Kompetenzfeld Satellitendaten - Beitrag der Fernerkundung zur Digitalisierungsstrategie digital@bw des Landes Baden-Württemberg

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Kompetenzfeld Satellitendaten - Beitrag der Fernerkundung zur Digitalisierungsstrategie digital@bw des Landes Baden-Württemberg
Wild-Pfeiffer et al., Kompetenzfeld Satellitendaten                                                 Fachbeitrag

          Kompetenzfeld Satellitendaten – Beitrag der
          Fernerkundung zur Digitalisierungsstrategie digital@bw
          des Landes Baden-Württemberg
                Franziska Wild-Pfeiffer, Maryse Wampach, Marius Rokus und Karl-Heinz Holuba

Zusammenfassung                                                    Höhenänderungen von Bauwerken und der Erdoberfläche
Dieser Beitrag beschäftigt sich mit dem im Rahmen der Di-          in bislang nicht erreichter Genauigkeit. So können bei-
gitalisierungsstrategie digital@bw des Landes Baden-Würt-          spielsweise größere Erdbebengebiete, spezielle Hebungs-
temberg geförderten Projekt »Kompetenzfeld Satelliten-             und Senkungsbereiche oder das geodätische Festpunkt-
daten«. Es wird die Satellitenfernerkundung mit speziellem         feld durch den Aufbau eines radarinterferometrischen
Fokus auf den optischen Satelliten und Radarsatelliten in die      Passpunktfeldes mittels Corner-Reflektoren (Retroreflek-
Fernerkundungsmethoden der Landesvermessung eingeord-              tor für Radaranwendungen) überwacht werden.
net, das Copernicus-Programm als Innovationsmotor für die             Im Beitrag wird beispielhaft ein Überblick über das
Landesvermessung vorgestellt, mögliche Nutzungspotenziale          Erdbeobachtungsprogramm Copernicus, die nationale
erläutert und das digital@bw-Projekt mit seinen Pilotanwen-        Strategie der Bundesregierung, die Nutzungspotenziale
dungen dargestellt.                                                und die derzeitig geplanten Anwendungen in der Landes-
                                                                   vermessung gegeben. Im Anschluss wird das im Rahmen
Summary                                                            der Digitalisierungsstrategie des Landes Baden-Württem-
This article is dealing with the project »Kompetenzfeld Satel-     berg geförderte digital@bw-Projekt »Kompetenzfeld Sa-
litendaten« funded by the digitalization strategy digital@bw       tellitendaten« vorgestellt.
of the state of Baden-Württemberg. Satellite remote sensing
with special focus on optical and radar satellites is classified
in the remote sensing methods of national surveying, the
Copernicus program is presented as an innovation engine for        2 Copernicus-Programm
the national surveying, utilization potentials are explained
and the digital@bw-project with its pilot applications is pre-     Neben Galileo (zur Positionsbestimmung mittels Satel-
sented.                                                            liten) bilden INSPIRE (zum Aufbau einer europäischen
                                                                   Geodateninfrastruktur) und das europäische Erdbeob-
Schlüsselwörter: Satellitenfernerkundung, Copernicus,              achtungsprogramm Copernicus die drei Grundpfeiler der
Landesvermessung                                                   europäischen Geo-Initiativen. Durch Copernicus sollen
                                                                   die Bereitstellung und Integration vieler Erdbeobach-
                                                                   tungsdaten in einem System für die globale Umwelt- und
                                                                   Sicherheitsüberwachung ermöglicht und hierzu satelli-
1 Einleitung                                                       tengestützte Daten mit terrestrisch gemessenen und flug-
                                                                   zeuggestützt erfassten Daten (sog. in‑situ-Daten) ver-
Die Satellitenfernerkundung stellt einen Teil der Fern-            knüpft werden (vgl. EU‑Verordnung 2014).
erkundung dar, die generell die Gesamtheit der Verfah-                 Das Copernicus-Programm mit seinen Sentinel-Satelli-
ren zur Gewinnung von Informationen von entfernten                 ten ist ein Beispiel für zahlreiche hochaufgelöste optische
Objekten ohne direkten Kontakt mit diesen durch Mes-               Satelliten- und Radarsatellitenmissionen. Das 1998 noch
sung und Interpretation von reflektierter und emittierter          unter dem Namen »Global Monitoring for Environment
elektromagnetischer Strahlung umfasst (vgl. DIN 18716              and Security« (GMES) initiierte europäische Programm
2017). Die Flughöhe der Satelliten variiert von erd-               Copernicus ist ein Gemeinschaftsvorhaben der Europäi-
nahen Umlaufbahnen, sog. Low Earth Orbits (LEO), ab                schen Kommission und der Europäischen Weltraumorga-
ca. 200 km bis hin zu den Umlaufbahnen der Geostatio-              nisation ESA. Es dient dem Aufbau eines eigenständigen
nären Satelliten (GEO) mit über 35.000 km. Im Folgenden            europäischen Systems für Umwelt- und Sicherheitsüber-
liegt der primäre Fokus auf den optischen Satelliten und           wachung, das dauerhaft Erdbeobachtungsdienste für
Radarsatelliten mit erdnahen Umlaufbahnen.                         Umweltverwaltung und Raumplanung, für Transport-
   Fernerkundungssatelliten mit optischen Multispektral-           wesen und Zivilschutz sowie für die Katastrophenhilfe
sensoren eröffnen einer stetig wachsenden Nutzergruppe,            bereitstellt. Es fördert auf der einen Seite die Umsetzung
insbesondere im Vermessungswesen, in der Land- und                 der Lissabon-Strategie, indem ein europäischer Markt für
Forstwirtschaft sowie im Katastrophenschutz, ein enor-             innovative Dienstleistungen geschaffen wird; auf der an-
mes Nutzungspotenzial. Fernerkundungssatelliten mit                deren Seite leistet das Programm einen Beitrag zu den
Radarsensoren liefern Informationen über flächenhafte              »Global Earth Observation System of Systems (GEOSS)«,

DOI 10.12902/zfv-0271-2019                                         © Wißner-Verlag                144. Jg. 4/2019   zfv   253
Kompetenzfeld Satellitendaten - Beitrag der Fernerkundung zur Digitalisierungsstrategie digital@bw des Landes Baden-Württemberg
Fachbeitrag                                                       Wild-Pfeiffer et al., Kompetenzfeld Satellitendaten

Tab. 1: Weltraumkomponente – Sentinel-Satelliten
 Bezeichnung                     Sensortyp                        Anwendung                             Zeitpunkt des Starts
 Sentinel-1 A/B                  Radar                            Land und Ozean, Eiskartierung,             03.04.2014
                                                                  Bodenbewegungen                            25.04.2016
 Sentinel-2 A/B                  multispektraler optischer        Landbedeckung und -nutzung,                23.06.2015

                                                                                                                                 Quelle: www.d-copernicus.de/daten/satelliten/daten-sentinels
                                 Sensor                           Vegetation, Boden, Wasser                  07.03.2017
 Sentinel-3 A/B                  optische Sensoren,               Eis- und Meeresoberfläche,                 16.02.2016
                                 Radarsensoren                    Farbe, Temperatur                          25.04.2018
 Sentinel-4; an Bord der         Spektrometer                     Luftqualität, v. a. O3, NO2, SO2,             2021
 geostationären Satelliten                                        HCHO                                          2027
 Meteosat (MTG)
 Sentinel-5P                     Spektrometer                     Luftqualität, O3, UV                       13.10.2017
 Sentinel-5; an Bord der         Spektrometer                     Luftqualität v. a. O3, NO2, SO2,              2021
 MetOp-SG Satelliten                                              BrO, HCHO                                     2027
 Sentinel-6 A/B                  Altimeter                        Meeresspiegelhöhe                             2020
                                                                                                                2025

die auf das Wohl von Mensch und Umwelt im Sinne bei-                 Eine Zusammenfassung der Weltraumkomponente
spielsweise der Erforschung der Klimaentwicklung ab-              »Sentinel-Satelliten« sowie die wichtigsten Fakten dazu
zielen. Die aktuellen Daten über Ozeane, Landoberfläche,          sind in Tab. 1 dargestellt.
Atmosphäre und Klima werden dabei kontinuierlich er-                 In der Copernicus-Strategie der Bundesregierung vom
fasst. Diese öffentlichen und offenen Daten stehen den            13. September 2017 wird die Bedeutung dieses Pro-
verschiedenen Nutzergruppen (Verwaltung, Wissenschaft,            gramms für Behörden, Unternehmen, Wissenschaft und
Wirtschaft, Bürger) zeitnah kostenfrei zur Verfügung.             Bürger hervorgehoben. Es orientiert sich an Nutzen und
   Die Daten werden in sechs thematischen Copernicus-             Bedarf, es sorgt für Wachstumsimpulse für die deutsche
Kern­diensten aufbereitet und bereitgestellt. Diese sind:         Wirtschaft, stärkt die internationale Zusammenarbeit,
Landüberwachung, Überwachung der Meeresumwelt, der                beteiligt die deutsche Industrie, Wissenschaft und In-
Atmosphäre und des Klimawandels, Katastrophen- und                stitutionen und sichert die Nachhaltigkeit und Weiter-
Krisenmanagement sowie Sicherheitsdienste.                        entwicklung von Copernicus. Die vier Handlungsfelder
   Die Datenerfassung erfolgt einerseits über die Welt-           »mit Nutzergruppen im Dialog sein«, »Zugang zu Daten
raumkomponenten (die Sentinel-Satelliten und beitra-              und Diensten gewährleisten«, »neue Dienste und Tech-
gende Missionen) und andererseits über »In‑­situ«-Kom-            nologien entwickeln« und »gestalten von Copernicus in
ponenten. Als beitragende Missionen werden Fern­                  Europa« setzen die Ziele um (vgl. BMVI 2017).
erkundungsmissionen bezeichnet, die unverzichtbare
komplementäre Daten für die Copernicus-Dienste zur
Verfügung stellen. In‑situ-Daten hingegen stammen von
boden-, luft- oder seegestützten Sensoren wie z. B. von           3 Die Rolle der Fernerkundung für die
meteorologischen Sensoren oder auch Sonden an Wetter-               Aufgaben der Landesvermessung
ballonen, von Flusspegeln, von Fernerkundungsinstru-
menten an Flugzeugen oder entsprechen Geobasisdaten               Ziel der Landesvermessung ist es, aufbauend auf den
wie beispielsweise digitalen Geländemodellen und Ortho-           geodätischen Grundlagenvermessungen die Erschei-
photo-Mosaiken.                                                   nungsformen der Landschaft nach Gestalt und Nutzung
   Für die kontinuierliche Erfassung von Geodaten auf             landesweit, genau und aktuell zu erfassen, in Land-
der Erdoberfläche stehen momentan in der Weltraum-                schafts-, Gelände- und kartographischen Modellen auf-
komponente die Satellitengruppen Sentinel‑1 (Radarfern-           zubereiten und zur vielfältigen Nutzung in Verwaltung,
erkundung) und Sentinel‑2 (multispektrale Fernerkun-              Wirtschaft und Wissenschaft bereitzustellen. Dabei muss
dung) zur Verfügung, die aus jeweils zwei baugleichen             den unterschiedlichen Anforderungen einer zunehmend
Satelliten 1A und 1B sowie 2A und 2B bestehen. Des                digitalen Gesellschaft ein entscheidender Mehrwert ver-
Weiteren sind die Sentinel‑3A- und -3B‑Satelliten zur             liehen werden. Im Kontext des digitalen Wandels leisten
Ozeanbeobachtung sowie der Sentinel‑5P-Satellit zur               Geodaten und Dienstleistungen der Landesvermessung
Quantifizierung von Luftverschmutzung im Orbit. Für               einen zunehmend wichtigen Beitrag entlang der digita-
alle weiteren Sentinel-Satelliten ist ein Start bis 2027 ge-      len Produktions- und Wertschöpfungskette. Im Folgen-
plant.                                                            den werden verschiedene Bereiche der Fernerkundung
                                                                  vorgestellt.

   254   zfv   4/2019 144. Jg.                  © Wißner-Verlag
Kompetenzfeld Satellitendaten - Beitrag der Fernerkundung zur Digitalisierungsstrategie digital@bw des Landes Baden-Württemberg
Wild-Pfeiffer et al., Kompetenzfeld Satellitendaten                                           Fachbeitrag

                                                                                                      Abb. 1:
                                                                                                      Datenerfassungs-
                                                                                                      methoden in der
                                                                                                      Fernerkundung

   Seit Anfang des 20. Jahrhunderts wurde damit begon-        erweitern, dass das Spektrum von großräumigen Satelli-
nen, mit Luftbildaufnahmen und stereophotogrammetri-          tendaten in hoher Wiederholungsrate und mit umfassen-
schen Auswertegeräten die topographische Datenerfas-          den Spektralinformationen über die etablierten Verfah-
sung und die Erstellung und Fortführung topographischer       ren der Photogrammetrie bis hin zum Einsatz von UAS
Karten wirtschaftlicher zu gestalten. In den letzten bei-     (Unmanned Aerial Systems) oder terrestrischen Erfas-
den Jahrzehnten werden moderne digitale Luftbildka-           sungsmethoden für kleinräumige Anwendungen reicht
meras eingesetzt. Die parallele stetige Entwicklung der       (vgl. Abb. 1).
photogrammetrischen Auswertesoftware zur Automati-                Die grundsätzlichen Unterschiede zwischen den
sierung der gesamten Prozesskette hat einen immensen          Datenerfassungsmethoden der verschiedensten Satelli-
technischen Fortschritt in der Orthophotoproduktion ge-       tensysteme und flugzeuggestützten Systeme liegen in der
bracht. Dieser wirkte sich nachhaltig auf die Gestaltung      zeitlichen, räumlichen und spektralen Auflösung.
der Landesvermessung und die Anforderungen der Nut-               Im Fall der optischen Fernerkundungssensoren heben
zer aus.                                                      die vom Copernicus-Programm öffentlich und offen zur
   Mit der Entwicklung von flugzeuggetragenen Laser-          Verfügung gestellten Sentinel‑2-Daten im Gegensatz zu
scanningverfahren (Airborne Laserscanning, ALS) er-           den kommerziellen geometrisch hochaufgelösten Satelli-
lebte auch die dreidimensionale Datenerfassung einen          tenmissionen wie WorldView‑3 und -4 durch ihre Kos-
enormen Innovationsschub. Mit dieser Fernerkundungs-          tenfreiheit das schon vorhandene Potenzial. Die Vor- und
methode war es erstmals möglich, die Geländeoberfläche        Nachteile der Nutzung der Sentinel‑2-Daten gegenüber
auch im (schwach) belaubten Wald in einer bisher nicht        den Geobasisdaten DOP (Digitales Orthophoto) für Auf-
erreichten Genauigkeit und Detailtreue großflächig abzu-      gaben der Landesvermessung sind in Tab. 2 dargestellt.
bilden. Als erstes Bundesland führte Baden-Württemberg            Ein direkter visueller Vergleich der Digitalen Ortho-
zwischen 2000 und 2005 zur Ableitung eines hochge-            photos mit den Sentinel‑2-Satellitendaten zeigt in Abb. 2
nauen Digitalen Geländemodells (DGM) eine landesweite         die unterschiedliche geometrische Auflösung – hier an
Datenerfassung mit dem Verfahren des Airborne Laser-          einem Ausschnitt südöstlich von Ravensburg/Ober-
scanning durch, die derzeit im Rahmen der Aktualisie-         schwaben. Die 100‑fach gröbere Auflösung der Senti-
rung der Hochwassergefahrenkartierung in Kooperation          nel‑2-Satellitendaten ist deutlich zu erkennen; zudem
mit der Wasserwirtschaftsverwaltung mit einer ca. acht-       sind abweichende Farben und Wachstumsstadien der Ve-
fach höheren Punktdichte gegenüber der Ersterfassung          getationsflächen sichtbar. Während der Sentinel‑2-Satel-
wiederholt wird.                                              lit eine Wiederholungsrate von fünf Tagen hat, erfolgen
   Hochaufgelöste Satellitenmissionen, insbesondere das       die landesweiten Befliegungen für die Erzeugung von
Copernicus-Programm, eröffnen der Landesvermessung            Orthophotos jährlich nur in einem Teil der Landesfläche
ein großes Nutzungspotenzial. Copernicus mit seinen           (1/2 – 1/5). Auch ist der Befliegungszeitraum (Vegeta-
Sentinel-Satelliten bietet die Möglichkeit, die Palette der   tionsperiode bzw. laubfreie Periode) nicht bundeseinheit-
Datenerfassungsmethoden in der Fernerkundung so zu            lich festgelegt.

                                                              © Wißner-Verlag               144. Jg. 4/2019   zfv   255
Kompetenzfeld Satellitendaten - Beitrag der Fernerkundung zur Digitalisierungsstrategie digital@bw des Landes Baden-Württemberg
Fachbeitrag                                                 Wild-Pfeiffer et al., Kompetenzfeld Satellitendaten

Tab. 2: Vor- und Nachteile der Nutzung von Sentinel-2-Satellitendaten gegenüber DOP
 Vorteile                                                       Nachteile
 pp Kostenfreie Nutzung der Sentinel‑2-Satellitendaten          pp Geringe geometrische Auflösung im m-Bereich;
 pp Hohe zeitliche Auflösung bei Wiederholungsraten von            höchste Auflösung liegt bei 10 m für die Kanäle
    wenigen Tagen R hohe Aktualität                                RGB‑NIR
 pp Hohe spektrale Auflösung (12 Kanäle; RGB R SWIR)            pp Kontinuierliche Aufnahme in 786 km Flughöhe,
 pp Erfassungsbereich: Europa/weltweit                             dadurch unvermeidliche meteorologische Einflüsse
                                                                   wie beispielsweise Wolken R hoher Aufwand bei der
                                                                   Datenaufbereitung zur Bereitstellung zusammen­
                                                                   hängender störungsfreier Szenen
                                                                pp Störungen in Waldbereichen oder auch Stadtgebieten
                                                                   (Schlagschatten)
                                                                pp Komplexer Datendownload/Verarbeitung und Aus­
                                                                   wertung

Abb. 2: DOP (Frühjahr 10 cm, Sommer 20 cm) vs. Satellitenbild Sentinel-2 (Frühsommer, 10 m)

   Die wachsende Zahl an Erdbeobachtungssystemen mit            leitung der Landbedeckung oder für das Festpunktmoni-
technologisch hochentwickelten Sensoren, deren Nut-             toring auf der Grundlage radarinterferometrischer Ver-
zung durch das Copernicus-Programm unterstützt wird,            fahren (InSAR; Rili-RB-AdV 2017).
erzeugen eine große Menge an Daten in zunehmend ho-
her zeitlicher, räumlicher und spektraler Auflösung (Big
Geo-Data), die wie ein Katalysator für die Erfassungsme-
thode Fernerkundung wirken und als Innovationsmotor             4 Projekt Kompetenzfeld Satellitendaten im
für die Landesvermessung dienen.                                  Rahmen von digital@bw
   Die Integration der Prozesse in die Produktion der Daten
der Landesvermessung kann den Fortführungsaufwand               Mit der Digitalisierungsstrategie digital@bw hat die Lan-
für die Geobasisdaten DLM (Digitales Landschaftsmo-             desregierung zentrale Handlungsfelder und Querschnitts-
dell), DOP, DGM verringern und den Aktualisierungszyk-          aufgaben für Baden-Württemberg identifiziert und eine
lus mit dem Ziel eines hochreaktiven dreidimensionalen          Vielzahl von Innovationsprojekten auf den Weg gebracht
Landschaftsmonitorings signifikant verkürzen. Vor allem         (vgl. IM 2017).
Anwender in Landwirtschaft, Umwelt, Forst und Kom-                  Daten mit Bezug zu einem Standort oder geografi-
munalmanagement, aber auch im Siedlungs- und Ver-               schen Gebiet (Geodaten) sind ein elementarer Baustein
kehrswegebau profitieren davon. Mittels der Satelliten-         der Digitalisierungsstrategie, die aufgrund ihrer Quer-
daten können Rückschlüsse auf topographische Objekte,           schnittsfunktion zu einer digitalen Informationsstruktur
Geländeformen sowie deren Veränderungen (Change De-             erheblich beitragen. Die Landesregierung hat daher auch
tection) gezogen werden. Damit können beispielsweise            Geoinformationen als einen wichtigen querschnittsorien-
Zeitreihen für den Flächenverbrauch und die Siedlungs-          tierten Digitalisierungsbereich definiert.
entwicklung geschaffen, die Landbedeckung ermittelt,                Als eines von fünf digital@bw-Projekten im Bereich
und diesbezüglich Veränderungsanalysen erstellt werden.         der Geoinformationen verfolgt das Projekt »Kompetenz-
   Vor diesem Hintergrund beschäftigt sich seit einiger         feld Satellitendaten am Landesamt für Geoinformation
Zeit auch die Arbeitsgemeinschaft der Vermessungsver-           und Landentwicklung Baden-Württemberg« das Ziel,
waltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland             auf der Grundlage des europäischen Erdbeobachtungs-
(AdV) mit den Möglichkeiten und Chancen, aber auch              programms Copernicus und weiterer beitragender Satel-
den Grenzen der frei verfügbaren Satellitendaten des            litenmissionen, ein Verfahren zur zentralen Aufbereitung
Copernicus-Programms z. B. als Datenquelle für die Ab-          hochwertiger, komplexer Satellitendaten zu entwickeln,

   256      zfv   4/2019 144. Jg.             © Wißner-Verlag
Kompetenzfeld Satellitendaten - Beitrag der Fernerkundung zur Digitalisierungsstrategie digital@bw des Landes Baden-Württemberg
Wild-Pfeiffer et al., Kompetenzfeld Satellitendaten                                          Fachbeitrag

sodass diese die Landes- und Kommunalverwaltungen            eines Netzwerks aus Verwaltung, Wissenschaft, Wirt-
und kleinere und mittlere Unternehmen für innovative         schaft und Experten mit Fokus auf die Bereiche Land-
Anwendungen nutzen können. Damit sollen die vorhan-          und Forstwirtschaft sowie durch die prototypische Auf-
denen Fernerkundungskompetenzen beim LGL weiter-             bereitung und Bewertung von beispielhaften Datensätzen
entwickelt, das Produktportfolio der bereits verfügbaren     unter Nutzung der Projektsoftware. In einer zweiten Stu-
Geodaten um speziell aufbereitete Satellitendaten er-        fe erfolgt die Projektierung des Regelbetriebs.
gänzt und über Webservices, z. B. im Geoportal BW, für          Eine erste Pilotanwendung stellt die Erstellung von
die öffentliche Verwaltung in Baden-Württemberg sowie        Bildmosaiken für ausgewählte Monatshälften von Ba-
für weitere Nutzer in Wirtschaft und Wissenschaft ver-       den-Württemberg dar, die als WMS-Webservice im Geo-
fügbar gemacht werden.                                       portal BW, abrufbar sind. Der gesamte Workflow vom
   Der Kompetenzerwerb erfolgt in einer ersten Projekt-      Daten-Download bis zum fertigen Mosaik wurde entspre-
stufe durch eine Bestandsaufnahme und Evaluation der         chend Abb. 3 erarbeitet – basierend auf schon bestehen-
Systeme, Daten und Dienstleistungen, durch den Aufbau        der Software oder frei verfügbaren ESA-Tools.

Abb. 3: Workflow zur Erzeugung der halbmonatlichen Mosaike

                                                             © Wißner-Verlag               144. Jg. 4/2019   zfv   257
Kompetenzfeld Satellitendaten - Beitrag der Fernerkundung zur Digitalisierungsstrategie digital@bw des Landes Baden-Württemberg
Fachbeitrag                                                  Wild-Pfeiffer et al., Kompetenzfeld Satellitendaten

                                                                 Potenzielle Nutzer der bereitgestellten Satellitendaten
                                                              sind Landes- und Kommunalverwaltungen, im speziel-
                                                              len die Land- und Forstwirtschaft. Die aufbereiteten Sa-
                                                              tellitendaten können z. B. im Bereich der Landwirtschaft
                                                              eingesetzt werden, um Veränderungen zur Aktualisierung
                                                              des landwirtschaftlichen Referenzsystems förderfähiger
                                                              Flächen zu detektieren. Sie können als Bildreihen zum
                                                              Nachvollzug der Veränderungen auf landwirtschaftlichen
                                                              Flächen beispielsweise von Grünlandumbrüchen, der Ab-
                                                              grenzung von Überschwemmungsereignissen oder des
                                                              Monitorings von Biomasse-Aufwuchs/Mähterminen die-
                                                              nen. Im Bereich der Forstwirtschaft sind das frühzeitige
                                                              Erkennen biotischer und abiotischer Schadenseinflüsse,
                                                              das Ableiten von Stressfaktoren wie Borkenkäfer, die
                                                              Laub-Nadelwald-Differenzierung, Baumartenerkennung
                                                              oder die Waldausbreitung mögliche Einsatzbereiche. Die-
                                                              se Anwendungsszenarien der bereitgestellten Satelliten-
Abb. 4: Verschiedene Indizes und Bandkomposite aus Sen-       daten werden momentan getestet.
tinel‑2-Satellitendaten in einer geometrischen Auflösung         Eine weitere Pilotanwendung des Projekts ist die erst-
von 10 m und 20 m                                             malige Ableitung der Landbedeckung im Hinblick auf
                                                              eine Veränderungsdetektion. Die Grundlagen für die Ab-
   Es werden für acht ausgewählte Monatshälften, näm-         leitung der Landbedeckung mittels der Software eCogni-
lich April und Mai 2017 und 2018, Sentinel‑2-Satelli-         tion stellen wolkenfreie Sentinel‑2-Satellitenaufnahmen,
tendaten plus veredelte Daten (Indizes, Bandkomposite)        Referenzflächen für die von der AdV vorgegebenen vier
mit einer geometrischen Auflösung von 10 m und 20 m           Objektartengruppen Bebauung, Vegetationslos, Vegeta-
in Form einer Themenkarte Fernerkundung (www.geo              tion (krautige und holzige Vegetation) und Wasser, sowie
portal-bw.de/themenkarten) bereitgestellt. Im Fall der        digitale Geländemodell-, Oberflächenmodell- und Land-
geometrischen Auflösung von 10 m sind dies True Co-           schaftsmodelldaten dar, die mittels eines Algorithmus
lor, Color Infrared, NDVI (Vegetationsindex) und NDWI         des maschinellen Lernens (hier: Random Forest) mit einer
(Wasserindex); im Fall der geometrischen Auflösung von        Güte von ca. 95 % (Gesamtgenauigkeit) klassifiziert wer-
20 m sind dies Healthy Vegetation, Snow/Clouds und            den. In Abb. 5 ist links das atmosphärisch korrigierte Mo-
Moisture Stress Index jeweils inkl. des Aufnahmezeit-         saik aus Baden-Württemberg mit »No Data«-Bereichen
punkts (vgl. Abb. 4).                                         dargestellt, in denen keine wolkenfreie Szene gefunden

Abb. 5: RGB-Darstellung und Klassifizierung der Landbedeckung für Baden-Württemberg

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Wild-Pfeiffer et al., Kompetenzfeld Satellitendaten                                                       Fachbeitrag

Abb. 6: RGB-Darstellung und Klassifizierung der Landbedeckung der Region um Stuttgart

werden konnte. Basierend auf diesem wird eine Klassifi-        mittels Satelliten, Flugzeugen, Drohnen oder auch terres­
zierung der Landbedeckung abgeleitet (rechts in Abb. 5).       trisch gewonnen werden.
In Abb. 6 ist die Klassifizierung für einen Detailausschnitt      Baden-Württemberg hat sich zum Ziel gesetzt, im Lan-
der Region um Stuttgart dargestellt.                           desamt für Geoinformation und Landentwicklung zentra-
                                                               le Fähigkeiten zur Aufbereitung und Bereitstellung von
                                                               Fernerkundungsdaten verschiedenster Herkunft zur Nut-
                                                               zung in der Landes- und Kommunalverwaltung sowie für
5 Fazit und Ausblick                                           kleine und mittlere Unternehmen aufzubauen und damit
                                                               den Digitalstandort Baden-Württemberg strategisch zu
In diesem Beitrag konnte aufgezeigt werden, dass die           stärken.
Satellitenfernerkundung, im Speziellen das Copernicus-
Pro­gramm, als ein Innovationsmotor für die Landesver-
messung genutzt werden kann.                                   Literatur
   Die Satellitenfernerkundung ist einer permanenten           BMVI (2017): Die Copernicus Strategie der Bundesregierung. Coperni-
                                                                   cus für Deutschland und Europa – Strategie und Handlungsfelder
Weiterentwicklung unterworfen. Zukünftig wird eine                 der Bundesregierung für eine erfolgreiche Umsetzung des europäi-
Vielfalt an Systemen mit unterschiedlichen geometri-               schen Erdbeobachtungsprogramms. Bundesministerium für Verkehr
schen Auflösungen vorliegen. Es werden zudem mehr                  und digitale Infrastruktur.
spektrale Kanäle verfügbar sein, d. h. es wird ein Über-       DIN 18716 (2017): DIN-Norm Photogrammetrie und Fernerkundung –
                                                                   Begriffe. Ausgabe 06. DOI: 10.31030/2654529.
gang von multispektralen Missionen hin zu hyperspek-           EU-Verordnung (2014): Verordnung (EU) Nr. 377/2014 des europäi-
tralen Missionen erfolgen. Konstellationen baugleicher             schen Parlaments und Rates vom 3. April 2014 zur Einrichtung des
Satelliten wie beispielsweise die RapidEye Satelliten              Programms Copernicus und zur Aufhebung der Verordnung (EU)
(5 baugleiche Satelliten) oder die Planet Flock Satelliten         Nr. 911/2010.
                                                               IM (2017): Digitalisierungsstrategie der Landesregierung Baden-Würt-
(»Satellitenschwarm: 185 baugleiche Satelliten«) werden            temberg (digital@bw). Ministerium für Inneres, Digitalisierung und
bereits vermehrt eingesetzt; dadurch wird die zeitliche            Migration Baden-Württemberg, Stuttgart.
Auflösung höher. Insgesamt gehen die Trends hin zu             Rili-RB-AdV (2017): Richtlinie für den einheitlichen integrierten geodä-
kleineren und günstigeren Systemen und zur Bereitstel-             tischen Raumbezug des amtlichen Vermessungswesens in der Bun-
                                                                   desrepublik Deutschland. Arbeitsgemeinschaft der Vermessungs-
lung neuerer Produkte wie beispielsweise Videos. Auch              verwaltungen der Länder der Bundesrepublik Deutschland (AdV),
das Konzept der Sentinel-Satelliten wird zukünftig wei-            Version 3.0 – Stand 16.05.2017.
tergeführt. Bis 2030 ist der Betrieb der aktuellen Genera-
tion durch die Baureihen C und D gewährleistet.                Internetlinks: letzter Zugriff 6/2019.
   Insbesondere die frei zur Verfügung stehenden Senti-
nel-Daten des Copernicus-Programms mit räumlich und
zeitlich hochaufgelösten Datensätzen, die in regelmäßi-        Kontakt
gen Abständen heruntergeladen, durch Algorithmen pro-          Dr. Franziska Wild-Pfeiffer | Maryse Wampach | Marius Rokus |
                                                               Karl-Heinz Holuba
zessiert und den Nutzern zur Verfügung gestellt werden,        Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-
erfordern Kenntnisse im Umgang mit großen Datenmen-            Württemberg, Kriegsstraße 103, 76135 Karlsruhe
gen. Das Thema Big Geo-Data spielt im Zusammenhang             franziska.wild@lgl.bwl.de | maryse.wampach@lgl.bwl.de
mit der Satellitenfernerkundung eine zunehmend große           marius.rokus@lgl.bwl.de | karl-heinz.holuba@lgl.bwl.de
Rolle.
   Der Trend bei der Erledigung der momentanen und
zukünftigen Aufgaben der Landesvermessung wird in
der Kombination der Fernerkundungsdaten liegen, die            Dieser Beitrag ist auch digital verfügbar unter www.geodaesie.info.

                                                               © Wißner-Verlag                          144. Jg. 4/2019   zfv   259
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