NACHRICHTEN - SOMMER 2020 - Stadt Siegburg
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NACHRICHTEN FÜR MENSCHEN IM BESTEN ALTER SOMMER 2020 JAHRGANG 50 / HEFT 194 / ERSCHEINT VIERTELJÄHRLICH (AUSGABE 2/2020) www.siegburg.de
RHEIN SIEG FORUM Die Rhein-Sieg-Halle wird zum RHEIN SIEG FORUM Mit 2500 m² Veranstaltungsfläche, zwei wandelbaren Sälen, sechs Konferenzräumen und großzügigen Foyerflächen wird die bis- herige Rhein-Sieg-Halle zum neuen RHEIN SIEG FORUM. Ob Musical, Comedy, Konzert, Seniorentanz- cafe, Kongresse und Tagungen. Das RHEIN SIEG FORUM ist ein Raum für Begegnungen und der Veranstaltungsort in Siegburg für schöne Stunden. Wir freuen uns, Sie bald im neuen RHEIN SIEG FORUM zu begrüßen. Bleiben Sie gesund! www.rhein-sieg-forum.de
NACHRICHTEN IHRE WERBEANZEIGE IN DEN 65ER NACHRICHTEN Auflage 8.250 Stück, erscheint 4 x jährlich Verteilung in alle Siegburger Haushalte ab 65 Jahre Melden Sie sich bei: Verbreitung in ganz Deutschland und im Ausland Redaktion 65er Nachrichten Claudia Förster Unterstützen Sie die 65er Nachrichten mit Ihrer Werbeanzeige. Die 65er Nachrichten sind seit über 45 Jahren ein einzigartiges Magazin, das mit sei- Nogenter Platz 10 nen Erinnerungen und selbst getexteten Beiträgen die Leser über das aktuelle und 53721 Siegburg historische Zeitgeschehen informiert. Unsere Leser sind im besten Alter und nehmen Email: 65er@siegburg.de aktiv und offen am gesellschaftlichen Leben teil. Ebenfalls dazu gehören die Ange- hörigen, die daran interessiert sind, ihre Eltern bzw. Großeltern bestmöglich über Tel.: 0 22 41 / 102 267 Dienstleistungen und Produkte zu informieren.
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In dieser Ausgabe lesen Sie: Allgemeines Grußwort 4 Treue Liebe / Sprüche, die Glück bringen / Schade / Die Das Siegburger Seniorenzentrum u. die Corona-Krise 5 Feuerwehr 35 Influenza / Das Los 36 Zuhause bleiben, die neue Lösung / Vorbildlich 6/7 Witze 37 Ausnahmezustand oder: Vor Enkeln wird gewarnt 8-11 Herzliche Glückwünsche 38-39 Großer Bruder / Seniorenskatclub Grand Hand 11 Rätsel Wortbruchstücke 12 Rätselhalftes Siegburg 13 Bauarbeiten am Michaelsberg 14 Nostalgisches Ärgernis Wespen - Über Abzocke und Artenschutz 15 Erinnerungen 1940 bis 1952 40/41 Fotorätsel 16 Apollo 11 landet auf dem Mond 41 Der Tod eines Kätzchens 17 Kein normaler Geburtstag 42 Buchtipps 18/19 Minigolfplatz an der Zeithstraße / Erinnerungen 43 Das Siegtal auf Schusters Rappen entdecken 20/21 Konfirmation im Kino 44/45 Kontaktlose Installation von Hausnotrufen 22 Firma Walterscheid 46 Gesprächskreisangebote / Rätsel-Auflösungen 23 Der alte Brandweiher 47 Wer kennt sich mit Siegburger Orden aus? 24 Wie das heutige Anno-Gymnasium wuchs 48-50 Dornröschenschlaf beendet / Poppig, nicht artig 25 Wer erinnert sich noch an das "Old Bey Ballett?" 50/51 Statt Terminen / Seniorenprogramm 2019/20 26 Schmunzelerinnerungen 51 Fotoerinnerung 52 Keramikmarkt abgesagt / Stadtfest abgesagt 27 Fotoerinnerungen 53 Schwimmen unter Auflagen 28 Gedenkgottesdienst 75 Jahre nach den Bombenan- Unverpackt-Mobil hält in der Fußgängerzone / griffen auf Wolsdorf 54/55 Abwechslung auf dem Grill 29 Fortsetzung über Siegburger "Päddchen" 55 Das Verhältnis zum Himmel in d. 50er Jugendzeit 56/57 Besinnliches Meine Sommergeschichte 57 Der Polterabend 58/59 Man sollte Kontakt zu Freunden pflegen / Wir Alten? / Spannende Vereinsgeschichte(n) aus 112 Jahrne 59 Unsere Verantwortung / Das Leben 30 Fotoerinnerungen 60 Das Zauberstreichholz / Der Stuhl / ZItate 31 Gertruds Tal - im Volksmund "Gierdrückche" 61 Der alte Mann und seine Hände / Gedicht des Lä- Kindergartenpraktikum in den 1950er Jahren 62-64 chelns/ Werden und vergehen 32 Fotoerinnerung 64 Dein sind die... / Schwierige Zeiten / Dä letzte Weg / Als die Influenza den Kontinent zermürbte 65 Wahrer Fortschritt 33 Anzeigen/Impressum 66 Das Kind! / Tante Marias Pflaumenrezept / Das mit dem Alter ist so eine Sache 34 Allen Autorinnen und Autoren danken wir für die Beiträge der 65er Nachrichten. Wir behalten uns vor, in Einzelfällen Änderungen bzw. Kürzungen an Texten vorzunehmen. Abgabetermine / Redaktionsschluss: Kontakt zur Redaktion: Frühlingsausgabe: 02.01. Claudia Förster, Tel. 02241/102 267, Zimmer 120 Sommerausgabe: 01.04. E-Mail: 65er@siegburg.de Herbstausgabe: 01.07. Winterausgabe: 01.10. Ein Bezugspreis für die Seniorenzeitung wird nicht erhoben. Jedoch freuen wir uns über eine Spendenüberwei- sung an die Stadtkasse Siegburg unter Angabe 459101 50000000 315010101 auf folgender Bankverbindung: IBAN: DE91 3706 9991 0200 3300 13 / BIC: GENODEDBRL bei der Bühler Bank eG oder IBAN: DE03 3705 0299 0001 0059 58 / BIC: COKSDE33 bei der Kreissparkasse Siegburg Für Spenden bis zu 200,- € gilt der Überweisungsträger als Spendenquittung. Für höhere Beträge erhalten Sie eine gesonderte Spendenbescheinigung der Stadt Siegburg Allen Spendern herzlichen Dank! 65er Nachrichten - Sommer 2020 3
Grußwort Liebe Seniorinnen und Senioren! Es ist mikroskopisch klein, hat aber die Kraft, die gan- Ich danke für die Kreativität und Spontanität der Ge- ze Welt anzuhalten: Das Coronavirus beschäftigt uns schäftsleute und Gastronomen, die lieferten, als die seit Monaten. Es brachte uns einen Ausnahmezustand, Kunden ihre Läden und Lokale nicht mehr betreten der in abgeschwächter Form bis heute andauert. Es be- durften. Es sind viele Gesichter, die dem Virus die Stirn wirkte Schul- und Geschäftsschließungen. Es hält uns bieten. Mögen uns bald unbeschwertere Tage beschie- auf Distanz. Das Virus trennte die Generationen, die den sein! Jungen trafen sich nicht mehr mit den zur Risikogrup- pe gehörenden Älteren. Vor besondere Härten stellten die notwendigen Maßnahmen zur Pandemie-Eindäm- mung die Bewohnerinnen und Bewohner von Alten- und Pflegeheimen. Lange durften sie überhaupt keinen Besuch empfangen. Das Coronajahr 2020 brachte Entbehrungen mit sich. Parallel lassen sich positive Nebenwirkungen der Krise ausmachen. Es war und ist die Zeit des Lesens, Malens, Gärtnerns, Kochens. Zeit des Klar-Schiff-Machens in Haus und Hof. Die Zeit des Lernens. Wie funktioniert das Skypen mit der Enkelin? Wie logge ich mich zur Video-Konferenz mit den entfernt wohnenden Cousins und Cousinen ein? Ein ganzes Land erweitert auf einen Schlag seine digitalen Kompetenzen. Die Stadtverwal- tung richtete gut 100 Homeoffice-Plätze für Mitarbeiter ein, die ihre Kinder zuhause betreuen. Ich denke, im Großen und Ganzen ist den Kollegen der schwierige Spagat zwischen Familie und Beruf gelungen. Die Seni- oren sind mittendrin in dieser technischen Entwicklung. Bei ihnen fällt der Wissenszuwachs auf technischem Gebiet wahrscheinlich am umfangreichsten aus. Ihr Die Autoren dieser Sommerausgabe der 65er Nachrich- ten haben das allgegenwärtige Thema aus verschiede- nen Blickwinkeln beleuchtet. Hier der bange Blick ins Supermarktregal, wo – temporär – nur weiße Spuren am Boden auf die Existenz von Weizenmehl hindeute- ten. Dort die Schlagen auf dem Wochenmarkt, die sich durch das Abstandsgebot in ihrer Länge vervielfachten. Hier die Freude an Mutter Natur, die in diesem son- nig-warmen Frühjahr explosionsartig die Stadt begrün- te. Dort der kurzfristig angetretene Arbeitseinsatz einer Schauspielschülerin am Hohen Ufer. Die junge Dame hatte plötzlich frei und krempelte die Ärmel hoch, als im Seniorenzentrum Unterstützung benötigt wurde. Am letztgenannten Punkt will ich anknüpfen. Ich dan- ke für den Dienst in Krankenhäusern, in Heimen, beim Rettungsdienst, im Notbetrieb der Schulen und Kitas. 4 65er Nachrichten - Sommer 2020
Allgemeines Das Siegburger Seniorenzentrum und die Corona-Krise In der Mitte März beginnen- es nicht alle Tage vor, dass die Solda- den Corona-Krise musste das ten in Uniform bei einem nicht-mili- Siegburger Seniorenzentrum tärischen Termin einen Sicherheitsab- mit seinen Häusern in der stand zum Publikum halten müssen, Friedrich-Ebert-Straße und der so ist auch die spontane „Umschulung“ Heinrichstraße weitreichende einer Schauspielerin zur Servicekraft Vorkehrungen treffen, um die im Seniorenheim ungewöhnlich und besonders gefährdete Gruppe den besonderen Corona-Bedingungen der Pflegeheimbewohner best- geschuldet. Valeria Prautsch kommt möglich vor einer Ansteckung von der Studiobühne Siegburg in der zu schützen. Humperdinckstraße. Vier Jahre lang Ein Besuchsverbot wurde aus- hat sie dort die Schauspielschule be- gesprochen, Gruppenangebote sucht und nun, kurz vor dem Ende der fielen aus, Cafeterien wurden Ausbildung, wurde ihre Schule wegen geschlossen. Mitarbeiter tra- der Corona-Epidemie geschlossen. gen seither Mundschutz. Und Sie wollte nicht untätig sein, suchte eine selbstverständlich achten alle sinnvolle Beschäftigung und stieß auf darauf, dass die grundlegenden die Stellen-Annonce des Seniorenzen- Regeln zur Vorbeugung, da wo trums. Sie sagt: „Ich wollte wieder mit es möglich ist, eingehalten wer- Menschen Kontakt haben. Es tut mir den: Zwei Meter Abstand, Hus- sehr gut, eine Tagesstruktur zu haben.“ ten und Niesen in Taschentuch Sie stieg kurzentschlossen ein, küm- oder Armbeuge, häufiges und gründliches Händewa- merte sich als Hauswirtschaftskraft um den Quarantä- schen und -desinfizieren, nicht ins Gesicht fassen, Kon- nebereich im Erdgeschoss der Friedrich-Ebert-Straße: takte vermeiden. Betten beziehen, Getränke verteilen und das Einräumen Eine wichtige organisatorische Maßnahme war die Ein- der Kleiderschränke sind nur ein kleiner Ausschnitt aus richtung von isolierten Bereichen. Dies stellt alle Al- ihrem Tätigkeitsbereich. tenpflegeinrichtungen vor große Schwierigkeiten, denn Am Muttertag gab es es nach langen Wochen der Tren- dafür wurden zusätzliche Zimmer und Betten und zu- nung von den Angehörigen die ersten Wiedersehen. Be- sätzliches Personal benötigt. Auch das Seniorenzent- such von außerhalb war wieder erlaubt. Er wurde aller- rum Siegburg richtete Quarantänestationen ein. Die dings nicht im Gebäude, sondern in eigens beschafften Bewohner, die dafür ihr gewohntes Zimmer verließen, Zelten durchgeführt. leisteten einen enormen solidarischen Beitrag! Leitung und Mitarbeiterschaft blieben unter- dessen nicht untätig. Tablets wurden angeschafft, um die Bildtelefonie zu unterstützen und das beruhigende Gefühl zu vermitteln, dass es dem Angehörigen und der Familie gut geht. Die Mitarbeiter des therapeu- tischen Dienstes und zusätzliche Betreuungskräfte kümmerten sich intensiv besonders um diejenigen Menschen, die Unterstützung und Begleitung brauchten. Aufenthalte auf dem Balkon oder kurze Spazier- gänge im Garten oder Innenhof taten Körper und Seele gut. Abordnungen des auf dem Brückberg beheimate- ten Bundeswehrmusikkorps‘ spiel- ten in den Innenhöfen auf. Die Blä- serensembles intonierten Musik aus dem Egerland, die schmissige Polka traf den getragenen Walzer. Kommt 65er Nachrichten - Sommer 2020 5
Allgemeines Zuhause bleiben, die neue Lösung Ein kleiner stacheliger Igelball mit Namen Corona hat in Privat hinterm Haus oder in einer Kleingartenanlage wenigen Tagen unser Leben auf den Kopf gestellt. Kar- in der Stadt ist ein Garten jetzt ein Glücksfall, auf dem neval standen wir noch feiernd am Rosenmontagszug, Weg in den eigenen Garten kommt von rechts und erfreuten uns an Musik- und Tanzgruppen bejubelten links ein „Hallo und wie geht‘s?“ über den Gartenzaun, die bunten Fußgruppen und Wagen, genossen den Son- die Nachbarn werkeln in Sichtweite auf ihren Parzellen, nenschein und die gute Laune. hier ist man nicht allein. Die jungen Pflänzchen benöti- Wenige Tage später war alles anders, der Igelball ent- gen Wasser, die Beschäftigung mit der Natur gibt Kraft puppte sich als gefährliches Virus, drängte in unser Leben und Optimismus, dass wir diese verrückte Zeit zusam- und nahm es in Besitz. Virologen und Epidemiologen men überwinden werden. stehen plötzlich im Fokus der Öffentlichkeit, bestimmen unser Leben und finden sich in jeder Talk-Runde. Eine Was alleine anfangen mit den langen Abenden? Thea- Sondersendung jagt die nächste. ter und Kino finden nicht statt, Gelegenheit für Dinge, die man immer schon einmal erledigen wollte: Bücher Zuhausebleiben ist angesagt, Kontaktsperre! Umarmung und Schallplatten durchsehen, Schubladen neu sortieren und Hände schütteln mit engsten Freunden und Bekann- und endlich einmal Urlaubsbilder und Fotos von Fami- ten verboten, Kinder und Enkel dürfen wir nur noch aus lienfeiern ordnen. Da kommen dankbare und glückliche der Ferne sehen, der ganze eingespielte Tagesrhythmus Gefühle auf, wir tauchen in Erinnerungen und unbe- dahin, Schwimmbad und Fitnessstudio zu, in der Stadt schwerte Momente ein, vergessen für Stunden alle Be- sind die Eisdielen und Cafes bei schönstem Frühjahrs- einträchtigungen dieses verflixten Virus'. wetter geschlossen, alle Veranstaltungen in Stadtmuse- Das bisher Selbstverständliche, die eigene persönliche um und Rhein-Sieg-Halle abgesagt. Freiheit, erhält für mich plötzlich einen ganz anderen In meinem ganzen Leben kann ich mich an eine ver- Stellenwert. Familie, Freunde und Bekannte stehen sich gleichbare Situation nicht erinnern. In allen Läden wer- nun mindestens 1,5 m entfernt gegenüber, Unterhaltung den plötzlich Mehl, Nudeln und WC-Papier zu begehr- nur noch auf Distanz. Und dennoch freue ich mich über ten und schnell ausverkauften Artikeln. Bei Edeka und jeden, dem ich in diesen Tagen in der Stadt oder auf den Aldi kommt man kaum mit dem Nachfüllen der Regale Waldwegen begegne, zum Glück sind alle noch da, nur nach, immer war alles im Überfluss da. halt 1,5 bis 2 m entfernt auf der anderen Wegseite. Nach dem anfänglichen Schrecken müssen wir unsere Dieser Zwangsausstieg aus dem gewohnten Leben führt Gewohnheiten und Tagesabläufe neu organisieren, eine aber auch zur Besinnung und Fokussierung auf ande- neue Struktur muss her, statt ins Oktopus gehen wir nun re Werte und rückt den Zusammenhalt in der Familie raus in den Wald, ob mit dem Fahrrad oder zu Fuß, mit an erste Stelle. Entfernter wohnende Angehörige und oder ohne Walking-Stöcke rund um den Michaelsberg Urlaubsbekannte können wir mit Ansichtskarten aus oder durch den Stadtwald, jeder für sich alleine oder im Siegburg – da gibt es sehr schöne – erfreuen (die Post direkten Familienverbund. verzeichnet tatsächlich einen deutlichen Anstieg der Zuhausebleiben im Garten oder auf dem Balkon, ma- Postkarten), einen handgeschriebenen Brief versen- chen wir es uns zu Hause schön! den statt SMS oder E-Mail. Wieder mehr miteinander Herrliches Wetter, auf dem Markt und in den Garten- sprechen, telefonieren statt irgendwelche Nachrichten centern – zum Glück sind die geöffnet – locken die weiterzuleiten. Zuhause in einer gemütlichen Ecke ein Frühjahrsblüher Primel, Narzisse und Veilchen, ideal, spannendes Buch lesen, eintauchen in eine andere Welt um in der freien Zeit den Balkon aus dem Winterschlaf und sich frei machen von allen Ängsten und Widrigkei- zu wecken. Im Garten werden die Beete geharkt und ten. umgegraben und unter Glas Tomaten, Kürbis, Salat und die Sommerblumen ausgesät. Unter Vlies und Folien- Schritt für Schritt erobern wir unser normales Leben tunnel wachsen Kohlrabi und Frühsalat, Beeren- und wieder zurück, aktuell ist Mund- und Nasenschutz an- Obstgehölze stehen in voller Blüte. Die Betätigung in der gesagt, der sich zum modischen Accessoire dieses Som- Natur tut uns gut und hebt die Stimmung, das Zuhause mers entwickelt. Schnell selbst genäht in uni, geblümt schöner machen, diesem stacheligen Virus nicht die Re- oder passend zum Outfit, mit bunten Gummis oder gie über das eigene Leben überlassen. Bändern, wird er zum Einkauf in den Geschäften oder in Bus und Bahn getragen. Der eigenen Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Auch wenn die Brille beschlägt, 6 65er Nachrichten - Sommer 2020
Allgemeines es wird vorübergehen, machen wir das Beste daraus, es liegt in unse- rer Hand, wie wir durch diese Zeit kommen. Wir werden wieder in Re- staurants sitzen, miteinander reden und lachen, Konzerte und Theater besuchen, die Koffer packen und verreisen. Es dauert noch etwas, aber es wird wiederkommen. Wenn etwas Gutes aus diesen Ta- gen zurückbleibt, dann hoffentlich mehr Achtsamkeit im Umgang mit anderen und uns selbst, die Wertschätzung der persönlichen Freiheit, dass eben nicht alles im- mer selbstverständlich ist, der Ab- schiedsgruß „Auf Wiedersehen und bleib gesund“. Gabriele Hoffstadt, Siegburg Schlange stehen auf dem Markt Vorbildlich! Vorbildlich Schlange stehen die Kunden von Markt- machte Andrea Hermes aus dem Verwaltungstrakt des händlerehepaar Andrea und Uwe Söntgerath. Für so viel Stadtmuseums. Rücksichtnahme sagen wir: Danke! Die Beobachtung 65er Nachrichten - Sommer 2020 7
Allgemeines Ausnahmezustand - oder: Vor Enkeln wird gewarnt Ein Tagebuch aus bewegten Zeiten 1. Teil: 2. bis 19. März Ich lernte, dass ich wegen meines Alters – auf der fal- schen Seite von 70 – zur Risikogruppe der sogenannten 2. März: Als ich Ende Februar nach einer vierwöchigen Alten gehöre und am besten das Haus nicht mehr verlas- Reise durch Costa Rica zurückkehrte und zum ersten sen sollte. Meine besorgten Töchter hätten das auch gern Mal zum Einkaufen ging, hatte ich zwar gehört, dass gesehen und waren recht streng mit mir am Telefon. Die Corona sich daran gemacht hatte, von Heinsberg aus Freunde aus derselben Altersklasse berichteten von ähn- Deutschland aufzurollen, aber was das für konkrete Fol- lichen Unterhaltungen: Offenbar hatte sich das Erzie- gen für Siegburg und mein Leben dort haben sollte, war hungsverhältnis plötzlich umgekehrt – wir waren jetzt mir nicht klar. Die polnische Pflegerin, die meine kranke die uneinsichtigen Teenager, die nicht zugeben wollten, Nachbarin versorgt, hatte mit zwar erzählt, dass sie seit dass diese Maßnahmen doch zu unserem Besten waren! fünf Jahren zum ersten Mal in Deutschland leere Regale gesehen habe, aber dass dies immer noch so sein könn- Für die meisten Großeltern bricht jetzt eine schwere te? Am 2. März ging ich zum ersten Mal zum Einkaufen, Zeit an: Keinerlei Kontakt mehr zu den Enkeln wegen und an dieser Stelle muss ich gestehen, dass ich unter der Ansteckungsgefahr! Dabei sind fast alle fest bei der anderem dringend Toilettenpapier brauchte. Als ich vor Betreuung der Kleinen eingeplant, was nach der Schlie- den gähnend leeren Regalen bei Aldi stand, fand ich das ßung der Kitas die jungen Eltern vor gewaltige Probleme noch spaßig – ausgerechnet Toilettenpapier als Man- stellt. Von der Firma zum sog. „Homeoffice" verdonnert, gelware –, aber als ich bei frischer Milch, bei Mehl und sollen sie gleichzeitig ihre Kinder bespaßen – das läuft bei Nudeln auch nichts fand, war ich doch beeindruckt. auf die Quadratur des Kreises hinaus. Noch härter trifft „Dann gehe ich eben zu Edeka oder zu Netto", dachte es diejenigen alten Menschen, die im Seniorenheim le- ich in meiner Naivität – aber dort war es nicht anders. ben: Wegen der Ansteckungsgefahr sind hier alle Besu- Zwei Tage später war ich dann erfolgreich und hatte mir che gestrichen, die Einsamkeit muss schrecklich sein. ein großes Paket des begehrten Papiers gesichert. Als ich damit vor der Kasse stand, hatte ich subjektiv den Ein- 6. bis 8. März: Wie geplant, verbrachte ich das Wochen- druck, als starrten alle auf meinen dreisten Einkauf, als ende bei Freunden in Karlsruhe. Die Bahnfahrt verlief müsste ich begründen, dass ich tatsächlich… und nicht wie jede andere auch. Der Freund holte mich vom Bahn- etwa einen Hamsterkauf getätigt hatte, während sich bei hof ab, aber wir umarmten uns nicht: Das war neu! Die mir zu Hause die Pakete zu unordentlichen Haufen auf- Freundin und ich fanden uns zu einer großartigen Aus- türmten. stellung ein, die gut besucht war, weil sie an jenem Wo- Auf den Straßen sah ich wenige Leute mit Atemmasken. chenende auslief. Alles wie immer. Auf dem Rückweg In einem Sanitätsgeschäft standen und saßen mehrere machte ich noch bei Verwandten Station: Wir tranken Kunden, relativ nah beieinander. Als ein alter Herr hus- gemeinsam Kaffee, aber nicht wirklich auf Distanz. tete, drehten sich alle entsetzt zu ihm um: Er hatte das Husten in den Ellbogen offensichtlich vergessen… 9. März: Ich fand mich zu einem Termin bei meiner Or- Es ist interessant zu beobachten, wie unterschiedlich thopädin ein. An der Tür war ein Gefäß mit Desinfek- Menschen auf die neue Lage reagieren. Lange bevor tionsmittel befestigt, an dem man sich bedienen sollte. das Kölner Literaturfest, die LitCologne, alle Veranstal- Auf jedem zweiten Stuhl im Wartezimmer lag ein Zettel tungen absagte, teilte mir eine Freundin mit, dass sie mit der Aufforderung, diesen Platz frei zu halten. Am die Veranstaltung, für die ich für uns beide Karten be- Abend traf sich unser literarisches Kränzchen wie im- sorgt hatte, nicht besuchen werde. Eine andere Freundin mer. Am nächsten Abend fuhr ich wie immer zum Ten- schlug vor, doch einfach abzuwarten. Sie meinte, man nis, und nur eine einzige Spielerin beteiligte sich nicht könne durchaus verantworten, zu einer solchen Veran- an der üblichen Begrüßung durch Umarmung. staltung zu gehen, vorausgesetzt, der richtige Abstand werde gewährleistet. Mein Gemüsehändler bediente 10. März: Das Land braucht nicht nur neue Männer – mich mit derselben entspannten Freundlichkeit wie im- wie Dr. Wiehler vom Robert-Koch-Institut in Berlin oder mer, meinte, er mache sich keine Sorgen, bot mir jedoch Dr. Drosten, der bereits als Kanzlerkandidat gehandelt an, dass ich meine Einkäufe telefonisch bestellen könnte wird – nein, wir müssen auch neue Wörter lernen, zum und er werde sie mir nach Hause bringen. Beispiel „Homeoffice" oder „social distancing". Letzte- res sollen wir dauernd praktizieren; ausgenommen sind nur diejenigen, mit denen man in einem gemeinsamen 8 65er Nachrichten - Sommer 2020
Allgemeines Haushalt lebt. Auch wenn wir als Deutsche nicht so ab Montag die Schulen schließen wird. Am Freitag, dem schnell mit Wangenküssen und Umarmungen bei der 13. (!) erfahren die Abiturienten, dass dies ihr letzter Hand sind wie unsere französischen oder italienischen Schultag war. Eine Kölner Freundin, Studienrätin an ei- Nachbarn – vieles von deren herzlichem Umgang mit- ner Privatschule, musste einige ihrer Schülerinnen trös- einander hat sich bei uns inzwischen auch durchgesetzt: ten, die mit dem abrupten Ende ihres Schullebens nicht Unter Freunden, vielleicht sogar unter guten Bekann- fertig wurden. ten, umarmt man sich. Mit ferner Stehenden tut es ein freundlicher Händedruck. Das fällt nun unter Corona 14. März: Wer mir vor einem Monat gesagt hätte, dass alles weg. Sehr bedauerlich, gerade für Menschen, de- ich mich über den erfolgreichen Kauf von einem Kilo ren nächste Angehörige weit weg wohnen. Aber sage Mehl riesig freuen würde, den hätte ich für bekloppt keiner, das sei eine ganz neue, noch nie dagewesene gehalten. Aber eins nach dem andern. Wie allgemein Mode! In den wilden Sechzigern, als ich studierte, gab bekannt, ist inzwischen Mehl fast so schwierig zu be- es zwar das deutsche Wort "cool" zur Beschreibung von kommen wie Toilettenpapier. Nachdem ich am Samstag- Verhaltensweisen noch nicht, aber wohl junge Männer, morgen zwei Kuchen gebacken hatte – zum Verschen- auf die dies Adjektiv gut passte: Sie lehnten allen sen- ken wohlgemerkt, nicht um eine Corona-Kaffee-Party timentalen Quatsch in Beziehungen ab, v.a. in Briefen zu veranstalten – brauchte ich tatsächlich wieder Mehl. an ihre Freundinnen. Statt der üblichen Beteuerung, wie Außerdem hatte mich eine Freundin gebeten, nachzu- sehr sie die Freundin vermissten und wie viele Küsse sie sehen, ob es vielleicht in Siegburg noch Mehl gäbe – in ihr leider nur auf dem Papier schicken konnten, stand Bonn sei bereits alles ausverkauft. Also machte ich mich am Ende stattdessen ein kurzes: "Betrachte Dich als ge- Samstagmittag auf zu meiner Aldi-Filiale, freundlich küsst." Muss ich sagen, dass ich das nicht schätzte? Ich begrüßt von dem dort stehenden Sicherheitsmann, der gehörte schon damals nicht zur "cool school", sondern dafür sorgt, dass nicht zu viele Kunden gleichzeitig das zur "old school." Geschäft betreten. An der besagten Stelle – nichts. Ich fragte einen Mitarbeiter, ob demnächst mit einer Liefe- 12. März: Schon vor geraumer Zeit hatte ich fünf enge rung zu rechnen sei. Er wusste es nicht. Also ging ich Freunde zum Abendessen eingeladen und mich am Tag nebenan zu Edeka und stellte zu meiner Freude fest, dass vorher vergewissert, dass alle immer noch damit einver- es dort noch Mehl gab. Aber über dem Regal hing ein standen waren, sich zu treffen. Warum hielt ich an dieser Zettel: Von den folgenden Produkten nur ein Paket pro Einladung fest, obwohl schon zu diesem Zeitpunkt dazu Einkauf, und dann kam eine lange Liste. Ich muss wohl aufgefordert wurde, alle unnötigen Kontakte zu vermei- unglücklich geguckt haben; jedenfalls sprach mich eine den? Ich hatte den Eindruck, dass wir alle dieses Treffen jüngere Frau an, ob ich ein zweites Paket haben wollte. brauchten, um uns gemeinsam, wenn auch in großem Sie brauche kein Mehl momentan, könnte es aber für Abstand voneinander, um einen Tisch zu versammeln mich kaufen. Natürlich ging ich begeistert darauf ein und uns auszutauschen, um einen Abend lang etwas und war ganz gerührt, als ich die hilfsbereite Frau prak- Normalität zu erleben. In meinen Augen war dies ein tisch zwingen musste, die entsprechende Summe für das „nötiger Kontakt". Es erinnerte mich an die Zusammen- Mehl anzunehmen. Dieses Erlebnis hat mir den ganzen künfte meiner Eltern mit ihren Verwandten während Tag verschönt. des Krieges: Wenn mein Vater auf Urlaub nach Hause durfte, versuchte die engere Verwandtschaft, sich auch 15. März: Am Sonntagmorgen läuteten keine Glocken. in Siegburg einzufinden. Die entsprechenden Einträge Wie schon in den Tagen vorher herrschte wunderbares im Gästebuch meiner Eltern legen davon beredtes Zeug- Frühlingswetter, was viele Spaziergänger und Fahrrad- nis ab: Das Leben war unsicher, die Zukunft ungewiss, fahrer auf den Aggerdeich lockte. Man hatte den Ein- aber man versicherte sich der gegenseitigen Zuneigung. druck, dass alle noch mal raus wollten, bevor es verboten Das gab emotionale Geborgenheit in schwierigen Zei- wird. Schon jetzt sollen sich Menschen auch draußen ten. nicht mehr in Gruppen aufhalten – was Jugendliche nicht daran hindert, am Rheinufer sogenannte Coro- 13. März: Ein großer Einschnitt: Alle Messen und die na–Partys zu veranstalten. Vom Deich aus sah ich ei- Gottesdienste anderer Glaubensgemeinschaften werden nen Pulk junger Männer Basketball spielen, natürlich abgesagt. Das gab es nicht einmal während des Krieges, mit häufigem Körperkontakt. Was mir auffiel: Obwohl im Gegenteil: Die Kirchen waren voll, denn Not lehrt ich auf dem Fahrrad unterwegs war, grüßten mich viele Beten, wie der Volksmund sagt. Zum Trost der Gläubi- Spaziergänger sehr freundlich. gen sollen jedoch Kirchen, Synagogen und Moscheen Sicher wird man später von einem Jahrhundert–Früh- zum Gebet geöffnet bleiben. Noch ist unklar, ob NRW ling sprechen: Fast jeden Morgen strahlte die Sonne 65er Nachrichten - Sommer 2020 9
Allgemeines aus einem blauen Himmel, und es war wärmer als im sätzlich zu Hause zu bleiben. Ausgenommen sind nur Frühling üblich. Das Arbeiten im Garten war ein reines Arztbesuche, der Weg zur Arbeit und zum Einkaufen Vergnügen. Als ich abends die frisch bepflanzten Beete und ein einstündiger Spaziergang in der unmittelbaren noch einmal goss, erfreuten mich zwei Amselmännchen Umgebung der Wohnung. Dabei bedient sich der Präsi- mit ihrem Gesang: Von zwei einander gegenüber liegen- dent einer rhetorisch sehr eindrucksvollen Kriegsmeta- den Dachfirsten sangen sie um die Wette. phorik. Immer wieder betont er „Nous sommes en guer- re" (Wir sind im Krieg). Ich vermute, dass diese Rede in 16. März: Erster schulfreier Tag in NRW! Bei herrlichem Frankreich ihren Eindruck nicht verfehlt hat, aber mir Wetter saß ich mit einem früheren Kollegen auf der Ter- war klar, dass die Bundeskanzlerin eine andere Sprache rasse, und wir sprachen darüber, was man in diesen Ta- wählen würde, was sie dann auch tat. gen eigentlich lesen sollte. Dann stellte sich heraus, dass er vor 40 Jahren seine Staatsexamensarbeit über Albert 17. März: Heute morgen: Minister Laumann lässt die Camus' Roman "Die Pest" geschrieben hatte. Das passte Spielplätze in NRW offen. Diese gute Nachricht kann ich natürlich hundertprozentig. wenig später an eine junge Mutter weitergeben, die vor der Tür der orthopädischen Praxis steht, als ich dort ein- Weil die Tennishalle geschlossen war, machte ich statt- treffe. Die Patienten sollen warten, bis sie einzeln hinein dessen mit der auch davon betroffenen Freundin einen gerufen werden. Während wir noch im Gespräch sind, langen Spaziergang durch die liebliche Landschaft um trifft eine dritte Patientin ein, die ich auf das Verfahren Birlinghoven. In einem Wohnviertel hatte jemand mit hinweise. Das interessiert sie aber nicht: Mit der Bemer- weißer Kreide auf den Asphalt geschrieben: "Corona go kung „Ich bin bestellt" rauscht sie an mir vorbei. Leider home! We don't want you here!" können es sich die netten Sprechstundenhilfen nicht er- In den nächsten Tagen bestand das Leben im Wesentli- lauben, sie vor die Tür zu setzen. chen aus Absagen: Konzerte in der Philharmonie, Kurse Das unvermindert strahlende Wetter erinnert mich an in der Volkshochschule, geschlossene Museen, Termine die Reaktor-Katastrophe von Tschernobyl vor 34 Jah- bei Ärzten. Auf einmal war der gut gefüllte Terminkalen- ren: Auch damals erschien mir der Frühling so beson- der völlig blank. Was auch sein Gutes hatte: Bei einigen ders herrlich, im Kontrast zu der Bedrohung durch die notwendigen Handwerkerterminen brauchte ich keinen atomare Verseuchung. Auch damals durften die Kinder Blick in den Kalender zu werfen – alle Tage waren frei. nicht draußen spielen, die Sandkisten mussten abge- deckt werden, und die Kinder wurden angehalten, ihre Am Nachmittag fiel mir Boccaccios Dekameron ein: Schuhe sorgfältig zu reinigen. In ihr lässt der Dichter zehn junge Leute aus der guten Ich finde es immer wieder interessant, wie unterschied- Gesellschaft die Stadt Florenz verlassen, weil dort 1384 lich die Menschen auf diese Ausnahmesituation reagie- die Pest wütete. Zu ihrer Unterhaltung erzählen sich die ren: Einige Bekannte äußern ganz offen ihre Ängste in Exilierten Geschichten, jeweils zehn an einem Tag, was Bezug auf unsere wirtschaftliche Zukunft, nur wenige sich im Titel dieser Sammlung von Novellen wiederspie- fürchten sich vor Ansteckung. Diejenigen, die sich alle gelt. Als ich das Buch bei Thalia bestellen möchte, stellte Lebensmittel kommen lassen und die Wohnung mög- sich heraus, dass es nicht mehr lieferbar war! Offenbar lichst selten verlassen, sind in der Minderheit. Eine hatte eine ganze Reihe von Leuten dieselbe Idee wie ich. weitere Minderheit findet die Sicherheitsmaßnahmen Außerdem gab die Buchhändlerin zu bedenken, dass sie der Regierung völlig überzogen, weigert sich, die Bedro- noch gar nicht wüsste, wie lange sie noch öffnen dürften. hung überhaupt zur Kenntnis zu nehmen. Eine einzige Über mein Kindle-Lesegerät kam ich dann zwar an das Bekannte glaubt an eine der gängigen Verschwörungs- Werk, aber die Einleitung Boccaccios fehlte, und sie war theorien und fürchtet um die dauerhafte Beschneidung es ja gerade, die mich interessierte. So erfuhr ich zwar, unserer demokratischen Rechte. dass die Gruppe nach zehn Tagen wieder in ihre Hei- matstadt zurückkehrte, aber mir war leider auch klar, 18. März: Die Bundeskanzlerin hält eine bemerkens- dass wir so schnell Corona nicht überstehen könnten. werte Rede, in der sie die Maßnahmen begründet, wel- che ihre Regierung zur Eindämmung der Pandemie Am Abend hält der französische Präsident Macron seine beschlossen hat. Sie spricht sehr ruhig, wie das ihre Art erste Rede zur Corona–Krise, in der er seine Landsleute ist, appelliert aber sehr eindringlich an unseren Gemein- auf die harten Maßnahmen einstimmt, welche seine Re- sinn: Es komme auf „unser gemeinsames solidarisches gierung am nächsten Tag beginnen lassen wird: Es geht Handeln an“; die Bewältigung von Corona sei „eine his- um eine ganz strenge Ausgangssperre, das „confine- torische Aufgabe, und sie ist nur gemeinsam zu bewälti- ment", welches alle Franzosen dazu verpflichtet, grund- gen". Ich finde es hochinteressant, in welch klarer Form 10 65er Nachrichten - Sommer 2020
Allgemeines die Unterschiede zwischen den beiden Ländern in die- sen Ansprachen deutlich werden. Später erhalte ich von Großer Bruder einer französischen Freundin einen Videofilm, in dem Die Formel ist so alt, wie es große Brüder gibt. am Anfang und am Ende jeweils Zitate aus den Reden der Staatsoberhäupter, also auch ein Zitat aus der Rede Gestern hörte ich sie wieder, als ich an Kindern vorüber- des Bundespräsidenten, platziert sind. Dann werden ging, die auf der Straße spielten. Der Wortlaut ist leicht Statistiken aus den beiden Ländern einander gegenüber- zu merken. Denn er heißt schlicht und einfach: „Du hör gestellt, etwa Zahl der Infizierten und Toten, Anzahl auf! Sonst sag’ ich’s meinem großen Bruder!“ der Betten auf Intensivstationen und das Vorhanden- Der große Bruder ist eine ernsthafte Realität, mit der sein von Beatmungsgeräten. Bei dieser Gegenüberstel- man Trümpfe ausspielt, weil sie Respekt einflößt, und lung schneidet Frankreich sehr schlecht ab, obwohl die man schlägt damit vieles aus dem Felde. Vor allem das, Maßnahmen dort viel einschneidender und strenger was keinen großen Bruder hat. Zwar droht man in spä- sind als in Deutschland. Im Bericht eines Auslandskor- teren Jahren nicht mehr mit dem großen Bruder – mög- respondenten in Frankreich lese ich, dass sich franzö- licherweise, weil man inzwischen erkannt hat, dass er sische Journalisten zunächst über das föderale System nicht mehr so deutlich wie im Kindesalter als rächende in Deutschland lustig machten und von Wirrwarr und Macht erkannt wird – doch insgeheim (nicht so sehr fa- Chaos sprachen… miliengeschichtlich wie in den privaten Dingen) bleibt er der große Bruder. 19. März: Das Wetter könnte schöner nicht sein, strah- lende Sonne, warm wie im Frühsommer. Im Garten zu Mit Größe hat das natürlich nichts zu tun. Weder mit arbeiten ist ein noch größeres Vergnügen als sonst. Und der körperlichen noch mit geistigen, denn wenn es wirk- doch: Ich stelle fest, dass sich keine Routine in der Aus- lich nach Größe ginge, müsste so mancher große Bruder nahmezeit einstellen will. Woran ich das merke? Auch erkennen, dass er hier und da entschieden kleiner ge- in den Ferien stellt sich nach ein paar Tagen eine gewis- worden ist. Das man der große Bruder bleibt, wird ein- se Gleichförmigkeit ein, die die Tage schneller vergehen fach aus dem Erwachsenendasein genommen. lässt. Dieser Eindruck hat sich bisher bei mir nicht ein- Das entschädigt manchen großen Bruder für die damals gestellt: Die Tage sind ausgefüllt, vergehen aber nach wie als Mangel empfundenen Tatsache, dass er selbst wohl vor langsam. Beim Blick auf die Uhr bin ich überrascht, ein großer Bruder war, selbst aber keinen hatte. dass es nicht später am Tage ist. Ich versuche, meist mit Erfolg, nicht an die Gefährdun- (Amadeus Redlich) gen zu denken, denen meine Lieben in der Ferne ausge- setzt sind, darunter eine schwangere Tochter, eine ande- Eingereicht von Margret Mies, Siegburg re als Ärztin tätig, die sich, ebenso wie ihr Mann, jeden Tag anstecken könnte. Was bleibt: Ein Druck, der nicht weichen will, eben dies Gefühl einer bleiernen Zeit. Dazu trägt bei, dass wir nicht wissen, wie lange es so weitergeht, was danach kommt – eine Wirtschaftskrise sicherlich, aber in welchen Dimensionen? In Süditalien Seniorenskatclub werden bereits Supermärkte geplündert. Grand Hand Kaldauen Dass Verdrängung auch erschöpft, merke ich jeden Abend: Die übliche Lektüre fällt sehr kurz aus, weil mir Am 06.01.2020 wurde um den von Addi Kahle gestif- die Augen zufallen. teten Pokal gespielt. Nach zwei Runden á 8 Spielen je Spieler lautete das Ergebnis: Eva Amann-Brockhaus, Siegburg 1. Hans-Theo Ehlen, Siegburg 1.857 Punkte 2. Hans Kreuzer, Troisdorf 1.842 Punkte 3. Heinz Ebertz, Hennef 1.758 Punkte Herr Ehlen ist damit für ein Jahr der Inhaber des Addi Kahle-Pokals. Dem Sieger einen herzlichen Glück- wunsch und auch für die weiteren Turniere allen Mit- spielern ein gutes Blatt. 65er Nachrichten - Sommer 2020 11
Allgemeines Wortbruchstücke Übungsschwerpunkt: Arbeitsgeschwindigkeit, Aufmerksamkeit Hier sind die Wörter entgegen jeder Trennungsregel in drei Teile zerschnitten. Verbinden Sie die richtigen Stücke mit Strichen, wie es beim ersten Wort bereits vorgemacht ist. Für Fragen steht Ihnen die MAT-Trainerin Ingrid Baum, Tel. 02241/591582, zur Verfügung. Die Lösung finden Sie auf Seite 23. 12 65er Nachrichten - Sommer 2020
Allgemeines Rätselhaftes Siegburg Aus den folgenden Silben sind 23 Wörter mit den unten aufgeführten Bedeutungen zu bilden: AD – AU – BAND – BAU – BE - BIL - CHRIS - DI – EI – ER – FE – FRI – GÄN – HO – HO – HÜT – IN – IN – ING – JAN – KA – KA – KING - KO – KOP – LA – LA-LA – LAU – LER – LET - LIE - LON - MA - MI – NAT - NI – NUNG – OK – OME – RAT - RI - ROS – ROST – SA – SAM – SE – SEL – SEN - SIER – SOL – STADT – STEIN – TA – TA - TAKT – TE - TEN - TIN – TO – TON – TREK – TROI –UM - WER Bei richtiger Lösung ergeben die ersten Buchstaben von oben nach unten gelesen den Namen des Unternehmens- gründers ( * 21. Januar 1795, † 22. August 1871) einer weltbekannten Siegburger Fabrik. _______________________________________ ________________________________________ 1. weiblicher Vorname 13. russ. Dreigespann ________________________________________ ________________________________________ 2. astrologische Voraussage 14. unbeständig ________________________________________ ________________________________________ 3. schrottreifes Auto 15. funktionsfähig ________________________________________ ________________________________________ 4. exotisches Gewürz 16. Stadt an der Oder ________________________________________ ________________________________________ 5. russische Suppe 17. Schachfigur ________________________________________ ________________________________________ 6. engl. mehrtägige Wanderung 18. empfehlenswert ________________________________________ ________________________________________ 7. Handwerkervereinigung 19. französischer Eierkuchen ________________________________________ ________________________________________ 8. Uni-Hörsaal 20. Fußbodenbelag ________________________________________ ________________________________________ 9. Tabakgift 21. Haarpflegegeschäft ________________________________________ ________________________________________ 10. Wahrzeichen der Stadt Göttingen 22. griechischer Käse ________________________________________ ________________________________________ 11. US-Bundesstaat 23. großer Greifvogel ________________________________________ 12. Utensil für Musikaufzeichnungen Ingrid Voigtländer, Troisdorf Die Lösung finden Sie auf Seite 23. 65er Nachrichten - Sommer 2020 13
Allgemeines Bauarbeiten am Michaelsberg Im Westen ganz viel Neues Am zum Mühlentorplatz gelegenen Westhang biegen die Zurück zum Baugeschehen. Das oberhalb des Parkplat- Umsetzungen des Michaelsbergkonzeptes auf die Zielge- zes verlaufende und an der Kita vorbeiführende Asphalt- rade. Zunächst zu unserem Bild: Ein Fitnessparcours für band wird zum gepflasterten Weg, sodass sich auf der alle Generationen zieht Sportliebhaber auf den Berg. Das 1.200 Meter langen Schleife um den Berg ein einheit- Areal heißt Sportwelle und enthält Drückbank, Ruder- liches Bild ergibt. Der Rundweg wird auf ganzer Länge zug, Rotationstrainer sowie Brust-Schulterpresse für die beleuchtet. körperliche Betätigung. In den Boden eingelassene Mat- ten tragen dem Yoga-Trend Rechnung. Unterhalb des KSI-Anbaus sieht man den nächsten Ab- schnitt im Wandel, auch hier entstehen neue Wege. Neue Bewegung erhält man außerdem beim Tischtennis an der Wege? Eher sehr alte, denn das Netz der Pfade wurde wie Platte oder beim Boulespiel, von den Franzosen „Petan- der dort verortete Terrassengarten von Irrenheilanstalts- que“ genannt. Der Schattenplatz im Grünen eignet sich leiter Maximilian Jacobi in der ersten Hälfte des 19. Jahr- wunderbar für die Annäherung an das Schweinchen, wie hunderts angelegt. die Zielkugel beim Boule genannt wird. Noch weiter zurück reicht die Historie der Wehrmauer, In neuem Kleid präsentiert sich nach längerer Sperrung die sich im Westen den Berg hinaufzieht. Sie wird saniert die Ilse-Hollweg-Brücke am Mühlengraben. Sie bekam und im Anschluss freigestellt. ein frisches Geländer, auf optisch ansprechendem Pflas- ter schreitet man vom Berg aus auf die Brücke zu. Die Überführung ist nach der nicht nur in Fachkreisen hoch- geschätzten Siegburger Opernsängerin Ilse Hollweg be- kannt, die vor 30 Jahren starb. 65er Nachrichten - Sommer 2020 14
Allgemeines Ärgernis Wespen - Über Abzocke und Artenschutz Wie bereits im letzten Jahr deutet sich auch für diesen Bei uns melden sich aber immer wieder Verbraucher, die Sommer an, dass wir beim Aufenthalt im Freien wieder von teuren und laienhaft arbeitenden Notdiensten abge- vermehrt auf eine hohe Zahl von Wespen treffen werden. zockt und noch an der Haustür unter Druck gesetzt wer- Der milde Winter und das warme, trockene Frühjahr bo- den. Fürs Umsiedeln oder Töten von Wespen sind – je ten den Wespen sehr gute Bedingungen zum Überleben nach Region und Aufwand – Preise zwischen 80 und 150 und zum Nestbau. Wespen stehen in Deutschland un- Euro (inklusive Anfahrt) üblich. Teurer wird es allenfalls, ter Naturschutz. Gemäß § 39 Bundesnaturschutzgesetz wenn beispielsweise eine Hebebühne bestellt werden (BNatSchG) ist es verboten, wildlebende Tiere mutwillig muss, um ans Nest zu gelangen. Das hindert manche An- zu beunruhigen oder ohne vernünftigen Grund zu fan- bieter nicht daran, deutlich stärker zuzulangen. Bei der gen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Lebensstätten Verbraucherzentrale NRW sind Fälle bekannt, in denen zu zerstören. Einige Wespenarten stehen sogar auf der bis zu 700 Euro für einen halbstündigen dilettantischen Roten Liste gefährdeter Arten. Verstöße gegen das Bun- Einsatz in Rechnung gestellt wurden. desnaturschutzgesetz können mit Bußgeldern mit bis zu Wir raten dazu, solche Wucher-Preise bei der Polizei an- 50.000 € geahndet wer- zuzeigen – denn sie sind den. sittenwidrig. Auch die Verbraucherzentrale hilft Wirklich lästig werden dabei, überzogene Rech- eigentlich nur zwei der nungen anzufechten. Au- acht in Deutschland ßerdem raten wir dazu, heimischen Arten von solche Rechnungen ge- Wespen: die Deutsche nerell nicht an der Haus- Wespe und die Gemeine tür zu zahlen, auch wenn Wespe. manche Dienstleister Im Zweifel heißt es also, Sie unter Druck setzen. sich mit den nicht per Sie haben das Recht, die se aggressiven Insekten Rechnung eingehend zu zu arrangieren. Auch prüfen. Einmal gezahl- wenn Wespen einen eher tes Geld erhalten Sie nur schlechten Ruf haben, schwer wieder zurück. vertilgen sie anderer- Denn herauszufinden, seits jede Menge andere wer hinter dem unseri- unbeliebte Insekten wie ösen Notdienst steht, ist beispielsweise Stechmücken. Ein chemisches Wespen- oft unmöglich. Adressen werden erfunden. Die Steuer- bekämpfungsmittel können wir Ihnen nicht empfehlen. nummer wird auf der Rechnung mit "in Gründung" an- Die Umweltberatung der Verbraucherzentrale NRW rät gegeben. Im Internet agieren einige Vermittler, die dann zu umweltfreundlichen Alternativen. Um die Insekten nicht selbst die Verträge mit Ihnen schließen, sondern vom Esstisch im Garten fernzuhalten, können Sie in ei- Dienstleister aus Ihrer Gegend schicken. nem feuerfesten Gefäß Kaffeebohnen anzünden oder mit Nelken gespickte Zitronen auslegen. Oft hilft es auch, Seriöse und sachkundige Ansprechpartner zur Entfer- in der Nähe eine für Wespen attraktive Nahrungsquelle nung von Wespennestern finden Sie bei lokalen Imker- (z.B. ein Stückchen Fleisch) aufzustellen, um sie vom Es- vereinen oder z.B. dem "Verein zur Förderung ökologi- stisch abzulenken. Auf jeden Fall sollten Sie alle Speisen scher Schädlingsbekämpfung e. V." Hilfe bei der Suche und Getränke abdecken, wenn Sie im Garten essen. und Beratung zu weiteren Umweltfragen rund um Gar- Es gibt allerdings auch Gründe, die eine Umsiedlung ei- ten, Schädlinge und Co. erhalten Sie bei der Umweltbe- nes Wespennestes rechtfertigen, z. B. wenn Sie allergisch ratung der Verbraucherzentrale NRW in Siegburg unter gegen Wespenstiche sind oder sich regelmäßig kleine 02241/1496805. Kinder im Garten aufhalten. Rechtliche Hilfe bietet die Verbraucherzentrale NRW in Siegburg unter 02241/1496801. 65er Nachrichten - Sommer 2020 15
Allgemeines Fotorätsel Wo in Siegburg ist dieses Foto entstanden und aus welchem Jahrzehnt stammt es? Unter allen richtigen Einsendungen werden - unter Ihre Lösung schicken Sie bitte an: Ausschluss des Rechtsweges - verlost: Stadtverwaltung Siegburg Preisrätsel „65er Nachrichten“ 3 x 1 Buch "Was bleibt!" - Aufsätze aus Heimatblättern 53719 Siegburg 3 x 1 Siegburg-Anstecknadel 4 x 1 Siegburg Brillenputztuch oder per Mail an: 65er@siegburg.de Einsendeschluss ist der 05.08.2020 Teilnahmeberechtigt sind alle Leserinnen und Leser Auflösung des Rätsels aus Heft 193: Das Foto ist auf dem Stallberg entstanden, abgebildet ab 65 Jahren. sind die Straßen Viehtrift, Kaldauer Straße und Hermann-Löns-Straße. So sieht es dort heute aus: Gewonnen haben: Hans Josef Bargon, Siegburg Bernd Sengelspeick, Siegburg Peter Mohaupt, Siegburg Dorothea Willscheid, Siegburg Karl-Heinz Lürken, Siegburg Rudolf Schmitz, Siegburg Bernd Hoffsümmer, Siegburg Otto Schneider, Siegburg Allen Gewinnerinnen und Gewinnern Herzlichen Glückwunsch! 16 65er Nachrichten - Sommer 2020
Allgemeines Der Tod eines Kätzchens Die Väter des Grundgesetztes der Bundesrepublik haben die zehn Gebote der jüdischen und christlichen Religion Eine wahre Geschichte. als Vorbild für die Verfassung unseres Staates gewählt. In Es war später Vormittag, meine Frau und ich waren auf der Präambel heißt es wörtlich: „Im Bewusstsein seiner einem Spaziergang und schon auf dem Heimweg. Auf Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem der anderen Straßenseite kam uns ein kleines Mädchen Willen beseelt seine nationale und staatliche Einheit zu entgegen, offensichtlich aus der Schule, denn es trug sei- wahren und als gleichberechtigtes Glied in einem ver- nen Ranzen auf dem Rücken. Als es auf unserer Höhe einten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat das war, hörten wir laut und deutlich, wie es aus ihr heraus- deutsche Volk…“ Die Präambel ist Bestandteil unserer sprudelte: „Wie würdet ihr euch denn fühlen, wenn eure Verfassung und damit für alle verbindlich, für Christli- Katze gestorben wäre?“ che und Nichtchristliche, also auch für Atheisten. Sie hatte uns nicht direkt angesprochen, dennoch waren Wenn ich sehe, wie manche Menschen Hass und Ver- wir überzeugt, dass sie uns damit gemeint hatte, nie- achtung säen gegenüber Flüchtlingen aus Kriegsgebie- mand anderes war zu sehen. Meine Frau reagierte sofort ten, wie Kinder hungern und leiden müssen, weil wir und, wie ich fand, ganz richtig: „Das tut uns aber sehr von unserem Wohlstand nichts abgeben wollen, obwohl leid, wie ist sie denn gestorben, ist sie überfahren wor- wir das doch könnten, fehlt mir dafür das Verständnis. den?“ Das Mädchen nickte bejahend und setzte sich auf Gott sei Dank, es gibt sie noch, die Ehrenamtlichen, die die kalten Stufen eines Hauseingangs, recht traurig, mit sich auch in unseren Gemeinden, sowohl auf katholi- Tränen in den Augen. „Ja“, sagte meine Frau, „wir wis- scher als auch evangelischer Seite, für diese Menschen sen, wie das ist, uns ist auch schon einmal ein Kätzchen einsetzen und ihnen helfen. Oder die Tatkräftigen, die überfahren worden.“ Sie fügte noch hinzu: „Ganz gewiss sich in Kleiderkammern und Tafeln engagieren - leider ist sie jetzt im Katzenhimmel bei anderen Kätzchen. Hat sind es viel zu wenige. sie denn im Haus gelebt?“ Die Frage war eigentlich über- flüssig. Hätte das Kätzchen im Haus gelebt, wäre es nicht Und ganz zum Schluss frage ich dann wieder, was hätte überfahren worden, da nicht anzunehmen ist, dass Au- Christus vor rund 2.000 Jahren zu dem Mädchen gesagt? tos durch die Wohnung brausen. Wir haben es nicht mehr wiedergesehen, vielleicht war Wir baten das Kind, nach Hause zu gehen, wir konn- es zu Besuch bei einem unserer Nachbarn. Eines wissen ten ihm ja nicht helfen. Wir sahen, dass es unserem Rat wir jedoch: Wer so um einen lieben Spielgefährten trau- folgte. Hier konnte man wieder einmal sehen, wie sehr ert, der wird keinem anderen Menschen oder Tier ein Kinder an Tieren hängen. Als Trost zu der Kleinen zu Leid antun. Seine Moralvorstellungen würden das nicht sagen „Gib nichts darum, es war ja nur ein Tier“, das zulassen. Oft denken wir an dieses Erlebnis zurück, es wäre ganz gewiss falsch gewesen. Die tiefe Trauer die- hat uns sehr beeindruckt. ses kleinen Mädchens und das Unverständnis, das ihm deshalb bestimmt begegnete, kann schon nachdenklich Reiner Odenthal, Windeck-Dattenfeld stimmen und zeigt, wie verroht und herzenskalt unsere Welt ist. Es liegt nun an den Eltern und natürlich auch an den Großeltern, dieses Kind zu trösten und es ganz behutsam auf das wirkliche Leben vorzubereiten, denn eine heile Welt, die gibt es nicht. Zugegeben, ein wenig sentimental klingt die Geschichte schon. Dennoch, sie hat sich so zugetragen, nichts habe ich verändert oder hinzugefügt. Man erkennt ja im Verhalten dieses kleinen Mädchens schon, dass es Lebewesen, alle Lebewesen, achtet und gerne hat. Meine Gedanken gingen danach in ganz un- terschiedliche Richtungen, die ich an dieser Stelle einmal beschreiben möchte. 65er Nachrichten - Sommer 2020 17
Allgemeines Buchtipps Launen der Zeit Zwei Wochen im Juni Die Schlüsselmomente ihres Lebens kann Willa an einer Hand abzählen: 1967 kehrt sie nach der Schule zurück, und ihre launi- Wenn das geliebte Elternhaus verkauft werden muss - sche Mutter hat ohne ein Wort des Abschiedes die Fa- und die eigenen Träume zu leben beginnen milie vorübergehend verlassen. Als sie 1977 einen Hei- ratsantrag bekommt, wird sie vor die Wahl gestellt, ihr Ada liebt ihr Elternhaus an der Ostsee mit dem herrli- Studium fallenzulassen. Und 1997 ist sie bereits eine chen Bauerngarten, doch nun heißt es, Abschied neh- junge Witwe und versucht, ihr Leben wieder in den Griff men. Nach dem Tod der Mutter muss Gragaard verkauft zu kriegen. werden. Zusammen mit ihrer Schwester Toni räumt sie Haus und Bootsschuppen aus, und eine Reise in die 2017 erfährt Willa, dass die Exfreundin ihres Sohnes Vergangenheit beginnt: Da sind die Abendkleider der angeschossen wurde, und setzt sich umgehend in den Mutter, die die rauschenden Sommerfeste wiederauf- Flieger nach Baltimore. Die impulsive, scheinbar unwe- leben lassen und die glücklichen Tage, bevor der Vater sentliche Entscheidung, für diese Frau, die sie persön- die Familie verließ. Und da sind die Ölporträts, die der lich noch nie getroffen hat, und ihre elfjährige Tochter russische Maler Maxim, um dessen Aufmerksamkeit die zu sorgen, führt Willa in unbekanntes Territorium - um- Mädchen buhlten, einst von ihnen angefertigt hat. Als ringt von einer bunten Schar Nachbarn und in tägliche sie im Sekretär einen Brief der Mutter an sie beide fin- Rituale verwickelt, hat sie endlich mal wieder das Ge- den, fasst Ada endlich den Mut, sich ihren Sehnsüchten fühl, gebraucht zu werden. zu stellen, und aus dem Abschied wird Aufbruch. Anne Tyler: Launen der Zeit Anne Müller: Zwei Wochen im Juni 304 Seiten, gebundene Ausgabe 240 Seiten, gebundene Ausgabe Verlag Kein&Aber Verlag Penguin ISBN: 978-3-0369-5996-2, Euro 13,- ISBN: 978-3-328-60109-8, Euro 18,- Bestellung im Internet unter www.thalia.de Bestellung im Internet unter www.thalia.de Auch erhältlich bei Thalia in Siegburg - Markt 16-19, Tel.: 02241/9667-0, Fax: 02241/9667-524 Email: Thaila.Siegburg@Thalia.de 18 65er Nachrichten - Sommer 2020
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