Magazin - Hohe Inflation, steigende Preise - Ärmere immer mehr belastet Bündnis fordert Sozialgipfel - Sozialverband Deutschland
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September 2022 Magazin Herausgegeben vom Sozialverband Deutschland Hohe Inflation, steigende Preise – Ärmere immer mehr belastet Bündnis fordert Sozialgipfel
2 Über uns Inhalt 3 Eine starke Gemeinschaft Kosten für Versicherte Der Sozialverband Deutschland (SoVD) rungssysteme ein. Der Sozialstaat ist ein Weil den gesetzlichen Krankenkassen Geld vertritt die Interessen der Rentner, der wichtiges Auffangnetz für die Menschen fehlt, werden die Beiträge angehoben. Das Patienten und gesetzlich Krankenversi- – das zeigt sich gerade in Zeiten wirt- belastet vor allem die Versicherten. cherten sowie der pflegebedürftigen und schaftlicher Krisen. Uns geht es auch um Seite 4–11 behinderten Menschen. Wir setzen uns für Chancengleichheit, zum Beispiel um die Ihre Rechte ein und bie- Bildung und Ausbildung, ten unseren Mitgliedern die unsere Gesellschaft Steigende Preise Beratungsstellen in ganz behinderten und benach- Deutschland. Dort erhal- teiligten Kindern und Ju- Die anhaltend hohe Inflation bereitet är- ten sie Hilfe bei Fragen gendlichen bietet. meren Sorge. Ein Bündnis fordert daher zur gesetzlichen Kranken-, Der SoVD ist eine starke jetzt einen Sozialgipfel. Renten- und Pflegeversicherung oder in Gemeinschaft mit rund 600.000 Mitglie- Seite 16–19 behindertenrechtlichen Dingen. Soziale dern. Bei uns können Sie sich engagieren Gerechtigkeit steht im Mittelpunkt un- und mit anderen gemeinsam aktiv wer- „Niemanden allein lassen“ serer Arbeit. Wir setzen uns für den Aus- den. Einer von über 2.000 Ortsverbänden bau und den Erhalt der sozialen Siche- befindet sich bestimmt auch in Ihrer Nähe. Bundeskanzler Olaf Scholz versprach wiederholt staatliche Hilfen – welche konkrete Unterstützung gab es bisher? Seite 26–31 Mediale Barrieren Medienangebote sollen für Menschen mit Einschränkungen künftig besser zu- gänglich sein. Seite 36–39 Pläne zum Bürgergeld Das Bürgergeld soll die Grundsicherung „Hartz IV“ ablösen. Bundesarbeitsminister Heil stellte sein Modell hierzu vor. Seite 40–45 Die bundesweit ca. 600.000 Mitglieder des SoVD bilden eine starke Gemeinschaft. Foto Titelbild: polack / Adobe Stock
4 Sozialpolitik Sozialpolitik 5 Die Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung werden auf 16,2 Prozent angehoben Höhere Kosten belasten Versicherte Den gesetzlichen Krankenkassen droht 2023 ein Milliardendefizit. Als Gründe gelten die alternde Gesellschaft, die geringere Zahl an Beitragszahler*innen, Foto: Drazen / Adobe Stock neue Technologien und die Pandemie-Kosten. Auch politische Versäumnisse ste- In vielen Bereichen sind die Menschen hen im Raum. Ein Finanzpaket der Bundesregierung soll das Minus ausgleichen. in Deutschland derzeit mit wachsenden Der SoVD kritisiert besorgt, dass damit auf 57 Millionen Versicherte deutlich hö- Ausgaben konfrontiert. Nun kommen here Krankenkassenbeiträge zukommen – und das könnte erst der Anfang sein. auch auf gesetzlich Krankenversicherte höhere Kosten zu.
6 Sozialpolitik Sozialpolitik 7 Foto: Drazen / Adobe Stock Um rund 0,3 Prozentpunkte im len. Mit 4,8 bis 5 Milliarden Euro Mittel sollen die Zusatzbeiträge im soll die Erhöhung der Zusatzbei- kommenden Jahr steigen. Derzeit träge einen Teil des Fehlbetrages liegt der durchschnittliche Zusatz- decken. Um das Milliarden-Minus beitrag bei 1,3 Prozent. auszugleichen, sollen darüber hi- Ergänzt man zu den dann 1,6 Pro- naus weitere Maßnahmen greifen. zent den aktuellen allgemeinen Laut dem Gesundheitsminister ist Beitrag von 14,6 Prozent, erhöht ein zusätzlicher Bundeszuschuss sich die Summe auf 16,2 Prozent. von zwei Milliarden Euro vor- So hoch waren die Krankenkassen- gesehen. Außerdem müssen die beiträge noch nie. Arbeitgeber*in- einzelnen Kassen nicht notwen- nen übernehmen dabei ab dem dige Finanzreserven in Höhe von 1. Januar 2023 neben der Hälfte insgesamt vier Milliarden Euro des allgemeinen Beitragssatzes abschmelzen. Aus dem Gesund- zur gesetzlichen Krankenversiche- heitsfonds sind zusätzliche 2,4 rung (GKV) auch die Hälfte des kas- Milliarden Euro eingeplant. senindividuellen Zusatzbeitrages. Auch Arztpraxen und der Pharmab- ranche wird ein Solidaritätsbeitrag Maßnahmen zum Ausgleich in Höhe von hochgerechnet einer des „historischen Defizits“ Milliarde Euro abverlangt. So soll Die Bundesregierung habe die für die Praxen künftig die Ext- GKV-Finanzen in einer „sehr ra-Honorierung für Neupatient*in- schwierigen Lage“ vorgefunden, nen entfallen. Die Pharmaindustrie erklärte Bundesgesundheitsminis- ist gehalten, die Herstellerrabatte ter Karl Lauterbach (SPD) bei der für patentgeschützte Medikamen- Bekanntgabe der Finanzreform. Er te von sieben auf zwölf Prozent sprach von einem historischen De- zu erhöhen. Lauterbach sprach fizit im nächsten Jahr. Die Zusatz- dennoch von einer „sehr maßvol- beiträge sollen dazu dienen, die len Erhöhung, die noch zur Hälfte GKV aus einem erwarteten Finanz- von den Arbeitgeber*innen getra- loch von 25 Milliarden Euro zu ho- gen“ werde. Ziel sei es, die weitere
8 Sozialpolitik Sozialpolitik 9 Foto: Drazen / Adobe Stock Anhebung der Zusatzbeiträge für der Beitragszahlenden gebildet, die Versicherte und Unternehmen zu jetzt zusätzlich zur Kasse gebeten vermeiden und Kassenleistungen werden, um das Defizit kurzfristig künftig ohne Abstriche anbieten zu zu schließen“, sagt Bauer. können. Aus Sicht des SoVD wird das Prob- lem damit lediglich erneut um ein SoVD: Bund beteiligt sich Jahr verschoben, die Folgen sind nicht genug an den Kosten schon heute absehbar. „Der Bund Das sieht der Sozialverband zieht sich hier aus seiner Verant- Deutschland (SoVD) ganz anders. wortung, und das kann nicht sein.“ Er betrachtet das Finanzpaket mit Die solidarische Beteiligung der Skepsis und Ernüchterung. „Der pharmazeutischen Unternehmen Gesetzentwurf bleibt mit seinen an der Schließung des GKV-Defizi- Maßnahmen weit hinter den all- tes hält der SoVD-Präsident grund- seitigen Erwartungen zurück“, stellt sätzlich für angemessen. Bauer SoVD-Präsident Adolf Bauer fest. betont jedoch, dass anstelle von Insbesondere kritisiert der SoVD, kurzfristigen Finanzspritzen auch dass der Bund sich am Schließen hier grundlegende Maßnahmen des Milliardendefizites lediglich zur finanziellen Entlastung und mit zwei Milliarden Euro Bundes- Stärkung der gesetzlichen Kran- zuschuss und einem Darlehen be- kenversicherung notwendig seien. teiligen will. SoVD fordert seit Langem Finanzreserven wurden Bürgerversicherung für alle aus Beitragsrücklagen gebildet „Zur Stärkung der Finanzie- Statt überfälliger, grundlegender rungsbasis der gesetzlichen und in die Zukunft gerichteter Re- Krankenversicherung muss als formen zur Finanzierung der GKV Sofortmaßnahme die private Kran- bediene man sich aus deren Fi- kenversicherung in einen umfas- nanzreserven. „Die Finanzreserven senden Solidarausgleich einbezo- aber wurden aus Beitragsrücklagen gen werden. Darüber hinaus sind
10 Sozialpolitik Sozialpolitik 11 Foto: Drazen / Adobe Stock die Beitragsbemessungsgrenze zu decken, sei mehr als fraglich, sagt und Versicherungspflichtgrenze etwa der GKV-Spitzenverband, der – in einem ersten Schritt zumindest ebenso wie der SoVD – für die Ver- auf das Niveau in der Rentenversi- sicherten weitere Zusatzbeiträge in cherung anzuheben“, so Bauer. Der den kommenden Jahren fürchtet. Und SoVD fordert seit Langem, die ge- nicht anders sieht es bei den gesetzli- setzlichen und privaten Kranken- chen Pflegekassen aus, die ebenfalls kassen in einer für alle geltenden im Minus sind. Bürgerversicherung zusammenzu- Tragen müssen das einmal mehr die legen. Versicherten: Mit der Erhöhung der Lauterbach sieht die Ursachen für Krankenkassenbeiträge steigen die das Minus, vor dem die GKV selbst Sozialbeiträge, die die Arbeitneh- wiederholt gewarnt hatte, vor al- menden abführen müssen, im Jahr lem in politischen Versäumnissen. 2023 auf insgesamt 40,45 Prozent. Er schreibt diese seinem Vorgänger Erstmals seit 2012 wird damit wie- Jens Spahn (CDU) zu. Spahn habe der die Marke von über 40 Prozent teure Leistungsreformen auf den überschritten. Zusammen mit den ex- Weg gebracht, aber von strukturel- plodierenden Energiepreisen, der Ga- len Reformen Abstand genommen. sumlage und den allgemeinen Teue- Unter anderem deshalb sei das De- rungsraten treibt diese Entwicklung fizit in der Pandemie entstanden, immer mehr Menschen in die Armut. so Lauterbach. Dabei lässt er unter den Tisch fallen, dass er selbst in der Großen Koalition vor allem das Terminservice- und Versorgungs- gesetz mit verhandelt und gutge- heißen hatte. Auch bei anderen stehen Lauter- bachs Krankenkassenpläne in der Kritik. Ob das Finanzpaket langfris- tig ausreichen wird, um die Kosten
12 Sozialpolitik Sozialpolitik 13 SoVD begrüßt Entwurf eines Gesetzes zu höheren Hinzuverdienstgrenzen Einkünfte zusätzlich zur Rente Dem SoVD liegt der Entwurf eines Gesetzes aus dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales vor. Dem- Foto: industrieblick / Adobe Stock nach sollen die im Zuge der Pandemie befristet an- Wer früher in Rente geht, kann künftig gehobenen Hinzuverdienstgrenzen bei vorgezogenen zwar mehr hinzuverdienen, muss jedoch Altersrenten bestehen bleiben und bei Erwerbsminde- unter Umständen dauerhaft Abschläge rungsrenten deutlich steigen. in Kauf nehmen.
14 Sozialpolitik Sozialpolitik 15 Foto: industrieblick / Adobe Stock Wie im Koalitionsvertrag verein- gesundheitlich überhaupt in der bart, will die Bundesregierung Lage, noch einer Erwerbstätigkeit den zusätzlichen Bezug eines Er- nachzugehen. werbseinkommens bei einer vor- Positiv ist aus SoVD-Sicht auch, gezogenen Altersrente attraktiver dass künftig nur noch versiche- machen. Gleichzeitig soll dies dem rungspflichtige Sozialleistungen Fachkräftemangel entgegenwir- als Einkommen berücksichtigt ken. Für das laufende Jahr bleibt werden sollen. demnach ein Betrag von 46.060 Euro anrechnungsfrei. Diese Hin- zuverdienstgrenze entfällt mit Er- reichen der Regelaltersgrenze. Dadurch, dass der Grenzwert dann an die monatliche Bezugs- größe und somit an die Lohnent- wicklung gekoppelt ist, kommt es zu einer Dynamisierung. Das be- deutet, dass die Hinzuverdienst- grenze steigt. In ähnlicher Weise erfolgt eine Anpassung auch bei den Renten wegen Erwerbsminderung. Hier gilt für 2022 eine Hinzuverdienst- grenze von 17.272,50 Euro beim Bezug einer vollen beziehungs- weise 34.545 Euro beim Erhalt einer teilweisen Erwerbsminde- rungsrente. Dies kann aus Sicht des SoVD die Lebensumstände vieler Betroffener verbessern – immer vorausgesetzt, diese sind
16 Titel Titel 17 SoVD und andere Organisationen fordern einen Sozialgipfel Steigende Preise belasten Ärmere Die steigenden Preise bereiten vielen Menschen in Deutschland zu- nehmend Sorge. Ein Bündnis aus SoVD, VdK, Tafel und Mieterbund will mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) deshalb über Entlastungen sprechen. Um Betroffene an diesem Dialog zu beteiligen, solle Scholz einen Sozialgipfel einberufen. Foto: polack / Adobe Stock Schock beim Einkauf im Supermarkt: Neben Energie wurden zuletzt gerade auch Lebensmittel immer teurer.
18 Titel Titel 19 Foto: s-motive / Adobe Stock Gemeinsam mit dem Sozialver- Nur mit den Betroffenen selbst, so band VdK Deutschland, dem Deut- der Vorwurf des Bündnisses, sei schen Mieterbund und der Tafel nicht geredet worden. Dies müsse Deutschland schloss sich der So- sich umgehend ändern. zialverband Deutschland (SoVD) Scholz solle daher so schnell wie zu einem schlagkräftigen Bünd- möglich einen Sozialgipfel einbe- nis zusammen. Mit einem Brief rufen. Für Gespräche stünden die wandte dieses sich jetzt an den an dem Bündnis beteiligten Orga- Bundeskanzler. In dem Schreiben nisationen bereit. heißt es unter anderem: „Ange- sichts steigender Preise für Ener- Politik muss die Sorgen gie und Lebensmittel sowie der der Menschen ernst nehmen Folgen der Corona-Pandemie und Im Mittelpunkt eines solchen So- des Krieges in der Ukraine ha- zialgipfels müssten Überlegungen ben mittlerweile viele Menschen stehen, wie eine sinnvolle Ent- in Deutschland Angst vor der Zu- lastung angesichts hoher Kosten kunft. Sie wissen nicht, wie sie die etwa für Energie oder Lebensmit- höheren Rechnungen für Strom, tel aussehen könne. Vor diesem Gas und Öl bezahlen und wie sie Hintergrund forderte SoVD-Vize- durch Herbst und Winter kommen präsidentin Ursula Engelen-Kefer, sollen.“ die Ängste und Nöte der Menschen wirklich ernst zu nehmen. Als drän- Sozialgipfel für einen gende Themen nannte sie unter möglichst breiten Dialog anderem eine Energiepauschale Die Organisationen sprechen mit für Rentner*innen sowie armuts- einer Stimme und richten ihre Kri- feste Regelsätze beim Bürgergeld tik an die Adresse der Politik. Diese und in der Grundsicherung. habe inzwischen zwar ein weiteres Entlastungspaket angekündigt und sich zudem mit Arbeitgeber*innen und Gewerkschaften ausgetauscht.
20 Aus dem Verband Aus dem Verband 21 Jetzt SoVD-Mitglied werden Fotos: Rawpixel / Adobe Stock, SoVD; Montage: SoVD
22 Sozialpolitik Sozialpolitik 23 Kosten für Strom und Gas steigen weiter – SoVD fordert solidarische Verteilung der Lasten Wie gut kommen wir durch den Winter? Den Anstieg der Energiekosten bekamen die Menschen in Deutschland bisher noch nicht in vollem Umfang zu spüren. Mit dem Beginn der Heizperiode sowie durch höhere Vorauszahlungen bei Gas und Strom wird sich das jedoch ändern. Expert*innen warnen, dass vor allem Rentner*innen und Geringverdienende be- Foto: Budimir Jevtic / Adobe Stock troffen sein werden. SoVD-Präsident Adolf Bauer forderte daher nicht nur schnel- Laut Bundesregierung muss im Winter le und konkrete Entlastungen, sondern wies die Bundesregierung auch auf das zwar niemand frieren, die steigenden Gebot der sozialen Gerechtigkeit hin. Heizkosten sind dennoch ein Problem.
24 Sozialpolitik Sozialpolitik 25 Foto: Drazen / Adobe Stock Die Preise für Gas haben sich im Lebens keine Reichtümer erwerben. Lauf der letzten Monate massiv Mit unserer Rente kommen wir ei- erhöht – und sie steigen weiter. nigermaßen gut über die Runden. Hinzu kommt nun noch eine vom Nun aber kommen die immensen Verbrauch abhängige Gasumlage Energiekostensteigerungen auf uns (siehe Kasten). Ebenfalls deutlich zu. Es ist eine Frage der Zeit, bis un- gestiegen sind die Ausgaben für sere Ersparnisse aufgebraucht sind. Lebensmittel und Strom, Wie sehr Warum erhalten wir Rentner die das viele Menschen in Deutsch- geplante Heizkostenzulage nicht? land verunsichert, zeigt sich immer häufiger auch in den Sozialbera- Der SoVD stellte der Politik be- tungsstellen des SoVD. reits mehrfach die gleiche Frage. Die größten Probleme haben nicht Mit Nachdruck forderte Verband- so sehr Personen, die Hartz IV oder spräsident Adolf Bauer, die Ener- Sozialhilfe erhalten. Sie können giepreispauschale auch an Ren- höhere Heizkosten in der Regel tenbeziehende auszuzahlen. Bauer beim Jobcenter oder beim Sozi- weiß um die finanzielle Not nicht alamt geltend machen. Bei Men- zuletzt der SoVD-Mitglieder. Er be- schen, die nicht im Leistungsbezug kräftigte, dass an der Entlastung sind, sieht das anders aus. So liegen von Menschen mit geringem Ein- etwa kleine Renten oft nur einige kommen kein Weg vorbeiführe. Euro über dem Sozialhilfeniveau. Verärgert zeigte sich der SoVD- Wie sehr es Betroffene schmerzt, Präsident angesichts der Steuer- dass ausgerechnet sie von der pläne von Bundesfinanzminister Energiepreispauschale ausgenom- Christian Lindner (FDP). Ein Ent- men wurden, macht unter anderem lastungspaket, von dem in weiten die Zuschrift von SoVD-Mitglied Teilen auch Personen mit hohem Hans-Dieter K. (Hameln) deutlich: Einkommen profitieren, bezeich- nete Adolf Bauer als einen „Schlag Wir, ein Rentnerehepaar von 82 Jah- ins Gesicht“ für Rentner*innen und ren, konnten uns im Laufe unseres Geringverdienende.
26 Sozialpolitik Sozialpolitik 27 So sahen die staatlichen Hilfen seit Beginn des Krieges in der Ukraine aus „Niemanden allein lassen“ Angesichts umfangreicher Belastungen der Menschen in Deutschland hat Bun- deskanzler Olaf Scholz (SPD) wiederholt versprochen, niemanden allein zu lassen. Über die konkrete Verteilung staatlicher Hilfen war man sich in der Ampelkoalition zuletzt jedoch nicht immer einig. Foto: Bits and Splits / Adobe Stock Die Bundesregierung versprach immer wieder zu helfen, damit sich niemand im Stich gelassen fühlt.
28 Sozialpolitik Sozialpolitik 29 Foto: Drazen / Adobe Stock In den letzten Wochen war viel noch Steuern an. Rentner*innen von Entlastungen die Rede. Hier und Student*innen ohne Job da- eine kurze Übersicht, was die Bun- gegen gehen leer aus. desregierung bisher auf den Weg gebracht hat. Eltern erhalten einen Bonus von 100 Euro pro Kind Abschaffung der Umlage für Der Staat stockt das Kindergeld erneuerbare Energien (EEG) einmalig um 100 Euro für jedes Bereits seit Juli bezahlen Ver- Kind auf. Für Beziehende von So- braucher*innen und Firmen kei- zialleistungen gilt der Bonus nicht ne EEG-Umlage mehr über ihre als Einkommen. Stromrechnung. Indirekt zahlen Bürger*innen jedoch weiter mit, Tankrabatt durch befristet da ein Ausgleich hierfür aus Steu- abgesenkte Energiesteuer ermitteln über den Bundeshaus- Für ingesamt drei Monate senkte halt erfolgt. die Bundesregierung die Energie- steuer auf Sprit. Das galt jedoch Hilfen für Beziehende von bis Ende August – danach ist wohl Arbeitslosengeld I und II mit höheren Preisen für Benzin Erwachsene im Bezug von Arbeits- und Diesel zu rechnen. losengeld (ALG) II erhielten im Juli eine Einmalzahlung von 200 Euro. Wer ALG I bezieht, bekam einen Zuschuss von 100 Euro. Energiepreispauschale – Auszahlung mit dem Lohn Ein Großteil der Berufstätigen Foto: Iryna / Adobe Stock bekommt im September einma- Eine der an Tankstellen spürbaren Maß- lig 300 Euro mit dem Gehalt aus- nahmen war der zeitweise niedrigere gezahlt. Darauf fallen allerdings Preis für Benzin und Diesel.
30 Sozialpolitik Sozialpolitik 31 Foto: Drazen / Adobe Stock freibetrag (10.347 Euro) und eine höhere Werbungskostenpauscha- le (1.200 Euro). Fernpendler*innen können zudem pro Kilometer pau- schal drei Cent mehr anrechnen. Zuschuss des Staates zu den Heizkosten Von einem höheren Heizkostenzu- schuss profitieren Geringverdie- nende: Wer allein lebt und Wohn- geld bezieht, erhält 270 Euro, für zwei Personen gibt es 350 Euro und für jede weitere Person 70 Euro dazu. Studierende mit BAföG und Beziehende einer Berufsaus- bildungsbeihilfe erhalten pau- schal 230 Euro. Mit dem 9-Euro-Ticket quer durch die Republik Für den gleichen Zeitraum konn- te man für neun Euro pro Monat bundesweit den gesamten Nah- verkehr nutzen. Auch diese Er- leichterung fällt ab September weg. Entlastung über die Foto: Mediteraneo / Adobe Stock Steuererklärung für 2022 Angesichts der hohen Energiepreise er- Rückwirkend zum 1. Januar dieses hielten zumindest Arbeitnehmer*innen Jahres gelten ein höherer Grund- eine Pauschale von 300 Euro.
32 Sozialpolitik Sozialpolitik 33 Alltag von Erkrankten und Angehörigen im Fokus Welt-Alzheimertag am 21. September Jedes Jahr am 21. September findet der Welt-Alzheimertag statt. Zu diesem An- Foto: Robert Kneschke / Adobe Stock lass machen Organisationen und Selbsthilfegruppen mit unterschiedlichen Akti- Im Umgang mit Demenz ist es gut, dem vitäten auf die Situation von Menschen mit Demenz und auf die ihrer Angehöri- anderen Zeit zu lassen, wenn er nach gen aufmerksam. Worten sucht.
34 Sozialpolitik Sozialpolitik 35 Foto: Robert Kneschke / Adobe Stock Im Mittelpunkt stehen an diesem es gerade für Menschen mit De- Tag die rund 1,8 Millionen an menz und ihre Angehörigen ist, mit Demenz Erkrankten und ihre Fa- anderen in Kontakt zu bleiben. Die milien. Zwar ist eine Heilung der Einschränkungen im Zusammen- Krankheit weiterhin nicht möglich. hang mit der Corona-Pandemie Allerdings lässt sich der Alltag hatten zuletzt vor Augen geführt, für Betroffene erleichtern – etwa welchen Stellenwert Gemein- durch Beratung und Betreuung schaft und persönliche Begegnun- sowie durch medizinische Be- gen haben. handlung und fachkundige Pflege. Die Deutsche Alzheimer Gesell- Das Motto des diesjährigen schaft unterstützt Menschen mit Welt-Alzheimertages lautet: „De- Demenz und ihre Familien auch menz – verbunden bleiben.“ Das über das Alzheimer-Telefon unter soll deutlich machen, wie wichtig der Nummer: 030 / 259 37 95 14.
36 Inklusion Inklusion 37 Medienangebote sollen für Menschen mit Einschränkungen zugänglicher werden Barrierefreiheit wird Pflicht Medien sind für alle da. Künftig müssen Fernsehsender und Streamingdienste Foto: katharina fischer / EyeEm / Adobe ein besonderes Augenmerk auf Barrierefreiheit richten. Das geht zurück auf eine Eine EU-Richtlinie sorgt dafür, dass Richtlinie der Europäischen Union, die durch eine Änderung des Medienstaatsver- künftig auch Mediatheken barrierefrei trages jetzt auch in Deutschland in Kraft ist. nutzbar sind.
38 Inklusion Inklusion 39 Foto: Syda Productions / Adobe Stock Der zweite Medienänderungs- Öffentlich-rechtliche und private staatsvertrag (MÄStV) zur Stär- Fernsehangebote sowie Mediathe- kung der Barrierefreiheit in Medi- ken und Streamingdienste müssen en ist am 30. Juni in Kraft getreten. alle drei Jahre über den Stand der Darin wird der Begriff „barriere- Barrierefreiheit in ihrem Angebot freies Angebot“ erstmals gesetz- berichten. Zusätzlich sind Aktions- lich verankert. pläne über das zukünftige Engage- ment in Sachen Barrierefreiheit vorzulegen. Die Pflicht zur Barrierefreiheit gilt auch für sogenannte „Zugangs- dienste“ wie die Google-Suche im Internet oder die Benutzeroberflä- che eines Smart TVs. Diese müssen ihre Angebote barrierefrei gestal- ten, eine Selbsteinschätzung er- stellen und sie auf Verlangen einer Landesmedienanstalt vorlegen. Der Vertrag setzt damit Vorgaben aus der Richtlinie über die Barri- erefreiheitsanforderungen für Pro- dukte und Dienstleistungen (Eu- ropean Accessibility Act EAA) der Europäischen Union um. Diese soll Menschen mit Beeinträchtigungen einen leichteren Zugang zu Me- dien ermöglichen. Auch der SoVD war an der Ausgestaltung des Me- dienstaatsvertrages beteiligt und hat eine Stellungnahme zum Dis- kussionsentwurf eingebracht.
40 Sozialpolitik Sozialpolitik 41 Verbesserungen für Leistungbeziehende in Grundsicherung – Höhe noch offen Pläne zum Bürgergeld vorgestellt Es ist eines der zentralen Projekte im Koalitionsvertrag: Die Grundsicherung „Hartz IV“ soll durch das neue „Bürgergeld“ abgelöst werden. Ende Juli hat Bun- desarbeitminister Hubertus Heil (SPD) erste Punkte des neuen Modells vorge- stellt, das zum 1. Januar 2023 kommt. Foto: Pavlo Vakhrushev / Adobe Stock Das Bürgergeld soll im nächsten Jahr die Grundsicherungsleistung „Hartz IV“ ablösen. Viele Details dazu sind noch offen.
42 Sozialpolitik Sozialpolitik 43 Foto: oneinchpunch / Adobe Stock Was ändert sich außer dem Na- einer „angemessenen Erhöhung der Regeln bei Schonvermögen bezug überprüft werden. Nach men der Leistung? Manches steht Regelsätze“. Die wichtige Frage, ob und Unterkunft verbessert den zwei Jahren ist ein höheres schon fest, entscheidende Fragen die Änderungen auch bei Grundsi- Bei anderen Fragen sind die Pläne Schonvermögen vorgesehen als sind aber offen. Nicht zuletzt feh- cherung im Alter oder nur beim Ar- schon weiter. So sollen Vermögen aktuell. len Angaben zur Höhe des Bürger- beitslosengeld II („Hartz IV“) greifen, und Angemessenheit der Wohnung Weiterhin ist geplant, den Ver- gelds. Heil spricht lediglich von ist nicht geklärt. erst nach 24 Monaten Bürgergeld- mittlungsvorrang im SGB II ab-
44 Sozialpolitik Sozialpolitik 45 Foto: oneinchpunch / Adobe Stock zuschaffen. Die Pflicht, quasi je- von 150 Euro geplant ist. Zudem sind SoVD dringt auf spürbar rium für das Gelingen der Reform den angebotenen Job annehmen neue Regelungen für Sanktionen an- höhere Regelsätze ist nach Einschätzung des Verban- zu müssen, wird damit gelockert. gedacht und zu viel ausgezahlte Be- Der SoVD begrüßt die Vorschläge des die noch offene Höhe der Re- Stattdessen erfolgt eine Aufwer- träge unterhalb einer Bagatellgren- zum Schonvermögen und der An- gelsätze. Diese müssen deutlich tung der Aus- und Weiterbildung, ze sollen nicht mehr zurückgezahlt gemessenheit der Unterkunft aus- steigen und ein menschenwürdi- für die ein monatlicher Ausgleich werden müssen. drücklich. Ein entscheidendes Krite- ges soziokulturelles Existenzmi- nimum garantieren. Genaue An- gaben zur Höhe des Bürgergelds enthält der Gesetzesentwurf, der demnächst veröffentlicht wird.
46 Service Service 47 Expert*innen fordern rechtliche Änderungen E-Scooter: Wer sollte bei einem Unfall haften? Verursacht eine Person mit einem E-Scooter einen Unfall, muss sie für Schäden in den meisten Fällen nicht haften. Im Rahmen des Verkehrsgerichtstages bezeich- neten Expert*innen diese Regelung des Haftungsrechtes jetzt allerdings als nicht mehr zeitgemäß. Der Deutsche Verkehrsgerichtstag In gleicher Weise äußerte sich auch zählt zu den wichtigsten Treffen der Automobilclub von Deutsch- von Fachleuten für Verkehrsrecht land (AvD). Die derzeitige Regelung und Verkehrssicherheit. Die dort benachteilige Geschädigte. Zudem abgegebenen Empfehlungen bil- forderte der AvD, Polizei und Ord- den häufig die Grundlage für Ge- nungsbehörden personell besser setze und Vorschriften. Auf einer auszustatten, um Verkehrsverstöße Pressekonferenz forderte Kon- etwa von E-Scooter-Fahrer*innen gresspräsident Ansgar Staudinger besser ahnden zu können. Denkbar nun, die Regelungen hinsichtlich sei auch eine Versicherungspflicht elektrischer Roller zu überdenken. für diese Roller. Der Professor für Rechtswissen- schaften erachtet die Unterschei- dung zwischen Fahrzeugen, die Foto: hanohiki / Adobe Stock schneller und langsamer als 20 Achtlos auf Gehwegen abgestellte Fahr- Kilometer pro Stunde fahren, als räder oder E-Scooter werden immer nicht sinnvoll. häufiger zu einer Stolperfalle.
48 Service Service 49 Viel Spaß für Kinder mit dem Rolandbär SoVD-Malbuch zum Schulbeginn Sozialverband Deutschland Willkommen in der Schule Malbuch In den meisten Bundesländern hat das neue Schuljahr bereits begonnen. Pünkt- lich dazu hat der SoVD sein Angebot an Unterrichtsmaterialien erweitert. Seit Kurzem gibt es das neue SoVD-Malbuch, in dem der Rolandbär im Mittelpunkt Das Mal- und Bastelbuch gibt es zum Download unter www.sovd.de/ steht und zu vielen Aktivitäten aufruft. Er lädt ein zum Ausmalen, Rätseln, Spielen schulmaterial oder bereits gedruckt direkt zum Bestellen per E-Mail und Basteln. mit dem Betrefff „Malbuch“ an kontakt@sovd.de.
50 Unterhaltung Unterhaltung 51 Hätten Sie‘s gewusst? Was ist der „Streisand-Effekt“? Weil auf einer von rund 12.000 Luftaufnahmen ihre Villa zu sehen war, klagte Bar- bra Streisand 2003 erfolgslos auf Schadensersatz. Das Bild, das zuvor niemand be- achtet hatte, verbreitete sich durch die Berichte über das ungeschickte Vorgehen der Sängerin lawinenartig im Internet. Was sie verhindern wollte, trat somit erst recht ein. Hierfür etablierte sich recht schnell der Begriff „Streisand-Effekt“. Wer versucht, eine Information zu unterdrücken, kann schnell ein Eigentor schießen. So etwa der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Als ihm 2016 ein spötti- sches Lied über ihn im NDR-Sati- remagazin „extra 3“ missfiel, ließ er den deutschen Botschafter ein- Magazin Royale“ ein satirisches Ge- bestellen. Das sorgte für Aufsehen dicht („Schmähkritik“) über Erdogan und eben auch für einen „Strei- vor. Nicht nur blieb dessen Strafan- sand-Effekt“. Denn jetzt wurde das zeige gegen Böhmermann letztlich Video – wahlweise auch mit türki- erfolglos; Berichte zitierten immer schen Untertiteln – millionenfach wieder Teile des Gedichtes. Losge- über Youtube aufgerufen. löst vom Gesamtkontext trug der Kurz darauf griff Moderator Jan CDU-Abgeordnete Detlef Seif das Fotos: flashmovie / Adobe; K. & G. Adelman / California Coastal Records Project Böhmermann den Vorgang auf Spottgedicht zudem im Deutschen Aus der Luft sollte die Erosion der Küste untersucht werden. Erst und trug in seiner Sendung „Neo Bundestag vor. nach einer Klage rückte die Streisand-Villa in den Mittelpunkt.
Mit spitzer Feder Schon mal da gewesen Impressum Das Online-Magazin erscheint monatlich in Ergänzung zur Mitgliederzeitung „Soziales im Blick“. Gelesen werden kann es ausschließlich online unter www. sovd.de sowie (mit Zusatzfunktionen) über die App „SoVD Magazin“. Herausgeber ist der Sozialverband Deutschland e. V. (SoVD), Stralauer Straße 63, 10179 Ber- lin, E-Mail: redaktion@sovd.de, Telefon: 030 / 72 62 22 – 0. Redaktion: Veronica Sina (verantwortlich), Joachim Schöne, Brigitte Grahl, Sebastian Triesch, Denny Brückner, Eva Lebenheim.
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