TEXTBEISPIELE Beispiel 1: Die Krypto-Kirche von Davos: Der Pfarrer, der seine Kirche während des WEF an Firmen vermietet - UZH

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TEXTBEISPIELE
Beispiel 1:

Die Krypto-Kirche von Davos: Der Pfarrer, der seine Kirche
während des WEF an Firmen vermietet

In seinem Gotteshaus in Davos wird zurzeit nicht gebetet. Doch
Pfarrer Marc Schmed hat damit kein Problem.

Es ist acht Uhr, soeben hat in der englischen Kirche in Davos die erste
Veranstaltung des Tages begonnen. Das Thema ist nicht Gott, sondern
die Blockchain-Technologie. Später am Vormittag wird es in der Kirche
einen Ausblick auf den Kryptowährungsmarkt geben.

Wie war das noch gleich? Hat nicht Jesus die Händler aus dem
Jerusalemer Tempel vertrieben und gepredigt, dass der Tempel dem
Gottesdienst vorbehalten bleiben solle? «Jesus’ Haltung ist vom Alten
Testament geprägt», sagt Pfarrer Marc Schmed. Da sei der Tempel der
Ort der Anbetung Gottes gewesen. Für Katholiken sei die Kirche noch
heute ein heiliger Raum. «Als Freikirche orientieren wir uns
diesbezüglich am Neuen Testament. Pfingsten heisst: Gott schickt den
Heiligen Geist zu den Menschen. Somit ist der Ort der Anbetung nicht
mehr relevant.»

Marc Schmed ist katholisch aufgewachsen und heute Pfarrer der Freien
Evangelischen Gemeinde. Diese stellt die Kirche während des WEF zwei
Firmen für Veranstaltungen zur Verfügung: dem amerikanischen TV-
Sender CNBC und der Filecoin Foundation.

Wie viel Geld die Kirchgemeinde dafür erhält, will sie nicht verraten.
Eine Million – wie kolportiert wird – sei es aber bei weitem nicht, sagt
Schmed. Und: «Wir hatten auch schon Angebote für das Fünffache
dessen, was wir heute erhalten.» Es gehe nicht in erster Linie um die
Finanzen, sondern darum, mit den Räumen zu dienen.

Die Kirche in der Nähe des Kongresszentrums ist optimal gelegen für
Firmen, die vom Scheinwerferlicht des WEF profitieren wollen.
Unumstritten ist diese Nutzung laut dem Pfarrer nicht: Die meisten der
rund 50 Vereinsmitglieder stünden zwar dahinter, doch manche seien
skeptisch. «Man kann unterschiedlicher Meinung sein», findet Schmed.
Am Ende gehe es darum, wie man das WEF sehe. «Ich sehe es im
Grundsatz als etwas Gutes.» Die Veranstaltung biete
Entscheidungsträgern aus der ganzen Welt Gelegenheit, sich
auszutauschen. Das sei eine Chance. Die Kirche könne dazu beitragen.

Schmed sieht auch die Schattenseiten des WEF. So sei dieses für das
Ladensterben an der Promenade mitverantwortlich. Weil die Mieten an
vier Tagen im Jahr so hoch sind, vermieten manche Besitzer die Läden
nur an diesen vier Tagen. Und natürlich gebe es am WEF auch
Menschen «mit heiklen Hintergründen», räumt Schmed ein. Aber:
«Man kann nicht pauschal sagen, das WEF sei schlecht oder verfolge
falsche Ziele.»

Grenzen gibt es für den Pfarrer trotzdem: Als Partyraum würde die
Gemeinde die Kirche nicht zur Verfügung stellen. Aber für
Kryptowährungen? Diese seien ohnehin nicht aufzuhalten. Daher sei es
gut, darüber nachzudenken, wie sie sinnvoll genutzt werden könnten.

«Die Zusammenarbeit dient beiden Seiten», sagt Schmed. Das Geld aus
der Vermietung ermöglicht Renovationsarbeiten an der Kirche und eine
volle Anstellung für den 44-jährigen Pfarrer, der früher noch mit einem
40-Prozent-Pensum am Gymnasium des Klosters von Disentis
unterrichtet hatte.

In den 1970er-Jahren gab es Pläne, die Kirche abzureissen. Gebaut
wurde sie vor 140 Jahren. Ein deutscher Arzt fand damals heraus, dass
das örtliche Klima Tuberkulose-Kranken guttat. Bis zu 3000 Engländer
lebten in dieser Zeit in Davos. Sie erhielten eine eigene Kirche. Im 20.
Jahrhundert nahm die Zahl der Engländer ab. Heute dient die Kirche
nicht mehr dem Gottesdienst tuberkulosekranker Engländer, sondern
jenem von Freikirchlern – oder den Kryptowährungsapologeten.

Beispiel 2 (Auszug):

Schwierige Geburt und kognitive Fähigkeiten sind Folgen des
aufrechten Ganges
Beim Menschen ist die Geburt schwieriger und schmerzhafter
als bei Menschenaffen. Lange nahm man an, dass dies auf das
grosse Gehirn und die engen Verhältnisse im mütterlichen
Becken zurückgeht. Mit 3D-Geburtssimulationen zeigen
Forschende der Universität Zürich, dass die Geburt aber bereits
bei den Vormenschen vor rund drei Millionen Jahren deutlich
schwieriger war trotz ihrem noch kleinen Gehirn – mit Folgen
für ihre kognitive Entwicklung

Um den engen Geburtskanals zu passieren, muss der menschliche Fetus
komplexe Drehbewegungen und Biegungen durchführen. Verbunden ist
dies mit einem hohen Risiko für Geburtskomplikationen bis hin zu
einem Geburtsstillstand und dem Tod von Mutter und Kind. Die gängige
Erklärung für diese Geburtsschwierigkeiten ist, sie seien die Folge eines
Konflikts zwischen den Anpassungen an einen effizienten aufrechten
Gang sowie an unser grosses Gehirn.
Der aufrechte Gang entstand vor etwa sieben Millionen Jahren und
führte zu einer tiefgreifenden Umgestaltung des Beckens mit einem
verkürzten Abstand zwischen Hüftgelenk und Kreuzbein. Die enorme
Zunahme der Hirngrösse erfolgte jedoch erst ab zwei Millionen Jahren,
als die frühesten Vertreter der Gattung Homo auftauchten. Das
Dilemma, das durch die beiden gegensätzlichen Selektionsdrücke
entstand, löste die Evolution durch die Geburt von neurologisch
unterentwickelten, hilflosen Neugeborenen mit einer relativ kleinen
Gehirngrösse. Wir Menschen werden deshalb auch als sekundäre
«Nesthocker» bezeichnet.
Die Forschungsgruppe von Martin Häusler vom Institut für Evolutionäre
Medizin der Universität Zürich (UZH) und das Team von Pierre
Frémondière von der Université Aix-Marseille zeigen nun, dass
verglichen mit den Menschenaffen die Geburt bereits bei den
Australopithecinen vor zwei bis vier Millionen Jahren schwierig war.
«Vormenschen wie Lucy sind ideal, um die Effekte der
unterschiedlichen evolutiven Kräfte zu untersuchen: Sie besassen noch
ein relativ kleines, affenähnliches Gehirn, ihr Becken wies aber bereits
deutliche Anpassungen an den aufrechten Gang auf», sagt Häusler.
…..
Beispiel 3 (Auszug):

Sind die Juden ein Volk, eine Religion oder eine Schicksals-
gemeinschaft?

Jüdische Genetik ist ein heikles Thema. Ein Plädoyer für Entspannung.
«Jüdische Gene» – wer davon spricht, gerät schnell in Verdacht, Nazi oder
Rassist zu sein. Vorurteilsfreie und weniger politisch ängstliche, vor allem
jüdische Wissenschafter widmen sich schon seit längerem diesem Thema. Ihre
historischen, ganz und gar unideologischen Erkenntnisse sind dabei eher ein
Nebenprodukt. Ihr Hauptaugenmerk ist die Medizin. Verwiesen sei besonders
auf Harry Ostrers 2012 erschienenes Buch «Legacy. A Genetic History of the
Jewish People». Ostrer ist Medizingenetiker und Professor für Pathologie und
Genetik am Albert Einstein College für Medizin der neoorthodox-jüdischen
Yeshiva University in New York City. Koscherer geht’s nicht. Dass die meisten
deutschen Genetiker bei der Populationsgenetik der Juden zögerten angesichts
der traurigen Geschichte der Rassenforschung im 20. Jahrhundert, wundere ihn
nicht, so Ostrer.
Aber schliessen freie Wissenschaft und Scheuklappen einander nicht aus?
Archäogenetik ist wertfrei und nicht rassistisch. Wenngleich man sich fragt, wie
es Rassismus geben kann, wenn es, worauf viele Experten beharren, keine
Rassen gibt. Jedenfalls untersucht Archäogenetik das Erbmaterial von
Menschen, Tieren und Pflanzen, um Erkenntnisse über die Evolution zu
gewinnen. Rassismus ist menschenfeindlich. Medizinische Genetik ist
menschenfreundlich und therapeutisch ausgerichtet. Ihrer Erkenntnisse kann
und sollte sich die Geschichtswissenschaft bedenkenlos bedienen, wo und
sofern sie ihrer bedarf.
Genetische Veränderungen von Bevölkerungsgruppen (Demografie) etwa
durch Verbindungen mit anderen Gruppen (Biologie) sind eine Folge vieler, bei
Juden notgedrungen häufiger Wanderungen oder Vertreibungen. Die Geografie
erklärt hier die Biologie. Ideologie? Fehlanzeige.
Die Forschungen von Ostrer und seinen Kollegen basieren auf DNA-Analysen,
nach denen sie die gesamte Judenheit in vier Grossgruppen teilen: 1)
Orientalische Juden, das sind Juden mit Vorfahren aus dem Land Israel/Judäa,
Palästina, Iran, dem Irak, der Arabischen Halbinsel, Zentralasien. Der
zwangsweise Exodus ihrer Vorfahren fand vor allem seit 721 vor Christus nach
Assyrien und 586 vor Christus nach Babylon statt. Bei jemenitischen und
äthiopischen Juden sind keine Land-Israel-Vorfahren erkennbar. Das bedeutet:
Teile der einheimischen Bevölkerung konvertierten im Laufe der Geschichte
zum Judentum. 2) Aschkenasim, das sind Juden mit west-, mittel- und
osteuropäischen Vorfahren. 3) Sepharden, das sind Juden mit Vorfahren aus
Spanien und anderen südeuropäischen Ländern. 4) Nordafrikaner, das sind
Juden mit Vorfahren aus Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen und Ägypten.
Vor etwa 2500 Jahren – zur Zeit assyrischer und babylonischer Diaspora – teilte
sich erstmals je ein Zweig von orientalischen und (später teilweise blond-
blauäugigen) europäischen Juden. Die freiwillige europäische Diaspora der
Juden ist auf die hellenistische und besonders die römische Epoche im Heiligen
Land anzusetzen, die unfreiwillige ab dem Jahr 70, also nach der Niederlage im
Jüdischen Krieg gegen die römischen Besatzer sowie nach der Zerstörung des
zweiten Jerusalemer Tempels.
Anders als viele Legenden über die Juden besagen, missionierten die Juden in
der hellenistisch-römischen Epoche recht aktiv und vermischten sich durchaus
mit Nichtjuden. Die Hebräische Bibel thematisiert besonders im Buch Esra
sowie im Makkabäerbuch offen und unumwunden, wenngleich heftig
ablehnend, die assimilatorischen Juden. Ähnlich seit dem zweiten
vorchristlichen Jahrhundert die Polarisierung zwischen romanisierten Juden
einerseits und antirömisch-partikularistischen andererseits.
……

Beispiel 4 (Auszug):

Autismus: Was heisst hier autistisch?
Nerds mit Superfähigkeiten, empathielose Eigenbrötler: So weit das
Klischee. Unser Autor, selbst Autist, würde da gern etwas klarstellen.

Sie kennen bestimmt dieses Gefühl, keinen Zugang zu finden zu einem
Menschen oder einer Gruppe, egal wie sehr man sich bemüht. Dann tut sich
eine Kluft auf, zwischen einem selbst und den anderen. Ein Asperger-Autist
fühlt sich immer so, jeden Tag.
Sehe ich dagegen im Fernsehen Sendungen zum Thema Autismus, begegnen
mir Menschen mit Superfähigkeiten, die das Wetter des kompletten
vergangenen Jahres herunterbeten können oder komplizierteste
Exponentialgleichungen lösen, während sie am Alltag scheitern. Im Spiegel lese
ich, der ehemalige Wirecard-Chef habe sich "abwechselnd esoterisch und
autistisch" gegeben. Von "introvertierten autistisch verkünstelten
Stararchitekten" ist in der Süddeutschen die Rede. Und im Focus wird
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg als "gnadenlos stur, sozial schwierig, fast
autistisch" beschrieben. Das Wort "autistisch", es wird oft benutzt und selten
verstanden.
Ich bin Autist. Superkräfte besitze ich keine. Mein Mathe-Abi habe ich gerade
so bestanden, Nähe zu Menschen ist mir wichtig, und an das Wetter erinnere
ich mich nur, wenn es in Hamburg mal wieder eine Woche durchregnet. Kein
Wunder, extreme Inselbegabungen wie ein Über-Gedächtnis sind Teil des
sogenannten Savant-Syndroms – aber gerade einmal die Hälfte der nur etwa
hundert bekannten Savants ist autistisch.
Autisten hingegen gibt es gar nicht so wenige. Studien gehen davon aus, dass
sich unter hundert Menschen ein bis zwei aus dem autistischen Spektrum
befinden. In Deutschland wären das etwa eine Million Menschen.
Als ich in die dritte Klasse ging, untersuchten Psychologen mich mit Verdacht
auf Hochbegabung und ADS, Ergebnis: Hochbegabung. Damit erklärten meine
Eltern sich meine Eigenheiten: Die anderen spielten Fußball, ich sah zu. Als
mein Vater an meinem Geburtstag eine Schatzsuche veranstaltete, sprinteten
die anderen los, ich hielt Abstand. Es gab immer mich und die anderen –
miteinander konnten wir nie viel anfangen. Ich züchtete fleischfressende
Pflanzen und Urzeitkrebse und blieb auch als Jugendlicher eher für mich,
wanderte durch den Wald oder vertiefte mich in Bücher. Mit anderen traf ich
mich höchstens für Spezialinteressen, so etwas wie Sammelkarten.
Mit 17 ging ich das erste Mal zu einem Therapeuten, ich fühlte mich einsam
und depressiv. Mit 19 empfahl mir ein Freund, ich solle mich auf Asperger
testen lassen. Er habe sich aus persönlichen Gründen mit dem Thema
beschäftigt und erkenne gewisse Muster.
Intelligenz-Quotient (IQ) von 138, Emotionale-Intelligenz-Quotient (EQ) von
zwölf. Ein deutlicher Ausschlag beim Autismus-Quotienten und signifikante
Schwächen beim Erkennen von Gesichtsausdrücken. Ein Arzt und zwei
Psychologen diagnostizierten: Asperger-Syndrom.
Das Ergebnis befreite mich. Immer schon hatte ich mich irgendwie anders
gefühlt, als läge ein Schleier zwischen mir und der Welt, hauchzart, aber
undurchdringlich. Die Diagnose gab diesem Anderssein einen Namen. Trotzdem
erzählte ich niemandem davon, nicht einmal meinen Eltern. Autismus hieß: Du
bist krank. Das Schweigen erlaubte mir zu verdrängen. Zumindest für eine
gewisse Zeit.
……..
Beispiel 5 (Auszug):

Mein Glaube war im letzten Jahr mein einziger Halt
Seit der Pandemie suchen Menschen vermehrt Rat und Hoffnung bei
religiösen Institutionen. Sechs Personen erzählen, was sie glauben –
und wie sich dies durch die Krise verändert hat.

Lorena Maida (32) – «Ich bete für den Bundesrat»
«Für mich war der Glaube im letzten Jahr mein einziger Halt. In der ersten
Phase der Pandemie wollte ich das Ausmass der Krise nicht wahrhaben, habe
weitergelebt wie zuvor, war teilweise gar fahrlässig. Nach einiger Zeit wurde
mir dies aber bewusst – das Virus nahm dann aber plötzlich so viel Raum in
meinen Gedanken ein, dass mir dies meine ganze Lebensfreude raubte. In
diesem Moment wandte ich mich an Gott. Er nahm mir meine Angst, meinen
Frust. Er zeigte mir, in der Bibel, im Gebet und beim Singen von Psalmen, dass
er gute Pläne mit uns hat. Zwar war ich bereits vorher gläubig, aber erst durch
meinen Tiefpunkt bin ich wieder bewusster und intensiver in Kontakt mit Gott
– nirgendwo anders finde ich zur Zeit meine Ruhe und Hoffnung. Ich bete
deshalb auch regelmässig, wenn sich beispielsweise der Bundesrat trifft. Auch
wenn ich vielleicht mal nicht mit allem einverstanden bin, bete ich für die
physische und psychische Gesundheit unserer Landesregierung, die so eine
grosse Verantwortung tragen muss und das Beste für unser Land gibt.»

R.R.* (21) – «Allah ist mein Wegweiser»

«Der Glauben hat mir geholfen, die Hoffnung nicht zu verlieren und auf dem
richtigen Weg zu bleiben», sagt R. (21).
Privat
«Die Pandemie hat meinen Glauben an Allah verstärkt. Insbesondere während
der ersten Welle kamen neue Fragen auf, die ich mit Kollegen und Familie
diskutierte: Wie sollen wir mit den Einschränkungen umgehen? Was geschieht
mit mir, wenn ich sterbe? Der Glauben hat mir geholfen, die Hoffnung nicht zu
verlieren und auf dem richtigen Weg zu bleiben. Ich bin heute dankbarer für
die Möglichkeiten, die wir vor der Pandemie hatten. Für mich und die ganze
Gesellschaft ist es essentiell, dass wir auf etwas vertrauen können während
dieser schwierigen Zeit – als Wegweiser in einer schwierigen Welt, die durch
ein kleines Virus komplett auf den Kopf gestellt wird.»

…..
Beispiel 6:

Zürcher Kirchen könnten bald auch anderen Religionen offenstehen

Die reformierte Kirche überdenkt ihre Immobilien-Strategie. Bald
könnten auch Muslime und Juden ihre Räume nutzen.
Die reformierte Kirche leidet unter einem anhaltenden Mitgliederschwund. Die
Statistik des Kantons Zürich zeigt, dass sie in den letzten zehn Jahren jährlich
rund 6600 Mitglieder verloren hat. Gleichzeitig besitzt die Kirche zahlreiche
Immobilien, die von immer weniger Mitgliedern besucht werden. Allein der
evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Zürich gehören 43 Kirchen, 35
Kirchgemeindehäuser und über 300 Wohnungen. Gesamtwert: rund 1.2
Milliarden Franken.

Viel Platz und immer weniger Mitglieder: Das ist einer der Gründe, weswegen
die reformierte Kirche in der Stadt Zürich aktuell den Umgang mit ihren
Immobilien neu definieren will. Vorgesehen ist unter anderem, dass ihre
Räume in Zukunft auch anderen Religionsgemeinschaften zur Verfügung
gestellt werden. So sollen etwa Muslime oder Jüdinnen die Räume der
reformierten Kirche benutzen dürfen. Auch die Entwicklung von gemeinsamen
Sakralbauten ist dabei Thema.

Klar ist: Die Basis der reformierten Kirche ist gespalten, was diese neue
Immobiliennutzung angeht. Eine Umfrage unter 500 Mitgliedern zeigt, dass
rund ein Viertel der Befragten die neue Regel ablehnt. Vor allem für Menschen
über 75 Jahre, die die Kirche regelmässig besuchen, ist es nicht denkbar, dass
auch andere Religionsgemeinschaften ihre Gebete in christlichen Räumen
sprechen. Wie die Kirchenzeitung «reformiert» berichtet, hätten jüngere
Mitglieder keine Probleme damit.

Das Ergebnis erstaunt Michael Hauser nicht. Er arbeitet als Kirchenpfleger in
der Kirchgemeinde Zürich und kümmert sich auch um die künftige Nutzung der
Immobilien. Er sagt: «Wenn die Exklusivität verloren geht, haben manche
Mitglieder Angst, dass ihnen die Kirche nicht mehr zur Verfügung steht, wenn
sie sie dringend nötig haben.» Diesen Bedenken müsse man Sorge tragen, so
Hauser.

Eine interreligiöse, gemeinschaftliche Nutzung der Kirchenräume sei in Zürich
grundsätzlich aber ein Bedürfnis, sagt Grossmünster-Pfarrer Christoph Sigrist.
Als Präsident des Forums der Religionen wisse er etwa von Platzmangel in
Moscheen. So seien zahlreiche Moscheen in den Zürcher
Agglomerationsgemeinden beim letzten Bayram-Fest am Ende des
Fastenmonats Ramadan überfüllt gewesen. «In Zukunft werden wir also über
diese Frage diskutieren dürfen», so Sigrist.

Der christliche Glaube verstehe das Bedürfnis der Religionsgemeinschaften
nach einem Raum, wo alle zusammen öffentlich beten könnten, sagt Sigrist
weiter. «Wir haben das ja auch schon erlebt, als sich vier Tage nach dem
Ausbruch des Ukraine-Kriegs alle Religionen im Grossmünster versammelten
und zusammen gebetet haben.» Da habe es auch keine Rolle gespielt, ob
jemand Atheist, Buddhist oder Muslimin war, sondern «es war eine
Weltgemeinschaft.»

Bedürfnis und Bereitschaft sind gegeben. Ob dereinst verschiedene Religionen
in reformierten Kirchen in Zürich ein und aus gehen, ist jedoch noch nicht
beschlossene Sache. Die neue Immobilienstrategie geht nun ins Parlament der
Kirchgemeinde. Stimmt sie zu, kann das neue Leitbild auf das Jahr 2023 in Kraft
gesetzt werden.

Beispiel 7:
Im folgenden Kapitel soll der zentrale Gegenstand dieser Arbeit – die Religion –
umrissen werden. Religion nahm und nimmt noch immer einen zentralen Platz
in der Kultur und Gesellschaft ein: .When we look at religion cross-culturally –
in different contexts and societies across the globe – religion very often
impacts on all levels of life, at both the individual and social level. (Nye 2007:
o.S.). Auch wenn bereits die Frage aufgeworfen worden ist, ob die
Wissenschaft diesen Platz bald ganz einnehmen wird, liefert die Religion dem
Menschen noch heute Deutung für seine Existenz, partielle Erklärungen für das
Weltverständnis, Lebenszuversicht und eröffnet Auszeiten in einer
hektischen Welt. Sie hilft den Umgang mit Unbeeinflussbarem (wie
z. B. Glück, Krankheit) zu meistern und liefert Orientierung in Form
von Normen (Schröder 2009: 44–46, Glock 1969: 158). Ferner ist sie
identitätsstiftend, bietet Handlungsanleitung, Kontingenzbewältigung
und Sozialintegration (Kaufmann 1989: 82–88).
In der Folge wird zuerst der Begriff Religion umrissen und aufgrund
der Religionsdimensionen ausgeweitet. Schliesslich folgt ein Einblick in
statistische Zahlen zur Religionslandschaft Schweiz und der ganzen
Welt. Danach werden Tendenzen rund um die Manifestation von
Religion und Religiosit.t in der Gesellschaft diskutiert.
Beispiel 8 (Auszug):

Wer war Khalil Sakakini?

Der Documenta wird Antisemitismus vorgeworfen. Angeblich sei
Khalil Sakakini, der Namengeber des Khalil Sakakini Cultural Center,
aus dem die eingeladene palästinischen Künstlergruppe
hervorgegangen ist, Nazi-Anhänger gewesen. Aber stimmt das denn
auch – und wie kommt ein solches Gerücht zustande?

„Hat die Documenta ein Antisemitismusproblem?“, fragte Thomas E.
Schmidt in der ZEIT vom 12. Januar 2022 und erklärte ein paar Ausgaben
später: „Kunstfreiheit und Meinungsfreiheit sind keineswegs dasselbe.“ In
beiden Artikeln erhob er schwere Vorwürfe gegen Yazan Khalili, den Sprecher
der palästinensischen Künstlergruppe The Question of Funding, die an die im
Juni 2022 öffnende „Documenta Fifteen“ in Kassel eingeladen wurde. Diese
Gruppe entwickelte sich aus dem Khalil Sakakini Cultural Center in Ramallah,
dessen Namensgeber – eben Khalil Sakakini (1878-1953) – angeblich ein
„radikaler Nationalist und Nazi-Anhänger“ gewesen sei. Seit die Teilnahme von
palästinensischen Künstler:innen an der Documenta bekannt wurde, sind
ähnliche Vorwürfe auch in anderen deutschen Zeitungen wiederholt worden,
so etwa in der FAZ am 14. Januar unter dem ironiefreien Titel „Hetzkunst“.
Über das gesamte politische Spektrum hinweg reagieren deutsche Zeitungen
ähnlich unangemessen auf die Einladung von palästinensischen Künstler:innen
aus dem Sakakini Cultural Center.
Die Vorwürfe gegen Yazan Khalili, den Sprecher der palästinensischen
Künstlergruppe, hat Joseph Croitoru in der FAZ vom 31.1.2022 bereits
entkräftet. Doch wie verhält es sich mit den Vorwürfen gegen Khalil Sakakini,
auf den sich die Kritik in den deutschen Feuilletons zurückbezieht? Und wie
entstand das Gerücht, er sei ein „radikaler Nationalist und Nazi-Anhänger“
gewesen? Die zweite Frage ist mit ein wenig Provenienzforschung im Internet
schnell beantwortet. Zur Beantwortung der ersten hingegen bedarf es eines
Blicks in die achtbändigen Tagebücher, die Sakakini von 1907 bis kurz vor
seinem Tod auf Arabisch verfasst hat, und die erst vor kurzem vollständig
publiziert wurden.
Doch zuerst zur Entstehung des Gerüchts über Sakakini. Gerüchte entstehen in
der Regel durch die Wiederholung von falschen Informationen; sie verbreiten
sich besonders schnell über Menschen oder Gruppen, die sich nicht wehren
können oder wehren dürfen. Die Spur des Sakakini-Gerüchts nun führt schnell
zu den islamophoben Websites von zwei obskuren anti-deutschen Gruppen aus
Kassel und Dortmund. Letztere nennt sich „Ruhrbarone“ und hat sich vor zwei
Jahren einen Namen gemacht, als sie dem kamerunischen Philosophen Achille
Mbembe Antisemitismus vorwarf, und die Ruhrtriennale, bei der er sprechen
sollte, ihn daraufhin ausgeladen hat. Auf dieser Webseite aus Dortmund findet
sich genau der Hinweis zu Sakakini, den Thomas E. Schmidt und einige andere
anti-palästinensische Feuilletonist:innen kopieren. Es heißt hier: „Khalil al-
Sakakini (1878-1953) war, so kann bei Wikipedia in Erfahrung gebracht werden,
‚ein palästinensischer Pädagoge, Schriftsteller und arabischer Nationalist‘. Er
war ‚Anhänger des Nationalsozialismus […], befürwortete die Politik von Adolf
Hitler und übernahm die von ihm propagierte Idee der jüdischen
Weltverschwörung‘.“
Was für eine Aussage! Solche Unterstellungen sind alles andere als harmlos
und liefern in diesem Kontext auch indirekt Rückendeckung für die israelischen
Misshandlungen von Palästinenser:innen und für anti-palästinensischen
Rassismus in Deutschland. Dennoch werden diese und ähnliche
Anschuldigungen seit Monaten wiederholt, ohne dass sich die
Nahostwissenschaft in Deutschland die Mühe macht, sie zu widerlegen.

Wer war nun also der historische Sakakini – und nicht die rassistische Karikatur,
die heute der Attacke auf die Documenta15 und deren ausländischen
Kuratoren dienen soll? Khalil al-Sakakini wurde 1878 in Jerusalem als Kind einer
Handwerkerfamilie geboren. Früh verschrieb er sich den Zielen der „Nahda“-
Bewegung, die ab 1860 die Grundwerte des Islams mit der Moderne zu
verbinden suchte und eine kulturelle Renaissance auslöste. Sakakini
unterrichtete an den renommiertesten britischen und russischen
Missionarsschulen Jerusalems; er unternahm Bildungsreisen nach England und
Amerika und war wie viele seiner Nahda-Mitstreiter:innen literarisch tätig. Er
liebte europäische Literatur und Musik und schrieb für arabische Zeitschriften,
in denen er, zeitgemäß ungeduldig, den Geist der arabischen Moderne
beschwor. Die jungtürkische Revolution von 1908 befeuerte seinen Optimismus
und Tatendrang. In ihrem Geist gründete er eine konfessionslose Schule, die
aufklärerischen Lehrmethoden verpflichtet war, und er appellierte als
Herausgeber mehrerer freiheitlicher Zeitungen an den ökumenischen
Charakter der palästinensischen Gesellschaft.

…..
Beispiel 9 :

Affenpocken: Grössere Ausbrüche ausserhalb Afrikas
Darum geht es: Über 200 Menschen in 20 Ländern ausserhalb Afrikas sind in
den vergangenen Wochen an Affenpocken erkrankt. Die meisten Fälle
ereigneten sich bisher in Grossbritannien und auf der Iberischen Halbinsel. In
der Schweiz haben sich inzwischen drei Personen mit dem
entsprechenden Monkeypox virus, kurz MXPV, infiziert. Gemäss dem
Bundesamt für Gesundheit bestehe aber momentan keine Gefahr für die breite
Bevölkerung. Zu den typischen Krankheitssymptomen gehören unter anderem
Fieber, geschwollene Lymphknoten und ein zunächst bläschen-, dann
pustelartiger Ausschlag.

Warum das wichtig ist: In Zentral- und Westafrika sind Affenpocken
endemisch: Das Virus zirkuliert in der Bevölkerung oder unter Tieren, ohne eine
massive Bedrohung darzustellen. Ausserhalb Afrikas wurden in den
vergangenen Jahren nur vereinzelt Fälle identifiziert – betroffen waren jeweils
Menschen, die aus Afrika eingereist waren. Nun ist es in europäischen Ländern,
den USA und weiteren Staaten in den vergangenen Wochen erstmals zu
Übertragungen von Mensch zu Mensch gekommen. Eine solche Ansteckung
geschieht wohl vor allem durch engen Körperkontakt, über Tröpfchen, Körper-
flüssigkeiten und Kontakt mit kontaminierten Gegenständen. Die steigenden
Fallzahlen der seltenen Viruserkrankung haben Gesundheitsbehörden und die
Weltgesundheitsorganisation WHO in Alarmbereitschaft versetzt. Das
europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten
(ECDC) schätzt das Ansteckungsrisiko für die breite Bevölkerung in seiner
jüngsten Risikoanalyse jedoch als gering ein; für Menschen mit wechselnden
Sexualpartnern sei das Risiko mässig. In den meisten Fällen verläuft die
Krankheit harmlos. Risikopersonen sind kleine Kinder, Schwangere und
Menschen mit einem unterdrückten Immunsystem.

Was als Nächstes geschieht: Die Impfung gegen Pocken, die seit 1980 als
ausgerottet gelten, soll auch gegen eine MXPV-Infektion gut schützen.
Staaten wie die USA oder Deutschland halten entweder Vorräte oder haben
Impfungen der neuen Generation bestellt. Eine Spritze für die breite
Bevölkerung wie bei Covid-19 ist jedoch kaum angezeigt. Dass sich die Affen-
pocken zu einer Pandemie auswachsen, halten Expertinnen zurzeit für
unwahrscheinlich. Dafür ist das Virus zu wenig ansteckend. Zudem ist unklar,
ob Infizierte das Virus vor Ausbruch der Symptome übertragen können, wie das
bei Sars-CoV-2 der Fall ist. Auch mutiert MXPV wohl deutlich langsamer als
Coronaviren.
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