des Spielfilmstu-        Im Grunde habe ich die Hoffnung, den DEFA-Film
Fortsetzung und Vertiefung sollte folgen.                  dios. »Russenfirma« vs. Wirklichkeit.                     als dem deutschen Film, also deutscher Filmgeschich-
Koepp-These und Filmwirklichkeit: »Wir waren in            Firmengeschichte: DEFA-Filmverleih/Progress,              te und deutscher Filmkultur zugehörig auszupreisen,
jedem Ort, jeder Gegend, jedem Betrieb«: Was hat es        DEFA-Außenhandel, DEFA-Synchronstudio. Filmtech-          aufgegeben. Praktische und publizistische Bemü-
gebracht, was davon ist wie in den Filmen zu sehen?        nik, Kopierwerke. (Rohfilm = Schriftenreihe des Film-     hungen der DEFA-Stiftung ändern daran nichts. Das
Was folgt daraus für das Wissen der Filmemacher um         museums Wolfen)                                           heißt nicht, sie aufzugeben, es heißt nur, keine großen
Wirklichkeit und Arbeiter-Wirklichkeit?                    Film und Ökonomie: Immer noch unklar, wie das im          Erwartungen in sie zu setzen. n
Soziologie und Film II – Realismus: Sozialistischer        Kleinen wie im Großen funktioniert hat.
Film vs. realsozialistischer Film, kämpferischer (Ivens:   Geschichte der Gattungen: Industriefilm, Wissen-
militanter) Film, »Staatsfilm« vs. Eigensinn. Forschende   schaftsfilm. Wochenschau habe ich angeschoben,
Haltung als »conditio sine qua non für sozialistischen     Tiefenstudien müssten folgen. Standards setzen: Refe-     Prof. Dr. Rudolf Jürschik
Realismus« (Wischnewski). Mithin geht es um den Bei-       renzfilme DEFA, Referenzfilme Ausland. Dokumentar-        Wissenschaftler und Autor zur Ästhetik,
trag des DDR-Films zu Grundfragen des (deutschen)          film: War in den 80er/90er-Jahren Jürgen Böttcher der     Kultur- und Filmtheorie, ehm. DEFA-Chefdramaturg
Films.                                                     vielbeschriebene Mann des DEFA-Dokumentarfilms,
Soziologie und Film III – Gesellschaft: Die Nachre-        so wurde es danach bis heute Koepp, an dem keine          (1) – Filme, Programme, Werke?
den auf die DDR zeigen an, dass die Forschung den          Jahresarbeit zum DDR-Film vorbeisieht, sekundiert al-     Mir scheint, es mangelt (gerade heutzutage!) an einer
Platz der DDR in der Geschichte noch nicht vermessen       lenfalls von Winfried Junge, Andreas Voigt, Gerd Kro-     tiefgründigen filmwissenschaftlichen Arbeit zu Wolf-
hat: Delegitimation vs. Erkenntnis. »Die DDR als Chan-     ske. Selbst Kurt Tetzlaff oder Karlheinz Mund finden      gang Staudtes Rotation. Zur jeweils gegenwärtigen po-
ce« (Berlin 2016): Wenn die Zeithistoriker dieses heiße    nicht statt, ganz zu schweigen von all den anderen.       litisch-geistig-mentalen Dimension der DEFA-Beiträge
Eisen anpacken, sollten Filmemacher und Filmhistori-       Wer kennt noch Armin Georgi oder Eduard Schreiber,        zur Geschichtsbild-Vermittlung, wofür das »am Men-
ker nicht abwarten, was dabei herauskommt, sondern         Klaus Alde oder Ernst Cantzler, Peter Rocha oder Do-      schen erzählen« (Goethe zur Kunst) von besonderer
selber rangehen. Ein beachtlicher Teil von Filmleuten      nat Schober, Roland Steiner oder Ted Tetzke, an denen     Bedeutung ist, kann nicht genug getan werden. Auch
hat sich nicht wegen Karriere (in- und außerhalb der       gleichfalls Meriten des DDR-Dokumentarfilms festge-       in Rückblicken! Was umso deutlicher hervortritt, wenn
SED) für die neue Gesellschaft und den Sozialismus         macht werden können? Dieser Film war thematisch wie       das filmgeschichtlich-faktische Denken überschritten,
engagiert, sondern aus Gründen. Was ging davon und         personell breiter aufgestellt, als es die Überlieferung   von auch zeitlich übergreifenden geistig-politischen
wie in Filme ein? Was trägt bis heute und also auch für    glauben macht. Woraus bezieht der (x-beliebige) Do-       Zusammenhängen – mithin »vom Ganzen gedacht« –
morgen? Die Antwort darauf ist erheblich.                  kumentarfilm Lebenskraft, Anziehung, Hineinnahme,         ausgegangen wird. So zwingt uns die Gegenwart, dif-
  Nachdem wir uns am »Staatssozialismus« abgearbei-        Interesse für seinen Gegenstand? Wodurch zeichnen         ferenzierter auch zurückzuschauen und neu zu werten!
tet haben, sollten wir wieder zur Hauptsache zurück-       sich diese Filme aus? Woran werden dokumentarische        Rotation wäre m. E. ein lohnendes Beispiel.
kehren. Wir waren uns des Staatsauftrags bewusst und       Qualität und filmische Qualität festgemacht? Und zwar     (2) – Persönlichkeiten?
                                                                                                                                                                               Wie wurden »kleine Leute« zu Mitläufern?
haben daran gearbeitet, ihn umzufunktionieren zum          nicht als Diktum, sondern im Ergebnis einer Begeg-        Zusammenfassend ist da aus meiner Sicht die
eigenen Auftrag. Das waren zwei unterschiedliche           nung? Was erfahre ich und wie/wodurch erfahre ich es?     genre-betonte künstlerische Arbeit für den                Rotation (Wolfgang Staudte, 1949) ist bis heute ein
Sozialismen. Das konnte nicht funktionieren und gut-       Übernahmen/Nachdrucke: »Erprobung eines Gen-              Kino-Film zu bedenken. Da ist zunächst, aber              wichtiges Zeitzeugnis zur deutschen Geschichte
gehen, nicht für den Staat, nicht für die Gesellschaft,    res« (Remscheid 1994) – ?; Vielleicht doch noch: Walter   nicht allein, die Komödie, genauer: das Komi-
nicht für uns. Aber Spuren dieses Traums und dieser        Beck, Dieter Wolf – ?; Dorothea Becker, »Zwischen         sche (denn zu Komödien im klassischen Sinne
Arbeit daran lassen sich in den Filmen finden und also     Ideologie und Autonomie« (Münster 1999) – ?               hat es ja kaum gereicht) zu benennen. Deshalb
beanspruchen. Das wäre der Mühe einer Preisfrage           Film als siebente Muse: Das ist nicht nur Bezie-          an Namen orientiert: Roland Oehme, Joachim Hasler,        liche« im DEFA-Film zu sinnieren, was sicherlich auch
wert.                                                      hungsdrama mit anderen Musen, sondern praktisches         Gottfried Kolditz. Von den späteren, jüngeren Regis-      die entsprechenden Filme für Kinder einbeziehen
Geschichte des Kinos/Soziologie des Kinos: Ohne            Arbeitsfeld für Filmarbeiter mit Jürgen Böttcher als      seuren hätte wohl Jörg Foth einen vertrackt-wohltuen-     sollte.
Film kein Kino. Ebenso wahr, nur mit anderen               paradigmatischem Fall. Joop Huisken hat sich auch         den Sinn dafür möglicherweise entfalten können – an       (3) – filmübergreifende Schwerpunkte?
Antworten: Ohne Kino kein Film. Kino DDR:                  als Grafiker und Maler verstanden, desgleichen Heinz      Letztes aus der Da Da eR sei erinnert – wenn …            Die Spannweite des in der bisherigen Publizistik zur
Wer erbarmt sich seiner? Filmtheater (Namen,               Richter und Helga Porsch. Die DEFA-Stiftung sollte        Mit Zünd an, es kommt die Feuerwehr war Rainer            DEFA-Geschichte Bedachte wird – auch das soll aus-
Orte, Struktur). Berlin: Ost-West-Kinos. Diskussionen      sich als Schutzraum für deren (und all der anderen)       Simon da ein »Vorreiter«. Auch Günter Reisch träte in     drücklich gesagt sein – aus vielen guten Gründen in
ums Kino. Besucher-Statistiken. Kostenfrage und -falle:    Werke verstehen und im Gefolge, Format und Umfang         seinen Versuchen, das Genre in zeitgemäßen Fas-           ihrer fundierenden Funktion erfasst. Sie ist beach-
Der Eintrittspreis trägt das Kino nicht. Wer und was       von Roland Gräfs Fotobuch Einblick in diese Parallel-     sungen zu erkunden auch mit Weiterungen hin zum           tenswert. Weiterungen würden ein schwieriges Feld
trägt das Kino?                                            welt verschaffen.                                         »Musik-Film« durchaus aufschlussreich noch mal ins        eröffnen – durchaus mit auch sozial aufschlussreichen
Literatur und Film: Historisch-ästhetische Bilanz der      Marginalien: Freche Literatur, die auf DEFA mit un-       Blickfeld. Krimi als Genre war mit dem Fernsehen für      Einsichten. Da wäre m. E. einmal etwas grundsätzlicher
Verfilmung kleiner und großer Werke. Literaten über        gewöhnlichen Perspektiven aufmerksam aufmacht.            den Kinospielfilm der DEFA schon passé. Aber Affaire      über das latente Bezugsgefühl zwischen dem Doku-
Film.                                                      Wie Strascheks »Handbuch wider das Kino« (Frankfurt       Blum verdiente schon eine Rückbesinnung gerade            mentarfilm und dem Spielfilm der DEFA nachzudenken.
Monografie – Rolf Liebmann: Dringend. Schlüs-              1975). Oder Alexander Kluges »Bestandsaufnahme:           wegen seiner aktuellen politischen Zeitbezüglichkeit.     War der Dokumentarfilm in seinen prägenden Werken –
selfigur. Ich kann es nicht machen, würde mich aber        Utopie Film« (Frankfurt 1983). Oder »Augenzeugen.         Im Zusammenhang mit einer Fragestellung nach der          gewissermaßen gattungsgemäß – dem Zeitbild, d. h.
beteiligen.                                                100 Texte neuer deutscher Filmemacher« (Frankfurt         Bereitschaft zu vielfältigen Genre-Versuchen wären        aktuellen sozialpolitischen Empfindungen näher, so war
Dokumentationen: Unbekannte Zeitgeschichte: Die            1988). Warum kriegen wir das nicht hin? Beispiel für      Konrad Petzolds Filme zu reflektieren. Seine Intentio-    doch der Spielfilm in seinen prägenden Werken – dank
Regisseur-Diskussion 1952. Die KAG-Diskussion. Die         »geht doch«: Helmbolds Plakatbuch.                        nen bieten m. E. Möglichkeiten, über das »Abenteuer-      der kommunikationsfreudigeren erzählten Geschichten

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Journal der DEFA-Stiftung - Das Journal der DEFA-Stiftung
mit Anfang, Konflikt und Ende – den dominierenden           »sozialistischen Staatengemeinschaft«.                                                                                    Wolfgang Klaue
Erwartungen des Publikums näher. Da steckt in den              Abschließend ein Gedanke (Wunsch), den ich nicht                                                                       Filmarchivar, ehm. Direktor des Staatlichen
Intentionen beider Gattungen mehr Gemeinsames –             verdrängen kann, auch wenn ich noch keinen Ansatz                                                                         Filmarchivs der DDR, Mitbegründer der
auf soziologisch-sozial-psychologische Erkundungen          sehe, wie zielführend mit der übergreifenden Frage um-                                                                    DEFA-Stiftung und bis 2003 ihr Vorstand
Zielendes! – als m. E. bisher erhellt worden ist.           zugehen wäre. Zum Standard ist die Formulierung vom
(4) – bisherige Veröffentlichungen?                         »DEFA-Film als abgeschlossenes Kapitel der deutschen                                                                      In der Zeit nach der Wende ist mehr über die DEFA
Die Frage verleitet zu Hervorhebungen. Dem sei aber         Filmgeschichte« geworden. Es ist doch aber so augen-                                                                      und das Filmwesen in der DDR geforscht und publiziert
vorangestellt, dass den Publikationen und DVD-Editio-       fällig wie nur was: die Gleichzeitigkeit verschiedener                                                                    worden als in vier Jahrzehnten DDR. Das ist ein großes
nen im Ganzen, im Grundsatz hinsichtlich des Verhält-       Filmentwicklungen in den beiden deutschen Staaten ist                                                                     Verdienst der DEFA-Stiftung, aber nicht nur. Trotz aller
nisses zum nationalen Filmerbe angesichts vielfacher        im internationalen Vergleich eine gravierende Beson-                                                                      Bemühungen gibt’s – wie Sie selbst feststellen – noch
(politisch-gewollter) Nivellierungen des Teils, dem sich    derheit nationalkultureller Prozesse. Eine aufschluss-                                                                    »weiße Flecken«. Dazu zählen für mich: die Tätigkeit des
die DEFA-Stiftung verpflichtet sieht, eben eine beson-      reich ergründende vergleichende Betrachtung steht                                                                         Synchronstudios, die Rolle der Gruppe 67, Progress und
dere Bedeutung zukommt. Was nun die Wichtung der            (nach meinem Überblick) noch aus. Was einem vor allem                                                                     das Lichtspielwesen, der Außenhandel, die technische Ba-
Kontinuität der Arbeit der Wahrung des gesamten na-         dämmert, wenn man nach dem Film als Spiegel zweier                                                                        sis der Studios, Filmbetriebe und Kinos, die Auswirkungen
tionalen Filmerbes zukommt, kann m. E. die Arbeit des       sehr unterschiedlicher Sozialisationen in ihrer Wider-                                                                    des 11. Plenums auf das gesamte Filmwesen – nicht nur auf
Staatlichen Filmarchivs der DDR gar nicht überschätzt       sprüchlichkeit und doch gemeinsamen Verwurzelung                                                                          das Spielfilmstudio und das Funktionieren des gesamten
werden. Also: Bilder des Jahrhunderts.                      fragt. Die Verlaufsformen der Sozialisationsprozesse                                                                      Systems, vom ZK über HV Film, Studios und Betriebe bis
   Da wie bezüglich keiner anderen Kunstgattung (die        im Deutschland nach 1945 sind doch unbestreitbar ein                                                                      zum Frauensonderlehrgang für Filmprüferinnen.
Architektur sei davon ausgenommen) der künstlerische        Phänomen, das nicht zuletzt seinen Niederschlag in den                                                                       Es ist ja nicht Ignoranz, daß es »weiße Flecken« gibt.
Arbeitsprozess von den jeweiligen komplexen Bedin-          Filmentwicklungen fand. Der geistig-künstlerischen                                                                        Das hat Ursachen, die z. T. bis in die DDR-Zeit zurückrei-
gungen der Produktion (Arbeitsweise von der Idee bis        Selbstverständigung des Seins der Menschen in den                                                                         chen: das Spielfilmstudio ausgenommen, hat kein Film-
zur Rezeption) nicht zu trennen ist, sind die Erhellungen   Zeitverläufen, ihrem verinnerlichtem Selbstverständ-                                                                      betrieb ein ordentliches, den gesetzlichen Bestimmun-
über die Reflexion seines Arbeitslebens für die DEFA        nis, wäre in diesem »Spiegel« auf die Spur zu kommen.                                                                     gen entsprechendes Archiv geführt (das war jedenfalls
von Gert Golde weit über seine Person hinaus bedeut-        Wie dominante »Gang- und Gäbedenkformen« (Marx)                                                                           die Meinung der Staatlichen Archivverwaltung der DDR);
                                                                                                                              Damals in der politischen und öffentlichen Kritik:
sam.                                                        aufscheinen, das könnte ein Ansatz sein. Gilt doch noch                                                                   in der Wendezeit ist z. T. planmäßig Archivgut vernichtet
   Was die Reflexion der DEFA-Produktion von Filmen         immer René Königs Diktum vom »Film als erste Form            Der Frühling braucht Zeit (Günter Stahnke, 1965) mit         worden oder durch Frust und Gleichgültigkeit verloren
für Kinder betrifft, bleibt das Bild bisher dominierend     der Verfestigung freischwebender Emotionen«, die uns                   seinem zeitgenössischen Problembewusstsein         gegangen; und noch immer ist nicht die gesamte Hinter-
auf einzelne Werke und Regisseure bezogen. Da gibt es       leiten. Das Ganze könnte spannend sein – denke ich.                                                                       lassenschaft der Filmbetriebe im Bundesarchiv und an
viel Gutes zu lesen und vor allem zu sehen. Die vor und     P.S.: Mir ist seit Jahren durch kontinuierlich begleitende                                                                anderen Stellen aufgearbeitet und benutzbar.
mit der Entwicklung dieser Produktion sich vollziehende     Lektüre die so umfassende wie differenzierte, Zusam-                                                                         Schon in den vergangenen Jahren hat die
Verständigung – in sehr widersprüchlichem Verhältnis        menhänge übergreifender Art erschließende Arbeit             tiere, dieser schönen satirischen Kurzfilme, die völlig zu   DEFA-Stiftung die Ordnung und Erschließung
von pädagogisch-politischen und ästhetisch-künstle-         von Walter Beck zur Historie des DEFA-Spielfilms für         Unrecht dem Vergessen anheimzufallen drohen.                 des noch vorhandenen Archivguts unterstützt.
rischen Ansichten – ist noch unzureichend gedanklich        Kinder bekannt. Dieses vielhundertseitige Material mit       (2) – Persönlichkeiten?                                      Es wäre hilfreich, wenn diese Unterstützung
durchdrungen. Das gilt auch für die studiointerne Ver-      allen erreichbaren Quellen zur Werkgeschichte, damit         Nun ja, auch hier wird eigentlich an alles gedacht. Das      fortgesetzt werden könnte.
ständigung und entsprechende Wertschätzung ihrer            verbundene Verständigung über kulturgeschichtli-             Problem liegt meines Erachtens nicht bei der DEFA-Stif-         Für die weitere Forschungsarbeit wäre es sicher eine
künstlerischen Leistungen.                                  che Zusammenhänge, ist einmalig. M. E. gibt es eine          tung, sondern an einer oftmals viel zu desinteressierten     große Hilfe, wenn von der Stiftung eine Dokumentation
Die DEFA-Märchen-Adaptionen können – man möchte             Verpflichtung der DEFA-Stiftung, dafür zu sorgen, dass       Öffentlichkeit.                                              »Quellen zur Geschichte der DEFA und des Filmwesens
sagen – als »märchenhaft« bezeichnet werden. Hinsicht-      dieses Material einschlägigen wissenschaftlichen Ein-        (3) – filmübergreifende Schwerpunkte?                        der DDR« erarbeitet werden könnte: Wo ist welches
lich der mit der Produktion der Märchenfilme verbun-        richtungen zur Verfügung stehen kann. n                      Wenn überhaupt, dann eine stärkere Berück-                   Schriftgut überliefert? Ist es erschlossen? Ist es benutzbar?
denen konzeptionellen Verständigung – auch über ihre                                                                     sichtigung der Fragestellung, dass Film in der                  Dabei geht es nicht nur um das Bundesarchiv, son-
zeitbedingte Wirkung – ist wissenschaftlich noch einiges                                                                 DDR etwas wollte, das sich mit der Zielperspek-              dern auch um Archive auf regionaler, lokaler Ebene.
aufzuarbeiten (siehe dazu die Anmerkungen im P. S.).                                                                     tive der Schaffung einer menschlichen Gesell-                Das Lichtspielwesen war territorial organisiert (wer ahnt
(5) – derzeitige Interessen?                                Dr. Detlef Kannapin                                          schaft umschreiben lässt.                                    schon, daß im Landesarchiv Berlin ein paar Akten der
Vielem des zum »DEFA-Thema« Vorliegenden ist in             Wissenschaftlicher Autor zur Filmgeschichte,                 (4) – bisherige Veröffentlichungen?                          Parteiorganisation des DEFA-Kopierwerks liegen?). Was
Ansätzen etwas immanent, das über die DEFA – genau-         Ästhetik, Philosophie und Politik,                           Eine besondere Bedeutung gibt es hier nicht. Alle Pub-       gibt’s an Dokumenten zum Film- und Lichtspielwesen
er: über die DDR und ihre Geschichte – hinausweist,         Kurator von Filmprogrammen                                   likationen und Editionen sind gleichberechtigt, weil sie     in der Sowjetischen Besatzungszone in den Unterlagen
offene Fragen erkennen lässt. Zum Beispiel bezüglich                                                                     zum Filmerbe gehören. Der dokumentarische Aspekt             der Sowjetischen Militäradministration? Wo liegen
der Koproduktionen. Das ist nicht statistisch-organisa-     Liebe DEFA-Stiftung, dass es nun schon wieder zwanzig        ist nicht hoch genug einzuschätzen, um späteren Gene-        Nachlässe von Filmschaffenden? Grad der Erschlie-
torisch oder finanzpolitisch gemeint; es bezieht sich auf   Jahre her ist ... unglaublich.                               rationen ein Bild vom Sozialismus zu zeigen – für zukünf-    ßung? Möglichkeiten der Benutzung? Wo befinden sich
Fragen der geistig-konzeptionellen Struktur und Wer-                                                                     tige Alternativen und zur Vermeidung von Fehlern.            Ton- und Videoaufnahmen von Zeitzeugengesprächen?
tigkeit der Resultate und ihre Wirksamkeit. Da wird man     (1) – Filme, Programme, Werke?                               (5) – derzeitige Interessen?                                 Welche Rundfunk- und Fernsehsendungen zur DEFA
auf unausgetragene Widersprüche stoßen, vor allem           Im Grunde werden die Genres und Programme der                Zurzeit interessiert mich der Gegenwartsfilm der             und zum Filmwesen in der DDR hat es gegeben?
in unterschiedlichen Akzentsetzungen hinsichtlich der       DEFA gut und gleich behandelt. Mir persönlich fehlt          1960er-Jahre mit seiner Konzentration auf die Schaffung         Und wenn man sich beim Zusammentragen dieser
Geschichtsbilder in den koproduzierenden Ländern der        höchstens die stärkere Beachtung der DEFA-Stachel-           einer sozialistischen Lebensweise. n                         Fakten noch nicht völlig verausgabt hat, könnte noch

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eine Bibliografie ergänzt werden. Es bietet sich an, eine                                                               Verzweiflung bis in die Familien hinein aufzeigt. Auch       chungen sein jenseits der wenigen Leuchttürme,
solche Quellensammlung wegen der leichteren Ergänz-                                                                     Jochen Kraußer – auf ihn wäre ich mal neugierig, habe        die schon Bücher oder Ausstellungen ausgelöst
barkeit nur im Internet einzustellen. n                                                                                 ich immer nur viel gehört. Er ist ja einer der wenigen,      haben.
                                                                                                                        der Erzählexperimente gewagt hat.                            (3) – filmübergreifende Schwerpunkte?
                                                                                                                        Eine Box zum Thema Ministerium für Staatsicherheit,          Hängt mit 1 und 2 zusammen. Vielleicht könnte man
                                                                                                                        am besten in Zusammenarbeit mit der Bundeszentrale           nicht nur unter thematischen, sondern auch unter ästhe-
Cornelia Klauß                                                                                                          für politische Bildung, wo es um differenzierte Betrach-     tischen filmübergreifenden Themen interessante Kom-
Filmwissenschaftlerin und Autorin                                                                                       tungen gehen sollte: Tangospieler + Verriegelte Zeit +       binationen zusammen bringen. Auch Genres könnten
von Dokumentarfilmen, Kuratorin von                                                                                     Schwarzer Kasten (beide letzteren Filme sind formal ja       Themen sein, die Filmprogramme ergeben.
Filmprogrammen u. a. an der Berliner Akademie                                                                           auch sehr besonders!) + Stasischulungsfilme.                 (4) – bisherige Veröffentlichungen?
der Künste in der Sektion Film- und Medienkunst                                                                         (4) – bisherige Veröffentlichungen?                          Joris Ivens war überfällig, die Detailgenauigkeit hat
                                                                                                                        Für mich sehr hilfreiche Bücher sind »Strategien der         mich aber fast erschreckt. Beeindruckend, aber schwer
Ich denke, es war richtig, die verbotenen Filme von                                                                     Verweigerung« und »Cui bono, Fred Gehler?«                   zu lesen. Sehr interessant finde ich das Buch mit Golde,
64/65 noch einmal so herauszuheben, weil deren Sich-                                                                    (5) – derzeitige Interessen?                                 so etwas könnte öfter kommen, directly from the horses
tung gezeigt hat, welche Potentiale, Stile und Hand-                                                                    Mich interessiert immer, was Regisseure bewegt, warum        mouth!
schriften möglich gewesen wären. Was da abgebro-                                                                        und wie sie Filme machen, aus welchem Ethos heraus,          (5) – derzeitige Interessen?
chen ist. Richtig finde ich auch, ein großes Augenmerk                                                                  aus welchen autobiografischen Momenten sie schöp-            Schön wäre, wenn dem Kurzfilm mehr Aufmerksamkeit
auf die Herausbringung von DVD-Boxen zu legen. Das                                                                      fen, wie sich das Filmemachen zwischen Ost und West          geschenkt würde. Bei den Vorführungen im Arsenal
ist nun mal das wichtige Verbreitungsmittel und immer                                                                   unterscheidet. Daran läßt sich ja viel ablesen. Das was in   und anderswo wäre es schön, mit den Filmen jeweils
Gelegenheit, mit einem ordentlichen Booklet was zu                                                                      den Zeitzeugengesprächen ja schon größtenteils doku-         einen passenden »Vorfilm« zu zeigen. n
begleiten und neu zu kontextualisieren. Kooperationen                                                                   mentiert ist, kann auch gerne noch ein Buch werden. Da
wie mit dem Filmmuseum München garantieren, dass                                                                        könnte die jüngere Generation, die mehr Erfahrungen
die Editionen in einem guten Umfeld erscheinen und                                                                      und Vergleichsmöglichkeiten im Westen erfahren haben,
von Kuratoren und Kinomachern wahrgenommen wer-                                                                         mal mehr in den Vordergrund gestellt werden: Peter           Dr. Andreas Kötzing
den. Apropos Kino: Gerade haben wir Verwandlungen                                                                       Kahane, Thomas Knauf (erzählen kann er), Karl-Heinz          Kulturwissenschaftler und Autor zur
                                                            Annekathrin Bürger und Armin Mueller-Stahl
von Jürgen Böttcher in der AdK gezeigt. Eine tolle Res-                                                                 Lotz. Und nur, weil ich den »großen Erzähler« Jürgen         Film- und Mediengeschichte
taurierung. Aber: Es handelt sich ja um ein Triptychon,     in Frank Beyers antifaschistischem Drama                    Böttcher gerade erlebt habe. Sollte man nicht ein Buch
wo die einzelnen Teile zwingend zusammengehören.            Königskinder (Frank Beyer, 1962)                            über ihn erwägen? Er ist ja bald eine Jahrhundertfigur. n    (1) – Filme, Programme, Werke?
Bei der Digitalisierung aber wurde jeder Teil einzeln                                                                                                                                Grundsätzlich erscheint mir der DEFA-Filmstock gut
abgeschlossen, durch Einblendung des Logos unter-                                                                                                                                    erforscht, zumindest im direkten Vergleich zur Bundes-
brochen. Das hat den Genuß des Films arg beschädigt.                                                                                                                                 republik, da gibt es doch deutlich größere Lücken in der
Kann man das nochmal korrigieren?                           me verwandeln sich in Dokumente einer anderen Zeit.         Prof. Martin Koerber                                         Filmgeschichte. Aber auch für die DEFA gibt es noch di-
(1–3) – Filme, Programme, Werke, Persönlich-                So läßt sich z. B. Regionalgeschichte erzählen (siehe die   Leiter der Abteilung Film der Stiftung Deutsche              verse »weiße Flecken«, vor allem jenseits der »großen Na-
keiten, filmübergreifende Schwerpunkte?                     Prenzlauer Berginale – würde ich übrigens auch mal für      Kinemathek, Filmregisseur und Wissenschaftler zur            men« und abseits des Spielfilms, der ja wesentlich mehr
Egon Günther, Frank Beyer, Konrad Wolf, Lothar Warne-       einen Preis vorschlagen). In solchen Bezugssystemen         Restaurierung von Foto, Film und Datenträgern                Aufmerksamkeit gefunden hat als z. B. die animierten,
cke, in Teilen Herrman Zschoche, Heiner Carow, Rainer       erlebe ich großes Interesse.                                                                                             dokumentarischen oder populärwissenschaftlichen Filme
Simon müssen, wo immer es um »deutsche« Filmge-               Weiße Flecken sehe ich vor allem im Doku-                 (1) – Filme, Programme, Werke?                               der DEFA. Im Dokumentarfilmbereich ist beispielsweise
schichte geht, mitbenannt werden. Darauf ist notorisch      mentarfilmbereich: Petra Tschörtner. Berlin –               Mir scheint, die bisherigen Sondierungen im DEFA-Be-         viel über die »Leuchttürme« (Böttcher, Junge, Koepp)
hinzuweisen. Wenn es gelingen könnte, von diesen            Prenzlauer Berg könnte man nochmal richtig heraus-          stand geben nach und nach ein ziemlich ausgewogenes          gearbeitet worden, aber selten über die (nicht weniger
Regisseuren mehr Filme als selbstverständliches Kul-        stellen. Hat Kult-Potential. Marmor, Stein und Eisen        Bild, in dem für mich auch immer wieder Überraschungen       spannenden) Filme aus der zweiten, dritten Reihe. Um-
turgut in den Filmkanon einzuspeisen, wäre schon viel       ist zwar keine DEFA-Produktion mehr, aber verhandelt        erscheinen. Mich persönlich interessieren immer noch         fangreiche Studien (oder DVD-Editionen) zu den Filmen
geholfen. Bei der Neu-Betrachtung von Regisseuren –         DDR-Geschichte. Das wäre so ein Beispiel für erwei-         die Schwarz-Weiß-Jahre mehr als die oftmals triste Orwo-     von Richard Cohn-Vossen, Gitta Nickel, Kurt Tetzlaff, Karl-
so wie ich es gerade mit den Regisseurinnen erlebe –        terte Editionen. Und Thomas Heise – auch wenn er in-        colorwüste nach 1967, obwohl auch in dieser natürlich In-    heinz Mund oder Petra Tschörtner gibt es beispielsweise
lohnt es, den Fokus auf das Gesamtwerk zu lenken.           nerhalb der DEFA vorwiegend Verhinderung erfahren           seln des Interesses liegen. Wenn es noch mehr (Wieder-)      gar nicht, oder zumindest nur in wenigen Ansätzen.
Also auch Hochschulfilme einzubeziehen und Editionen        hat und so spröde er ist, seine Filme gehen tief rein in    Entdeckungen wie Gejagt bis zum Morgen, Das zweite           (2) – Persönlichkeiten?
durch spätere Filme zu ergänzen. Ich plädiere an dieser     die Geschichte, DDR als Steinbruch. Durch seine Nähe        Gleis oder Königskinder gibt, würde ich mich freuen.         Schwer zu sagen, da gibt es sicher noch viele. Über die
Stelle sehr dafür, soweit das der DEFA-Stiftung über        zu Brecht und Müller, durch seine Theaterarbeiten etc.      (2) – Persönlichkeiten?                                      Thorndikes (und ihren Einfluss auf das Filmschaffen in
ihren Satzungsauftrag hinaus möglich ist, sich an den       wird er in den gegenwärtigen Diskursen (um mal so           Die Arbeit der Gewerke hinter den Kulissen könnte man        der DDR, auch jenseits ihrer eigenen Filme) könnte man
Rändern auszuweiten! Aber ich sehe auch, dass den           ein Kuratorenwort zu nehmen) aufmerksam verhan-             immer wieder mal beleuchten. Zwar hat Monika Schind-         eine spannende (filmbiographische) Geschichte schrei-
DEFA-Filmen zunehmend die Aufgabe zuteil wird, An-          delt, auch in den Grenzbereichen wie Bildende Kunst.        ler einen Bundesfilmpreis bekommen, was aber ist mit         ben, die bis in die NS-Zeit zurückreicht und auch die
laß zu sein, DDR-Geschichte zu erzählen. Im Sinne eines     Er hat übrigens auch interessante Hörstücke (wie das        den anderen Schnittmeister(innen), deren Arbeit nach         westdeutsche Rezeption einbindet. Wenn es um Perso-
anderen gesellschaftlichen Modells und der Anbindung        Interview mit Erwin Geschonneck über seine KZ-Zeit)         1990 nicht weiterging? Man kennt sie nicht. Dramatur-        nen geht, liegt der Fokus meines Erachtens generell (zu)
an Geschichte werden sich vor allem auch in Zukunft         gemacht. Eisenzeit halte ich für einen der wichtigsten      gen, Produzenten, Kameraleute, Architekten,                  häufig auf den Regisseuren. Drehbuchautoren, Schnitt-
immer wieder neue Generationen interessieren. Die Fil-      Filme meiner Generation, der die Brüchigkeit und            das könnten Schwerpunkte für weitere Untersu-                meister(innen), Kameraleute oder Kostümbildner ste-

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