Kinder und Familien im Zentrum

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Kinder und Familien im Zentrum
Early Excellence
                                  Fachkongress
                                  Frankfurt am Main

                              Kinder und Familien
                                       im Zentrum

Dokumentation des Fachkongresses
vom 21. März 2013

Dezernat Bildung und Frauen
Kinder und Familien im Zentrum
Wir danken der Heinz und Heide Dürr Stiftung
für die freundliche Unterstützung bei der Durch-
führung des EEC-Fachkongresses.

IMPRESSUM
Der Magistrat – Stadtschulamt
40.S2 Bürgerservice
Seehofstraße 41
60594 Frankfurt am Main

Telefon: +49 (0)69 212 33891
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Bezugsadresse
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E-Mail: 40.51-Servicestelle.Amt40@stadt-frankfurt.de
Internet: http://www.stadtschulamt.stadt-frankfurt.de

Redaktion
Olga Wilewald, Kai Wagner, Sabine Emmert
Lektorat
Sabine Büsgen
Gestaltung
Petra Bruder
Druck
Druck- und Verlagshaus Zarbock

Alle Rechte vorbehalten
©2014 Stadt Frankfurt am Main

F OTOS
Petra Bruder
Barbara Brehler-Wald
Sanny Meyer

     klimaneutral
     natureOffice.com | DE-140-175056
     gedruckt

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Kinder und Familien im Zentrum
INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT – Ute Sauer5
BEGRÜSSUNG – Sarah Sorge 7
KINDER UND FAMILIEN IM ZENTRUM – Dr. Margy Whalley                                          10
UNGLEICHE BILDUNGSCHANCEN. SOZIALWISSENSCHAFTLICHE
ÜBERLEGUNGEN ZUM EARLY EXCELLENCE-ANSATZ – Prof. Dr. Tanja Betz                             22
ZWISCHENRUF DES „HAUSMEISTERS“ – Sigi Herold                                                29
THEMENIMPULSE
I.   Der Blick auf das Kind
     1a. Die Pädagogischen Strategien: Erziehungsstile und die Haltung der Erziehenden      30
     1b. Die Pädagogischen Strategien: Erziehungsstile und die Haltung der Erziehenden      31
     2. Vorurteilsbewusste Erziehung – Vorurteilsfreiheit, ein unrealistisches Ziel?	       32
     3. Einführung in einen EEC-Schwerpunkt: das EEC Beobachtungssystem –
         emotionales Wohlbefinden, Engagiertheit, Schemata, Bildungsbereiche                34
II. Eltern in Erziehungspartnerschaft
  6. Zusammenarbeit mit Eltern auf Augenhöhe                                                36
	7. D er Early Excellence Ansatz – ein Weg zur partnerschaftlichen
      Zusammenarbeit mit Eltern                                                             38
	8. Interkulturelle Väterbeteiligung im Kinder- und Familienzentrum Fechenheim
      und KiFaZ Nordwest                                                                    40
  9. Beobachtung mit und durch Eltern als Instrument der Ent­wicklungsbegleitung            42
III. Die Mitarbeiter/innen
     10. Der positive Blick auf Mitarbeiterinnen – ressourcenorientierte Teambildung        45
     11. EEC im Kita-Alltag – die Rolle der Erzieherin                                      48
     12. Koordination im Kinder- und Familienzentrum – ein vielfältiges Arbeitsfeld         49
IV. Sozialraumorientierung
  14. Die Bedeutung vernetzter Angebote für Familien                                        51
	15. „ Jedes Quartier ist exzellent“ – projekt- und ressourcenorientierte Netzwerkarbeit
       unter Berücksichtigung des Early- Excellence-Ansatzes                                54
	16. Frühe Hilfen – die Bedeutung von Familienzentren als Anbindungsorte für Familien
       in besonders belasteten Lebenssituationen                                            56
V. KiFaZ – Struktur und Strategie
  17. Das KiFaZ-Modell in Frankfurt am Main                                                 58
	18. „...und eine Tasse Kaffee.“ Rezepte für eine gelingende Familienbildung
       in Kinder- und Familienzentren                                                       61
	19. „Von der Kita zum Familienzentrum“ – Erfahrungen und erste Ergebnisse
      des Programms der Stadt Hannover                                                      62
	20. „ Begegnung mit positivem Blick“ – Zusammenarbeit mit Erziehungsberatung
       im Familienzentrum                                                                   65

BILDERGALERIE                                                                               67
EARLY EXCELLENCE – EIN ERFOLGSMODELL – Prof. Dr. Sabine Hebenstreit-Müller                  68
ABSCHLUSSRUNDE                                                                              75
AUSWERTUNG DES GESAMTEINDRUCKS                                                              79
BILDERGALERIE                                                                               80
DIE EEC-FACHKONGRESS-VORBEREITUNGSGRUPPE                                                    82

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Kinder und Familien im Zentrum
4   Early-Excellence-Fachkongress Frankfurt am Main
Kinder und Familien im Zentrum
VORWORT

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,
liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Early Excellence-Fach­
kongresses Frankfurt am Main,

als die Planung und Vorbereitung des Early-Excellence-Fachkon-
gresses in Frankfurt am Main aufgenommen wurde, erwarteten
wir, dass das Thema insbesondere auch bei den pädagogischen
Fachkräften der Kinder- und Familienzentren von Interesse sein
würde. Dass der Fachkongress ein so deutlicher Erfolg werden
würde, damit hatten wir als Veranstalter nicht gerechnet und
waren entsprechend erfreut über die große Resonanz.

Mit über 380 Fachbesucherinnen und Fachbesuchern war der Veranstaltungsort Haus Gallus bis
auf den letzten Platz ausgelastet.

Es hat mich sehr gefreut, dass Menschen aus Stuttgart, München, Berlin, Dresden, Leipzig bis
hin nach Achim in Schleswig-Holstein und sogar aus Österreich den Weg zu uns nach Frankfurt
gefunden haben. Dies zeigt, dass sich der EEC-Ansatz, der konsequent die Arbeit am Kind, die
Einbindung der ganzen Familie und die Vernetzung im Gemeinwesen integriert, bundesweit – und
darüber hinaus – auf großes Interesse stößt. Mit dem Kongressangebot lagen wir somit genau am
Puls der fachlichen Entwicklung.

Frau Dr. Margy Whalley, die aus England anreiste, war sicherlich neben den weiteren hochkarä-
tigen Referentinnen und Referenten einer der Magneten des Kongresses. Durch ihren lebhaften
und inspirierenden Vortrag über die Entwicklung des Pen Green Centre Corby schaffte sie es, für
die Arbeit in Einrichtungen zu begeistern, die es sich zur Aufgabe gemachte haben, Zentren nicht
nur für Kinder, sondern für die ganze Familie zu sein. Corby ist das Modell für die in Deutschland
entwickelten Familienzentren, die nach dem Early Excellence-Ansatz arbeiten.

In ihnen werden die Anliegen von Familien und Fachöffentlichkeit nach hochwertiger Kinder­
tagesbetreuung, Beratung, Bildung, Kultur und Unterstützung der Eigeninitiative im Sozialraum
von den Verantwortlichen in Bildungspolitik und Jugendhilfe ernst genommen und befördert.

Dass es richtig war, all dies in unser Konzept der Frankfurter Kinder- und Familienzentren, dem
Zusammenschluss von Kita und Familienbildung, aufzunehmen, wurde durch den Vortrag von
Frau Whalley, aber auch durch die Vorträge von Professorin Hebenstreit-Müller und Professorin
Tanja Betz bestätigt.

Die Vielfalt der Themenimpulse am Nachmittag des Kongresses, für die zahlreiche EEC-Exper-
tinnen und -Experten der ganzen Bundesrepublik gewonnen werden konnten, zeigte auch, dass
Frankfurt im fachlichen Netzwerk gut verankert ist.

Beim Abschlusspodium, bei dem verschiedene Regionen vertreten waren, Frau Professorin
Hebenstreit-Müller für Berlin, Frau Entzmann für Baden-Württemberg, Herr Schenk für Nieder­
sachen, Frau Professorin Meier-Gräwe für Hessen, Frau Ripperger für Frankfurt am Main und Frau
Baumgarten für die Heinz und Heide Dürr Stiftung, wurde deutlich, dass, trotz aller erforderlichen
regionalen Unterschiede und individueller Strukturen familienintegrierender Zentren, ein globaler
roter Faden für die Arbeit mit Kindern und ihren Familien in seiner Bedeutung zu erkennen ist: Alle
Modelle von Familienzentren sollen sich durch die gleiche Haltung zum Kind als aktiv lernendes
Individuum und zur Familie als aktive Gestaltungseinheit des eigenen Umfeldes auszeichnen.

Dass neben den Fachleuten aus nah und fern sogar ein „Hausmeister“ die richtigen Rückschlüsse
aus dem EEC-Ansatz ziehen konnte, beweist die hohe integrierende Wirkung des Ansatzes, die in
satirischer Weise durch unseren „Hausmeister“ Sigi Herold dargestellt wurde. Dass dies eines der
Kongresshighlights neben den Hauptvorträgen war, ist nicht nur durch das begeisterte Lachen im
Saal, sondern auch durch die Rückmeldungen zum Kongress deutlich geworden.

Early-Excellence-Fachkongress Frankfurt am Main                                                   5
Kinder und Familien im Zentrum
Durch die hohe Rücklaufquote des Feedbackbogens zum Kongress wissen wir, dass nicht nur die
Frankfurter Akteure der Kinder- und Familienzentren einen hohen Zuspruch für ihre Arbeit durch
den EEC-Kongress erfahren haben, sondern auch die Kongressteilnehmer aus anderen Städten
und Kommunen Bestätigung und Inspiration für ihren Weg der Familienzentren und Arbeit in den
Kitas mitgenommen haben.

Mein besonderer Dank gilt den Hauptreferentinnen für ihre inspirierenden Vorträge, den vielen
engagierten Themenimpuls-Referentinnen und -Referenten, dem Frankfurter Bündnis für Familie
und dem Caritas-Verband für den unvergesslichen bunten Frankfurter Abend, der für viele der
perfekte Einstieg in den Kongress war, Frau Fuhrmann, die den Tag großartig moderiert hat, den
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Monikahauses für die räumliche Unterstützung des Kon-
gresses, der Schulleiterin und dem Kollegium der Günderrodeschule, den Mitarbeiterinnen und
Mitarbeitern der Frankfurter Kinder- und Familienzentren für die personelle Unterstützung und last
but not least, der Heinz und Heide Dürr Stiftung, die auf dem Kongress durch Frau Isa Baumgar-
ten vertreten war, für die großzügige Unterstützung des Kongresses.

Ganz herzlich möchte ich mich bei der trägerübergreifenden Kongressvorbereitungsgruppe für die
professionelle und kreative Planung bedanken, ohne die der gelungene Kongress so nicht reali-
sierbar gewesen wäre. Besonders beeindruckt hat mich die Produktivität des einjährigen Prozes-
ses, aus dem der KiFaZ-Film und die Broschüre über die Frankfurter Kinder- und Familienzentren
hervorgegangen sind.

Ich hoffe, dass Sie mit unserer Kongressdokumentation die beeindruckende Themenvielfalt des
Kongresses nochmals Revue passieren lassen und Ihre fachlichen Betrachtungen vertiefen können.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen eine spannende Lektüre.

Ihre

Ute Sauer
Leiterin des Stadtschulamtes Frankfurt am Main

6                                                  Early-Excellence-Fachkongress Frankfurt am Main
Kinder und Familien im Zentrum
BEGRÜSSUNG

Sarah Sorge
Dezernentin für Bildung und Frauen

Sehr geehrte Damen und Herren,

wir freuen uns sehr, dass so viele unter-
schiedliche Akteure aus den Bereichen der
Verwaltung, der Politik, aus Fachdiensten
wie Familienbildung und Erziehungsbera-
tung, Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von
Kindertageseinrichtungen und Kinder- und
Familienzentren aus ganz Deutschland und          fordern, diese auch bekommen können,
Österreich gekommen sind, die zum Teil            ist ein wesentlicher Grundpfeiler in der im
sehr weite Anreise in Kauf genommen ha-           EEC-Ansatz implizierten Haltung gegenüber
ben, um sich fachlich inspirieren zu lassen       Familien.
und sich auszutauschen.
                                                  Die konsequent positive Haltung und die
Wie stark der Early-Excellence-Centre-An-         an den Ressourcen der Kinder und Familien
satz in der fachlichen Öffentlichkeit von         ansetzende Pädagogik ist es wahrscheinlich,
Interesse ist, konnten auch die für die Or-       was Sie als Besucher und Akteurinnen auf
ganisation des heutigen Tages zuständigen         diesem Fachkongress besonders angespro-
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter feststellen,     chen hat und weshalb Sie heute Teil dieses
die berichtet haben, dass der Kongress, der       fachlichen Austausches sind.
mit 380 Teilnehmern bereits groß geplant
war, schon nach einem Monat vollständig           Auch wir in der Stadt Frankfurt am Main
ausgebucht war.                                   wurden schon recht früh, vor mehr als 12
                                                  Jahren, von dem Konzept der britischen
Es stellt sich die Frage: Was ist es, was         Early Excellence Centre und der dahinterste-
diesen aus England stammenden Ansatz              henden positiven Grundhaltung gegenüber
für Sie, aber auch für andere so interessant      Kindern und Familien inspiriert: Die großar-
macht? Wer sich mit den Leitsätzen des            tige Idee, an den Bedürfnissen von Familien
EEC-Ansatzes auseinandersetzt, bemerkt            ansetzend Angebote der Elternbildung,
sehr bald, dass man es hier mit einem sehr        Beratung, der Gesundheitsdienste sowie der
umfassenden pädagogischen Konzept zu              Freizeitgestaltung an hochwertige institu-
tun hat, das Kinder mit Ihren Kompetenzen,        tionelle Betreuungsangebote für Kinder
aber auch Bedürfnissen in den Blick nimmt         anzuknüpfen, wurde hier mit Begeisterung
und vor allem an deren individuelle Lern-         aufgenommen. Familien da zu erreichen,
prozesse anknüpft. Nicht nur die Kinder,          wo sie sind, schien auch für uns einfach und
auch die Eltern, die ganze Familie und            genial zu sein.
deren soziales und gesellschaftliches Um-
feld werden im EEC-Ansatz als systemische         Frankfurt ist die Stadt mit dem größten
Einheit begriffen und deutlich in die päda-       Geburtenzuwachs in Deutschland und mit
gogische Betrachtung aufgenommen.                 einem deutlichen Bevölkerungswachstum.
                                                  Die Stadt verfügt über eine kulturelle Viel-
Im EEC-Ansatz werden die Eltern als die           falt wie keine andere deutsche Großstadt.
ersten und wichtigsten Experten ihrer Kinder      Gerade Kinder und ihre Familien, egal
anerkannt. Sie in ihrer Erziehungskompetenz       welcher Herkunft, sind eine Bereicherung
zu stärken und sie in die Bildungsprozesse        für unsere Stadt, denn durch die Familien,
ihrer Kinder einzubeziehen, wird als Grund-       und insbesondere durch die Kinder, ist
lage einer erfolgreichen pädagogischen            unsere Stadt lebendig und vielfältig. In der
Arbeit gesehen. Es ist zu akzeptieren und         Vielfalt unserer Kinder liegen unendlich
anzuerkennen, dass Eltern ihre Kinder am          viele Chancen. Sie zu nutzen, empfinde
besten fördern, bilden und erziehen kön-          ich als eine der wichtigsten sozial-, inte­
nen. Eltern zu vermitteln, dass sie dazu in       grations- und bildungspolitischen Aufgaben
der Lage sind und dort, wo sie Hilfe ein-         überhaupt.

Early-Excellence-Fachkongress Frankfurt am Main                                             7
Kinder und Familien im Zentrum
Es begann mit einer Reise –                      Berücksichtigung der Sozialberichterstattung
                                                 der Stadt Frankfurt am Main Zug um Zug
im Jahr 2001 wurden erste nachhaltig posi-       weitere Kinder- und Familienzentren an den
tive Eindrücke von unseren pädagogischen         Start gegangen.
Mitarbeitern der Stadtverwaltung in Corby
in England gesammelt. Diese Erfahrungen          Um Bildungsungleichheiten entgegenzu­
wurden in die Debatte über erfolgreiche          wirken, sind die Frankfurter Kinder- und
neue Konzepte der frühkindlichen Bildung         Familienzentren in Stadtteilen mit besonde-
eingespeist. In dieser Zeit enstand die Idee,    rem Entwicklungsbedarf entstanden.
nach dem Vorbild der englischen Zentren,
später auch an der EEC-Entwicklung des           Unsere Kinder- und Familienzentren sind ein
Berliner Pestalozzi-Fröbel-Hauses anknüp-        sehr wichtiger Baustein der Weiterentwick-
fend, ein Modellprojekt der frühkindlichen       lung unseres Bildungs- und Betreuungsan-
Bildung, Erziehung und Familienarbeit in         gebots. Kinder- und Familienzenten, kurz
Frankfurt zu entwickeln.                         KiFaZe, bieten den individuellen Bildungs-
                                                 prozessen der Kinder einen angemessen
                                                 Platz, beziehen die Eltern in ihre Arbeit ein
                                                 und wertschätzen die Eltern als Expertinnen
                                                 und Experten für ihre Kinder.

                                                 KiFaZe bieten niedrigschwellige und be-
                                                 darfsgerechte Bildungs- und Förderangebote
                                                 für Kinder und Familien, die sich auch an
                                                 deren kulturellen und sprachlichen Unter-
                                                 schiedlichkeiten orientieren. Dabei ist es un-
                                                 ser Ziel, die Eltern bei der Kinderbetreuung
                                                 mit einzubeziehen. Denn nur so ist die Bil-
                                                 dung und Förderung der Kinder auf Dauer
                                                 möglich und wirkungsvoll. Ohne Eltern geht
Im lebhaften fachlichen Austausch des            nichts, erst recht nicht in Familien, in denen
Magistrats mit einer breiten Trägerschaft        die Bildung nicht oberste Priorität hat.
im Kitabereich ging im Jahr 2006 das
erste städtisch geförderte Kinder- und
Familienzentrum an den Start, für das der
Sozialpädagogische Verein zur familiener-
gänzenden Erziehung zusammen mit der
Familienbildungsstätte des Familiengesund-
heitszentrums ein an den Early Excellence
Ansatz angelehntes Konzept vorlegte. Da
dieses Konzept auch den Ideen der Stadt
und des Jugendhilfeausschusses für das
bereits erwähnte innovative Modellpro-
jekt entsprach, bekam das Projekt eine im
gemeinsamen Austausch zwischen Träger
und Stadt festgelegte Förderung, die auch
heute noch Grundlage für alle Kinder- und        Kinder- und Familienzentren fördern
Familienzentren ist.                             Familienkompetenzen und unterstützen
                                                 Kinder bei ihren ersten Schritten auf ihrem
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des             Bildungsweg. Die KiFaZe bieten, neben
Stadtschulamtes haben im Nachgang zur            guter Bildung und Betreuung für Kinder,
Inbetriebnahme des ersten Kinder- und            auch Begegnungs-, Bildungs- und Unter-
Familienzentrums und unter der fachli-           stützungs-Angebote für Eltern, Familien und
chen Beteiligung verschiedener städtischer       interessierte Menschen aus dem Stadtteil.
Gremien und des Frankfurter Bündnisses für       Damit sind wir nah dran an dem afrika-
Familien ein Rahmenkonzept zur Förderung         nischen Sprichwort, dass es, um ein Kind
weiterer Kinder- und Familienzentren an-         zu erziehen, ein ganzes Dorf braucht. Auf
gelehnt an die Prinzipien des EEC-Ansatzes       Frankfurt bezogen, ist das eben ein ganzer
entwickelt. Auf dessen Grundlage sind unter      Stadtteil inklusive eines KiFaZ.

8                                              Early-Excellence-Fachkongress Frankfurt am Main
Kinder und Familien im Zentrum
Die Kinder- und Familienzentren in Frank-         Daher haben sich Magistrat und Politik in
furt am Main setzen in ihrer Unterstützung        der Stadt trotz aller Sparzwänge schon seit
schon frühzeitig an: in der Elternzeit, bereits   Jahren für mehr Qualität in der frühkind-
ab der Schwangerschaft mit Geburtsvorbe-          lichen Bildung eingesetzt und diese finan-
reitung, dann mit Eltern-Kind-Gruppen und         ziert. So hat Frankfurt am Main hessenweit
mit einer institutionellen Betreuungsmög-         die kleinsten Gruppengrößen und den
lichkeit, im Bedarfsfall ab der 8. Lebens­        besten Fachkraftschlüssel in Kindertages-
woche.                                            einrichtungen. Neben dieser generellen
                                                  Verbesserung im Fachkraftbereich wurden
Ganz im Sinne der Early Excellence Centre         in Stadtteilen mit verdichteten sozialen Pro­
werden, an den Bedarfslagen der Familien          blemlagen außerdem flächendeckend Kitas
angelehnt, auch immer mehr Erziehungsbe-          in eine städtische Förderung des Besonde-
ratungsstellen in die vertraglichen Koope-        ren Förderauftrags aufgenommen, der eine
rationen der Kinder- und Familienzentren          weitere Verbesserung für die Arbeit mit den
aufgenommen, da erkannt wurde, dass               Kindern und deren Familien bedeutete.
in Zeiten der verunsicherten Erziehungs-
leitbilder für Eltern eine niedrigschwellige      Auch die Einführung des neuen Kinder­
Form der Erziehungsberatung für Eltern und        förderungsgesetzes wird für uns in Frank-
pädagogische Fachkräfte in der Kita oft           furt an dieser Haltung und Qualität nichts
unabdingbar ist.                                  verändern.

                                                  Kinder- und Familienzentren sind die
                                                  konsequente Verwirklichung einer solchen
                                                  Politik der Förderung von Kindern, die die
                                                  Eltern als Experten ihrer Kinder weit mehr
                                                  in den Fokus rückt, als in der Regeleinrich-
                                                  tung bisher zu leisten war. Dass dies Früchte
                                                  zeigt, hat auch die britische EPPE-Studie
                                                  (Effektive Provision of Preschool Education)
                                                  gezeigt. Diese machte deutlich, dass unab-
                                                  hängig von der Herkunft und den Bildungs-
                                                  abschlüssen von Eltern Bindungsqualität,
                                                  kombiniert mit einer frühen hochwertigen
                                                  Bildung, für Kinder in vorschulischen Ein-
Neben niedrigschwelligen Beratungs- und           richtungen, in enger Zusammenarbeit mit
Bildungsangeboten für die ganze Familie           Eltern- und Familienbildung, zu einer deut-
sind die offenen Elterncafés der Frankfurter      lichen Verbesserung späterer Schulerfolge
Kinder- und Familienzentren der Rahmen für        bei Kindern führt.
Eltern, untereinander Kontakte zu knüpfen
und Bedarfslagen zu artikulieren.                 Ich danke den Hauptreferentinnen des
                                                  Tages, Frau Dr. Margy Whalley, Direktorin
Heute bekommen 10 Kinder- und Familien-           des Pen Green Centre in Corby, Frau Prof.
zentren in Frankfurt eine zusätzliche städ-       Dr. Hebenstreit-Müller, der Direktorin des
tische Förderung von ca. 100.000 € pro            Pestalozzi-Fröbel-Hauses, Träger des ersten
Jahr. Zwei weitere Zentren werden dieses          deutschen Early Excellence Centre und Frau
und nächstes Jahr folgen.                         Prof. Tanja Betz, der Universität Frankfurt
                                                  sowie den 19 Themenimpulsreferentinnen
Mit seiner Förderung für Kinder- und Fami-        und -referenten, die Garanten für die hohe
lienzentren nimmt Frankfurt am Main damit         Fachlichkeit des Frankfurter Kongresses
bundesweit einen Spitzenplatz ein. Es ist         sind. Außerdem freue ich mich auch, dass
Konsens in der Stadt, dass die Förderung          die Heinz und Heide Dürr Stiftung diesen
von Kindern und Familien, die die wert-           Tag so großzügig unterstützt hat. Es ist mir
vollste Ressource unserer Gesellschaft sind,      eine große Ehre, dass Sie alle diesen Tag
schon frühzeitig ansetzten muss und nicht         mit uns gestalten, und ich wünsche uns
zum Nulltarif zu haben ist.                       allen einen spannenden Kongress.

Early-Excellence-Fachkongress Frankfurt am Main                                                9
Kinder und Familien im Zentrum
KINDER UND FAMILIEN IM ZENTRUM

                                                 große Glück, dass ich in Tasmanien, in Ade-
                                                 laide, in Perth und Neuseeland gearbeitet
                                                 habe. Und überall sind die Zentren anders,
                                                 was auch so sein soll, denn die Umsetzung
                                                 vor Ort lässt sich nicht von Land zu Land
                                                 übertragen. Ihr braucht hier also etwas ande-
                                                 res. Alles was ich Euch heute vorstelle, tue ich
                                                 mit kultureller Demut. Denn Ihr müsst Euch
                                                 diese Ideen selbst zu eigen machen und an
                                                 die Gegebenheiten anpassen. Einiges, von
                                                 dem was ich sage, wird Euch vielleicht nicht
                                                 gefallen. Und einiges von dem was ich sage,
                                                 wird hier vielleicht gar nicht funktionieren.
Dr. Margy Whalley                                Auch das ist in Ordnung, denn Corby ist in
Director of Pen Green Research Base,             vieler Hinsicht anders als Frankfurt. Corby ist
Corby                                            ein wunderbarer Ort zum Arbeiten, und ich
                                                 bin seit dreißig Jahren da. Dieses Jahr am
Es ist eine große Ehre und Freude, hier zu       4. Juli bin ich 30 Jahre in Corby. Corby ist
sein. Ich habe gestern Abend bereits sehr        auch nicht besonders schön, aber es gibt dort
viel über Frankfurt gelernt und darüber, wie     Menschen, die mit so großer Leidenschaft mit
es Euch gelingt, Eure Stadt familienfreundli-    Kindern, Familien und Eltern arbeiten und die
cher zu machen. Und ich habe auch bereits        sich so gut um ihre Kinder kümmern, dass ich
Kollegen von hier eingeladen, nach Corby         unbedingt bleiben wollte. Davor arbeitete ich
zu kommen und uns zu sagen, wie wir Corby        in Brasilien, Papua Neuguinea, und in Milton
familienfreundlicher machen können.              Keynes, einer neuen Stadt in England. Aber
                                                 Corby war für mich der beste Standort. Da-
Ich habe bei dieser Reise schon viel gelernt     her werde ich Euch ein bisschen was darüber
und hoffe, dass auch das, was ich Euch anzu-     erzählen.
bieten habe, von Nutzen sein wird. Ich hoffe,
dass sich unser Dialog kontinuierlich fort-      Kinderzentren. Als die Idee erstmals in den
setzen wird und dass einige von Euch nach        30er Jahren in England von Margaret McMil-
England kommen und uns besuchen werden.          lan entwickelt wurde, nannte man sie Integ-
Wir sind nur 1 Stunde und 10 Minuten von         rierte Zentren für Kinder und Familie.
der Pancras Station in London entfernt. Corby
hat jetzt seine eigene Bahnstation, und ich      Regierungen denken ja immer gerne, dass sie
bin überzeugt, dass wir diese dem Kinderzen-     die neuen Ideen erfunden haben. In England
trum verdanken.                                  haben wir ständig wechselnde Regierungen,
                                                 wie bei Euch auch, und jede Regierung hat
Mein Vortrag steht unter dem Titel: „Kinder      das Bedürfnis, diesen Einrichtungen einen
und Eltern als gleichberechtigte und aktive      anderen Namen zu geben. Daher hatten
Partner in den verschiedenen Formen früh-        wir auch in Pen Green viele verschiedene
kindlicher Zentren“.                             Namen. Aber wir haben das Schild drau-
                                                 ßen vor der Tür nie geändert. Und als mich
Ich weiß, dass Ihr hier in Deutschland für       jemand fragte: „Was ist denn dieses Pen-
Eure Zentren recht unterschiedliche Bezeich-     Green-Zentrum?“ antwortete ich: „Das ist der
nungen habt. Und ich glaube, das ist auch        Straßenname“. Die Straße heißt Pen Green
gut so. Denn in jedem Teil Deutschlands und      Lane, und so heißt auch das Zentrum. Die
in jedem Bundesland, ob Ihr nun in Frankfurt,    Labour-Regierung von 1997 nannte unser
Stuttgart oder Dresden seid, braucht Ihr eine    Zentrum „Early Excellence Centre“, wobei Bil-
eigene Vorstellung von dem, was wirklich         dung und Tagesbetreuung integriert werden
wichtig ist, worauf es ankommt. Ihr braucht      sollten. 1999 wurden sie dann in „Sure Start
eine eigene Vorgehensweise, Euer eigenes         Centres“ umbenannt und 2006 wurden sie
Modell. Sie sind vielleicht verschieden, aber    dann zu Kinderzentren. In Pen Green haben
sie stützen sich auf dasselbe Prinzip. Ich       wir nie das Schild ausgetauscht. Es ist einfach
spreche hier von einem prinzipienorientierten    Pen Green. Ich glaube, Ihr müsst Euch auch
Ansatz und dieser ist global. Ich habe das       einen Namen geben, der beschreibt, was Ihr

10                                             Early-Excellence-Fachkongress Frankfurt am Main
tut. Meines Erachtens sollten sie „Zentren für     lichst am selben Ort oder wenigstens in sehr
Kinder und Familien“ heißen. Denn Winnicott        kurzer Entfernung, die mit dem Kinderwagen
sagte bereits 1930: Ein Kind für sich alleine      zurückzulegen ist, angeboten werden. Und
gibt es nicht. Ein Kind steht in einem Bezie-      ich denke, in integrierten Zentren für Kinder
hungsgeflecht mit wichtigen Erwachsenen.           und Familien geht es überhaupt darum, dass
Wir müssen uns auf diese einlassen, und sie        sich Menschen Gehör verschaffen. Es geht
müssen sich als gleichberechtigte Partner füh-     darum, dass Ihr Euch Gehör verschafft. Und
len. Sie ihrerseits müssen entscheiden, wie sie    weil Ihr eine so wichtige Arbeit leistet, braucht
mit den Behörden umgehen und wie sie die           Ihr Zeit, Zeit zum Denken, Zeit zum Nachden-
freiwilligen Angebote nutzen. Nicht ich bin es,    ken, Zeit zum Planen und Zeit, um miteinan-
die entscheidet, wie die Eltern unser Angebot      der zu reden. Ihr braucht eine gute Bezah-
anzunehmen haben. Vielmehr müssen die              lung und gute Arbeitsbedingungen. Und wir
Eltern darüber entscheiden, und auch die           müssen dafür sorgen, dass auch die Familien
Kinder müssen mitentscheiden.                      Gehör finden, damit sie sagen können: „Hört
                                                   auf, uns herumzuschikanieren. Wir möchten
Ich bin daher der Überzeugung, dass Ihr            mit einer Person an einem Ort zu tun haben.
hier in Deutschland an einem erstaunlichen         Die Dienstleistungen sollten zu uns kommen.
Projekt arbeitet. Es ist ein emanzipatorisches     Es sollte nicht nötig sein, dass wir an viele
Projekt. Einer meiner Kollegen, Bougue, der        verschiedene Türen klopfen müssen.“ Bei den
wissenschaftliche Publikationen schreibt,          Kindern geht es darum, dass sie das beste,
ist der Meinung, dass man, wenn man ein            reichhaltigste und tollste Angebot bekom-
Projekt beginnt, eine ausgeprägte eman-            men, das der Staat sich leisten kann. Ich
zipatorische und verantwortungsfördernde           beurteile jedes Land, das ich besuche, nach
Vision haben sollte. Vor dreißig Jahren, als       seinem Angebot für die ärmsten Kinder. Was
wir unser Projekt begannen, hatten wir eine        nützt das tollste Angebot, wenn es die meis-
emanzipatorische Vision, nämlich die Vision,       ten Leute im Lande nicht erreicht. Gerade für
dass wir die Lebenschancen von Kindern in          die ärmsten Gemeinden muss das Angebot
sehr armen Gemeinden verbessern könnten,           bestmöglich sein. Das ist es, was wir in Corby
indem wir Dienstleistungen anbieten, die die       versuchen. Wir wollen, dass jedes Kind in
Familien unterstützen. Damit hat man im 20.        Corby sagen kann: „Das ist mein Kinderzen-
Jahrhundert begonnen, und es geht auch im          trum“, und dass alle Eltern sagen können:
21. Jahrhundert so weiter. Ich bin sicher, dass    „Das ist unser Zentrum“.
wir immer wieder neue Vorgehensweisen
entdecken werden, auch lange nach meinem
Ruhestand. Bougue plädiert sehr stark für
diesen Ansatz, aber wenn man keine Vision
hat, ist es sehr schwer, etwas zu erreichen.
Wenn also Eure Freunde sagen: Du bist
verrückt, so viel zu arbeiten, stimmt das nicht.
Wenn Eure Freunde sagen: Du bist verrückt,
für so wenig Geld zu arbeiten, stimmt das
nicht. Denn Ihr tut etwas, das wichtiger ist als
Hirnchirurgie oder Ähnliches. Ihr tut etwas,
das Kindern die Chance auf einen best-
möglichen Start ins Leben gibt. Und sowohl
in Deutschland als auch in England gibt es
Kinder, die einen sehr unterschiedlichen Start
ins Leben haben. Dafür müssen wir etwas            Vielleicht liegt mir das so sehr am Herzen,
tun. Und deswegen bin ich hier.                    weil die Leute 1983 als das Zentrum in Corby
                                                   errichtet werden sollte, gar nicht gefragt wur-
Es geht um die Integration von Angeboten.          den, was sie eigentlich wollten. Man hat sie
Mit den öffentlichen Angeboten können die          gar nicht angehört. Aber die Leute in Corby
Familien nichts anfangen. Sie wollen einfach       sind sehr stark und sehr selbstbewusst. Als ich
nicht ihre Geschichte immer und immer wie-         zu meinem Einstellungsgespräch kam, waren
der bei verschiedenen Anlaufstellen erzählen.      die Leute auf der Straße mit Transparenten,
Sie wollen ihre Geschichte einmal erzählen.        auf denen stand: „Wir wollen das Zentrum
Und sie wollen durch eine Tür gehen, hinter        nicht“. Sie dachten, es würde ein Zentrum für
der alle öffentlichen Dienstleistungen mög-        Problemfamilien. Wer möchte schon in ein

Early-Excellence-Fachkongress Frankfurt am Main                                                 11
Zentrum für Problemfamilien gehen? Nie-           Verfügung steht, verlieren die Leute das Ziel
mand. Sie wollten ein Zentrum, in dem sich        aus den Augen und konkurrieren oft nur noch
alle Eltern zu Hause fühlen konnten, in dem       um die vorhandenen Gelder. Ich glaube da-
sich alle Eltern wertgeschätzt fühlen konnten,    her, dass man tatsächlich effektiver arbeitet,
und in dem alle Kinder aufwachsen und das         wenn nicht viel Geld da ist. Andererseits bin
werden konnten, wozu sie befähigt waren.          ich der Meinung, dass Kinderzentren nicht in
Also marschierten die Eltern mit ihren Trans-     schäbigen Gebäuden oder Löchern unterge-
parenten. Daraus habe ich viel gelernt über       bracht sein sollten, sondern in einer wunder-
Demonstrationen und Widerstand, was mir           baren und schönen Umgebung, und damit
in den letzten dreißig Jahren zum Überleben       dies möglich ist, brauchen wir Geld.
geholfen hat. Ich habe also viel von diesen
Eltern gelernt, und ich bin der Meinung, dass
eine Oppositionsgruppe am Ort dazu bei-
tragen kann, enger mit den Menschen in der
Gemeinde in Kontakt zu kommen.

Wir haben ca. 96 Kinderzentren befragt. Es
gibt heute in England ca. 3500 Kinderzen-
tren. Ich glaube, seit der neuen Regierung
sind ca. 400 verschwunden. Einige sind
geschlossen worden, einige sind verwäs-
sert worden, indem das Angebot und die
Zahl der Mitarbeiter reduziert worden ist.
Aber wir haben immer noch eine Vielzahl
von Zentren. Das Ziel bestand darin, dass         Wir führen zur Zeit in Pen Green eine Studie
in jeder Gemeinde ein Zentrum bestehen            durch, bei der wir Kinder einbeziehen, die
sollte, in das die Familien gehen und die An-     heute 21 bzw. zwischen 11 und 21 sind und
gebote in Anspruch nehmen konnten – nach          die früher bei uns waren, als sie zwei oder
ihren Bedingungen und auf ihre Bedürfnis-         drei Jahre alt waren. Einige dieser Kinder
se zugeschnitten. Wir haben in Corby die          und ihre Eltern verbrachten 37 Stunden pro
Leitungen aller Zentren zusammengebracht          Woche in unserem Kinderzentrum. Unser
und sie – nicht ich – machten deutlich,           Zentrum ist an sieben Tagen in der Woche
dass Kinderzentren ganz besonders wichtig         geöffnet, an Wochentagen von 8 Uhr bis
sind für die Kinder und Familien, die sie in      18 Uhr und an den Abenden für Gruppen-
Anspruch nehmen, für die Mitarbeiter, die         veranstaltungen. Samstag und Sonntag ist
darin arbeiten und für die lokalen Behörden,      unser Zentrum von 10 Uhr bis 13 Uhr für
die verantwortlich für sie sind.                  die Familien geöffnet. Die Eltern von einigen
                                                  unserer Kinder sind die ganze Zeit in unserem
Das Besondere an Kinderzentren ist aber           Zentrum. Einige Eltern nutzen die Kita und
auch, dass die Mitarbeiter lernen müssen,         gleichzeitig Erwachsenenbildungskurse. Sie
miteinander zu arbeiten. Die Schulen müssen       nutzen es sehr unterschiedlich. Ich möchte
mit den Sozialbehörden reden, die Sozial-         Euch damit nur einen Eindruck vermitteln, wie
behörden müssen lernen, mit den Gesund-           wichtig Eure Arbeit für die Kinder ist. Einige
heitsbehörden zu reden, und wir alle müssen       erinnern sich noch, was vor 18 Jahren war.
lernen, mit den ehrenamtlichen Organisa-          Auf jeden Fall erinnern sie sich an unsere
tionen, den Glaubensgemeinschaften und            Angebote und wie wichtig sie für sie waren.
den ganzen anderen Gemeinschaften zu
reden. Was die erste Rednerin (Anmerkung:         Videoeinspielung
Frau Sorge) heute Morgen sagte, war sehr
aufschlussreich, sie sprach von ganzheitlicher    Wir bekommen immer mehr Videos, in denen
Führung und von ganzheitlichem Ansatz.            Eltern und Kinder uns ihre Geschichten
Denn das System ist ein ganzheitliches            erzählen und daran erinnern, was damals
System, Corby ist ganzheitlich, denn alle         für sie wichtig war. Interessant ist auch, dass
Fachbereiche arbeiten zusammen. Das Geld          einige dieser Kinder eine glänzende Schulkar-
fließt heute nicht mehr so üppig wie früher.      riere hinter sich haben, einige Mädchen und
In früheren Zeiten gab es eine Menge Geld,        Jungen wurden Schulsprecher, einige hatten
aber heute zählt jeder Cent. Ich glaube, das      glänzende Ergebnisse bei allen Examen,
ist sogar gut. Manchmal, wenn viel Geld zur       einige haben ein Universitätsstudium aufge-

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nommen, als erste in ihren Familien. Es gibt      funktionieren sollen, müsst auch Ihr Eure
aber auch Kinder, die zu kämpfen hatten.          Praxis verändern und verbessern. Das ist
Einige dieser Kinder sind mehrmals von der        harte Arbeit, für die wir Unterstützung
Schule geflogen. Einige sind nicht mehr in der    brauchen. Als wir unsere Initiativen an den
Schule. Einige haben die Familie verlassen        Kinderzentren einrichteten, die Sure Start
und sind seit ihrem 15. oder 16. Lebensjahr       und die Early Excellence Centres, hat uns der
nicht mehr zu Hause. Sie hatten es also           Gesundheitsminister mit folgenden Worten
nicht leicht. Aber es sind erstaunlich robuste,   gewarnt: „Ihr könnt nicht einfach weiterma-
belastbare Kinder. Und das Tolle ist, dass sie    chen wie gehabt und dieselben Angebote
über Facebook miteinander Kontakt halten          wie in der Vergangenheit weiterführen! Wenn
und auch mit uns in Kontakt bleiben und uns       Ihr die Angebote wie immer weitermacht,
über ihr Leben erzählen. Ich glaube, das ist      bekommt Ihr auch das gleiche Ergebnis wie
eine große Ehre für uns. Sie kontaktieren sich    in der Vergangenheit.“ Und das bedeutet:
gegenseitig und kommen zu uns und nehmen          soziale Ungerechtigkeit für einige der Kinder,
an unserem Projekt teil, das immer größer         wie man im Video gesehen hat. Wir müssen
und umfangreicher wird.                           also unsere fachliche Praxis verändern.

Was wir in unserem Zentrum verstehen ler-         Ich möchte nochmals kurz zum Jahr 1983
nen wollen, ist: Warum sind einige Kinder so      zurückkehren. Da gab es die Aktivistengrup-
resilient geworden, und warum sind einige         pe gegen das Zentrum und die marschierten
Eltern so wunderbare Fürsprecher für ihre         durch die Straßen, als ich nach Corby kam.
Kinder geworden. Sie haben nicht nur die          Es hatte nichts mit mir zu tun, dass sie so
Bildung und Entwicklung ihrer Kinder bis          wütend waren, aber ich musste ihnen zuhö-
zum Alter von fünf unterstützt, sondern auch      ren, und wir beschlossen daher, dass wir ein
während der ganzen Schulzeit und haben            Angebot aufbauen würden, das den Be-
ihre Kinder als Fürsprecher durch die ganze       dürfnissen der Kinder und Familien gerecht
Schulzeit begleitet. Als wir unser Zentrum in     werden sollte. Das bedeutete, dass sich das
Corby eröffneten, hatten die meisten Eltern       Angebot ändern musste, dass es nicht so
keine Schulbildung über das 16. Lebensjahr        bleiben konnte wie bisher.
hinaus. Es gab sogar eine Menge Familien,
die nur bis 14 oder 12 zur Schule gegangen        1983 hatte Corby eine Arbeitslosenrate
waren. Aber sie wollten auf alle Fälle eine       unter der männlichen Bevölkerung von
Bildung für ihre Kinder. Wenn die Kinder          43 %. Die Stahlwerke waren zugemacht
merkten, dass sie in der Schule nicht so          worden. Die Geschäfte waren zugenagelt.
erfolgreich waren, fanden sie heraus, dass        Der Gesundheitszustand in Corby war
es für die Familien Möglichkeiten gab, über       schrecklich und ist es immer noch. Heute
das Zentrum Unterstützung zu bekommen.            hat Corby im landesweiten Vergleich eine
Allerdings haben die Eltern nicht immer ver-      verhältnismäßig hohe Beschäftigungsrate.
standen, dass sie sich während der ganzen         Und selbst in der Rezession hält sich Corby
Schulzeit für ihre Kinder einsetzen müssen.       ganz gut. Wir halten durch. Aber die Be-
                                                  dürfnisse der Familien in Corby haben
Von den Videos und aus den Gesprächen             sich in den letzten dreißig Jahren enorm
mit den Eltern ist uns klargeworden, dass wir     verändert. Mit anderen Worten, man kann
einiges an unserer Arbeit verändern müssen,       sein Angebot nicht ein für allemal festlegen.
dass wir noch mehr darüber nachdenken             Es muss ständig angepasst werden.
müssen, wie wir Eltern unterstützen können,
die im Schulsystem versagt haben oder bes-        Unsere Philosophie von damals ist dieselbe,
ser gesagt, wo das Schulsystem gegenüber          die wir auch heute noch haben. Die Philoso-
den Familien versagt und wo auch die Sozi-        phie ändert sich nicht, aber die Praxis ändert
albehörden gegenüber den Familien versagt         sich. Was wir brauchen ist eine Vision, Werte,
haben. Wie können wir diesen Eltern helfen        prinzipienorientiertes Vorgehen, ein multi-dis-
und die Kinder weiter unterstützen, wenn sie      ziplinäres Team und gemeinsame Führung
uns im zarten Alter von vier Jahren verlassen     und Management. Keine Hierarchie, sondern
und in die Grundschule wechseln? Schließlich      viele Leute, die sich im Team stark fühlen.
müssen wir etwas dafür tun, dass alle Kinder
eine faire Chance haben. Die Tracey-Studie        Alle Angebote sollten, wenn möglich, auf
hilft uns dabei, unsere Praxis zu verändern       demselben Campus angesiedelt sein. Wichtig
und zu verbessern. Wenn integrierte Zentren       ist auch das Prinzip der Co-Produktion, wo

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die besten Ideen von den Eltern kommen.           der Familie zusammenleben und vielleicht
Die Eltern müssen an der Gestaltung der           keinen Zugang zu ihren Kindern haben.
Angebote, aber auch an ihrer Weiterentwick-       Deshalb wollen sie zu uns kommen, um mit
lung und an ihrer Umsetzung beteiligt sein.       ihren Kindern zusammen zu sein. Es ist auch
Unsere Angebote sind mehr oder weniger            eine wunderbare Einrichtung für Erwachse-
immer noch dieselben, aber wir haben die          nenbildung. In Pen Green kann man alles
Zeitskala verändert mit der frühkindlichen Er-    machen, man kann die Grundkenntnisse
ziehung als Kernstück und der Inklusion von       in Lesen und Schreiben erwerben bis hin
allen Kindern mit besonderen Bedürfnissen.        zur Hochschulreife, man kann sogar seinen
Erwachsenenbildung für die Eltern bietet den      Master und Doktor hier machen. Wir haben
Eltern eine Chance, Weiterbildungsmöglich-        sechs Doktoranden. All das können sie hier
keiten zu nutzen. Wir schätzen die ehrenamt-      machen. Alle unsere Kurse sind von ver-
liche Arbeit, denn wir legen großen Wert auf      schiedenen Universitäten anerkannt, und wir
Fortbildung und Förderung, Praxisforschung        haben die Zulassung für die Durchführung
und Weiterbildung von Führungskräften, eine       der Kurse am Zentrum.
Aktivität, die wir in den letzten 16 Jahren an
Bord genommen haben. Ferner bieten wir            Es gibt verschiedene Räume. Wir nennen sie
ein umfassendes Angebot für Kleinkinder           „Bude“, „Kuschelecke“, „Studio“, die sind in
und ihre Familien, wobei die Familien sagen       den Kitas, wir haben im Sommer eine neue
müssen, was sie wollen. Die Familien haben        eröffnet. Dann die Krippe mit einem Ruhe-
z. B. den Wunsch nach Betreuung für Säug-         raum, wo die Eltern verschnaufen können.
linge und Kleinkinder von einem bis drei          Dann haben wir Hüpfräume, Entspannungs-
Jahren geäußert, denn in England dauert der       räume, Räume für Wassertherapie, Entde-
Mutterschaftsurlaub nur ein Jahr. Aber schon      ckungsräume, wo das Wasser recycelt wird
nach neun Monaten des Mutterschaftsur-            und die Kinder ein heilloses Durcheinander
laubs geht die finanzielle Unterstützung          anstellen können. Wunderbare Gärten. Es
sehr stark zurück. Daher haben die Eltern         gibt ein Gebäude ganz in der Nähe von zwei
darum gebeten, auch schon Kinder ab neun          Nachtclubs. Es war in der ganzen Gemeinde
Monaten aufzunehmen, was wir auch getan           das am meisten verunstaltete Gebäude. Aber
haben. Kinder unter neun Monaten werden           die Kinder und Familien lieben das Gebäude,
zu Hause betreut, und diese Betreuung ist         und die älteren Geschwister, die früher am
mit dem Kinderzentrum vernetzt.                   Wochenende dort einbrachen und Randale
                                                  machten, haben inzwischen gelernt, dies
                                                  nicht mehr zu tun. Jetzt bringen sie selbst ihre
                                                  Kinder ins Zentrum, denn wir sind inzwischen
                                                  bei der dritten Generation von Familien
                                                  angekommen. Wir haben auch einen riesigen
                                                  Strand in unserem Zentrum, wo alle hinkom-
                                                  men können. Corby hat in England mit die
                                                  weiteste Entfernung von jeder Küste. Also
                                                  kann man bei uns einen richtigen Strand
                                                  genießen und im Sand buddeln, bis man in
                                                  Australien ankommt. Darüber freuen sich
                                                  immer unsere australischen Kollegen.

                                                  Wir haben auch ein angeschlossenes For-
Ferienspiele – da die Eltern arbeiten ge-         schungszentrum, denn wir glauben, dass
hen müssen, brauchen sie Ferienspiele.            Ihr und alle, die mit Kindern und Familien
Sie brauchen Betreuung vor und nach der           arbeiten, laufend ihre Praxis auf den Prüf-
Schule und viele verschiedene Orte, wo            stand stellen müssen. Das heißt nicht, dass
Eltern, Säuglinge und Kleinkinder hinkom-         nicht auch an den Universitäten gute For-
men können und auch für Elterngruppen             schungsarbeit geleistet wird. Das versteht
mit unterschiedlichsten Problemen: psychi-        sich von selbst. Aber auch die Praktiker sind
sche Probleme, Probleme mit Drogen und            gut in der Forschung. Und tatsächlich hat
Alkoholmissbrauch. Wochenendgruppen für           die praxisorientierte Forschung in England
Väter, die am Samstag kommen wollen und           am meisten Erfolg. Die von uns betriebe-
Wochenendgruppen für Väter, die sonn-             nen praxisorientierten Forschungsprojekte
tags kommen, weil sie vielleicht nicht mit        treiben im ganzen Land die Änderungen in

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informieren. Würde Vodafone in England
                                                  seine Steuern bezahlen, könnten alle engli-
                                                  schen Kinderzentren fünf Jahre lang davon
                                                  finanziert werden. Die Eltern begannen, sich
                                                  dies klar zu machen und die Verantwortli-
                                                  chen zur Rechenschaft zu ziehen, wie es bis-
                                                  her nie geschehen ist. Denn die Bewegung
                                                  der integrierten Kinderzentren ist etwas, an
                                                  dem die Eltern festhalten wollen. Es gab
                                                  eine Untersuchung einer parlamentarischen
                                                  Kommission über Kinderzentren in zwanzig
                                                  Städten, die sehr positiv ausgefallen ist. Eine
                                                  weitere Untersuchung fand 2013 statt. Ich
der Politik voran. Wir publizieren, wir schrei-   berate diese parlamentarische Kommission.
ben Bücher, unsere Mitarbeiter schreiben          Wir haben sie gebeten, aus London heraus-
in Zeitschriften und dies zu Recht, denn sie      zukommen und den Zug von Westminister
haben ein enorm großes Wissen und dies            nach Corby zu nehmen. Also kamen sie und
muss im ganzen Land verbreitet werden. Auf        trafen die Eltern von Corby. Und sie hörten
diese Art und Weise versuchen wir uns wei-        die Stimmen der Eltern. Wenn die Bürokra-
terzuentwickeln, und in England bedeutet          ten zu uns nach Corby kommen, schließen
dies, dass man ständig Änderungen vorneh-         wir sie immer mit den Eltern ein. Sie fanden
men muss. Um zu überleben, müssen wir             das Zusammentreffen mit den Eltern sehr
neue Arbeitsweisen entwickeln. Wir müssen         aufschlussreich und waren bereit, von ihnen
auch ständig unsere rechtlichen Strukturen        zu lernen. Ich bin also Optimistin.
anpassen. Ich glaube, wenn man an
Co-Produktion glaubt, dann braucht man            Unsere Forschungsarbeit ist praxisorientiert
sich nicht davor zu fürchten, denn wir haben      und befasst sich mit Themen wie Wohler-
in England die Genossenschaftsbewegung –          gehen der Kinder, Einbeziehung der Kinder,
und ich kann eine Situation kommen sehen,         Einbeziehung der Eltern, Lernen der Kinder,
wo die rechtliche Struktur unseres Zentrums       Bindung an Bezugspersonen, Kinder als
geändert werden muss. Wir sind laufend            Philosophen, Führungsaufgaben, Umset-
dabei, die Dinge voranzubringen. Denn             zung und vielem anderen. Die Eltern sind
eines weiß ich, das Zentrum muss erhalten         Mitglieder unseres Forschungsbeirates. Und
bleiben, es muss nachhaltig sein. Vor zwei        wir arbeiten auch mit Wissenschaftlern und
Jahren erfuhren wir an einem Donnerstag,          Universitäten zusammen, von denen wir eine
dass unser Budget um 56 % gekürzt werden          Menge lernen. Am meisten lernen wir aber
würde. Könnt Ihr Euch das vorstellen: 56 %.       von den Eltern.
Am Freitag marschierten 1500 Leute in
grünen T-Shirts vor dem Zentrum auf. All die      Unsere Vorstellung von Kindern in Pen Green
anderen öffentlichen Angestellten machten         ist, dass sie ein reichhaltiges Potenzial haben,
mit, indem sie ihre Autos vor dem Zentrum         dass sie stark und aktiv sind. Unser Zentrum
anhielten und hupten. Die Eltern demonst-         und auch Euer Zentrum muss ein Ort sein,
rierten und gingen zur Kreisverwaltung. Sie       wo Kinder stark sein können. Ihr seid da, um
gingen nach London und sie gingen nach            Verantwortung zu übernehmen, Fragen zu
Nr. 10 Downing Street (Sitz des Premier-          stellen und zu hinterfragen. Wir wollen keine
ministers), sie gingen zum Parlament und          gefügigen Kinder. Gefügige Kinder fühlen
verschafften sich Gehör. Sie versammelten         sich machtlos im Bildungswesen. Wir wollen
10.000 Leute auf Facebook. Unser Budget           starke, selbstsichere Kinder, die überleben
wurde nicht gekürzt. Also funktioniert es.        können. So sehen wir die Kinder. Sie sind
Die Eltern können ihre Stimme erheben. Es         selbstsicher und haben ein gutes Gespür
war das erste Mal, dass in England Eltern         dafür, wenn sie etwas richtig machen. Sie
gegen die örtlichen Behörden vorgingen            brauchen keinen Klaps auf den Kopf von den
und klarmachten: Es ist nicht in Ordnung,         Erwachsenen. Sie wissen, dass sie stark und
dieses Zentrum zu schließen oder Teile dicht      aktiv sind, dass sie eine Stimme haben. Für
zu machen oder zu verwässern. Nicht alle          uns bedeutet dies auch Selbstbewusstsein im
diese Schlachten haben wir gewonnen.              Verhältnis zu anderen. Selbstbewusste Kinder
Aber es wurde ein Präzedenzfall in England        sind voller Tatkraft. Und sie sind belastbar,
geschaffen. Eltern fingen an, sich besser zu      auch wenn nicht alles gut läuft.

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Wenn wir unsere Videos einigen unserer             Die beiden Konzepte, auf die sich unsere Ar-
Amtsträger in England zeigen, finden sie das       beit stützt, sind Vertretung der Interessen von
ganz toll. Das Liedchen, das das Kind vor          Kindern und Unterstützung ihrer selbstständi-
sich hin trällert, um zu zeigen, dass er es gut    ge Handlungsfähigkeit. Eltern und Fachleute
gemacht hat, ähnelt dem eines bestimmten           müssen für die Interessen der Kinder eintre-
Vogels. Es gibt in England einen Vogel na-         ten. Denn der 14 Monate alte Jordan hat
mens Chuff (eine Krähenart), der ein ähnli-        noch keine Chance, sich Gehör zu verschaf-
ches Triumphgezwitscher von sich gibt. Bei         fen. Aber wir können ihm dazu verhelfen.
einigen Bürokraten können wir so Interesse         Und Kinder, die eine starke Selbstständigkeit
wecken, weil sie Vögel lieben, aber sie schau-     haben, haben großes Selbstbewusstsein
en auch gerne den Kindern zu.                      und Selbstvertrauen. Eltern, die gute Inter-
                                                   essenvertreter sind, können dazu beitragen,
Die Kinder in unserem Zentrum müssen sich          Probleme anzusprechen. Einige der Eltern,
mit denselben Problemen auseinandersetzen          die in unser Zentrum kommen, haben mit
wie die Kinder in Euren Zentren: Armut, gro-       fünf, zehn oder fünfzehn Einrichtungen zu
ße Veränderungen in ihrem Leben, Schei-            tun. Ich weiß nicht, für wie hilfreich es die
dungskonflikte, über den Umgang mit ihnen,         Eltern ansehen, wenn sie sich mit so vielen
Traumata durch körperlichen und emotiona-          Fachleuten einlassen müssen. Ich glaube, es
len Missbrauch, das Fertigwerden mit ständig       ist besser für die Eltern, wenn sie das Gefühl
neuen Veränderungen, die Zugehörigkeit zu          haben, dass sie die Kontrolle haben und für
komplizierten Netzen, mehr als ein Zuhause         andere eintreten können. Ja, manchmal sind
zu haben, mehr als eine Einrichtung zu be-         die Dinge anstrengend und schwierig für die
suchen, Einstellung auf die Arbeitszeiten der      Eltern und ihre Familien. Aber sie haben ein
Eltern. Einige Kinder müssen mit so kompli-        gutes Gespür, wie sie Dinge voranbringen
zierten Situationen leben, dass sie wütend         können, wenn sie gehört werden.
werden. Wir haben Kinder mit zwei und drei
Jahren, die sind sehr wütend oder gestört
oder sehr zurückgezogen. Sebastian Krae-
mer, unser Kinderpsychiater, der mit unseren
Mitarbeitern zusammenarbeitet und sie berät,
wenn die Kinder sehr anstrengend werden
und der uns hilft, Wege zu finden, wie wir sie
im Zaum halten und unterstützen können, ist
der Meinung, dass es wenig Sinn hat groß-
zügig und aufgeschlossen zu sein, wenn das
Leben nur ein Überlebenskampf ist, wenn es
nur wenige oder gar keine vertrauenswürdi-
gen Nachbarn gibt und wenn es besser ist,
sich keine Gedanken über den Geisteszu-
stand anderer Leute zu machen. Rücksicht           Wir wollen also, dass die Kinder all dies tun
bringt nichts in einer rücksichtslosen Kultur.     können: Selbstbestimmung und Bestimmung
                                                   ihrer Beziehung mit anderen. Aus unseren
Unser Ansatz ist ganzheitlich. Ganz Corby          Beobachtungen der Kinder in der Tracey-Stu-
soll kinder- und familienfreundlicher werden,      die, die heute zwischen 13 und 21 Jahre alt
ähnlich wie es Frankfurt vorhat. Vielleicht        sind, haben wir beschlossen, in unseren Kitas
bekommen dann alle unsere Kinder Rück-             mehr an den Beziehungen der Kinder unter-
sicht zu spüren, so dass sie selbst rücksichts-    einander zu arbeiten, an ihrem Verhältnis zu
voll sein können. Aber zur Zeit geht es bei        anderen. Für einige unserer Kinder ist das
einigen schlicht ums Überleben.                    wirklich schwer. Sie haben ihre eigene kleine
                                                   Gruppe, ihren eigenen kleinen Gruppen-
Zur Zeit stimmen auch die Machtverhältnisse        führer, mit dem sie überleben, aber der Rest
zwischen Erwachsenen und Kindern nicht.            interessiert sie nicht, und das muss aufhören.
Sie sind nicht ausgewogen. Viele Erwach-           Was bei einem Kind von ein-, zwei Jahren
sene sind überzeugt davon, dass sie das            noch lustig ist, ist nicht mehr lustig, wenn das
Recht haben, das Leben und die Rolle ihrer         Kind sieben oder acht oder zehn oder elf
Kinder zu bestimmen, ohne Rücksicht auf die        Jahre alt ist. Aber wenn diese Kinder dann in
Gefühle der Kinder. Daher müssen wir den           die Schule kommen und bis dahin noch nicht
Kindern helfen, sich Gehör zu verschaffen.         gelernt haben, dass es Grenzen gibt, werden

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sie in ihrer ganzen Schulzeit zu kämpfen           Jahres sind alle vier Kinderzentren raus in die
haben. Das heißt nicht, dass sie gefügig           Gemeinde gegangen und haben Familien
sein sollen. Wenn Dinge nicht richtig laufen,      gefunden, die unsere Angebote nicht nutzen.
müssen sie lernen, für sich selbst zu spre-        In den Gesprächen mit den Familien haben
chen. Es bedeutet aber auch, dass sie lernen       wir sehr viel gelernt über die Dinge, die wir
müssen, dass es unterschiedliche Regeln an         falsch machen. Wir müssen ständig rausge-
unterschiedlichen Orten gibt und sie lernen        hen, um die Leute zu erreichen, für die unsere
müssen, diese Regeln zu verstehen. Einige          Angebote nicht zugänglich erscheinen, denn
werden es allerdings nicht packen.                 für viele Familien ist das entscheidende
                                                   Kriterium, ob sie das Gefühl haben, dass wir
Was sie von Euch Erwachsenen brauchen,             uns nach wie vor hinter einem Stacheldraht-
ist, dass Ihr ihre emotionalen Bedürfnisse         zaun einschließen. Ich habe in Corby früher
versteht, dass Ihr wisst, wie wichtig es für sie   immer gesagt, dass es in der Vergangenheit
ist, selbstbestimmt zu sein, und ihnen dabei       die Schulsekretärinnen waren, die die Eltern
helft, sich stark zu fühlen und Dinge zu beein-    ferngehalten haben, dass es in den Gesund-
flussen. Ihr seid Leute, die mit Begeisterung      heitszentren die Sprechstundenhilfen waren,
für das Lernen und die Förderung arbeiten,         die die Leute abwimmelten. Die hatten
Ihr habt auch keine Angst, mit einem Kind          damals ziemlich altmodische Ideen von Part-
zu schmusen und mit ihm eine Beziehung             nerschaft. Das galt auch für die Lehrer, ich
aufzubauen. Im Video haben wir ein kleines         bin selbst Lehrerin und ich kann das sagen.
Mädchen gesehen, das sich daran erinnerte,         Wenn Ihr in die Schule von Eurem Kind geht,
wie ihre Familienbetreuerin sie mit zu sich        und die bitten Euch, auf einem kleinen Stuhl
nach Hause nahm. Heute gibt es in England          Platz zu nehmen, und sie selbst sitzen hinter
so viele Risikodiskussionen, dass keiner es        ihrem Schreibtisch auf einem großen Stuhl,
mehr wagen würde, ein Kind mit zu sich nach        hat das wenig mit Partnerschaft zu tun. Und
Hause zu nehmen. Man würde das heute               wenn Euch die Fachleute etwas über Euer
wohl nicht mehr akzeptieren. Aber dieses           Kind erzählen und gar nicht fragen, was
Kind erinnert sich elf Jahre später daran, wie     Ihr über Euer Kind wisst, dann ist das auch
geborgen und unterstützt es sich fühlte, eine      keine gute Partnerschaft. Wir müssen lernen,
Betreuerin zu haben, die die Familie kannte        differenziert zu arbeiten. Kein Kinderzentrum
und die einen auch zu Hause besuchte. Man          kann sich leisten, eine Insel zu sein. Wir müs-
muss die wichtigen Erwachsenen in seinem           sen uns für Co-Produktion engagieren. Die
Leben gut kennen. Dies dürfen wir nicht au-        Menschen, die sich am wenigsten Gehör ver-
ßer Acht lassen und müssen in einer Partner-       schaffen können und die geringsten Chancen
schaft zusammenarbeiten.                           haben, sollten in Eurem Zentrum am meisten
                                                   zu sagen haben. Man muss also die Dinge
Kinderzentren bieten den Praktikern die Mög-       umkehren.
lichkeit, bereichsübergreifend effektiv zusam-
menzuarbeiten. Es muss eine Partnerschaft          Vor zwei Wochen hatten wir in unserem
bestehen zwischen den Praktikern aller Fach-       Zentrum eine Sitzung und wir beschlossen, das
richtungen, zwischen den Fachkräften und           mal anders zu machen. Statt es so wie hier zu
den Kindern, zwischen den Eltern und den           machen – und wir haben sehr schöne Ta-
Fachleuten und den Eltern und ihren Kindern.       gungsräume in unserem Zentrum – statt also
Ein ganzheitliches Vorgehen bedeutet, dass         die Leute, die am meisten Gehör haben, vorne
wir uns alle als Teile eines gemeinschaftlichen    stehen zu haben, haben wir die Stühle im Kreis
Systems sehen. Wir haben heute in Corby            angeordnet, in konzentrischen Kreisen, wo die
vier Kinderzentren und nicht nur eines. Diese      Eltern und die Fachleute alle im Kreis saßen
vier Kinderzentren müssen lernen, mitein-          und in der Mitte der Bürokrat, der Politiker
ander zu arbeiten und nicht gegeneinander          oder die Leute mit dem Geld. Als sie dann
um knappe Finanzmittel zu konkurrieren. Wir        ankamen, bat ich die Leute, die das Geld und
müssen also ein stadtübergreifendes Konsor-        das Sagen haben, jeweils nur fünf Minuten
tium werden und dafür sorgen, dass jedes           zu reden. Am Anfang war ihnen das ziemlich
Kind Zugang zu unseren Angeboten hat.              unheimlich und sie kamen zu mir und sagten,
Obwohl wir schöne Angebote haben und der           oh nein, ich kann doch nicht in einem solchen
Zugang zu ihnen relativ leicht ist, gibt es im-    Kreis sprechen, ich muss vorne stehen. Da
mer noch Familien, die nicht zu uns kommen         sagte ich zu ihnen: In einem Kreis gibt es kein
und die nicht das Gefühl haben, dass wir das       Vorne, das ist nicht möglich. Gelernt habe ich
Richtige für sie haben. Im Sommer letzten          dies aus der Beobachtung der Quäker und

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