Mehr Lebensqualität im Alter dank Digitalisierung?!
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AgeTech – Innovationen für ältere Verbraucher Mehr Lebensqualität im Alter dank Digitalisierung?! „Digitale Senioren“ stehen bei Euromonitor International auf der Liste der zehn globalen Consumer Trends 2022. Digitale Anwendungen für bessere Pflege, Ge- sundheit und Kommunikation im Alter schießen wie Pilze aus dem Boden. Die Digitalisierung bietet ein nahezu unerschöpfliches Potenzial, um das Leben älte- rer Menschen gesünder und sicherer zu machen, um Teilhabe zu fördern oder die Pflege zu erleichtern. Damit das nicht nur gut klingt, sondern auch funktioniert, muss man die Seniorinnen und Senioren von Anfang an mitnehmen. Auch die, die bislang kaum Zugang zur digitalen Welt hatten. Deutschland gehört weltweit zu den Ländern bereits 25 Prozent sein. Das bedeutet: Rund mit der ältesten Bevölkerung: Rund 19 Pro- jeder Vierte in Deutschland ist dann im Ren- zent der Menschen bei uns sind 67 Jahre und tenalter. Was mit Blick auf das Rentensystem älter, im Jahr 2035 werden es voraussichtlich und den Pflegenotstand besorgniserregend Foto: Angelov - stock.adobe.com 6 aktiv Mai / Juni / Juli 2022
klingt, birgt durchaus auch Chancen für die sprechendes Design, intuitive Bedienbarkeit, Wirtschaft und neue Geschäftsideen. In kei- aber auch die Kosten spielen eine große Rolle“, ner Altersgruppe steigt die Kaufkraft so stark erklärt Frank Leyhausen. Er hat 2018 gemein- wie bei den Älteren. Insbesondere Menschen sam mit Erhard Hackler von der Deutschen Se- über 70 haben in den letzten zwanzig Jahren niorenliga e.V. und der SIGNAL IDUNA Gruppe GESELLSCHAFT in Sachen Konsum zugelegt. Laut Bundes- den Gründerpreis SENovation-Award ins Leben verband Initiative 50plus stieg ihr Anteil am gerufen. Der Wettbewerb soll die Aufmerksam- Konsum von knapp 12 auf beinahe 18 Prozent. keit von jungen Gründerinnen und Gründern Doch das allein macht Seniorinnen und Seni- auf das Kundensegment der Älteren lenken oren noch nicht attraktiv für Unternehmens- und bietet Unterstützung bei der Realisierung gründer. Welche Innovationen brauchen die zukunftsweisender Innovationen. Dazu gehö- Älteren, wofür werden sie in Zukunft Geld aus- ren u. a. Workshops mit Experten für AgeTech, geben? Wer hier Antworten sucht, sollte sich Marketing und Design. Ein ganz wichtiger Punkt von Alterskategorien 50plus, 60plus, 70plus beim Thema Smart Home Care ist z. B. auch der verabschieden, denn das Alter allein ist kein Service: „Nicht jeder hat Angehörige, die smar- Maßstab für Interessen, Wünsche, Bedürfnis- te Helfer anschaffen, installieren, erklären und se oder Konsumverhalten. zur Stelle sind, wenn etwas nicht funktioniert“, gibt Leyhausen zu bedenken. Dennoch sieht er Chancen der Digitalisierung: ein großes Potenzial in digitalen Lösungen für Smart Home Care ein sicheres Zuhause im Alter. Die allermeisten Menschen wünschen sich, Ausweg beim Pflegenotstand: möglichst lange selbstständig im vertrauten Unterstützung durch smarte Pflege Zuhause zu leben. Die Digitalisierung könnte dazu beitragen. Sturzdetektoren und Bewe- Im Pflegesektor soll die Digitalisierung vor al- gungsmelder erhöhen die Sicherheit, Sprachas- lem eines: Personalmangel abfedern. Damit sistenten vereinfachen die Bedienung von sind nicht nur Pflegeroboter für körperlich an- Geräten, Wearables kontrollieren wichtige Ge- strengende Pflegetätigkeiten gemeint. Gute sundheitsdaten wie z. B. Blutdruck und Blutzu- Dienste leisten z. B. auch Tools, die die Doku- cker, Gesundheits-Apps mit Krankengymnas- mentation von Pflegeleistungen automatisie- tik- und speziellen Sportprogrammen können ren und so wertvolle Zeit für den persönlichen z. B. bei der Rehabilitation nach Gelenkope- Austausch mit den Pflegebedürftigen schaffen. rationen und zur Steigerung der Fitness zum Manche Pflegeeinrichtungen arbeiten bereits Einsatz kommen. An Konzepten mangelt es mit digitalen Geräten zur Erweiterung des Frei- nicht – an der Umsetzung mitunter schon. „Ein zeit- und Aktivierungsangebots von Bewohne altersgerechtes und gleichzeitig optisch an- rinnen und Bewohnern. Gründerpreis SENovation-Award Mit dem SENovation-Award will die Deutsche Seniorenliga junge Unternehmen ermuntern, Kon- zepte und Produkte zu entwickeln, die dem Älterwerden mit all seinen Phasen und individuellen Facetten gerecht werden. Informationen zum SENovation-Award, zu Teilnahmebedingungen, den Preisträgern der letzten Jahre sowie Experteninterviews und SENovation-Award Online-Workshops gibt es unter: www.senovation-award.de SENovation-Award aktiv Mai / Juni / Juli 2022 7
Generationenübergreifend denken Gibt es über den Pflege- und Gesundheits- sektor hinaus Branchen, für die es sich lohnt, den „Silbermarkt“ zu erschließen? Frank Leyhausen hat darauf eine klare Antwort: „Ja. Schließlich gibt es im Alter nicht nur Einschrän- kungen und körperliche Gebrechen. Verges- sen wir nicht die Vielfalt an Interessen und den Spaß an den schönen Dingen des Lebens, die unabhängig vom Lebensalter sind.“ Jedes Start-up solle sich vor der Umsetzung seiner Geschäftsidee Gedanken darüber machen, ob diese auch für eine ältere Zielgruppe span- nend sein könnte. „Viele Produkte funktionie- ren generationenübergreifend, andere sind mit einer klugen Anpassung in Design oder Kom- munikation auch für Ältere intuitiv zu nutzen“, sicherzustellen. Wie der aktuelle Digital-Index so Leyhausen. In den USA ist man in Sachen D21 zeigt, nutzen 81 Prozent der 66- bis 75-Jäh- AgeTech, damit sind Produkte und Dienstleis- rigen und 52 Prozent der über 76-Jährigen das tungen gemeint, die ältere Menschen unkom- Internet. Einige Seniorinnen und Senioren sind pliziert nutzen können, schon weiter. Dort gibt jedoch allein deshalb digital abgehängt, weil es mehr Investoren, eine bessere Vernetzung die notwendige Infrastruktur fehlt. Das betrifft und somit auch mehr Gründungen in dieser insbesondere die Bewohnerinnen und Bewoh- Branche. Doch auch hierzulande findet eine ner von Senioren- und Pflegeeinrichtungen. Neuorientierung statt. „Investoren halten zu- Laut einer Umfrage Anfang 2022, die das Ver- nehmend Ausschau nach Start-ups, die sich gleichsportal Verivox unter 20 großen Betrei- mit dem demografischen Wandel als einer der bern von Alten- und Pflegeheimen in Deutsch- größten gesellschaftlichen Herausforderungen land durchgeführt hat, ist ein Großteil der unserer Zukunft befassen“, weiß Leyhausen. Senioreneinrichtungen nicht mit WLAN ausge- stattet, geschweige denn mit freiem WLAN auf Voraussetzungen für alle verbessern den Zimmern. Es reicht allerdings nicht, über die Chancen Mind the digital gap: Foto: Proxima Studio - stock.adobe.com der Digitalisierung für ältere Menschen zu Die digitale Kluft beachten sprechen und die Entwicklung entsprechender Konzepte und Produkte zu fördern, ohne die Eine Umfrage der Deutschen Seniorenliga im Grundlagen für deren Nutzung zu prüfen und März 2022 hat ergeben, dass 48 Prozent der Digital-Index Die Studie D21-Digital-Index zeigt auf, wie die Gesellschaft mit den sich stetig än- dernden und wachsenden Anforderungen durch die Digitalisierung zurechtkommt. Ausführliche Informationen und Ergebnisse unter: initiatived21.de/d21index21-22 8 aktiv Mai / Juni / Juli 2022
470 Teilnehmerinnen und Teilnehmer Websei- schließen. Volkshochschulen, Institutionen ten meiden, weil sie diese zu kompliziert fin- und Vereine sind da schon sehr aktiv. Ein Pa- den. Ein Viertel der Befragten verlässt jede radebeispiel sind die „Versilberer-Runden“ des Woche Webseiten, weil er oder sie damit nicht Vereins „Wege aus der Einsamkeit“: Die Vorsit- zurechtkommt. Fast jeder Zweite beklagt eine zende Dagmar Hirche kann zu Recht stolz da GESELLSCHAFT schlecht nachvollziehbare Navigation auf rauf sein, zwischen 2014 und 2021 rund 18 000 Webseiten. Außerdem ist das Ausfüllen von ältere Menschen befähigt zu haben, sich in der Onlineformularen oft zu kompliziert oder miss- digitalen Welt zu bewegen. Doch die Kompe- verständlich, Schrift ist schlecht lesbar, die tenzlücke klafft nicht nur zwischen Jung und Farbgestaltung ungünstig und viele Texte sind Alt beziehungsweise „Digital Natives“ und schwer verständlich formuliert. „Wer seine „Internetneulinge“. „Es gibt vor allem inner- Website nur mit technikaffinen Personen tes- halb der Älteren große Unterschiede“, betont tet, Ältere jedoch außen vorlässt, verliert po- Dr. Claudia Müller, Leiterin „IT für die alternde tenzielle Kunden und schöpft das Umsatzpo- Gesellschaft“ am Institut für Wirtschaftsinfor- tenzial nicht aus“, erklärt Leyhausen. Darüber matik der Universität Siegen und Gastprofes- hinaus zeigt die Umfrage recht deutlich, dass sorin an der Careum Hochschule Gesundheit, Ältere offensichtlich nicht im Mittelpunkt der Abteilung „ageing@home“ in Zürich. „Auch Webseitenbetreiber stehen. Wer jedoch ältere Beruf, Geschlecht, Einkommen, Bildung, Nutzerinnen und Nutzer in die Webseitenent- Migrationshintergrund und Gesundheit haben wicklung mit einbezieht, bringt im günstigsten Einfluss auf die Digitalkompetenz.“ Nicht alle Fall nicht nur benutzerfreundlichere Webseiten trauen sich, die verfügbaren Angebote wahr- ins Netz, sondern setzt auch ein klares State- zunehmen. „Mit niederschwelligen Initiativen, ment, dass die Meinung und Teilhabe älterer die zu den Leuten gehen, kann man Berüh- Menschen wichtig ist. rungsängste abbauen und Begeisterung für digitale Angebote wecken. Sinnvoll sind zum Gleichzeitig braucht es mehr niederschwel- Beispiel Kooperationen mit Wohnbauanbietern lige Angebote, um die Kompetenzlücke bei von Betreuungseinrichtungen oder innerhalb der Digitalisierung zwischen Jung und Alt zu von Dorfstrukturen.“ Ergebnisse der Umfrage der Deutschen Seniorenliga e.V. zum Thema Benutzerfreundlichkeit von Internetangeboten Frage: Auf welche Herausforderungen stoßen Sie, wenn Sie sich Internetangebote anschauen? Die meistgenannten Antworten: 48 % Die Navigation auf der Seite ist schlecht nachzuvollziehen 44 % Grafik: Deutsche Seniorenliga e.V. Das Ausfüllen von Formularen ist kompliziert und missverständlich 38 % Funktionen auf der Seite sind nicht verständlich 32 % Die Texte sind unverständlich formuliert 21 % Schrift und Texte sind schlecht lesbar 15 % Die Farbgestaltung erschwert die Wahrnehmung der Inhalte aktiv Mai / Juni / Juli 2022 9
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