Lektion 1 Ganzheitliche Hunde-Physiotherapie nach Blümchen mit N.A.B. speziell in der Tierphysio - Ziemer & Falke
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Lektion 1 Ganzheitliche Hunde-Physiotherapie nach Blümchen mit N.A.B. speziell in der Tierphysio Telefon: +49 04435 9705990 Ziemer & Falke Mail: info@ziemer-falke.de Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG Web: www.ziemer-falke.de Jörg Ziemer und Kristina Ziemer-Falke Stand: 13.01.2021 Blanker Schlatt 15 // 26197 Großenkneten
Urheberrecht Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die Rechte der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrages, der Entnahme von Abbildungen und Ta- bellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung, der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vor- behalten. Eine Vervielfältigung dieses Werkes oder bestimmter Teile davon ist auch im Einzelfall nur in den Grenzen der gültigen, gesetzlichen Bestimmungen des Urheberrechtsgesetzes der Bundes- republik Deutschland zulässig. Sie ist grundsätzlich vergütungspflichtig. Zuwiderhandlungen unter- liegen den Strafbestimmungen des Urheberrechtsgesetzes. Die Unterlagen wurden erstellt von Katrin Blümchen. Zeichnungen: E. Aufenacker, Siegen Fotos: Katrin Blümchen Jeder Ausbildungsvertrag berechtigt zur Nutzung durch eine einzelne Person. Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografi- schen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks, des öffentlichen Vortrages, der Verfilmung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernse- hen oder Video, auch einzelner Textteile. Der gewerbliche Weiterverkauf bedarf in jedem Falle der schriftlichen Genehmigung. © Ziemer & Falke 2 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Inhaltsverzeichnis 1.0. Einleitung ............................................................................................................................... 5 Lernempfehlungen.......................................................................................................................................... 6 2.0. Befunderhebung .................................................................................................................... 7 Persönliche Daten........................................................................................................................................... 8 Anamnese ...................................................................................................................................................... 8 2.1. Befundungsarten ................................................................................................................... 9 2.1.1. Sichtbefund (Adspektion) .................................................................................................. 9 2.1.2. Tastbefund (Palpation) ...................................................................................................... 9 2.1.3. Sichtbefund (Adspektion) in Bewegung ........................................................................... 10 2.1.4. Funktioneller Befund ....................................................................................................... 10 2.1.5. Neurologischer Befund .................................................................................................... 11 2.1.6. Winkelmessung ............................................................................................................... 11 2.1.7. Umfangmessung ............................................................................................................. 13 2.1.8. Untersuchung/passive Bewegungen: .............................................................................. 13 Vordergliedmaßen ........................................................................................................................................ 15 Hintergliedmaßen ......................................................................................................................................... 15 2.1.9. Atembefund..................................................................................................................... 16 2.1.10. Hilfsmittelversorgung ..................................................................................................... 16 2.1.11 Hundephysiotherapeutische Befunderhebung ................................................................ 17 Anamnesebogen ........................................................................................................................................... 17 Aufgaben ...................................................................................................................................................... 21 Fallbeispiel.................................................................................................................................................... 21 3.0. Hundetransfer ...................................................................................................................... 25 Das Prinzip der Hebetechnik ......................................................................................................................... 25 Aufgaben ...................................................................................................................................................... 26 4.0. Massage ............................................................................................................................... 26 4.1. Wirkung der Massage.......................................................................................................... 28 Mechanische Wirkung .................................................................................................................................. 28 Hyperämisierende Wirkung........................................................................................................................... 28 Schmerzlindernde Wirkung ........................................................................................................................... 28 Wirkung auf die Muskelgrundspannung ........................................................................................................ 28 Psychologische Wirkung................................................................................................................................ 28 Aufgaben ...................................................................................................................................................... 30 4.2. Massagetechniken............................................................................................................... 30 4.2.1. Streichungen (Effleuragen) ............................................................................................. 30 Große oberflächige Streichungen .................................................................................................................. 31 Tiefe, dehnende Streichungen....................................................................................................................... 31 4.2.2. Knetungen (Petrissagen)................................................................................................. 32 4.2.3. Zirkelungen (Friktionen) .................................................................................................. 33 Kreis – oder spiralförmige Friktionen............................................................................................................. 33 4.2.4. Rollungen ........................................................................................................................ 34 4.2.5. Lösen von Verklebungen................................................................................................. 35 4.2.6. Tapotements ................................................................................................................... 35 © Ziemer & Falke 3 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
4.2.6.1. Hackungen ............................................................................................................... 36 4.2.6.2. Klopfungen ............................................................................................................... 36 4.2.6.3. Klatschungen ............................................................................................................ 36 4.2.7. Schüttelungen ................................................................................................................. 37 4.2.8. Vibrationen ...................................................................................................................... 38 4.3. Kontraindikationen ............................................................................................................. 40 Aufgaben ...................................................................................................................................................... 41 Fallbeispiel.................................................................................................................................................... 41 5.0. Lymphdrainage .................................................................................................................... 42 Das Lymphsystem ......................................................................................................................................... 42 Ödem ........................................................................................................................................................... 43 Lymphdrainage ............................................................................................................................................. 43 Kontraindiktationen ...................................................................................................................................... 45 Aufgaben ...................................................................................................................................................... 45 Fallbeispiel.................................................................................................................................................... 46 6.0. Atemtherapie........................................................................................................................ 46 ..................................................................................................................................................................... 50 Aufgabe ........................................................................................................................................................ 50 Fallbeispiel.................................................................................................................................................... 51 © Ziemer & Falke 4 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
1.0. Einleitung Liebe Kursteilnehmerin, lieber Kursteilnehmer, herzlich willkommen zum Lehrgang „Ganzheitliche Hunde-Physiotherapie nach Blümchen mit N.A.B. speziell in der Tierphysio“! 24 spannende Ausbildungsmonate liegen nun vor Dir. Wir freuen uns sehr, Dich in die Geheimnisse der ganzheitlichen Physiotherapie einführen zu dürfen. Du wirst feststellen, dass die Physiotherapie zahlreiche Behandlungsmöglichkeiten bereithält, um positiv auf den Hundeorganismus einzuwirken, um Schmerzen zu lindern oder gar Schmerzfreiheit zu erzielen. Im Rahmen Deiner Ausbildungszeit erlangst Du ein umfassendes Wissen zur Anatomie und zur Physiologie des Hundes, zum Verhalten und zur Krankheitslehre. Du lernst verschiedene unterstüt- zende Geräte und Techniken anzuwenden, wie beispielsweise diverse Atemtechniken, Massagen und Krankengymnastik. Du erhältst einen Einblick in die Elektro-, Hydro- und Thermotherapie und wirst manuelle Techniken zur Unterstützung der physiotherapeutischen Behandlung kennenlernen. Wir machen Dich mit den Tellington TTouch®-Methoden vertraut, ebenso mit weiteren alternativen Anwendungen, wie Öle, Körperbänder und den Gesundheitsparcours. Aber auch die Homöopathie, das Gerätetraining und die Lymphdrainage werden Teil Deiner umfassenden Ausbildung sein. Schmerzen können nicht nur das Verhalten von uns Menschen, sondern auch das unserer Hunde stark beeinflussen. Das Management schmerzleidender oder schwieriger Hunde ist daher ein ebenso wichtiger Ausbildungsinhalt. Doch keine Sorge, wir gehen Schritt für Schritt vor, und zwar gemeinsam. Heute starten wir mit dem ersten Deiner zwölf Ausbildungsskripte. Darüber hinaus werden Dir zahlreiche Lernvideos zu ver- schiedenen Themen zur Verfügung stehen. Zögere nicht, das Forum zu nutzen. Hier kannst Du Dich mit uns und unserem engagierten Dozententeam austauschen, jederzeit Fragen stellen und Be- handlungsmethoden diskutieren. Wir freuen uns darauf, Dich kennenzulernen und wünschen Dir viel Freude beim Lesen, Lernen und vor allem beim Ausprobieren. Tina und Jörg J © Ziemer & Falke 5 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
2.0. Befunderhebung In diesem Kapitel erfährst Du, wie Du einen hundephysiotherapeutischen Befund erstellst, um Dei- nen Hundepatienten optimal zu behandeln. Durch die tierärztlich gestellte Diagnose und Deinen eigenen erstellten Befund findest Du heraus, welche Muskeln und Gelenke Du behandeln musst. Nur so ist eine korrekte hundephysiotherapeutische Behandlung möglich. Der Befund, den der Hundephysiotherapeut beim ersten Besuch des neuen Hundepatienten auf- nimmt, ist ein wichtiges Kriterium für die eigentliche Behandlung. Natürlich besteht eine tierärztliche Diagnose. Andere relevante Informationen für den Hundekran- kengymnasten und die Behandlung sind dort jedoch nicht aufgeführt. Die längste Zeitspanne nimmt der Anfangsbefund in Anspruch. Dieser muss sehr ausführlich ge- staltet sein. Der Therapeut sollte mindestens 60 Minuten Zeit dafür veranschlagen. Ein Behandlungsplan wird auf Grundlage dieses Befundes erstellt. Während und nach einer Behandlungsreihe werden Zwischenbefunde erstellt, um Veränderungen im Krankheitsbild sowie in der Schmerzlage des Hundes zu erkennen. Die Zwischenbefunde sind Teil einer Behandlungseinheit und werden im Zuge einer Behandlung durchgeführt. Der Abschlussbefund wird zum Ende einer Behandlungsreihe erstellt. Der schriftliche Bericht kann an den behandelnden Tierarzt gesandt werden. Dies fördert eine gute Zusammenarbeit und hilft dabei, Veränderungen des Hundes zu verdeutlichen. Ein hundekrankengymnastischer Befund sollte immer schriftlich festgehalten werden, da sich kein Therapeut alle relevanten, wichtigen und zuerst scheinbar unwichtigen Details merken kann. Wei- terhin können nur so, auch noch nach Wochen, Veränderungen jeglicher Art erkannt werden. Merke: Ein hundephysiotherapeutischer Befund gliedert sich grob in drei Teile: 1. Anfangsbefund • Die Problematik finden • wichtig bei JEDEM neuen Hundepatienten • nur hiernach kann ein Behandlungsplan erstellt werden 2. Hundephysiotherapeutischer Behandlungsplan • Empfehlung der erfolgversprechendsten Behandlungsmaßnahmen • Festlegung des angestrebten Behandlungsziels 3. Zwischen- und Abschlussbefund • WÄHREND und NACH einer Behandlungsreihe (6 oder 10 Behandlungseinhei- ten) • zur Feststellung von Verbesserungen oder Verschlechterungen • um ggf. Änderungen in den Behandlungsmaßnahmen durchzuführen © Ziemer & Falke 7 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Im Folgenden werden die verschiedenen Angaben aufgezeigt, die ein hundekrankengymnastischer Befund enthalten sollte: Persönliche Daten • Name und Adresse des Hundebesitzers • Name des Hundes, Alter, Geschlecht, Rasse, Fell, Farbe, Tätowierung, Chip Neben den persönlichen Daten ist die Anamnese, die Befragung des Hundebesitzers, ein sehr wich- tiger Punkt in einem Befund. Anamnese • Tierärztliche Diagnose • vorherige Therapie, Operationen, Implantate • Anderweitige Therapie z. B. durch einen Tierheilpraktiker • jetzige Beschwerden des Hundes • Schmerzen des Hundes: Wann tritt der Schmerz auf? o Anlaufschmerz o Ruheschmerz o Belastungsschmerz o Berührungsschmerz • Herabgesetzte Kondition und Ausdauer • Wann treten die Beschwerden auf? o bei Wetterumschwüngen o bei heißem Wetter o bei nass-kaltem Wetter • Appetitlosigkeit • Andere Auffälligkeiten • eventuell „passen“ die Symptome nicht mit der tierärztlichen Diagnose zusammen • vorherige Erkrankungen (Herz, Lunge, Leber, Niere, Skeletterkrankungen, kastriert u. a.) • erbliche Dispositionen o Hatten die Elterntiere oder Geschwistertiere ähnliche Erkrankungen/Symptome? • Verhaltensänderungen: Wie ist der Hund geworden? o apathischer o aggressiver o lustloser o ängstlicher • Wie reagiert der Hund auf Wärme bzw. auf Kälte? • Lebensbedingungen des Hundes o Familienhund o Wachhund o Jagdhund o u. a • Futterzusammensetzung o eventuelle Nahrungsergänzungsmittel © Ziemer & Falke 8 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Im weiteren Verlauf des Befundes geht es um verschiedene Untersuchungen, die der Hundekran- kengymnast am Vierbeiner durchführen sollte. 2.1. Befundungsarten 2.1.1. Sichtbefund (Adspektion) Bei dem Sichtbefund beurteilt der Therapeut den Hund im Platz, im Sitz und im Stand. Er beurteilt den Gesamteindruck und hält relevante Auffälligkeiten schriftlich fest. Folgende Punkte werden be- achtet: • Bewusstseinszustand (temperamentvoll, phlegmatisch, ruhig) • Verhalten (ängstlich, aggressiv, zurückhaltend etc.) • Haltung des Kopfes, des Nackens, der Wirbelsäule • Zustand des Fells, der Haut, der Nägel • Struktur und Symmetrie des Körpers • Offensichtliche, unabhängig vom Krankheitsbild bestehende körperliche Veränderungen, wie Narben oder grobe Körperfehlstellungen • Abnormitäten der Muskelstränge • Gleichmäßige Belastung aller vier Gliedmaßen • Beurteilung von Gewicht und Größe in Relation zur Rasse und zum Ernährungszustand • Stellung der Gliedmaßen (Abduktion, Adduktion, Überdehnung, Überstreckung) 2.1.2. Tastbefund (Palpation) Bei einem Tastbefund sollte sich der Hund, wenn möglich, im Stand befinden. Eine Palpation wird, wie jede andere Untersuchung auch, immer im Seitenvergleich durchgeführt, das heißt sowohl die rechte, als auch die linke Seite. Tastbare, also palpable Strukturen, sind Haut, Unterhaut, Muskeln und Gelenke. Die Hände des Therapeuten gleiten mit sanftem Druck über den gesamten Hund. Dabei werden nicht nur der Rücken und die Gliedmaßen, sondern auch der Hals, der Kopf, sowie der Brust- und der Bauchraum abgetastet. Wichtig! Auf Auffälligkeiten sind zu achten: • Sind Unterschiede im Seitenvergleich oder sonstige Auffälligkeiten spürbar? • Die Hauttemperatur wird mit den Handrücken erfühlt. Die Hauttemperatur wird im Seitenver- gleich und der Körperstamm im Verhältnis zu den Extremitäten überprüft. • Beurteilung der Fell- und Hautbeschaffenheit (trocken, feucht, schuppig, struppig, matt). Die Fellbeschaffenheit sollte altersentsprechend sein. • Sind Liegestellen vorhanden? © Ziemer & Falke 9 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
• Sind Narben vorhanden? Falls ja, wie unterscheidet sich das Narbengewebe vom umliegen- den Gewebe? • Ist die Haut auf der Unterlage verschiebbar, druckempfindlich? • Wie ist die Konsistenz von Schwellungen? Sind sie hart, fest, weich, warm oder kalt? • Ist die Muskelgrundspannung erhöht, normal oder herabgesetzt? • Besteht eine Muskelatrophie, d. h. ist die Muskelmasse reduziert? • Untersuchung von Knochen und Gelenke auf Temperatur und Kontur. • Zeigt der Hund Schmerzreaktionen bei Berührung? 2.1.3. Sichtbefund (Adspektion) in Bewegung Bei der Adspektion in Bewegung wird der Hund im Gang beurteilt. Wenn es die Erkrankung des Tieres zulässt, sollte man verschiedene Geschwindigkeiten (Schritt, Trab, Galopp) ausführen las- sen. Folgende Punkte sind im Befund auszuführen: • Der Hund läuft an einer langen Leine zuerst geradeaus. • Der Hund läuft an einer langen Leine im Kreis (rechts/links). • Beobachtung von vorne, von hinten und von beiden Seiten. • Augenmerk auf die Regelmäßigkeit der Bewegung legen, auf die Koordination, der Laut- gebung des Tieres, auf Lahmheit, auf Symmetrie, etc. • Der Hund soll verschiedene Ausgangsstellungen einnehmen (Stand, Sitz, Platz) • Wie nimmt der Hund diese Stellungen ein? Gibt es Besonderheiten bei diesen Stellungen? • Möglichst auch Beurteilung vom Steigen der Treppe, auch in verschiedenen Tempi • Wie springt der Hund ins Auto? • Bei Lungen- und Herzerkrankungen besonders den Atemweg, die Atembewegung, den Atemhilfsmuskeleinsatz, die Atemfrequenz und den Atemrhythmus beobachten. 2.1.4. Funktioneller Befund Beim funktionellen Befund sollte eine krankheitsrelevante Auswahl erfolgen. Wenn der Hund keine Anzeichen z. B. einer Nervenerkrankung hat, muss der Therapeut keinen neurologischen Befund durchführen. Messungen, wie Winkel-, Umfang- und Längenmessungen, sind relevant und wichtig bei einem Hund, dessen Bewegungsapparat erkrankt ist. Leidet der Hund an einer Herzerkrankung ist ein Atembefund erforderlich. © Ziemer & Falke 10 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
2.1.5. Neurologischer Befund Ein neurologischer Befund wird bei Hunden durchgeführt, die an einer Nervenerkrankung leiden, wie z. B. einem Bandscheibenvorfall, einer Spondylose, einem Cauda-Equina-Syndrom oder einer Lähmung durch einen Unfall. Der Tierarzt untersucht die Reflexe, das Schmerzempfinden und die Sensibilität. Im neurologischen Befund werden folgende Punkte untersucht: • Motorik (Muskelfunktion) • Koordination • Gleichgewicht • Überkreuzungsreflex (Gliedmaße wird überkreuzt und der Hund stellt sie normalerweise wie- der in die Ausgangsstellung) • Pfotenstellreflex (Pfote wird in Beugung gebracht. Der Hund stellt normalerweise die Pfote wieder auf). • Überköten im Gang („schlurfen“ der Pfote) • Wie bewegt sich der Hund vorwärts? • Stellung der Wirbelsäule (Fischrobbenstellung/gewölbter Rücken) • Kann der Hund mit der Rute wedeln? • Tiefensensibilität (Flexorreflex/Pfotenballenzwischenräume) • „Kratzreflex“ (Therapeut „kitzelt“ z. B. die Flanke des Hundes, Hund kratzt sich normaler- weise) • Transfers beurteilen (vom Platz in Sitz, vom Sitz in den Stand) • Kann sich der Hund selbständig im Stand ausrichten? • Kann sich der Hund durchschütteln, nachdem er nass geworden ist? • offene Wundstellen • Blasen- und Darmkontrolle • weitere Auffälligkeiten 2.1.6. Winkelmessung Die Gelenkmessungen sind indiziert bei Dokumentationen, dass der Hund starke Gelenkeinschrän- kungen hat, z. B. nach langer Ruhigstellung. Man führt diese Messungen mit einem Winkelmesser durch. Es wird nach der Neutral-Null-Methode gemessen, wobei die Nullstellung meistens der physiologi- schen Gelenkstellung entspricht. Die Aufzeichnung erfolgt folgendermaßen: Man legt den Winkelmesser auf das Gelenk, wobei der eine Schenkel auf dem fixen Gelenkpartner mit der Hand fixiert wird und sich der andere Schenkel auf dem mobilen Gelenkpartner befindet. Mit der Winkelmessung hat der Therapeut die Möglichkeit, Gelenkbewegungsausschläge nicht nur zu schätzen, sondern in reellen Zahlen auszudrücken. © Ziemer & Falke 11 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Abbildung 1: Goniometer1 Die betroffenen Gelenke sowie die umgebenden (z. B. bei einer Hüfterkrankung auch Knie- und Sprunggelenk) werden im Seitenvergleich in allen Bewegungsrichtungen mit einem Winkelmesser gemessen. Hier können Unterschiede festgestellt werden. Beim Abschlussbefund kann geprüft werden, ob sich die Gelenkbeweglichkeit verbessert hat. 1 in Anlehnung an „Goniometer“, in Wikipedia, 27. März 2018, https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Goniometer&oldid=175467055. © Ziemer & Falke 12 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
2.1.7. Umfangmessung Beim Hund sind prinzipiell nur gut messbar: • Oberschenkelumfang • Unterschenkelumfang • Unterarmumfang • Umfang der Knie-, Sprung-, Ellenbogen- und Karpalgelenke Der Oberarmumfang ist nur sehr ungenau zu messen. Mit einem Zentimetermaß wird der Umfang wieder im Seitenvergleich gemessen. Die Messstellen sollten auf beiden Seiten höhengleich liegen, da sonst ein falsches Messergebnis auftreten kann. Der Therapeut misst von Knochenvorsprüngen aus (z. B. Kniegelenk, Condylus lateralis). Bei einem Rottweiler misst man Kniegelenk und dann 3, 5, 7 cm oberhalb des Kniegelenkes, bei einem Yorkshire-Terrier dagegen nur ca. 2,5 cm oberhalb des Kniegelenkes. Hier ist es immer ras- sespezifisch, wie oft und wo man die Messung durchführt. Dasselbe wird dann auch am Unterschen- kel gemacht. Der Umfangunterschied von wenigen Millimetern bis zu einem Zentimeter je nach Rasse ist normal und schließt nicht auf einen Muskelabbau. Findet sich aber ein größerer Unterschied, besteht wahrscheinlich eine Muskelatrophie. Wenn bei Gelenken ein Unterschied im Seitenvergleich besteht, kann eine Gelenkschwellung vor- liegen. Bei einem Wiederholungsbefund erkennt man entweder positive oder negative Veränderungen in Bezug auf die Muskelmasse und damit auf den Muskelaufbau bzw. auf die Gelenkschwellung und damit auf eine Entstauung des Gelenkes. 2.1.8. Untersuchung/passive Bewegungen: Bei der Untersuchung der Gelenke werden diese passiv durchbewegt. Das bedeutet, der Therapeut führt alleine die Bewegung aus. Der Hund befindet sich in Seitenlage und sollte vollkommen ent- spannt sein. Bei den passiven Bewegungen achtet man auf: • Schmerzen • den Bewegungsausschlag in dem jeweiligen Gelenk • hör- und/oder spürbare Krepitationen (Knirschgeräusche) • das Endgefühl • Schwellungen • Ödeme © Ziemer & Falke 13 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Merke: Der Seitenvergleich ist äußerst wichtig! Zuerst werden die vorderen Gliedmaßen, dann die hinteren Gliedmaßen durchbewegt oder umgekehrt, danach wird die Seite gewechselt. Die Gelenke werden immer von klein nach groß, von distal nach proximal, durchbewegt oder umgekehrt. Man sollte nur immer bei dem gleichen Ablauf bleiben, den man gewählt hat. Die einzelnen Gelenke werden immer in Flexion und Extension bewegt, das Hüftgelenk außer- dem in Abduktion. Infobox Kleine Übersicht zu anatomischen Richtungs- und Lagebezeichnungen • „anterior – (nach) vorne • posterior – (nach) hinten • inferior – (nach) unten • superior – (nach) oben • kranial – zum Schädel hin, kopfwärts, nach oben • kaudal – "schwanzwärts", steisswärts, nach unten • dorsal – rückenwärts, zum Rücken hin, hinten • ventral – bauchwärts, zum Bauch hin, vorne • medial – zur Mitte, zur Medianebene hin • lateral – von der Mitte weg, seitwärts • rostral – zum Mund/zur Nase hin • okzipital – zum Hinterkopf hin • zentral – auf das Innere des Körpers zu, zur Körpermitte hin • peripher – auf den Rand des Körpers zu, nach aussen • distal – vom Rumpf entfernt • proximal – zum Rumpf hin • median – innerhalb der Medianebene • profundus – tief liegend • superficialis – oberflächlich liegend • dexter – rechts • sinister – links • externus – außen gelegen • internus – innen gelegen • zentripetal – von der Peripherie zum Zentrum laufend • zentrifugal – vom Zentrum zur Peripherie laufend“ 2 2 DocCheck Medical Services GmbH, „Anatomische Richtungs- und Lagebezeichnungen“, DocCheck Flexikon, zugegriffen 7. Dezember 2020, https://flexikon.doccheck.com/de/Anatomische_Richtungs-_und_Lagebezeichnungen. © Ziemer & Falke 14 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Vordergliedmaßen Für den Vordergliedmaßenbereich bedeutet Bewegungsrichtungen dies Zehengelenke (Phalangen) Flexion: zu den Pfotenballen hin Extension: in Richtung Pfotenrücken Komplexbewegung der Pfote alle Zehen werden gleichzeitig bewegt Handgelenk (Karpalgelenk) Flexion: Karpalgelenk nach kaudal Extension: Karpalgelenk nach kranial Ellenbogengelenk Flexion: Unterarm nach kranial Extension: Unterarm nach kaudal Schultergelenk Flexion: Vorderlauf nach kaudal Extension: Vorderlauf nach kranial Bewegungen des Schulterblattes Schräg nach vorne oben und nach hinten un- ten à Quer der Spina scapulae Schräg nach vorne unten und nach hinten oben à Verlängerung in Spina scapulae Hintergliedmaßen Für den Hintergliedmaßenbereich bedeutet Bewegungsrichtungen dies Zehengelenke (Phalangen) Flexion: zu den Pfotenballen hin Extension: in Richtung Pfotenrücken Komplexbewegungen der Pfote alle Zehen werden gleichzeitig bewegt Sprunggelenk (Tarsalgelenk) Flexion: Tarsalgelenk nach kranial Extension: Tarsalgelenk nach kaudal Kniegelenk Flexion: Unterschenkel nach kaudal Extension: Unterschenkel nach kranial Hüftgelenk Flexion: Hinterlauf nach kranial Extension: Hinterlauf nach kaudal Abduktion: Hinterlauf wird abgespreizt Adduktion: Hinterlauf wird nach innen ge- drückt © Ziemer & Falke 15 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
2.1.9. Atembefund Ein Atembefund sollte durchgeführt werden, wenn • bei der Anamnese deutlich geworden ist, dass der Hund unter einer Lungen- oder Herzer- krankung leidet. • der Hundebesitzer vermutet, dass der Hund Probleme oder Einschränkungen bei der At- mung hat. • der Hund schon sehr alt ist. Hat das Tier keine der vorher benannten Erkrankungen oder Einschränkungen, kann in dem Befund auf die Untersuchung der Atmung verzichtet werden. Merke: Folgende Punkte sind relevant für einen Befund der Atmung: • Hat der Hund Atemnot? • Wann hat er Atemnot (bei Ruhe, während Belastung, nach Belastung, bei Stress)? • Wo hat er Atemnot (bei Nebel, großer Hitze)? • Husten, Röcheln, Seufzen, andere Atemgeräusche? • Schmerzen bei Atmung (bei Aus- oder Einatmung)? • Wie liegt, sitzt, steht der Hund bevorzugt? • Wie und wo bewegt sich der Brustkorb des Hundes bei der Atmung? • Atemfrequenzmessung pro Minute • Atemrhythmus (langsam, schnell, abgehackt, Wechsel von tiefen und flachen Atemzü- gen)? • Farbe der Schleimhäute (blass, rosa, dunkelrot, lila)? • Form und Haltung der Wirbelsäule und des Brustkorbs? • Liegen Verspannungen im Wirbelsäulen-, im Schulter-Nacken- oder Bauchbereich vor? 2.1.10. Hilfsmittelversorgung Ein kranker und/oder alter Vierbeiner ist oftmals von seinem Besitzer bereits mit verschiedenen Hilfsmitteln versorgt. Diese erleichtern dem Hund das Leben, geben ihm Lebensqualität zurück und helfen auch dem Hundebesitzer im Umgang mit dem Hund. Heutzutage gibt es im Fachhandel immer mehr Gerätschaften und Hilfsmittel, die ein Therapeut kennen sollte und gegebenenfalls an den Hundebesitzer erklärend weitergeben kann: • Bauchgurt (zur Unterstützung beim Gehen) • Rollstuhl, Gehgestelle • Hilfe beim Einsteigen in ein Auto (z. B. Gehbrett) • Tragegeschirre © Ziemer & Falke 16 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
• Teppichfliesen (um Treppenstufen rutschfester zu machen) • Erhöhte Futternäpfe (bei Hunden mit Wirbelsäulenerkrankungen) • Unterlagen, Windeln bei inkontinenten Hunden 2.1.11 Hundephysiotherapeutische Befunderhebung Im Folgenden siehst Du, wie ein Anamnesebogen für eine physiotherapeutische Befunderhebung bei Hunden aussehen könnte. Anamnesebogen Patientenname Rasse Geboren am Geschlecht männlich weiblich kastriert Farbe Besitzer Straße PLZ Ort Telefon Überweisender Tierarzt Behandelnder Hundekranken- gymnast Datum des Befundes Diagnose Röntgenbilder vorhanden ja nein Medikamente und Dosierung Homöopathie und Dosierung © Ziemer & Falke 17 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Tierärztlicher Therapieablauf Jetzige Beschwerden Vorherige Erkrankungen Operationen ja nein Ostheosynthese ja nein Wenn ja, welche? Auslandsaufenthalt ja nein Wenn ja, wo? Verhalten ruhig freudig ängstlich temperamentvoll apathisch zurückhaltend aggressiv lustlos Sonstiges: Lebensbedingungen des Familienhund Hundes Zwinger Wachund Jagdhund Hundesport ja nein Wenn ja, welchen? Kälte/Wärmeempfinden Aspektion im Stand/Sitz Gewicht Größe Ernährungszustand Narben © Ziemer & Falke 18 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Stellung der Gliedmaße Körperfehlstellung Haltung des Kopfes Haltung des Nackens Haltung der Wirbelsäule Sonstiges Aspektion der Bewegung Schritt Kreis rechts Kreis links Trab Galopp Stand > Sitz Stand > Platz Platz > Sitz Sitz > Stand Einstieg ins Auto Ausstieg aus Auto Treppe rauf Treppe runter Lahmheit Palpation Fell Muskeln Gelenke Wirbelsäule Narben Parästhesien Sonstiges © Ziemer & Falke 19 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Alltagsverhalten Wie oft und wie lange Gassi? Tagesablauf Futter und Marke Längen- und Umfangmaße ja (extra Zettel) nein Passives Endgefühl ja (extra Zettel) nein Gelenkmessungen ja (extra Zettel) nein Nahziel(e) der Behandlung Fernziel(e) der Behandlung Behandlungsverlauf Behandlungsergebnis © Ziemer & Falke 20 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Aufgaben Liebe Kursteilnehmerin, lieber Kursteilnehmer, die folgenden Aufgaben dienen der Vertiefung des in diesem Kapitel vorgestellten Lernstoffes. Bitte beantworte folgende Fragen, ohne dass Du nachschlägst. Viel Erfolg bei Deiner Arbeit! 1. Warum ist ein Befund wichtig für die hundephysiotherapeutische Behandlung? 2. Wann sollte ein Atembefund durchgeführt werden? Fallbeispiel Herr P. kommt mit seinem achtjährigen Boxerrüden Paul zur hundephysiotherapeutischen Befund- aufnahme. Im Folgenden ist ein hundephysiotherapeutischer Kurzbefund dargestellt. Solch ein Be- fund muss vor jeder hundephysiotherapeutischen Behandlung durchgeführt werden. Nur so kann ein optimaler Behandlungsplan erstellt werden. Ebenso können Verbesserungen und Verschlechte- rungen besser erkannt werden. Der Erstbefund ist vergleichbar mit nachfolgenden Zwischenbefun- den und dem Abschlussbefund. Patientenbesitzerdaten: Herr P. aus H. Name des Hundes: Paul Rasse: Boxer Alter: acht Jahre alt Geschlecht: männlich Diagnose: 1. Spondylose à Röntgenbild vor fünf Jahren, Kniearthrose links à Röntgenbild vor zwei Jah- ren 2. schwere HD beidseits à Röntgenbild vor einem Jahr, öfters entzündliche Prozesse linkes Ellenbogengelenk Vorherige Erkrankungen: • kastriert im Alter von einem Jahr • Autounfall vor fünf Jahren • Femurfraktur links – osteosynthetisch versorgt © Ziemer & Falke 21 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Jetzige Beschwerden: Einknicken und Kraftverlust rechte Hintergliedmaße, leichte Harninkontinenz, entzündete „Liegestel- len“ im Bereich des linken Ellenbogengelenkes, kurze Nägel und offene Wundstellen rechter Hinter- pfotenbereich, Anlaufschmerzen, Berührungsschmerz im BWS/LWS-Bereich, Berührungsschmerz linkes Kniegelenk, Bewegungseinschränkungen linkes Knie (Knieflexion 25°) Verhalten: • umgänglich • sehr ruhig Kälte-/Wärmeempfinden: • kälteliebend Inspektion in Ruhe: • übergewichtig • sucht im Stand Unterstützungsfläche (steht meist mit rechter Körperhälfte angelehnt an Wand, Besitzer o. ä., möchte sich sofort hinlegen) Atrophien: • linke > rechte Hintergliedmaße • Hüftbereich • LWS Muskelverspannungen: • Schulter- Nackenbereich • HWS • BWS • OS rechts Haut/Fell: • Wundstellen/Ekzeme (gerötet und leicht nässend im Bauch- und Brustwirbelsäulenbereich) © Ziemer & Falke 22 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Narben: • o. b. B. (ohne besonderen Befund) Parästhesien: Fußstellreflex verlangsamt à rechte Hintergliedmaße, Oberflächensensibilität rechte Hinterglied- maße eingeschränkt Inspektion in Bewegung Lahmheit: • zieht rechte Hintergliedmaße nach • Steifheit in der linken Hintergliedmaße Gang: • schwankend • unsicher • bei Wegknicken der rechten Hintergliedmaße kann es zum Hinfallen kommen Hinsetzen/aufstehen/springen: • sitzt kaum, setzt sich sehr langsam, vorsichtig, rechte Hintergliedmaße in Knieflexion • liegt nur auf linker Körperhälfte • aufstehen langsam, zeitweise unter Schmerzen • springen konnte nicht befundet werden Was macht er im Alltag? • braucht Hilfe beim Einstieg ins Auto • Treppen steigen nicht möglich • benötigt zeitweise Hilfe des Besitzers beim Aufstehen • frisst im Sitz • liegt die meiste Zeit des Tages • geht zwei- bis dreimal täglich ca. 300 bis 400 m spazieren © Ziemer & Falke 23 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Nahziele der Behandlung (vom Hundekrankengymnasten festgelegt): • Schmerzlinderung • Entspannung der Muskulatur • Erhalt/Verbesserung der Gelenkbeweglichkeit Fernziele der Behandlung (vom Hundekrankengymnasten festgelegt): • Verbesserung der Lebensqualität • Schmerzlinderung • Erhalt der Wegstrecke • Erhalt der Gelenkbeweglichkeit Tipp (vom Hundekrankengymnasten festgelegt): • Futternapferhöhung • Einstiegshilfe für das Auto • ggf. Bauchgurt um das Aufstehen zu Erleichtern • weiche Unterlage Hausaufgabenprogramm (vom Hundekrankengymnasten festgelegt): • Wärmeanwendung in Form von Rotlicht zur Entspannung und Schmerzlinderung im Rücken- bereich. Vorsicht! Nicht in die Nähe des entzündeten Ellenbogengelenkes. Offene Stellen im Brustbereich nicht erwärmen! • Bürstenmassage unter Aussparung der offenen Wunden und des entzündeten Ellenbogen- gelenkes. Behandlungsplan (mögliche Therapieformen, die der Hundekrankengymnast wählt): • Massage zur Schmerzlinderung und Entspannung • Manuelle Therapie/passive Krankengymnastik zum Erhalt der Gelenkbeweglichkeit, Schmerzlinderung und Stoffwechselanregung • Neurologische Behandlungen zur Reizsetzung und Bewusstmachung • Atemtherapie zur Entspannung • Dehnungen um die verkürzte Muskulatur zu dehnen und zu lockern • Wärmeanwendung zur Schmerzlinderung • Kälteanwendungen auf dem entzündeten Ellenbogengelenk • Magnetfeldtherapie Der Behandlungsplan beschreibt die möglichen Behandlungsmethoden bei diesem Hund. © Ziemer & Falke 24 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Andere Behandlungsmethoden wie z. B. Wassertherapien sind wegen der offenen Wunden und Entzündungsprozesse im Gelenk kontraindiziert. 3.0. Hundetransfer In diesem Kapitel erfährst Du, wie Du Deinen Rücken bei Behandlungen schonen kannst, was Du beachten solltest und wie Du Behandlungen richtig ausführst. Es ist sehr wichtig, dass Du Dich im Rahmen der Behandlungen rückengerecht bewegst, da Du sonst Probleme mit Deinem eigenen Rücken bekommen kannst. Da wir in unserer Praxis für Hundekrankengymnastik selbstverständlich nicht nur kleinste und leichte Hunde behandeln, sondern auch große und schwere Vierbeiner, ist es sehr wichtig, die richtige Hebe- und Tragtechnik einzusetzen. Wenn man z. B. zehnmal am Tag einen 50 kg schweren Hund in die Wanne oder auf die Bank hebt, und dies nicht rückengerecht ausführt, kann sich jeder vorstellen, dass dies nach kürzester Zeit der Wirbelsäule und den Gelenken schadet. Es gibt verschiedene Hilfsmittel, um sich und seiner Gesundheit etwas Gutes zu tun, wie z. B. Seilzüge, Tragegurte, Brustgeschirre, Abseilgeschirre, elektrische Massagebänke u. ä. Auch die Hilfe des Hundebesitzers sollte in Anspruch genommen werden, das heißt, bei einem Transfer steht der Hundehalter seitlich vorne am Hund und der Therapeut seitlich hinter ihm. So wird der Hund in die Wanne oder auf die Bank gehoben. Und nicht zuletzt ist die Körperhaltung des Therapeuten immens wichtig, um rückenschonend zu arbeiten, das heißt, man sollte seinen Rücken immer gerade halten. Bei einem Transfer ist es am einfachsten, wenn man den Rücken vor dem Transfer gerade hält und sich im Hüft- und Kniegelenk entsprechend beugt (so, als ob man sich auf die Toilette setzt). Dreh- bewegungen mit gebeugtem Rücken sind zu vermeiden, da dies die Wirbelsäule unnötig belastet. Das Prinzip der Hebetechnik Die Wirbelsäule des Therapeuten muss während des Hebevorgangs aufgerichtet sein. Die Aus- gangsstellung muss stabil sein, man steht also immer auf beiden Füßen und belastet diese, wenn möglich, gleichmäßig. Die benötigte Kraft zum Ausführen des Hebevorganges wird durch den Einsatz der Beine und durch eine Gewichtsverlagerung erreicht. Außerdem ist eine größtmögliche Unterstützungsfläche notwen- dig. Diese wird durch breitbeiniges Stehen oder durch die Schrittstellung erreicht. Der Therapeut setzt nicht die Kraft der Wirbelsäule und des Rückens ein, sondern die Muskelkraft seiner Beine. Der Körperschwerpunkt des Therapeuten sollte so weit wie möglich nach unten verla- gert sein, das bedeutet eine Beugehaltung der Knie- und Hüftgelenke. © Ziemer & Falke 25 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Wenn man einen Hund tragen möchte, achtet man darauf, dass man ihn nahe am Körper trägt. So hat man durch einen kürzeren Lastenarm einen geringeren Kraftaufwand. Merke: Wenn möglich erfolgt der Transfer durch zwei Personen (zwei Therapeuten oder Therapeut und Hundebesitzer). Beachte weiterhin: • sicherer Stand der Personen • Personen sollten die Muskelkraft ihrer Beine einsetzen • vor jedem Transfer den Hund beruhigen • bei Möglichkeit Hilfsmittel einsetzen Aufgaben Liebe Kursteilnehmerin, lieber Kursteilnehmer, hier wieder einige Aufgaben zur Vertiefung des in diesem Kapitel vorgestellten Lernstoffes. Bitte beantworte folgende Fragen, ohne dass Du nachschlägst. Viel Erfolg bei Deiner Arbeit! 1. Worauf achtet der Therapeut beim Heben eines Hundes? 2. Welche Hilfsmittel für den Hundetransfer könnten eingesetzt werden? 4.0. Massage In diesem Kapitel lernst Du die verschiedenen Techniken der Massage kennen und erfährst, wie sie wirken und wann Du diese anwenden darfst. Die Massage ist ein wichtiges Gebiet in der Hundephy- siotherapie und findet in fast jeder Behandlung seine Anwendung. Eine Massage ist eine manuelle Einwirkung auf die Haut, das Gewebe und die Muskulatur. Die Massage wird schon seit sehr langer Zeit angewandt, zumeist natürlich im humanen Bereich. Fast jeder Hundebesitzer weiß, wie wohltuend und schmerzlindernd eine Massage sein kann. Immer häufiger gibt es Hunde, die unter chronischen Skeletterkrankungen und anderen Erkrankun- gen ihres Bewegungsapparates leiden. Diese Tiere haben auch immer schmerzhafte Muskelver- spannungen und Muskelverhärtungen. Auch ältere und alte Hunde haben Probleme bei Bewegungen, mit den Gelenken, beim Aufstehen und in vielen Bereichen des Alltages. Gerade diesen Hunden kann durch eine therapeutische Mas- sage sehr geholfen werden. © Ziemer & Falke 26 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Ein weiteres Erkrankungsbild sind Schädigungen von Nerven durch beispielsweise Bandscheiben- vorfälle. Durch bestimmte Massagegriffe (auf die wir im weiteren Verlauf näher eingehen werden) kann die Muskelgrundspannung erhöht werden und die geschädigten Nerven zusätzlich gereizt wer- den. Merke: Die Wirkung der Massage ist immer abhängig von der Intensität und dem Tempo. Eine entspannende Massage wird relativ sanft, langsam und rhythmisch durchgeführt. Eine anregende Massage (bei Nervenerkrankungen) wird mit hoher Intensität und schnell durchgeführt. Im Folgenden sind die Erkrankungsbilder dargestellt, bei denen eine Massage hilfreich und the- rapeutisch wirksam ist: • Erkrankungen des Bewegungsapparates o Wirbelsäulenerkrankungen o Arthrosen o präoperativ o postoperativ o posttraumatisch • Neurologische Störungen, Nervenerkrankungen o Lähmungen nach Unfällen o Bandscheibenvorfall o postoperativ • Haut- und Muskelverspannungen von inneren Organen o Atemwegserkrankungen • Psychische Störungen, Verhaltensauffälligkeiten o Angst o Hyperaktivität Der Hauptaspekt der therapeutischen Massage ist die Schmerzlinderung. Eine gute Lebensqualität des Hundes steht immer in Zusammenhang mit einer Schmerzfreiheit. Diese Schmerzlinderung, im besten Falle Schmerzfreiheit, wird durch verschiedene körperliche Ver- änderungen erreicht. Durch eine Durchblutungssteigerung und eine Temperaturerhöhung im Gewebe werden schmerz- auslösende Substanzen aus dem betroffenen Gebiet herausgeschwemmt. Die manuelle Einwirkung während einer Massage bewirkt eine Lösung von schmerzhaften Muskel- verspannungen und Verklebungen. Sind diese behoben oder verbessert, resultiert auch daraus wie- der eine Schmerzlinderung. © Ziemer & Falke 27 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Eine hohe Muskelgrundspannung (Muskeltonus) zeugt von einer Verspannung und von Schmerz. Wird diese Muskelgrundspannung durch eine Massage gesenkt, entsteht automatisch eine Schmerzlinderung. 4.1. Wirkung der Massage Mechanische Wirkung • Auspresseffekt im Bereich der Venen und Lymphgefäße • vermehrte Ausschwemmung von Flüssigkeit aus dem Gewebe • mechanische Lösung von Verklebungen, Narbengewebe Hyperämisierende Wirkung • deutliche Mehrdurchblutung dadurch eine Temperatursteigerung Schmerzlindernde Wirkung • schmerzauslösende Substanzen werden aus dem Gewebe herausgeschwemmt • Massage kann Schmerzhemmungsmechanismen im Gehirn und Rückenmark aktivieren Wirkung auf die Muskelgrundspannung • Senkung der Muskelgrundspannung o diese kann durch Schmerz, Angst, Stress u. a. gesteigert sein • Erhöhung der Muskelgrundspannung o diese kann durch eine Lähmung gesenkt sein Psychologische Wirkung • entspannend, beruhigend, Bewusstwerdung der betroffenen Stellen, Körpergefühl verbes- sern Bei der Ausführung der Massage sind verschiedene Aspekte zu beachten. Die Massage sollte immer an nicht betroffener Stelle begonnen werden, so dass der Hund lang- sam auf die Massage eingestimmt wird. © Ziemer & Falke 28 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Die Massagegriffe sollten immer • so stark wie nötig • so schwach wie möglich • nie gegen den Fellstrich geführt werden. Das Tier soll während der Massage entspannen. Dies ist am besten in Seitenlage möglich. Am Anfang einer Behandlungsreihe kann es aber sein, dass der Hund noch nicht genügend Vertrauen zum Therapeuten aufgebaut hat und sich nur im Stand, im Sitz oder im Platz behandeln lässt. Dies tut der Sache aber keinen Abbruch. Der Therapeut sollte versuchen, den Hund im Laufe der Zeit, auch wenn es etwas länger dauert, in eine vollkommene Entspannung zu bringen, also in die Seitenlage. Generell sollte eine Massage nicht weh tun. Da aber eine manuelle Einwirkung auf einen verspann- ten Muskel (fast) immer mit Schmerzen verbunden ist, lässt sich dies nicht vollständig vermeiden. Wobei dies eine Art „Wohlfühlschmerz“ ist, also ein angenehmer Schmerz, den praktisch alle Vier- beiner kurzzeitig tolerieren. Während einer Massage sollten besondere Stellen wie Narben und Verhärtungen gezielt behandelt und Schmerzstellen massiert werden. Besonders stark betroffene Stellen sollten vorbehandelt werden mit • einem wärmenden Tuch • einem Körner- oder Kirschkernkissen • Rotlicht So wird die Muskulatur vorgewärmt und Schmerzen gelindert. Die Dauer einer therapeutischen Massage sollte zwischen 5 bis 30 Minuten betragen. Die zeitliche Dauer ist abhängig von • dem Aufbau der einzelnen Behandlungseinheit • der Größe des Hundes • von dem Erkrankungsbild © Ziemer & Falke 29 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
Aufgaben Liebe Kursteilnehmerin, lieber Kursteilnehmer, hier einige Übungsfragen zur Vertiefung des in diesem Kapitelteil vorgestellten Lernstoffes. Bitte beantworte die Fragen, ohne dass Du nachschlägst. Viel Erfolg bei Deiner Arbeit! 1. Bei welchen Erkrankungen sollte eine Massage durchgeführt werden? 2. Welches ist die Hauptwirkung der Massage? 3. Wovon ist die Wirkung der Massage abhängig? 4. Worauf sollte man bei der Ausführung einer Massage achten? 5. Wie lange dauert eine Massage? 4.2. Massagetechniken 4.2.1. Streichungen (Effleuragen) Streichungen sind für den Hund eine sehr sanfte und an- genehme Massagetechnik. Der Hund nimmt diese Griff- technik eher als „normales“ Streicheln seines Besitzers wahr und wird sich höchstwahrscheinlich schon während einer Streichung entspannen. Der Therapeut sollte daher, gerade bei einem neuen Hun- depatienten, viel Zeit in diese erste Kontaktaufnahme in- vestieren. Durch die Streichungen wird eine Erwärmung der Haut und des darunter liegenden Gewebes er- reicht sowie eine damit verbundene Steigerung der Durchblutung und ein Herabsetzen der Muskel- grundspannung. Bei diesem Massagegriff sollte die Hand des Therapeuten großflächig und mit gleichmäßigem Druck über das zu behandelnde Körperteil gleiten. Wichtig hierbei ist, wie bei allen anderen Massagegriffen auch, eine ruhige und rhythmische Ausführung. Die Druckintensität darf nicht verändert werden. © Ziemer & Falke 30 Schulungszentrum für Hundetrainer GmbH & Co. KG www.ziemer-falke.de
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