Netzhaut-Komplikationen bei Diabetes mellitus
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ORIGINALIE Netzhaut-Komplikationen bei Diabetes mellitus Aktuelle Strategien zur Behandlung und Prävention K. Engelmann1*, O. Furashova1*, M. Hanefeld2, setzungen zum Beispiel für die Nut- ses betrifft die Lebensgewohnheiten A. L. Birkenfeld3, C. Jochmann4, D. Kowerko5 zung von Daten notwendig sein werden, des Patienten, die beeinflussbar sind, um solche Ziele gemeinsam zu errei- die internistischen Therapien, aber auch Zusammenfassung chen. das Screening von Patienten. Die nati- Die Behandlung des Diabetes mellitus onale Versorgungsleitlinie „Diabetes ist eine der Erkrankungen, bei der be- Teil II: Individualisierte Therapie mellitus – Prävention und Therapie von reits vor vielen Jahren auf die Wichtig- Mithilfe der Biomarker, Einsatz Netzhauterkrankungen“ sieht ein zwei- keit einer standardisierten Medizin und der Künstlichen Intelligenz und jährliches Screening oder im Falle von Diagnostik hingewiesen und diese auch interdisziplinäre Zusammenarbeit Risikopatienten jährliches Screening in die Medizin eingeführt wurde. Gleich- Die digitale Medizin und automatisierte bei Diabetes Typ II Patienten vor. Dis- zeitig zielten die Behandlungsstrate- Analyse der Daten im Therapieverlauf kutiert wird eine noch bessere indivi- gien des Diabetes mellitus aber auch wird gerade bei Patienten mit chro- duelle Anpassung eines solchen fixen schon früh auf eine Individualisierung nisch verlaufenden Erkrankungen ent- Schemas wie es andere Länder bereits der Therapie, also angepasst (persona- scheidend und hilfreich sein. Therapien getan haben. So wird in Kanada und lisiert) für den einzelnen Patienten. Teil II und Organsysteme dürfen nicht mehr Australien die Netzhaut von Patienten beschäftigt sich mit den Möglichkeiten, allein fachspezifisch betrachtet werden. im Verlauf individualisiert untersucht je die den Ärzten in Zukunft durch digitale Der Patient als Individuum mit ver- nach Risiken für die Entstehung einer Hilfen, wie zum Beispiel der künstlichen schiedenen Organbeteiligungen muss Retinopathie. Dazu gehören auch La- Intelligenz, unterstützend zur Verfü- besser in den Fokus der Behandlung borparameter, wie zum Beispiel Serum- gung stehen werden, um die Behand- gestellt werden. Dies ist eine enorme Blutzucker, Lipidwerte und Blutdruck- lung von Patienten im Sinne einer per- Herausforderung und kann zukünftig werte. [37] Eine gute Kontrolle der sonalisierten Medizin zu verbessern. nur durch unterstützende Systeme und Hyperglykämie hat ohne Frage Erfolge Diskutiert wird auch, welche Voraus- Datenanalysen durch die Ärzte be- gezeigt in der Verminderung des Risi- werkstelligt werden. Erste Erfahrungen kos für die Entstehung einer diabe- über den Einsatz des maschinellen Ler- tischen Retinopathie. Dennoch sind 1 Augenklinik des Klinikums Chemnitz nens für die Identifikation von Patien- schwere retinale Veränderungen nicht gGmbH, Chemnitz ten mit einem hohen Risiko für die Ent- immer durch Hyperglykämien erklärbar. 2 Kompetenzzentrum Metabolisch-Vas- wicklung einer diabetischen Retinopa- [28] Andere Faktoren beeinflussen kuläre Medizin, Prof. Hanefeld, GWT-TUD thie wurden bereits beschrieben. [36] ebenfalls den Erkrankungsverlauf und GmbH, Dresden die Organbeteiligung des Auges. So 3 Medizinische Klinik und Poliklinik III, Die Behandlung des Diabetes mellitus wird die Rolle von schwer messbaren Bereich Metabolisch Vaskuläre Medizin, ist eine der Erkrankungen, bei der beziehungsweise nicht routinemäßig Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, bereits sehr früh auf Individualisierung erhobenen Parametern, wie zum Bei- Technische Universität Dresden der Therapie hingearbeitet wurde. Die- spiel Advanced Glycation Endproducts 4 Klinik und Poliklinik für Augenheilkunde am Universitätsklinikum Leipzig, AöR 5 Technische Universität Chemnitz, Junior Professorship Media Computing, Chemnitz * Prof. Dr. med. Katrin Engelmann und Dr. med. Olga Furashova geben eine geteilte Erstautorenschaft an. Ärzteblatt Sachsen 11|2019 21
ORIGINALIE (AGE) oder anderer oxidativer inflamm- Verlauf einer Erkrankung eignet. Diese rapie deutlich geringer bis gar nicht zu atorischer Prozesse, diskutiert. Analyse bietet sich insbesondere für erwarten. [44] Weitere Biomarker sind die langfristig durchzuführende Thera- hyperreflektive Foci, seröse Abhebung Was kann heute getan werden, um die pie mit VEGF-Hemmern (VEGF = Vas- der neurosensorischen Netzhaut und Situation des einzelnen Patienten bes- kulärer Endothelialer Wachstumsfak- erhöhte zentrale Hyperautofluoreszenz ser zu klassifizieren? Aus der frühzeiti- tor) an. Die Studien zur Zulassung die- (Abb. 3). Diese in der OCT erkennbaren gen digitalen Erfassung von Patienten/ ser Therapien hatten sich lediglich auf Parameter sind mögliche Prädiktoren Behandlungsdaten und bildgebenden den Erfolg der Visuserholung, den für ein verstärkt im Vordergrund ste- Diagnoseverfahren über lange Zeit- Rückgang der Netzhautdicke und die hendes inflammatorisches Geschehen. räume ergibt sich das Potenzial, Risiko- Therapieschemata konzentriert. Nach [45, 46] Daher sollte bei einer Behand- faktoren für bestimmte Organe zum nun mehrjähriger Erfahrung in zum Teil lung mit VEGF-Hemmern besonders aktuellen Zeitpunkt des Screenings, sehr langen Therapieverläufen konnte auf den Rückgang dieser Veränderun- aber auch prädiktiv zu bestimmen. für die Makulaerkrankungen gezeigt gen geachtet werden. werden, dass die Veränderungen be- Biomarker und Individualisierung stimmter retinaler Struk turen unter Anti- Diese Daten zeigen, wie wichtig die der Therapie VEGF-Therapie Auskunft über die Erfolge Definition bestimmter Imaging-Marker Die Konzepte zur Behandlung des Dia- vom Visusverlauf geben können. für den Verlauf einzelner Makulaerkran- betes mellitus werden in Deutschland kungen ist. So können sie in Zukunft als ein Paradebeispiel für individuali- So spielt die Integrität des äußeren und helfen, die Therapie des diabetischen sierte Medizin betrachtet. Eine indivi- inneren Bandes der Fotorezeptoren Makulaödems frühzeitig in ihrem An- dualisierte Therapie setzt voraus, dass (Ellipsoid-Zone) nach der chirurgischen sprechen auf Anti-VEGF-Therapie zu der behandelnde Arzt die Datenlage Behandlung eines Makulaforamens charakterisieren und alternative Mög- des jeweiligen Patienten aus allen eine entscheidende Rolle für eine gute lichkeiten einzubeziehen. Dazu gehört Fachrichtungen kennt. Dies ist heutzu- Erholung der Sehkraft. [39] Bei der vor allem die frühzeitige Chirurgie tage weiterhin nur sehr mühselig über AMD-Behandlung zeigt sich ein sehr den Austausch von Daten meist direkt heterogenes funktionelles Ansprechen über den Patienten möglich. Die digita- auf die Therapie. Rein klinisch kann lisierten Wege bieten heutzutage sehr eine Prognose nicht abgegeben wer- viel mehr und können bei der Thera- den. Eigene Auswertungen weisen dar- pieverfolgung und -entscheidung hel- auf hin, dass ein enges Therapieregime fen. Algorithmen, beispielsweise maschi- zwar Erfolge zeigen kann, jedoch zeig- nelle Lernmethoden, können eine Viel- ten Langzeitverläufe aus Zulassungs- zahl an individuellen (digitalisierten) studien oder Real-Life-Studien mit Eingabedaten verarbeiten und daraus Anti-VEGF-Behandlung, dass nur circa relevante Parameter hervorheben, die 30 Prozent aller Patienten davon profi- bei der Klassifikation erkrankungsspe- tieren. [40, 41] Datenanalysen konnten zifischer Merkmale oder markanter nun zeigen, dass spezielle Imaging-Bio- Verläufe helfen. marker tatsächlich eine Prognose hin- sichtlich der Sehkraft geben können. In der Augenheilkunde gibt es erste [42] Auch für das diabetische Makula- Ansätze, Biomarker für die Behandlung ödem konnte gezeigt werden, dass eine von sehr häufig vorkommenden Maku- ausführlichere Beurteilung der OCT- Abb. 3 a: OCT eines diabetischen Makulaödems laerkrankungen zu identifizieren, zum Daten (OCT = Optische Kohärenztomo- mit intraretinaler Flüssigkeitsansammlung (*); Beispiel bei Patienten mit diabeti- grafie) über eine größere Fläche kumu- die Schichtstruktur der inneren Netzhaut direkt zentral ist gut erkennbar. schem Makulaödem, altersbedingter lativ die Progression der Erkrankung b: OCT eines diabetischen Makulaödems mit Makuladegeneration (AMD) oder Maku- besser beschreiben kann. [43] Findet intraretinaler Flüssigkeitsansammlung (*) und DRIL (die Schichtstruktur der inneren Netzhaut direkt laforamen. [38] Es ist naheliegend, sich bei diabetischem Makulaödem zentral ist nicht mehr zu erkennen). dass die hochauflösende Technik der eine Desorganisation der inneren Netz- c: OCT eines stark ausgeprägten diabetischen Makulaödems mit intraretinaler Flüssigkeits- optischen Kohärenztomografie (OCT) hautschichten (DRIL), so ist eine Visus- ansammlung, seröser neurosensorischer Abhebung sich gut für die Analyse der Daten im erholung Verlauf einer Anti-VEGF-The- (roter Pfeil) und heprereflektiven Foci (rote Kreise). 22 Ärzteblatt Sachsen 11|2019
ORIGINALIE (pars-plana-Vitrektomie), die dann sehr lyse, welche nur mittels digitaler An- 10.000 bis 100.000 Datensätzen, wie erfolgreich sein und eine Situation für sätze realisiert werden können. am Beispiel eines Kaggle-Wettbewerbs den Diabetiker beruhigen kann. Wird zur rechnergestützten vollautomati- die operative Behandlung zu spät ein- Forschung mit schen Klassifikation verschiedener For- gesetzt, sind möglicherweise bereits zu maschinenlesbaren Daten men der Diabetischen Retinopathie viele retinale Schäden durch ein langes Bei AMD konnten bereits erste Daten anhand von Fundusaufnahmen deut- Abwarten oder eine zu lang praktizierte mithilfe des Machine Learnings für lich wird. [48] Wir stehen vor der enor- intravitreale Therapie entstanden. automatisierte Imaging Analyse ge- men Aufgabe, dass wir „zwar Milliarden Auch die Betrachtung der Blutzucker- wonnen werden. [41] Dieses ist eine im Bereich der Gesundheitsversorgung einstellung und der Blutdrucklage muss Computerwissenschaft, die mithilfe ausgeben, wir die daraus resultieren- aufgrund der inzwischen vorliegenden automatisierter Algorithmen patho- den Daten aber nicht weiter zum Erkenntnisse mehr in die Therapie ein- gnomonische und prognostische Mus- Erkenntnisgewinn nutzen“ (Prof. Dr. bezogen werden. ter in großen Datenmengen erkennt. med. Christiane Woopen, MDK forum). Wir selbst haben dazu unsere Daten im Wir alle lernen gerade, dass eine com- Um Biomarker für Diabetiker überhaupt Verlauf der Anti-VEGF-Therapie bei putergestützte Nutzung von Daten zu klassifizieren, hat unsere Arbeits- Patienten ausgewertet und konnten voraussetzt, dass diese nicht nur digi- gruppe die Parameter aus Serum und durch diese Daten zeigen, dass ein tal, sondern auch maschinenlesbar und Plasma von Typ-II-Diabetikern analy- optimiertes Therapieregime eher nur eindeutig interpretierbar sind, was im siert. Als signifikante Marke fanden bei einem Drittel der Patienten eine Alltag aktuell leider nicht immer der sich das Serum VEGF-A, aber auch Sehverbesserung bewirken kann. Bei Fall ist. Die Nutzung von Daten ist hsCRP, ALAT, und die Albumin/Kreati- circa einem weiteren Drittel wird damit zurzeit nur zu einem geringen nin-Ratio. [47] Es konnte auch gezeigt zumindest eine Stabilisierung erreicht. Prozentsatz möglich und muss zusätz- werden, dass die Höhe des Serum Der Rest der Patienten erlebt unter lich unter Datenschutz-Kriterien erfol- VEGF-A eine bessere Aussage zulässt Therapie eine weitere Verschlechterung. gen. Viele Voraussetzungen sind not- als die des Plasma-Spiegels. Ein hoher Diese maschinellen computergestütz- wendig, wie im Folgenden beschrieben. Serumspiegel an VEGF-A spricht mög- ten Datenanalysen könnten helfen, die In einer Datenanalyse-Studie mit der licherweise für regeneratorische Me- Prognose für Patienten besser abzu- Augenklinik der Klinikum Chemnitz chanismen, die bei einer Stoffwechsel- schätzen, als dies mit dem „klinischen gGmbH wurden diverse forschungsre- situation mit erhöhten entzündlichen Blick“ möglich ist. Dadurch können levante Daten analysiert hinsichtlich Parametern oder mit einer Nephropa- Kosten für langwierige Therapien ver- ihrer Nutzbarkeit für die computerwis- thie eine Rolle spielen mögen. mieden werden, aber auch Nebenwir- senschaftliche Forschung, zum Beispiel Es ist offensichtlich, dass diese um- kungen bei Patienten, die nicht anspre- zur Nutzung im Bereich der Bildverar- fangreiche Beurteilung im Sinne einer chen. Andererseits kann sowohl der beitung und bildbasierten Klassifika- Verbesserung der individualisierten The- Fokus auf Patienten gelegt werden, tion. [49] Im Fokus der Untersuchung rapie eines Patienten von einem einzel- welche von der Therapie profitieren, als standen: nen Arzt im Praxisalltag praktisch nicht auch das Therapieregime eher ange- (a) allgemeine Patientendaten (zum mehr zu leisten ist. Diese Differenzie- passt werden. Beispiel Name, Geburtsjahr/Alter, rungen in der „systemischen“ Situation Auf dem Weg zur individuellen Medizin Geschlecht, ethnische Herkunft, des Patienten mit diabetischem Maku- ergibt sich die Notwendigkeit, die Viel- Wohnort, Identifikationsnummer), laödem (DMÖ) können unter den jetzi- zahl verfügbarer Parameter nach Rele- (b) ausführliche Anamnese (Körperge- gen Praxisbedingungen allein von Augen- vanz zu screenen, um beispielsweise wicht, Größe, andere Erkrankungen ärzten nicht geleistet werden. Es ist Ursachen zu finden, die im Therapie- [Diabetes mellitus], genetische/erb- daher eine Kommunikation auf inter- verlauf zu Gewinnern, Stabilisierern liche Risikofaktoren), disziplinärer Ebene notwendig, um zu und Verlierern führen. Computerwis- (c) Diagnose- und Behandlungsdaten untersuchen, inwieweit die Anti-VEGF- senschaftlich stehen dazu heutzutage (Medikation, Therapie) und Therapie am Auge die inflammatorische zahlreiche maschinelle Lernmethoden (d) Daten aus diagnoseunterstützen- Stoffwechsellage (auch vice versa) oder bereit, zu denen auch Deep Learning den Untersuchungen, wie beispiels- eine Nephropathie negativ beeinflusst. Algorithmen zählen. Diese basieren in weise Visusprüfung und bildgeben- Darüber hinaus besteht ein essenzieller der Regel auf einigen 100 bis 1.000 de Verfahren (Fundus-, OCT-Auf- Bedarf an Methoden für Big Data Ana- Datensätzen [41] oder gar auf einigen nahmen). Ärzteblatt Sachsen 11|2019 23
ORIGINALIE Es zeigte sich, dass Daten vom Typ (a) Behandlungserfolg in Frage kommen, eine Reihe einfacher Indikatoren heran- bis (c) über das medizinische Aus- sind zumeist über 90 Prozent, jedoch gezogen werden, die in Tab. 1 zusam- tauschformat (bdt-Behandlungsdaten- deutlich geringer für selten vorkom- mengestellt sind. Patienten, die für transfer) skriptbasiert, maschinell er- mende Klassen. diese Parameter positiv sind, weisen fassbar und auch im Sinne der Ethik- Perspektivische Anforderungen, um kli- mit steigender Punktzahl ein hoch sig- richtlinien vorverarbeitbar sind. [50] nische Massendaten für computerwis- nifikantes Risiko für die Entwicklung Einschränkungen in der Daten-Lesbar- senschaftliche Forschung nutzbar zu und Progression einer diabetischen keit gibt es besonders bei Typ (d) auf- machen und damit Prävention und Retinopathie auf. Auch wenn bis heute grund proprietärer (geräteherstellerge- Prognosen zu ermöglichen, seien im verlässliche Zahlen aus prospektiven schützter) Dateiformate (zum Beispiel Folgenden kurz dargestellt. Es bedarf, Studien fehlen, die eine Quantifizierung *.fda und *.e2e für OCT-Bilddaten und wo möglich, einer einheitlichen, fach- des Anteils dieser Indikatoren am Bildmetadaten). Der Zugriff auf solche spezifischen Nomenklatur zur Doku- Krankheitsverlauf ermöglichen, so Daten gelingt aber nicht vollumfänglich mentation von Diagnose- und Behand- kann man doch jetzt bereits eine klare durch programminterne Exportfunkti- lungsdaten, unabhängig vom Arzt oder Indikation für die konsequente Thera- onen, welche für Massendatenexport der behandelnden Klinik. Ein Ansatz zur pie folgender vier Hauptrisikofaktoren oft nicht ausgelegt sind. Auswege bie- technischen Realisierung ist der Ein- abgeleitet werden: ten frei zugängliche Software-Tools, satz von Makros mit eingeschränkten, wie der Unified OCT Explorer zur ge- vorgefertigten Auswahlmöglichkeiten 1. Diabetes-Kontrolle: HbA1c ≤ 7 räteunabhängigen Visualisierung und innerhalb der Dokumentations-Soft- Prozent ohne Hypoglykämien. Hier Exportierung von Daten. [51] Daten des ware. Der Zugang zu medizinisch rele- ist besonders auf rasche Blut- Typs (d) liegen oft physisch getrennt vanten Informationen innerhalb proprie- zuckerschwankungen zu achten. von denen des Typs (a) bis (c), was die tärer Dateiformate muss erleichtert 2. Blutdruckkontrolle mit Zielkorridor zeitliche Synchronisierung und Zuord- werden, zum Beispiel über Austausch- ≤ 120–140 / ≤ 70–85 mmHg, weniger nung zu Patienten erfordert. Probleme formate oder Formate mit offenen strikte Einstellung im höheren Alter. hinsichtlich der Eindeutigkeit gibt es Standards wie das DICOM-Format. Zu- 3. Hypercholesterinämie LDL ≤ 1,8 – bei Typ (b) und (c), welche von Freitext sätzliche Schnittstellen zur Vernetzung 3,1 mmol/l, striktere Einstellung bei dominiert werden, die erst durch soge- von Kliniken und forschenden Einrich- koronarer Herzkrankheit. nanntes Textmining aufzubereiten sind. tungen sind notwendig, aber auch zur 4. Prävention der diabetischen Retino- Fortschritte erlauben hier Makros, die patientenbezogenen Datenfusion des pathie (dies ist bisher nur für Insulin, beispielsweise bei der OCT-Befundung Typs (a) bis (d). Durch Einräumung grup- SGLT2-Inhibitoren und GL-1 Analoge eingesetzt werden, bei denen es nur penspezifischer Rechte lassen sich nachgewiesen). genau vordefinierte Entscheidungs- detaillierte technische Vorgaben zum möglichkeiten gibt (zum Beispiel intra/ Erfüllen ethischer Richtlinien daran an- Im Falle von Hochrisikopatienten und subretinale Flüssigkeit, Pigmentepi- passen. bei bereits Vorliegen der diabetischen thelabhebung: ja/nein). Die Klassifika- Retinopathie erfordert das eine abge- tionsgenauigkeit der von Rößner et al. Aus interdisziplinärer Sicht stimmte Kooperation und Konsultation per Textmining gewonnenen Klassen, Für die Risikobewertung einer Retino- von Ophthalmologen, Diabetologen, die als potenzielle Biomarker für einen pathie kann unter Praxisbedingung Endokrinologen und Nephrologen, res- Tab. 1: Indikatoren für erhöhtes Risiko der diabetischen Retinopathie Anamnese Klinik Laborparameter • Diabetesdauer ≥ 10 Jahre • Typ-1-Diabetes und LADA mit • HbA1c ≥ 8 %* • kardiovaskuläre Erkrankungen diabetesbezogenen Komplikationen • LDL-Cholesterin > 2,9 mmol/L* • chronische Nephropathie • Typ-2-Diabetes mit Makro- und Mikro- • Albumin/Kreatinin-Ratio (ACR) i.U. angiopathien (Nephropathie, Hyperto- > 30-300 mg/g Kreatinin* • Hypoglykämien nie mit RR > 140/85 mmHg) • hs-CRP ≥ 2 mg/L* • erhöhtes VEGF-A im Serum *obligat 24 Ärzteblatt Sachsen 11|2019
ORIGINALIE pektive Internisten auf der Ebene der ren Entwicklung von Forschungsdaten miologische Daten für die Region zu Primärversorgung. und deren Umsetzung in die Praxis, erhalten. Die Nutzung und Beurteilung aber auch einer noch fehlenden Vernet- großer Datenmengen erfordern eine Für die medikamentöse Therapie des zung zum besseren Austausch von gute IT-gestützte Kooperation. Diabetes mellitus mit fortgeschrittener Daten unter den Bedingungen einer DR und DMÖ liegen positive Ergebnisse datengeschützten Entwicklung. Direk- Fazit für die Zukunft aus kontrollierten Studien nur für Insu- toren und Chefärzte der Universitäts- • Imaging- und serologische Biomar- lin bei Typ I Diabetiker vor. Diese zeigen, kliniken und Augenkliniken in Sachsen ker können bei der Differenzierung dass mit einer HbA1c-Senkung unter (Prof. Dr. med. Peter Wiedemann, Prof. von Erkrankungen und Beurteilung sieben Prozent die Inzidenz und Pro- Dr. med. habil. Lutz Pillunat, Prof. Dr. von Therapieverlauf hilfreich sein. gression der DR um ≥ 40 Prozent redu- med. Leon Kohen, Prof. Dr. med. Katrin • Für das diabetische Makulaödem ziert werden kann. [52] In der ORIGIN- Engelmann, Dr. med. Jens Schrecker, sind bereits OCT-Biomarker mit Studie konnte für Glargine Insulin eine Prof. Dr. med. Helmut Sachs) haben hoher Robustheit beschrieben und signifikante Reduktion neuer DR-Fälle sich daher motiviert gefühlt, Verbin- können bei der Beurteilung in der sowie Erblindung und Vitrektomien bei dungen zwischen den Kliniken herzu- Diagnostik eingesetzt werden. Typ-2-Diabetikern nachgewiesen wer- stellen, um im Netzwerk schneller und • Augenärztliche Therapien wie die den. [53] effektiver im Bereich von Behand- Behandlung mit VEGF-Hemmern lungsstrategien, Studien, Qualitätskon- können nur dann wirkungsvoll sein, In den letzten Jahren wurden in kar- trolle und Kommunikation mit dem wenn eine Stoffwechsel-Kontrolle diovaskulären Outcome-Studien für Gesundheitswesen tätig zu werden. und systemische Therapie nach bes- SGLT2-Inhibitoren nicht nur signifikante Weiterhin erfordert der Austausch von tem Wissen und Standard geschieht, Senkung von kardiovaskulären Major- Daten ein besseres, vorwiegend digita- was eine enge Kooperation mit ereignissen, sondern auch für Herzin- les Netzwerk mit niedergelassenen Internisten und Diabetologen suffizienz und Mikroangiopathien er- Augenärzten, aber im Fall der Versor- erfordert. zielt. [54, 55] Gleiches gilt für GLP-1 gung von Diabetespatienten auch mit Analoga: Liraglitide (Victoza) [56] und Hausärzten, Internisten und Diabetolo- Hierzu sind bessere Netzwerke zum Semaglitide. [57] Mit diesen Medika- gen. Die Entwicklung der Digitalisierung Austausch von Daten notwendig. Die menten wurde gleichzeitig die diabeti- auch in der Medizin und vor allem das künstliche Intelligenz kann gegebenen- sche Nephropathie gebessert, respek- Maschinelle Lernen wird hierzu Mög- falls helfen, Therapieverläufe unter- tive das Neuauftreten einer Makropro- lichkeiten bieten. Wir sind gemeinsam stützend für den Arzt zu begleiten. teinämie signifikant reduziert. Für den gefordert, diese gewinnbringend für gezielten Einsatz dieser Antidiabetika uns und unsere Patienten im Netzwerk Literatur bei den Autoren wurden 2018 neue Leitlinien durch einzusetzen. Eine regionale Versorgung Korrespondierende Autorin: internationale Fachgesellschaften pub- wird immer auf eine entsprechende Dr. med. Olga Furashova Klinikum Chemnitz gGmbH liziert. [58] Für die tägliche Praxis kann regionale Versorgungforschung ange- Klinik für Augenheilkunde auf Diabetes Up To Date verwiesen wiesen sein, um die Versorgungsquali- Flemmingstraße 2, 09116 Chemnitz werden, das gut aufbereitete aktuelle tät für Sachsen zu sichern und epide- E-Mail: O.Furashova@skc.de Empfehlungen für die Primärversor- gung liefert. [59] Das Sächsische Makulazentrum Die Erwartung von Patienten, Ärzten und Politik ist es, die Versorgung aller Patienten in Sachsen sicherzustellen bei gleichzeitiger Individualisierung (Personalisierung) der Therapie. Dieses ist ein hoher Anspruch geworden, vor allem vor dem Hintergrund eines Man- gels an Augenärzten in einigen Regio- nen in Sachsen und einer immer rasche- Ärzteblatt Sachsen 11|2019 25
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