Jungb rgerfeier Junge Politik auf virtuellen Wegen - Samstag, 30. Oktober 2010 Mehrzweckhalle im Spoerry-Areal, Vaduz - Ansprache von ...
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Es gilt das gesprochene Wort Jungbürgerfeier Samstag, 30. Oktober 2010 Mehrzweckhalle im Spoerry-Areal, Vaduz ____________________________________________________________ Junge Politik auf virtuellen Wegen Ansprache von Regierungschef Dr. Klaus Tschütscher
2 Guten Abend liebe Jungbürgerinnen und Jungbürger «Miar mond schpära», so tönt es momentan landauf, landab. Deshalb hätten die Or- ganisatoren des heutigen Abends auch auf die Idee kommen können, aus Spargrün- den die Jungbürgerfeier virtuell durchzuführen: über Facebook oder Twitter bei- spielsweise. Zum Glück haben sie es nicht getan, weil das schönste an diesem An- lass ja gerade darin besteht, miteinander ins Gespräch zu kommen und sich persön- lich kennen zu lernen. Reden statt chatten sozusagen. Dass bei uns in Liechtenstein der komplette Jahrgang der jungen Bürgerinnen und Bürger zusammenkommen kann, um gemeinsam die Volljährigkeit zu feiern, ist speziell. Diesen Vorteil unserer Kleinheit, die heute hier in diesem Saal spürbar ist, betrachte ich als grosse Chance, weil die Möglichkeiten zur Mitbestimmung und Mitgestaltung für euch bedeutend besser sind als für eure Alterskollegen in grösseren Staaten. Der heutige Anlass ist sicher etwas ganz Besonderes, für euch und auch für unser Land. Wir feiern eure politische Mündigkeit und wir zählen auf euch, wenn es um die Gestaltung unserer oder besser gesagt eurer Zukunft geht. Dass das Engagement der Jungen noch grösstenteils ausserhalb von Parteien und Organisationen stattfin- det, ist eine ganz normale Erscheinung. Entscheidend ist, dass dieses Engagement bei euch vorhanden ist. Und dafür danke ich euch. Ich weiss nicht, wie viele von euch ein eigenes Facebook-Profil haben. Vermutlich sind es nicht wenige. Facebook funktioniert im Prinzip wie unsere Gesellschaft, bei der es auch auf die Qualität der Kommunikation untereinander ankommt. Wie euch faszinieren auch mich die neuen Möglichkeiten, die wir mit Social media und ähnli- chen Diensten heute zur Verfügung haben – und die ihr bestimmt viel gekonnter nutzt als ich. Aber immerhin: Die Regierung hat auch eine Facebook-Seite. Jugendforscher haben übrigens festgestellt, dass in der Kommunikation von jungen Leuten dieses Networking einen hohen Stellenwert hat. Die virtuelle Welt ist für die Jugendlichen aber keine «Ersatzwelt», in die sie sich flüchten, sondern ein Hilfsmit- tel, um Kontakte und Bekanntschaften aus dem realen Leben zu pflegen. Das
3 Schönste daran ist aber die Aussage, dass es gemäss den Studien trotz Facebook und Netlog zu den beliebtesten Freizeitbeschäftigungen der Jugendlichen gehört, «sich mit Freunden und Kollegen» zu treffen. Solche Freundschaften und Kontakte sind in jedem Alter ein wahres Lebenselexir. Darauf müsst ihr gut schauen. Liebe Jungbürgerinnen und Jungbürger, ihr habt ab jetzt einen grösseren Gestal- tungsspielraum in unserer Gesellschaft. Ihr könnt euch aktiv beteiligen, ihr könnt ab- stimmen und wählen oder euch wählen lassen. Ihr könnt euch für eure Interessen einsetzen und mit anderen Gleichgesinnten in Kontakt treten. Ab jetzt könnt ihr mit- bestimmen, was in unserem Land laufen soll. Und das nicht nur über Facebook. Unerlässlich ist ein gesundes Mass an Neugier in allen Lebensbereichen, damit ihr euch eine eigenständige Meinung bilden könnt. Steht zu euren Überzeugungen und lasst euch nicht beirren. Auch wenn ihr einmal etwas falsch macht. Das gehört zur persönlichen Entwicklung dazu. Es ist nicht schlimm, Fehler zu machen, aber man sollte daraus lernen. Denn wo Fehler gemacht werden können, ist auch der Erfolg nicht weit. Machen wir uns aber keine Illusionen: Erfolge müssen in der heutigen Zeit immer härter und immer früher erarbeitet werden: in der Schule, in der Lehre oder im Studium. Ich habe euch aber dennoch eine erfreuliche Mitteilung zu machen: Zur Erlangung der politischen Rechte müsst ihr keine Vokabeln büffeln und keine Prüfung bestehen. Niemand schaut eure Schulnoten an und entscheidet, ob ihr «fähig» seid, Politik zu verstehen, Politik mitzubestimmen oder selber Politik zu machen. Mit eurem acht- zehnten Geburtstag erfüllt ihr als Liechtensteiner Bürger und als Liechtensteiner Bür- gerin bereits alle nötigen Anforderungen. Egal ob Frau oder Mann, egal ob Unterlän- der oder Oberländer, egal an was ihr glaubt und für was ihr euch einsetzt – die politi- schen Rechte stehen allen erwachsenen Liechtensteinern zu. Die Aufnahme in die- sen Klub ist kostenlos, ein Austritt ist nicht möglich, die Mitgliedschaft gilt lebensläng- lich. In diesem Sinne begrüsse ich euch herzlich im Klub.
4 Eure neuen politischen Rechte und natürlich auch Pflichten, die wir heute hier feiern, sind natürlich nur ein kleiner Teil des Erwachsenwerdens. Schliesslich seid ihr, liebe Jungbürgerinnen und Jungbürger, nun endlich mündig, könnt theoretisch tun und lassen, was ihr wollt. Ihr könnt selber entscheiden, wie stark ihr von diesen politi- schen Rechten Gebrauch macht wollt. Grössere Priorität werden viele von euch vor- erst wohl dem Erlernen eines Berufs oder der Absolvierung einer weiterführenden Schule beimessen, allenfalls kombiniert mit vermehrten nächtlichen Aktivitäten, be- sonders an Wochenenden. Es ist verständlich, dass die Auseinandersetzung mit Po- litik bei all den Verpflichtungen und Interessen etwas in den Hintergrund rückt. Trotzdem solltet ihr euch bewusst sein, dass ihr jetzt im Vollbesitz eurer politischen Rechte seid. Nutzt diese wenn immer möglich. Nehmt an unseren Abstimmungen und Wahlen teil, die ihr heutzutage bequem per Briefpost vornehmen könnt. Bleibt am Ball – informiert euch über aktuelle Themen, die das Land und die Welt beschäf- tigen. Die Lust, euch stärker in die Politik einzubringen, wird sich bei einigen von euch erst im Laufe der Zeit ausbilden, andere wird das Thema vielleicht ein Leben lang nur wenig berühren. Eines ist aber klar: Nur wenn ihr politisch aktiv seid, könnt ihr selber etwas bewirken und etwas verändern. Unser Land stellt heute auf den verschiedensten Gebieten die Weichen für die künf- tige Entwicklung. Dafür sind Entscheidungen notwendig, die sich ganz wesentlich auf eure Zukunftschancen auswirken werden. Auch deshalb ist es wichtig, dass ihr euch mit diesen Fragen befasst und euch eine eigene Meinung bildet. Die Regierung hat in der kürzlich veröffentlichten Agenda 2020 die Hauptziele der liechtensteinischen Politik für die nächsten zehn Jahre festgelegt und dabei eine ganz wichtige Aussage für die junge Generation gemacht. Wir wollen mit unserer Politik erreichen, dass wir heute nicht über unsere Verhältnisse leben, damit nachfolgende Generationen ihre Vorstellungen vom Leben in unserem Land ebenfalls verwirklichen können.
5 Dazu gehört eben auch, dass wir zu einem ausgeglichenen Staatshaushalt zurück- finden und mittelfristig nicht mehr ausgeben als wir einnehmen, womit wir wieder beim Thema Sparen sind. Dieses Sparen sieht aber so aus, dass wir uns auf die Ver- ringerung unserer heutigen Konsumausgaben konzentrieren. Dadurch können wir es uns auch weiterhin leisten, genügend in Zukunftsprojekte zu investieren, damit Liech- tenstein wettbewerbsfähig bleibt und der Bevölkerung auch künftig die gewohnte Le- bensqualität bieten kann. Liebe Jungbürgerinnen und Jungbürger, unsere Gesellschaft unterliegt einem steti- gen Wertewandel. Was gestern noch Gültigkeit hatte, von der älteren Generation überliefert wurde, stellt sich heute oftmals anders dar. Trotzdem sind es die überlie- ferten Werte und uns nahestehende Menschen, die uns Halt geben und jedem seine persönliche emotionale Heimat schaffen. Wie wir unsere Heimat definieren, müssen wir immer wieder – von Generation zu Generation – neu diskutieren. Und zu diesem Dialog seid ab sofort auch ihr aufgefordert. Der bekannte deutsche Politiker Willy Brandt hat einmal gesagt: «Der beste Weg, die Zukunft vorauszusagen, ist, sie zu gestalten.» Nur gemeinsam, nur mit Engagement und mit neuen Ideen können wir unser Land weiterbringen und zur emotionalen Heimat von uns allen machen. Ich wünsche euch deshalb alles Gute für die Zukunft, mutige Überlegungen und eine glückliche Hand bei euren Entscheidungen. Ich werde mich hüten, euch Ratschläge zu erteilen. Aber eine Weisheit des alten Griechen Pythagoras von Samos möchte ich auch euch wei- tergeben. Diese Weisheit könnte euch im Hinblick auf die Gestaltung des Liechten- steins von morgen von Nutzen sein. Sie lautet: «Die kürzesten Wörter, nämlich „ja“ und „nein“, erfordern das meiste Nachdenken.» So, liebe Jungbürgerinnen und Jungbürger, jetzt wünsche ich euch einen fröhlichen Abend. Und wenn ihr vom Fest ein paar Schnappschüsse ins Facebook stellt, dann lasst es mich wissen. Ich danke euch in meinem persönlichen Namen wie auch im Namen der Regierung für das Interesse und die Teilnahme am heutigen Anlass! Vie- len Dank und alles Gute!
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