Leseprobe Immer montags beste Freunde Der Junge, der mein Leben veränderte
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Leseprobe Laura Schroff, Alex Tresniowski Immer montags beste Freunde Der Junge, der mein Leben veränderte Bestellen Sie mit einem Klick für 10,99 € Seiten: 304 Erscheinungstermin: 12. Oktober 2020 Lieferstatus: Lieferbar Mehr Informationen zum Buch gibt es auf
www.penguinrandomhouse.de Inhalte Buch lesen Mehr zum Autor Zum Buch Eine Frau, die alles hat. Ein Junge, dem alles fehlt. Eine untrennbare Freundschaft. Laura ist eine erfolgreiche Verkaufsleiterin, die an einem normalen Montag durch die Straßen von New York hetzt. Sie hat keine Zeit, achtet kaum auf ihre Mitmenschen – auch nicht auf den kleinen Jungen, der sie um Kleingeld anbettelt. Sie ist schon an der nächsten Straßenecke, als sie plötzlich stehen bleibt – und umkehrt. Sie kauft dem hungrigen Maurice etwas zu essen und erfährt von seinem Leben. Von dem Tag an treffen sich Maurice und Laura jede Woche über Jahre hinweg, immer montags. Dies ist die Geschichte ihrer einzigartigen Freundschaft – die bis heute anhält.
Autor Laura Schroff, Alex Tresniowski Laura Schroff, geboren und aufgewachsen auf Long Island, hat als Verkaufsleiterin und Marketingspezialistin für mehrere große Medienunternehmen und bekannte Magazine gearbeitet, darunter People, InStyle und Brides. Sie war zudem Teil des Marketingteams, das USA Today zum Erfolg führte. Laura liebt es, Zeit in ihrem Ferienhaus auf Long Island zu verbringen und ihre Familie in New York und Florida zu besuchen. Heute lebt Laura mit ihrem frechen Pudel Coco in New York City. Alex Tresniowski ist Autor und schreibt seit vielen Jahren für das Magazin People. Sein Buch »The Vendetta« wurde unter dem Titel »Public Enemies« mit Christian Bale und Johnny Depp für das Kino verfilmt.
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LAURA SCHROFF und ALEX TRESNIOWSKI Immer montags beste Freunde Der Junge, der mein Leben ver änder te Aus dem Amerikanischen von Marie Rahn TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 3 30.07.20 11:47
Für all die Kinder wie Maurice, deren Leben unvorstellbar hart ist. Verliert niemals die Hoffnung, den Teufelskreis durchbre- chen und Euer Leben verändern zu können. Hört nie auf zu träumen, denn die Macht der Träume gibt Euch Auftrieb. TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 5 30.07.20 11:47
INHALT VORWORT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11 PROLOG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 1 EIN BISSCHEN KLEINGELD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 2 DER ERSTE TAG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 3 EINE EINMALIGE CHANCE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 37 4 DAS GEBURTSTAGSGESCHENK . . . . . . . . . . . . . . . . 47 5 DER BASEBALLHANDSCHUH . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 6 WAR’S DAS? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 7 DAS LIED EINER MUTTER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 8 DAS VERMÄCHTNIS DES VATERS . . . . . . . . . . . . . . . 95 9 DIE BRAUNE PAPIERTÜTE . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 7 30.07.20 11:47
10 DER GROSSE TISCH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 11 DER VERPASSTE TERMIN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 12 AUSSEN VOR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 13 BITTERSÜSSES WUNDER . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 14 EIN EINFACHES REZEPT . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 15 DAS NEUE FAHRRAD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 16 DER WINTERMANTEL . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 220 17 DER DUNKLE WALD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 18 EIN LETZTER TEST . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 19 DAS GRÖSSTE GESCHENK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 EPILOG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 279 DANK . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 INTERVIEW MIT LAURA SCHROFF . . . . . . . . . . . . . . . . 293 TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 8 30.07.20 11:47
Ein unsichtbares Band verbindet ungeachtet von Zeit, Raum und Umständen diejenigen, deren Begegnung vorherbestimmt ist. Auch wenn dieses Band aufs Äußerste gespannt oder völlig verheddert ist, wird es niemals reißen. CHINESISCHES SPRICHWORT TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 9 30.07.20 11:47
VORWORT Als Laura Schroff 1978 zu einem Vorstellungsgespräch in mein Büro in Manhattan kam, war ich zwar beeindruckt von ihrer Persönlichkeit und bezaubert von ihrem Charme, doch nicht so überwältigt, dass ich sie vom Fleck weg einge- stellt hätte. Ich mochte sie und hatte ein gutes Gefühl, wollte aber mehr über sie erfahren. Nicht nur über ihre Fähigkei- ten, sondern auch über ihre Wertvorstellungen. Ich wollte herausfinden, was für ein Mensch sie war. Damals war ich stellvertretende Herausgeberin von Ms., einer richtungsweisenden, monatlich erscheinenden Zeitschrift, die seit 1972 erschien. Das Anliegen des Magazins war schlicht, aber anspruchsvoll: Wir wollten ein Katalysator für Veränderungen in unserer Gesellschaft sein. Ms. setzte sich für die Gleichberechtigung ein und wollte Frauen inspirie- ren, ihnen Mut machen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen, eigene Entscheidungen zu treffen und sich in die von Män- nern dominierte Welt großer amerikanischer Unternehmen zu wagen. Damals in den Siebzigern gab es nicht viele Frauen, 11 TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 11 30.07.20 11:47
die Betriebswirtschaft studiert hatten. Ganz im Gegensatz zu heute, wo die Zahl der weiblichen Absolventen der Harvard Business School bei annähernd vierzig Prozent liegt. Es gab auch keine Fernsehsendungen mit Oprah Winfrey, in denen Frauen fünfmal pro Woche ermutigt wurden, wagemutig zu sein und ein erfülltes Leben zu führen. 1978 war noch nicht einmal die Idee zu Oprahs Zeitschrift O geboren. In vielerlei Hinsicht war Ms. ein Prototyp, bahnte Frauen wie Oprah den Weg und versuchte, eine Generation zukünf- tiger Entscheidungsträgerinnen zu inspirieren. Diese Auf- gabe bürdete den dort Beschäftigten eine enorme Verant- wortung auf. Wir hatten nicht nur einen Job, sondern trugen dazu bei, die Welt zu verändern. Als Mitherausgeberin ge- hörte es zu meinen Aufgaben, Frauen einzustellen, die Werbe- platz in unserer Zeitschrift verkauften. Das war bei jedem Presseorgan ein wichtiger und anspruchsvoller Job, aber ganz besonders bei Ms. Wenn man neu und anders ist, wissen die Leute noch nicht, wofür man steht. Eine ganze Weile betrachtete die Werbe- branche unsere Zeitschrift mit ziemlichem Widerwillen. Da- her mussten unsere Anzeigenverkäufer nicht nur Werbeplatz verkaufen, sondern auch die Botschaft, die Werte und die Standpunkte des Magazins vertreten. Ich brauchte Frauen, denen diese Herausforderung bewusst war und die sich mit der gleichen Hingabe den Zielen der Zeitschrift widmeten wie ich. Frauen, die auf feindliches Gebiet vordringen und die Überzeugungen der Menschen ändern konnten. Ich brauchte jemanden, der wirklich seinen Wertvorstellungen entspre- chend lebte und den Mut hatte, für sie zu kämpfen. Daher stellte ich mir bei Lauras Vorstellungsgespräch die 12 TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 12 30.07.20 11:47
Frage: Ist ihr wirklich wichtig, was wir hier tun, oder will sie nur einen Job? Ich vereinbarte ein zweites Gespräch mit ihr, in dem ich sie dann bat, mir zu sagen, was im Leben wirklich wichtig für sie sei. Ohne zu zögern erzählte sie mir von ihrer Familie und ihren Freunden, von Loyalität und Gemeinsinn, von dem Wunsch, andere Menschen zu inspirieren. Ich erkannte, dass Laura eine Frau war, die sich für andere Menschen interes- sierte. Wegen ihrer Begeisterung für die Ziele unserer Zeit- schrift verstand sie auch, wie wichtig es war, Menschen dazu zu ermutigen, sich Ziele zu setzen und ein besseres Leben anzustreben. Kurz nach diesem zweiten Gespräch boten wir Laura die Stelle an. Es war keine Überraschung, dass sie ihre Aufgabe mit Leidenschaft und Bravour meisterte und der Zeitung viele neue Anzeigen einbrachte. Doch wie bemerkenswert Laura wirklich ist, erkannte ich erst einige Jahre später. Damals verließ ich die Zeitschrift Ms., um für USA Today zu arbeiten, einer ebenso revolutionären neuen Zeitung, die um jede einzelne Anzeige kämpfen musste. Als Leiterin der Anzeigenabteilung musste ich Unternehmen dazu bringen, uns einen Vertrauensvorschuss zu geben. Sie sollten ihre Produkte und Dienstleistungen in einer bunten, großforma- tigen und überregionalen Tageszeitung bewerben, die das Land so noch nicht kannte. Die Aufgabe war schwierig. Ich merkte schnell, dass ich dazu gewiefte Mitarbeiter brauchte, denen ich vertrauen konnte. Laura war die Erste auf meiner Liste. Sie kam an Bord, leistete erneut Großartiges und verkaufte Werbeplatz für Millionen Dollar in der USA Today. 13 TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 13 30.07.20 11:47
Doch noch immer erkannte ich nicht, wie bemerkenswert sie wirklich ist. Im Laufe der Jahre wurden Laura und ich Freundinnen. Wir verbrachten die Mittagspausen zusammen, redeten über Privates, gingen shoppen und machten, was Freundinnen eben so tun. Wir interessierten uns aufrichtig füreinander. Daher war es nicht ungewöhnlich, dass Laura 1986 am Diens- tag nach dem Labor Day in mein Büro kam und erzählte, was ihr am Tag zuvor passiert war. Ich hatte keine Ahnung, dass diese Geschichte eines Tages in Buchform erscheinen würde. Ich konnte nicht wissen, dass der Vorfall, den sie mir schilderte, deutlich zeigen würde, was für ein Mensch Laura ist. Damals war es nur eine von vielen Geschichten. Ganz bestimmt ahnten wir nicht einmal, dass wir noch fünfundzwanzig Jahre später darüber sprechen würden. Laura erzählte mir damals, ein kleiner, elfjähriger Junge habe sie bei einem Spaziergang in der Nähe ihrer Wohnung in Manhattan angesprochen und um Kleingeld gebeten. Sie sagte, der Junge habe sehr traurige Augen und großen Hun- ger gehabt. Sie sei zunächst weitergegangen, dann aber aus einem unerfindlichen Grund umgekehrt. Anstatt ihm eine Münze zu geben, habe sie ihn zum Essen eingeladen. Zuerst war ich verblüfft. Da ich längst immun gegen den Anblick von Bettlern auf den Straßen Manhattans war, zweifelte ich keine Sekunde, dass ich an dem Jungen vorbei- gegangen und ganz bestimmt nicht umgekehrt wäre. Ich be- wunderte Laura für ihr Verhalten. Am Abend gingen wir zusammen essen und unterhielten uns über diesen Jungen: Maurice. Ich glaube, ich hatte sie noch nie so aufgeregt und begeistert erlebt. Obwohl sie dieses 14 TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 14 30.07.20 11:47
Kind nur ein einziges Mal gesehen hatte, war sie bereits an seinem Wohlergehen interessiert. Offenbar hatte etwas an ihm sie angerührt. Im Verlauf der folgenden Tage, Wochen und Monate spra- chen wir häufig von Maurice. Je mehr sie von ihm erzählte, desto mehr erkannte ich Lauras Beweggründe für ihr Verhal- ten. Dennoch muss ich zugeben, dass ich Lauras Beziehung zu diesem Jungen und seiner total kaputten Familie ziemlich problematisch fand. Ich machte mir Sorgen, ihr Verhalten könnte fehlinterpretiert werden und sie irgendwie Schaden nehmen. Manchmal war ich geradezu wütend auf sie, weil ich das Gefühl hatte, sie bringe sich in Gefahr. Ich fragte mich, ob Laura eigentlich klar war, welch eine riesige Verant- wortung sie übernahm. Was war, wenn Maurice durch ihre Freundlichkeit von ihr abhängig wurde? Was, wenn dieses ungeliebte und vollkommen vernachlässigte Kind mehr von ihr brauchte, als sie geben konnte? Ich sprach mit Laura sehr nachdrücklich über meine Sorgen und Befürchtungen. Ich hatte das Gefühl, ich müsste ihre »Stimme der Vernunft« sein. Bald wurde jedoch deutlich, dass nicht Vernunftgründe Laura antrieben. Was sie antrieb, waren Glaube, Überzeu- gung und Liebe. Laura überzeugte mich mehr durch Handlungen als durch Worte, dass sie Maurice niemals im Stich lassen würde. Im Laufe unserer unzähligen Gespräche wurde mir klar, dass Laura Maurice wertvolle Erfahrungen bescherte, die ihm sein ganzes Leben lang nutzen würden. Sie tat das einfach, indem sie ihn in ganz normale Rituale ihres Alltags einband. Sie sagte zu mir, sie empfinde ihre Verpflichtung gegenüber Maurice als unaufkündbar, ganz gleich, wie erfolgreich sie 15 TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 15 30.07.20 11:47
sei, wie viel sie zu tun habe oder wie sehr sich ihr Privatleben verändern mochte. Ich kannte Laura gut genug, um zu wis- sen, dass dies nicht nur leere Worte waren. Sie nahm ihre Verantwortung gegenüber Maurice sehr ernst und würde sich niemals davor drücken. Da endlich dämmerte mir, wie bemerkenswert Lauras Ge- schichte eigentlich ist. Wir leben in einer zynischen Welt. Manchmal versperrt uns unser Zynismus den Blick darauf, wie die Dinge wirk- lich sind. Ich selbst war durch mein Leben in New York so zynisch geworden, dass ich die besondere Verbindung zwi- schen Laura und Maurice nicht begriff. Doch Laura hatte sämtliche Probleme, alle Risiken und die offensichtliche Un- vernunft ihres Verhaltens ignoriert. Für sie zählte nur die liebevolle und innige Beziehung zweier Menschen, die ein- ander brauchten. Heute bin ich überglücklich, dass Laura die ganze Welt an ihrer Geschichte teilhaben lässt. Ich glaube, in ihren schlich- ten, alltäglichen Handlungen steckt eine mächtige Botschaft, und ich hoffe, ihre Geschichte inspiriert die Leser genauso wie mich. Ich erinnere mich an ein Zitat von Dr. Martin Luther King Jr.: »Habe Vertrauen und nimm die erste Stufe. Du musst nicht die ganze Treppe schaffen, nur den ersten Schritt.« Ich danke Laura, dass sie diese erste Stufe mit Maurice genommen hat. Valerie Salembier Senior Vice President, Publisher and Chief Revenue Officer von Town & Country 16 TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 16 30.07.20 11:47
PROLOG Der Junge steht allein auf einem Bürgersteig in Brooklyn und sieht, dass eine Frau um ihr Leben rennt und eine andere Frau sie mit einem Hammer jagt. Er kennt die fliehende Frau: Es ist die Freundin seines Vaters. Die Frau mit dem Hammer kennt er nicht. Der Junge ist in seiner ganz persönlichen Hölle gefangen. Er ist sechs Jahre alt, herzzerreißend dünn und hat überall Flohbisse. Sein Bauch schmerzt vor Hunger, aber das ist nichts Neues. Mit zwei war er einmal so ausgehungert, dass er den Müll durchwühlte und Rattenkot aß. Daraufhin musste ihm der Magen ausgepumpt werden. Sein Zuhause ist die winzige, vor Schmutz starrende Wohnung seines Va- ters in einem Elendsviertel von Brooklyn. Er schläft mit sei- nen bettnässenden Stiefbrüdern auf einer Matratze und überlebt an einem Ort, an dem es überall nach Tod stinkt. Seine Mutter hat er seit drei Monaten nicht mehr gesehen, den Grund kennt er nicht. Seine Welt besteht nur aus Chaos, Drogen und Gewalt. Mit seinen sechs Jahren ist ihm bereits 17 TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 17 30.07.20 11:47
klar, dass er es vielleicht nicht schafft, wenn sich nicht bald etwas ändert. Er kann nicht beten, aber er denkt: Bitte erlaube nicht, dass mein Vater mich sterben lässt. Was in gewisser Weise ein Gebet ist. Dann sieht der Junge seinen Vater die Straße heraufkom- men. Die Frau mit dem Hammer sieht ihn auch und brüllt: »Junebug, wo ist mein Sohn?« Der Junge erkennt die Stimme und fragt: »Mom?« Die Frau mit dem Hammer mustert verwirrt den Jungen, dann sieht sie genauer hin und sagt schließlich: »Maurice?« Der Junge hatte seine Mutter nicht erkannt, weil ihr von den Drogen die Zähne ausgefallen waren. Die Mutter hatte ihren Sohn nicht erkannt, weil er so ma- ger und ausgezehrt war. Jetzt jagt sie Junebug und schreit: »Was hast du meinem Baby angetan!« Der Junge sollte Angst oder Verwirrung empfinden, doch mehr als alles andere verspürt er Glück. Er ist glücklich, dass seine Mutter gekommen ist, um ihn zu holen. Er wird nicht sterben – zumindest nicht hier und jetzt. Das war der Augenblick, in dem er sich der Liebe seiner Mutter bewusst wurde. 18 TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 18 30.07.20 11:47
1 EIN BISSCHEN KLEINGELD »Verzeihung, Lady, haben Sie ein bisschen Kleingeld?« Das waren seine ersten Worte, damals, an einem sonnigen Septembertag in der Nähe des Broadways, auf der 56. Straße in New York. Ich hörte sie zwar, achtete aber kaum darauf. Seine Worte gehörten wie Autohupen und Taxirufe zur Geräuschkulisse. Man könnte sagen, sie waren nur Hintergrundlärm – eine Belästigung, die New Yorker auszublenden gelernt haben. Also ging ich an ihm vorbei, als wäre er gar nicht da. Nach ein paar Metern blieb ich stehen. Und dann machte ich kehrt. Warum, weiß ich bis heute nicht. Ich ging zurück, musterte ihn und stellte fest, dass er noch ein Kind war. Zwar hatte ich aus dem Augenwinkel registriert, dass er jung war. Aber als ich ihn richtig ansah, erkannte ich, dass er ein kleiner Bub war: schmaler Körper, dürre Ärm- chen, große, runde Augen. Er trug ein dunkelrotes Sweat- shirt mit Flecken und Löchern, dazu eine schäbige Jogging- 19 TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 19 30.07.20 11:47
hose in gleicher Farbe. Die Schnürsenkel seiner schmuddelig weißen Sneakers waren offen, seine Fingernägel schmutzig. Doch seine Augen strahlten klar, und er war richtig süß. Wie ich bald erfahren sollte, war er elf Jahre alt. Er streckte mir seine Handfläche entgegen und fragte noch einmal: »Verzeihung, Lady, haben Sie ein bisschen Kleingeld? Ich habe Hunger.« Meine Antwort kam für ihn vielleicht überraschend, doch für mich war sie ein Schock. »Wenn du Hunger hast, dann spendiere ich dir was bei McDonald’s«, sagte ich. »Kann ich einen Cheeseburger haben?«, fragte er. »Ja«, sagte ich. »Und einen Big Mac?« »Ja, auch das geht.« »Und eine Cola light?« »Ja, in Ordnung.« »Äh, und einen Schokoshake und Pommes?« Da sagte ich, er könne alles haben, was er wolle. Und ich fragte ihn, ob ich ihm beim Essen Gesellschaft leisten dürfe. Darüber dachte er kurz nach. »Okay«, sagte er. Also aßen wir an jenem Tag gemeinsam bei McDonald’s zu Mittag. Danach trafen wir uns jeden Montag. Die nächsten 150 Montage. Sein Name ist Maurice, und er veränderte mein Leben. *** 20 TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 20 30.07.20 11:47
Warum ich stehen blieb und zu Maurice zurückging? Ich kann besser erklären, warum ich ihn zuerst ignorierte. Ich ignorierte ihn, weil er ganz einfach nicht auf meinem Plan stand. Ich bin eine Frau, die ihr Leben bis ins Letzte plant. Ich mache Termine, fülle Zeitlücken und lebe nur nach der Uhr. Ich hetze von Meeting zu Meeting, arbeite Listen ab. Ich bin nicht nur pünktlich, sondern komme zu jedem Termin fünf- zehn Minuten zu früh. Das ist mein Leben, das bin ich. Aber manches im Leben lässt sich nicht planen. Regen zum Beispiel. Am 1. September 1986, dem Tag, an dem ich Maurice kennenlernte, fegte ein gewaltiges Unwet- ter über New York hinweg. Ich wachte bei Dunkelheit und prasselndem Regen auf. Es war das Wochenende des Labor Day, der Sommer neigte sich dem Ende zu. Ich hatte Karten für das US-Open-Tennisturnier am Nachmittag – super Plätze, drei Reihen vom Center Court entfernt. Zwar war ich kein großer Tennisfan, fand es aber toll, solche Plätze zu haben. Sie waren der sichtbare Beweis meines Erfolgs. 1986 war ich fünfunddreißig und hatte eine leitende Position in der Anzeigenabteilung bei USA Today. Ich war ziemlich gut in meinem Job, der darin bestand, persönliche Kontakte zu knüpfen. Vielleicht hatte ich mir mein Leben früher einmal etwas anders vorgestellt. Ich war immer noch Single, und ein weiterer Sommer war vergangen, ohne dass ich den Richti- gen gefunden hätte. Doch nach normalen Maßstäben ging es mir ziemlich gut. Mit Kunden zu den US Open zu gehen und gratis direkt am Center Court zu sitzen, war nur ein weiteres Zeichen dafür, dass ich nicht mehr das Mädchen aus einem Arbeiterviertel auf Long Island war. 21 TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 21 30.07.20 11:47
Der Regen spülte meine Pläne einfach weg, gegen Mittag wurde das Tennisturnier verschoben. Ich werkelte in mei- nem Apartment herum, räumte ein bisschen auf, tätigte ein paar Anrufe und las Zeitung, bis am Nachmittag endlich der Niederschlag aufhörte. Ich schnappte mir einen Pulli und machte einen Spaziergang. Zwar hatte ich kein Ziel, aber ein eindeutiges Vorhaben, nämlich die kühle Herbstluft und die zwischen den Wolken hervorblitzende Sonne auf meinem Gesicht zu genießen, ein bisschen Bewegung zu bekommen und mich vom Sommer zu verabschieden. Stehen bleiben jedoch stand nicht auf dem Plan. Daher ging ich einfach weiter, als Maurice mich ansprach. Außerdem muss man bedenken, dass das während der 1980er in New York geschah. Damals waren Obdachlose und Bett- ler ein genauso vertrauter Anblick wie Kinder auf Fahrrädern oder Mütter mit Kinderwagen. Im ganzen Land herrschte wirtschaftlicher Aufschwung, und die Wall Street brachte täglich neue Millionäre hervor. Die Kehrseite der Medaille war, dass die Schere zwischen Arm und Reich auseinander- klaffte. Das zeigte sich nirgendwo krasser als auf den Straßen New Yorks. Die Mittelklasse bekam etwas vom Aufschwung ab, bei den Ärmsten und Elendsten der Stadt war aber nichts davon zu spüren. Vielen von ihnen blieb gar nichts anderes übrig, als auf der Straße zu leben. Allmählich gewöhnte man sich an sie: harte, ausgezehrte Männer und traurige, ver- härmte Frauen, die Lumpen trugen, in Ecken lagerten, auf Lüftungsgittern schliefen und bettelten. Man kann sich nur schwer vorstellen, dass jeder sie se- hen konnte, ohne von ihrem Elend angerührt zu werden. Es waren so viele, dass die meisten Menschen unbewusst be- 22 TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 22 30.07.20 11:47
schlossen wegzugucken. Im Grunde taten alle so, als wären die Armen nicht da. Das Problem schien so riesig und unlös- bar, dass es einem vollkommen sinnlos vorkam, einem Ein- zigen zu helfen. So eilten wir täglich an ihnen vorbei, lebten unser Leben und akzeptierten, dass es nichts gab, was wir tun konnten. Allerdings hatte es vor meiner Begegnung mit Maurice bereits einen Obdachlosen gegeben, den ich näher kennen- lernte. Er hieß Stan und lebte in der Nähe der Sixth Avenue auf der Straße, nicht weit von meinem Apartment entfernt. Stan war ein gedrungener Mann Mitte vierzig, der ein paar Wollhandschuhe, eine marineblaue Mütze, alte Arbeitsschuhe und ein paar andere Habseligkeiten besaß, die er in Plastik- tüten mit sich herumtrug. Dagegen besaß er nichts von alle- dem, was wir für selbstverständlich halten, eine warme Decke zum Beispiel oder einen Wintermantel. Er schlief auf einem Lüftungsgitter der U-Bahn, und die warmen Abgase der Züge hielten ihn am Leben. Eines Tages fragte ich ihn, ob er gern eine Tasse Kaffee hätte. Er antwortete, ja gern, mit Milch und vier Zucker- stückchen, bitte. Danach machte ich es mir zur Gewohnheit, ihm jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit einen Kaffee zu brin- gen. Ich fragte ihn, wie es ihm gehe, und wünschte ihm viel Glück für den Tag. Eines Morgens war er weg und das Lüf- tungsgitter nicht mehr Stans Platz, sondern nur ein leeres Gitter. Er verschwand einfach aus meinem Leben, ohne die geringste Spur zu hinterlassen. Ich war traurig darüber und fragte mich oft, was aus ihm geworden war. Mein Leben ging weiter, und nach einer Weile dachte ich nicht mehr an Stan. Mir widerstrebt zwar die 23 TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 23 30.07.20 11:47
Vorstellung, dass mein Mitgefühl für ihn und seine Schick- salsgenossen willkürlich war, doch wenn ich wirklich ehr- lich bin, entspricht es der Wahrheit. Ihr Schicksal berührte mich zwar, aber nicht genug, um mein Leben zu verändern und zu helfen. Ich war kein selbstloser Gutmensch. Wie die meisten New Yorker lernte ich, die Belästigung auszu- blenden. *** Dann kam Maurice. Ich ging an ihm vorbei zur Ecke Broad- way und blieb dort mitten auf der Straße stehen. Ein paar Sekunden stand ich vor der Autoschlange, die auf das Um- springen der Ampel wartete, bis eine Hupe mich auf- schreckte. Ich machte kehrt und eilte auf den Bürgersteig zurück. Ich weiß nicht mehr, ob ich überhaupt nachdachte oder eine bewusste Entscheidung traf. Ich weiß nur, dass ich es machte. Wenn ich nach all den Jahren daran zurückdenke, glaube ich, dass eine starke, unsichtbare Verbindung mich zu Mau- rice zurückzog. Ich nenne diese Verbindung das unsichtbare Band. Wie ein chinesisches Sprichwort uns erklärt, ist die- ses Band die Verbindung zwischen zwei Menschen, denen es bestimmt ist, sich ungeachtet von Zeit, Raum und Um- ständen zu begegnen. Manche Redewendungen bezeichnen diesen Umstand auch als roten Faden des Schicksals oder schicksalhafte Fügung. Ich glaube, das war es, was Maurice und mich in einer riesigen, übervölkerten Stadt zusammen- führte. Zwei von acht Millionen Menschen, die irgendwie miteinander verbunden und dazu bestimmt waren, Freunde zu werden. 24 TB-Schroff,ImmermontagsbesteFreunde.indd 24 30.07.20 11:47
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