Konzept Alternativer Lernort I Sekundarschule Ebikon Peer-Tutoring

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Alternative Lernorte – Peer-Tutoring

                          Alternativer Lernort I Sekundarschule Ebikon
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                                                                                                Konzept

1       Einleitende Gedanken

Schülerinnen und Schüler (SuS), die einander beim Lernen helfen, gibt es in verschiedenen
Varianten. Das Peer-Tutoring als ein Hilfssystem, in welchem eine SchülerIn1 einer anderen
SchülerIn hilft, soll an der Sekundarschule Wydenhof ausserhalb der Unterrichtszeit
systematisch strukturiert, gefördert und genutzt werden. Entscheidendes Merkmal des Peer-
Tutorings ist das Unterrichtsprinzip des Lernens durch Lehren. Die auch für LehrerInnen aus
ihrer Erfahrung stammende Erkenntnis, dass man durch das Lehren und Unterrichten selbst
am besten lernt, konnte auch durch empirische Untersuchungen bei SchülerInnen erhärtet
werden (Devin&Sheehan 1976; Allen 1976, S. 236 ff., Fitz-Gibbon 1977). Deshalb ist es
erwünscht, dass alle2 SchülerInnen möglichst oft TutorInnenfunktionen übernehmen.

Peer-Tutoring vermehrt kulturelles und soziales Kapital – vor allem bei denjenigen, die es
dringend benötigen. Peer-Tutoring setzt ein grosses Potential an Lehr- und Lernenergie frei.
Es verändert die Organisation Schule im sozialen Bereich und führt zur Leistungssteigerung.
Es setzt ausserdem bei zentralen Problemen der Schule an: das zunehmende Desinteresse
der SchülerInnen, die Entfremdung, das gesellschaftliche Abseits, in das die Schule für viele
SchülerInnen geraten ist, die Isolation, in der sich viele Kinder befinden, die zunehmende
Anonymität der Grossschulen. Peer-Tutoring ist somit eine Sozialform, die aus dem
Unterricht und der Schule „herausragt", positive ausserschulische Konsequenzen hat, z.B.
neue Freundschaftsbeziehungen. Somit wird mit dem Peer-Tutoring eine schrittweise
Wandlung des schulischen Rollen- und Kommunikationssystems initiiert.

Durch das Peer-Tutoring erhofft sich die die Schule
   • Leistungsverbesserungen für TutorInnen und die jüngeren SchülerInnen, welche die
       Hilfe beanspruchen (Tutees).
   • dass eine Atmosphäre in der Schule geschaffen werden kann, in der mehr
       SchülerInnen als sonst Erfolgsgefühle haben.
   • mehr SchülerInnen Anstösse zur Leistungsmotivation vermitteln zu können.
   • den TutorInnen Vertrauen und Selbstbewusstsein vermitteln zu können.

1
  Wir berücksichtigen alle Geschlechter durch diese Schreibweise. Wo dies – meist aus Gründen der Lesbarkeit
– nicht geschieht, sind jeweils Personen allen Geschlechts gemeint.
2
  Vor allem aber leistungsschwache Schüler (für die Einführung des Projekts werden jedoch noch keine
leistungsschwachen SuS eingesetzt, der Einsatz ist jedoch die Vision).
•   den TutorInnen die Möglichkeit geben zu können, LehrerInnenverhalten zu
        praktizieren und sich damit besser in die LehrerInnen einzufühlen und pädagogische
        Qualifikationen zu erwerben.
    •   soziale Qualifikationen, z.B. einen positiven Umgang mit jüngeren SchülerInnen zu
        vermitteln.
    •   aggressives und sozialstörendes Verhalten abzubauen, indem kooperatives
        Verhalten aufgebaut wird.
    •   der Tatsache Raum geben zu können, dass gewisse SuS besser in Peer-Interaktion
        lernen.

2       Grundlagen

Das vorliegende Konzept beruht u.a. auf folgenden drei Prinzipien spezifisch zum Lernen im
Tutoring-System:

2.1     Das Lernen der TutorIn durch Lehren
Der TutorIn muss bewusst sein, auf welchen inhaltlichen Überlegungen und Lernstrategien
ihr Erfolg beruht. Damit die TutorIn diesen Lernvorsprung für andere nützlich machen kann,
muss sie bzgl. Inhalt und Lernstrategien explizit machen, was sie bei der Selbstregulation
des eigenen Lernens meist implizit tut: Die TutorIn macht sich selbst und dem/r anderen
bewusst, wie sie neues Wissen mit bereits vorhandenem Wissen verknüpfen kann.

 Durch diese inhaltliche Planung (Aspekt der   Die intuitiv angewandten oder trainierten
 kognitiven Aktivierung) kann das Wissen       Lernstrategien müssen für die Tutee
 der TutorIn inhaltlich gefestigt und          durchdacht und verständlich vorgetragen
 ausdifferenziert werden.                      werden. Die TutorIn experimentiert beim
                                               Helfen mit dem Einsatz von Lernstrategien,
                                               in dem sie mit einem/r anderen
                                               verschiedene Strategien erprobt, die das
                                               Lernen unterstützen.

TutorInnen können alle Ebenen der Selbstregulationsstrategien über die Explikation in
besonderer Weise bewusst machen, ihr Wissen transferieren und dabei für das eigene Lernen
ausdifferenzieren (kognitive Strategien (Lern- und Verarbeitungsstrategien), metakognitive
Strategien (Organisation des Lernprozesses), Strategien zur Regulation der
Selbstaktivierung).
2.2     Das Lernen der Tutee durch Individualisierung
Die Tutee lernt, dass sie sich mit ihren Fragen und Schwierigkeiten nicht verstecken muss,
Vertrauen in die TutorIn, deren Fähigkeiten und deren respektvolles Verhalten haben kann.

Der individuelle Wissensaufbau wird durch den sozialen Austausch untereinander
begünstigt, denn die TutorIn kann individuell passendere Anregungen geben: eine
passgenauere Verknüpfung von altem und neuem Wissen kann genutzt werden.

Die Tutee lernt durch eine individuell passende Explikation von Wissen und Lernstrategien.
Diese gute Passung wird dadurch unterstützt, dass die Erklärungen der TutorIn auf aktuellen
inhaltlichen und lernstrategischen Erfahrungen basieren sowie in der Sprache der Lernenden
erfolgt.

2.3     Erlernen und Reflexion beim Tutoring
Bei dem Tutoring-System reicht es nicht, schlicht auf vorhandene Fähigkeiten der SuS,
insbesondere der TutorInnen zurückzugreifen. Die Konsequenz ist, dass Formen des
Erlernens und der begleiteten Reflexion Anwendung finden müssen. Durch Strukturen
unterstützt wird die Bereitschaft zu helfen oder sich helfen zu lassen durch LP sowie durch
Phasen, in denen die Rolle der TutorIn selbst thematisiert, gelernt und geübt wird.

3       Zweck und Ziele

3.1     Zweck
Mit dieser institutionalisierten Lernbegleitung, dem Peer-Tutoring, schaffen wir einen
alternativen Lernort, der

    •   eigenverantwortliches Lernen fördert und wesentlich zum Aufbau fachlicher und
        überfachlicher Kompetenzen beiträgt.
    •   Jugendliche sehr niederschwellig und lernförderlich unterstützt. In dieser Ausprägung
        minimiert ein alternativer Lernort die Gefahr von Benachteiligung und kann darüber
        hinaus sogar einen massgeblichen Beitrag zum Chancenausgleich leisten.
    •   Räume für Erfahrung sowie Verantwortung eröffnet.
    •   ermöglicht, dass Peers aktive Gestalter ihres Schul- und Lebensraumes werden. Sie
        leisten daher einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung eines wertschätzenden und
        konstruktiven Schulklimas.
    •   das Angebot schafft, dass die SuS unentgeltlich und freiwillig beim erfolgreichen
        Erlernen von Inhalten, bei Hausaufgaben sowie vor Prüfungen laufend begleitet und
        unterstützt werden durch TutorInnen. Während die teilnehmenden SuS lernen Inhalte
        besser zu verstehen und so ihren Lernerfolg nachhaltig steigern, können die
        TutorInnen ihr Wissen gleichzeitig vertiefen und festigen.
•   den TutorInnen ermöglicht, ihre besonderen Fähigkeiten weiterzugeben und die dafür
        notwendigen Kompetenzen zur Planung und Reflexion von Lehr-Lernprozessen zu
        lernen.

Die SuS können den Lernort selbstständig aufsuchen und dort durch Peer-Tutoring in ihren
Lernprozessen unterstützt werden.

3.2     Ziele
• Die Individualisierung des Lernens kann verbessert werden: Es wird eine Förderung
  basierend auf den Kompetenzen der jeweiligen SuS erreicht, die zur
  Persönlichkeitsentwicklung, fachlichen Weiterentwicklung und Erweiterung der sozialen
  Kompetenzen aller Beteiligten führt.
• Die TutorInnen können erfahren, was es bedeuten kann Verantwortung zu übernehmen
  und dass das eigene Können bedeutsam ist.
• Die TutorInnen können Fähigkeiten für Lernberatungen erwerben. Sie lernen
  beispielsweise methodische und sprachliche Fähigkeiten des Vermittelns sowie soziale
  Fähigkeiten wie den Respekt vor den Lernvoraussetzungen des Lernpartners und
  Einfühlungsvermögen, entwickeln ihre Präsentationskompetenzen weiter. Sie können sich
  selbst als wirksam erleben.
• Die TutorInnen können etwas lernen, was sie sonst nicht lernen, oder etwas anders und
  gleichzeitig besser lernen.
• Die SuS, denen geholfen wird, können etwas lernen, was sie sonst nicht lernen oder
  etwas anders und gleichzeitig besser lernen.

4       Umsetzung

4.1     Verantwortung Begleitpersonen
Die beteiligten Lehrpersonen erstellen einerseits Regeln und ermöglichen Unterrichtsphasen,
in denen die Kompetenz zum Helfen weiterentwickelt wird, in denen die Aufgaben von den
TutorInnen, also den LernhelferInnen, explizit thematisiert, gelernt und geübt werden.

Die Lehrpersonen erarbeiten die Lernformen für den Erwerb dieser Fähigkeiten der
Lernberatungen; dabei geht es u.a. um das Lernen von methodischen und sprachlichen
Fähigkeiten des Vermittelns sowie sozialen Fähigkeiten wie den Respekt vor den
Lernvoraussetzungen des Lernpartners und Einfühlungsvermögen – aber auch
angemessene Formen der Zurückweisung von Anfragen nach Hilfe. (Anmerkung:
Kompetenz zum Helfen gesamtschulisch fördern, damit nimmt auch die Qualität der
Hilfesysteme in kooperativen Lernformen im binnendifferenzierenden bzw.
individualisierenten Lernen in der Klasse zu. Lernanlässe allen zugänglich machen.)

Die beteiligten Lehrpersonen fördern die Reflexion.

Die beteiligten Lehrpersonen übernehmen die Koordination.
4.2    Verantwortung der SuS
   •   Die SuS erscheinen pünktlich. Sie melden sich ab, sobald sie das Time-in verlassen.
   •   Die SuS müssen das gesamte Material, welches zum Lösen der Aufgaben
       erforderlich ist, selbst mitbringen.
   •   Die SuS arbeiten konzentriert und an ihrem Thema.
   •   Die SuS halten sich an die Anweisungen der Betreuungsperson.
   •   Die SuS sind verpflichtet die Erziehungsberechtigten über den Aufenthalt zu
       informieren.

4.3    Ort und Zeitpunkt
Das Peer-Tutoring wird im Schulhaus durchgeführt im Time-in, Raum 2. Tutorings finden
statt am

Montag, 15.40 bis 18.00 Uhr

Dienstag, 15.40 bis 18.00 Uhr

Donnerstag, 15.40 bis 18.00 Uhr

Freitag, 15.40 bis 17.15 Uhr statt.

Nach Absprache mit TutorIn, Tutee und Time-in dürfen die Peer-Tutorings auch zu anderen
Zeiten stattfinden.

4.4    Honorierung
Die Leistungen der TutorInnen (mind. 10 Mal pro Semester) werden in Form einer
Arbeitsbestätigung ausgewiesen, die den Bewerbungsunterlagen bei der Lehrstellensuche
beigelegt werden kann. Im Frühling findet für alle TutorInnen eine ein- bis zweitägige Reise
während der Schulzeit statt.

4.5    Möglicher Ablauf
Die Klassenlehrpersonen erklären den SuS anhand der Flyer das Tutoring-System.

Im ersten Jahr der Durchführung fragen die Lehrpersonen gezielt SuS an, welche sie als
kompetent einschätzen um ein Peer-Tutoring als TutorIn durchzuführen.

Die TutorInnen erhalten über mehrere Wochen während 60 Minuten das TutorInnentraining.

Die TutorInnen-Ausschreibungen werden verfasst.

Lernende, die eine LernhelferIn suchen, melden sich via Anmeldeformular (Web).

Die Time-in-LP koordiniert die Kontaktaufnahme zwischen TutorIn und Tutee. Die Time-in-LP
macht die Einführung für die Teams in Form eines Rollenspiels (exemplarischer Ablauf
Lernberatung). Das wöchentlich gemeinsame Zeitfenster wird vereinbart.

Die TutorIn kann Kontakt aufnehmen mit der FLP oder umgekehrt (Was ist gerade Thema im
Unterricht? Wo hat der/die S besondere Schwierigkeiten? Waren die bisherigen Schritte
erfolgreich?). Die kurzen Wege zwischen LP und TutorIn sorgen dafür, dass das Coaching
möglichst optimal zum notwendigen Förderbedarf passt.

In einem Dokumentationsbogen halten die TutorInnen fest, welche Lerninhalte sie in den
einzelnen Übungsstunden behandelt haben.

Literatur

Bastian, J. (2006). Schüler als Lernhelfer: Erfahrungen – Begründungen – Schwierigkeiten.
Zeitschrift Pädagogik 64 (2012) 6, S. 6-9: Weinheim Beltz.

Feldmann, K. (2002). Schüler helfen Schülern – Schüler unterrichten Schüler – Schüler als
Tutoren – Schüler als Lehrer. Institut für Psychologie und Soziologie in den
Erziehungswissenschaften, Fachbereich Erziehungswissenschaften, Univ. Hannover. Zugriff
am 11.07.2021. Verfügbar unter:

https://www.nepomucenum-rietberg.de/wp-content/uploads/ShS-Feldmann-2002-Uni-H.pdf

Grolimund, F. & Rietzler, S. (2018). Clever lernen. Bern: Hogrefe Verlag.

» Magazin » Nachhilfe geben: 9 Tipps & 4 Fallstricke für Lehrende. Zugriff am 11.07.2021.
Verfügbar unter: https://www.lernen.net/artikel/nachhilfe-geben-tipps-fallstricke-5911/

PHLU: Bausteinhefte
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