NETZDG-BUßGELDLEITLINIEN - LEITLINIEN ZUR FESTSETZUNG VON GELDBUßEN IM BEREICH DES NETZWERKDURCHSETZUNGSGESETZES (NETZDG)
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NetzDG-Bußgeldleitlinien Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen im Bereich des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) vom …
Inhalt A. Grundlagen ............................................................................................................1 I. Begriff und Zweck der NetzDG-Bußgeldleitlinien ................................................1 II. Geltungsbereich der NetzDG-Bußgeldleitlinien ...................................................1 B. Einleitung des Bußgeldverfahrens ......................................................................2 I. Anwendungsbereich nach § 1 Absatz 1 NetzDG ...................................................3 II. Registrierte Nutzerinnen und Nutzer ....................................................................4 III. Auslandsgeltung ..................................................................................................4 IV. Persönliche Verantwortlichkeit ............................................................................5 V. Verfahren bei Verstoß gegen die Transparenzpflichten nach § 2 Absatz 1 Satz 1 NetzDG ...................................................................................................................... VI. Verfahren zum Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte nach § 3 Absatz 1 Satz 1 NetzDG....................................................................................... VII. Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte nach § 3 Absatz 1 Satz 2 NetzDG ...................................................................................... VIII. Verfahren für Meldungen bei konkreten Anhaltspunkten für Straftaten nach § 3a Absatz 1 NetzDG IX. Verfahren zur Überprüfung der ursprünglichen Entscheidung nach § 3b Absatz 1 Satz 1 NetzDG X. Verfahren zur Übermittlung von Anträgen auf Überprüfung einer Entscheidung nach § 3b Absatz 1 Satz 3 NetzDG XI. Zustellungsbevollmächtigte und empfangsberechtigte Personen nach § 5 Absatz 1 Satz 1 NetzDG und § 5 Absatz 2 Satz 1 NetzDG .....................................9 C. Bestimmung des einschlägigen Bußgeldrahmens……………………..……….10 I. Juristische Personen .......................................................................................... 10 II. Natürliche Personen ......................................................................................... 11 III. Fahrlässige Verstöße (§ 17 Absatz 2 OWiG) ................................................... 11 D. Bußgeldzumessung (§ 17 OWiG) ...................................................................... 11 I. Schritt 1 – Ermittlung des Grundbetrags ............................................................. 12 II. Schritt 2 – Anpassung des Grundbetrags .......................................................... 13 III. Schritt 3 – Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse ......................... 15 IV. Schritt 4 – Abschöpfung des wirtschaftlichen Vorteils ...................................... 15
E. Grundbeträge ..................................................................................................... 16 I. Berichtspflicht ..................................................................................................... 16 II. Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte ....................................... 17 III. Kontrolle ........................................................................................................... 20 IV. Zustellungsbevollmächtigte und empfangsberechtigte Person ........................ 23
-1- A. Grundlagen I. Begriff und Zweck der NetzDG-Bußgeldleitlinien Die Leitlinien zur Festsetzung von Geldbußen im Bereich des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG-Bußgeldleitlinien) stellen allgemeine Verwaltungsgrundsätze für die Ausübung des Ermessens der Bußgeldbehörde bei der Einleitung eines Bußgeldverfahrens und bei der Bemessung der Geldbuße dar. Sie stützen sich auf das Entschließungs- sowie das Rechtsfolgeermessen des Bundesamts für Justiz (BfJ) nach § 47 Absatz 1 Satz 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), § 4 Absatz 2 des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG). Die NetzDG-Bußgeldleitlinien dienen dazu, die Voraussetzungen für die Einleitung eines Bußgeldverfahrens im Bereich des NetzDG zu konkretisieren, sowie die Höhe der zu verhängenden Geldbuße innerhalb des gesetzlichen Bußgeldrahmens zu bestimmen. Sie konkretisieren die für die Bußgeldzumessung maßgebliche Vorschrift des § 17 OWiG. Die NetzDG-Bußgeldleitlinien erfassen Tatumstände und Tatfolgen, die bei Verstößen gegen das NetzDG typischerweise auftreten (sogenannte Regelfälle), ebenso wie außergewöhnliche Sachverhalte, die sich durch einen wesentlich erhöhten Unrechtsgehalt auszeichnen und eine besondere Abschreckung rechtfertigen oder die sich durch einen wesentlich geringeren Unrechtsgehalt auszeichnen und die Einleitung eines Bußgeldverfahrens nicht zwingend erforderlich machen. In den NetzDG-Bußgeldleitlinien wird die allgemeine Methode für die Ermittlung der Geldbuße dargelegt, jedoch können besondere Umstände eines Einzelfalls ein Abweichen von dieser Methode oder den festgelegten Grundbeträgen rechtfertigen. Die NetzDG-Bußgeldleitlinien unterstützen das Prinzip der Gleichbehandlung, dem die Verwaltung verpflichtet ist. Sie gewährleisten, dass im Wesentlichen gleiche Ordnungswidrigkeiten vergleichbar behandelt werden, ohne die im Mittelpunkt der Bußgeldentscheidung stehende Bewertung von tat- und täterbezogenen Umständen des Einzelfalls aufzugeben. Schließlich fördern die NetzDG-Bußgeldleitlinien die Transparenz der Entscheidung für die Einleitung eines Bußgeldverfahrens sowie der Bußgeldentscheidung des BfJ gegenüber den Verfahrensbeteiligten und der Öffentlichkeit. Diese Leitlinien stellen auf den Gesetzgebungsstand ab, der am 1. Februar 2022 gilt. II. Geltungsbereich der NetzDG-Bußgeldleitlinien Die NetzDG-Bußgeldleitlinien gelten für die Festsetzung von Geldbußen nach § 4 Absatz 2 NetzDG gegen natürliche und juristische Personen, die gegen die bußgeldbewehrten Pflichten des NetzDG verstoßen haben. Bei der Festsetzung von Geldbußen gegen juristische Personen handelt es sich um eine unternehmensbezogene Bußgeldzumessung nach § 30 OWiG. Die Festlegung der
-2- NetzDG-Bußgeldleitlinien für juristische Personen gilt für Personenvereinigungen jeweils entsprechend. Die NetzDG-Bußgeldleitlinien sind anwendbar auf Verstöße gegen verschiedene Vorschriften. Dabei geht es um Verstöße gegen Transparenzpflichten, gegen die Verpflichtung zum Vorhalten eines wirksamen Verfahrens für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte (Beschwerdemanagement), gegen die Verpflichtung zur Bereitstellung gesetzeskonformer Meldeverfahren für die Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte, gegen die Verpflichtung zur Meldung bei konkreten Anhaltspunkten für Straftaten, gegen die Verpflichtung zur gesetzeskonformen Bereitstellung von Verfahren zur Überprüfung der ursprünglichen Entscheidung, gegen die Verpflichtung zur Bereitstellung eines gesetzeskonformen Verfahrens zur Übermittlung von Anträgen auf Überprüfung einer Entscheidung, gegen die Verpflichtungen zur Benennung einer verantwortlichen Ansprechpartnerin oder eines verantwortlichen Ansprechpartners im Inland für Zustellungen und Auskunftsersuchen sowie um Verstöße wegen unterlassener Reaktion auf Auskunftsersuchen durch die empfangsberechtigten Personen. Transparenzpflichten: • § 2 Absatz 1 Satz 1 NetzDG (Berichtspflicht) Wirksames Beschwerdemanagement: • § 3 Absatz 1 Satz 1 NetzDG (Verfahren für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte) • § 3 Absatz 4 Satz 1 NetzDG (Überwachung des Umgangs mit Beschwerden) • § 3 Absatz 4 Satz 2 NetzDG (Beseitigung organisatorischer Unzulänglichkeiten) • § 3 Absatz 4 Satz 3 NetzDG (Anbieten von Schulungs- und Betreuungsangeboten) • § 3 Absatz 1 Satz 2 NetzDG (Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte) • § 3a Absatz 1 NetzDG1 (Verfahren für Meldungen bei konkreten Anhaltspunkten für Straftaten) • § 3b Absatz 1 Satz 1 NetzDG 1 Die Meldepflicht nach § 3a NetzDG tritt am 1. Februar 2022 in Kraft.
-3- (Verfahren für eine Überprüfung einer Entscheidung) • § 3b Absatz 1 Satz 3 NetzDG (Verfahren zur Übermittlung von Anträgen auf Überprüfung einer Entscheidung) Verantwortliche Ansprechpartnerin/Verantwortlicher Ansprechpartner im Inland: • § 5 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 2 Satz 1 NetzDG (Benennung von inländischen zustellungsbevollmächtigten und inländischen empfangsberechtigten Personen) • § 5 Absatz 2 Satz 2 NetzDG (Antwortverhalten von empfangsberechtigten Personen) Die NetzDG-Bußgeldleitlinien werden sowohl im einheitlichen als auch im selbständigen Verfahren (vergleiche § 30 Absatz 4 OWiG) angewendet. B. Einleitung des Bußgeldverfahrens Gemäß § 47 Absatz 1 OWiG liegt es im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltungsbehörde, hier des BfJ, ob und in welchem Umfang Ordnungswidrigkeiten verfolgt werden. Im Gegensatz zum Strafverfahren, bei dem das Legalitätsprinzip gilt, ist das BfJ demnach nicht verpflichtet, ein Ordnungswidrigkeitenverfahren einzuleiten. Als Erwägungsgrund für die Nichtverfolgung von einzelnen Verstößen gegen bußgeldbewehrte Pflichten des NetzDG kann Berücksichtigung finden, dass es sich lediglich um geringfügige Verstöße handelt (zum Beispiel nur geringfügiges Überschreiten der Fristen in § 2 Absatz 1 Satz 1 und § 3 Absatz 2 Nummer 2 und 3 NetzDG beziehungsweise Überschreiten nur in einer überschaubaren Zahl von Fällen) oder dass die Praxis im Zusammenhang mit den festgestellten Verstößen dergestalt geändert und angepasst wurde, dass vor Einleitung des Verfahrens den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Auch eine fehlende Bedeutung des sozialen Netzwerks für den deutschen Markt kann insofern Berücksichtigung finden. Ferner kann ein Erwägungsgrund für die Nichtverfolgung von einzelnen Taten sein, dass der Anbieterin oder dem Anbieter des sozialen Netzwerks beziehungsweise den verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern oder den Auskunftspersonen nur ein geringer Fahrlässigkeitsvorwurf gemacht werden kann. Als Erwägungsgrund für die Nichtverfolgung von einzelnen Taten kann auch der Umstand in Betracht kommen, dass bei mehreren Geldbußen gegebenenfalls wegen § 20 OWiG unbillige Härte drohen könnte. Wurde außerhalb der Fälle des § 3e Absatz 3 NetzDG gegen eine Anbieterin oder einen Anbieter eines sozialen
-4- Netzwerks mit Sitz im Ausland bereits ein Bußgeld wegen eines Verstoßes gegen Compliance-Standards des Sitzlands verhängt, kann dies als Erwägungsgrund für die Nichtverfolgung einzelner Taten nach dem NetzDG in Betracht kommen. I. Anwendungsbereich nach § 1 Absatz 1 NetzDG Das NetzDG gilt nach § 1 Absatz 1 Satz 1 NetzDG für Telemediendiensteanbieterinnen und -anbieter, die mit Gewinnerzielungsabsicht Plattformen im Internet betreiben, die dazu bestimmt sind, dass Nutzerinnen und Nutzer beliebige Inhalte mit anderen Nutzerinnen und Nutzern teilen oder der Öffentlichkeit zugänglich machen (soziale Netzwerke). Dabei muss für Telemediendiensteanbieterinnen und -anbieter die elektronische Informationsbereitstellung im Vordergrund stehen. Nutzerinnen und Nutzer sind natürliche oder juristische Personen, welche die Infrastruktur der Plattform insbesondere nutzen, um auf Inhalte zuzugreifen und um Informationen zu erlangen. Vom Anwendungsbereich des NetzDG werden Plattformen erfasst, die dazu bestimmt sind, dass beliebige Inhalte wie Bilder, Videos oder Texte von Nutzerinnen und Nutzern eingestellt werden können. Die Plattformen ermöglichen Kommunikationsräume, in denen sich der Austausch typischerweise an eine Mehrzahl von Adressatinnen und Adressaten richtet beziehungsweise zwischen diesen stattfindet. Die Kommunikationsräume schaffen so die Möglichkeit, den gesellschaftlichen Diskurs zu beeinflussen und begründen daher ein besonderes Risiko der Perpetuierung rechtswidriger Inhalte. Ob diese Plattformen ergänzend auch nachgeordnete Möglichkeiten der Individualkommunikation anbieten, ist demgegenüber nicht entscheidend. Erst Angebote, welche entsprechende Kommunikationsräume nur noch als Nebenfunktion umfassen, sind nicht mehr als solche „dazu bestimmt“, dass Inhalte im Sinne von § 1 Absatz 1 Satz 1 NetzDG geteilt oder zugänglich gemacht werden. Maßgeblich ist das Erscheinungsbild des gesamten Angebots aus Sicht einer objektiven Betrachterin oder eines objektiven Betrachters. Nicht in den Anwendungsbereich fallen zum Beispiel Verkaufsplattformen oder Online-Spiele, bei denen die Nutzerinnen und Nutzer als Nebenfunktion auch Inhalte teilen können (etwa Bewertungen in Foren von Verkaufsplattformen oder Kommunikationsforen zum Austausch bei Gelegenheit des gemeinsamen Spielens von Online-Spielen). Vom Anwendungsbereich des NetzDG ebenfalls nicht erfasst werden soziale Netzwerke mit journalistisch-redaktionell gestalteten Angeboten (§ 1 Absatz 1 Satz 2 NetzDG), Plattformen zur Verbreitung spezifischer Inhalte oder solche, die zur Individualkommunikation bestimmt sind (§ 1 Absatz 1 Satz 3 NetzDG). Daher sind beispielsweise berufliche Netzwerke, Fachportale sowie E-Mail- oder ausschließliche Messengerdienste vom Anwendungsbereich des NetzDG ausgenommen. II. Registrierte Nutzerinnen und Nutzer
-5- Gemäß § 1 Absatz 2 NetzDG ist die Anbieterin oder der Anbieter eines sozialen Netzwerks von den Pflichten nach den §§ 2 bis 3b und 5a NetzDG befreit, wenn das soziale Netzwerk im Inland weniger als zwei Millionen registrierte Nutzerinnen und Nutzer hat. Abweichend davon sind Anbieterinnen und Anbieter von Videosharingplattform-Diensten, für welche die Bundesrepublik Deutschland Sitzland ist oder als Sitzland gilt und die im Inland weniger als zwei Millionen registrierte Nutzerinnen und Nutzer haben, gemäß § 3e Absatz 2 NetzDG lediglich von den Pflichten nach den §§ 2, 3 Absatz 2 Satz 1 Nummer 3 und 4 sowie Absatz 4 und § 3a befreit. Das Merkmal „registriert“ setzt voraus, dass die insofern relevanten Nutzerinnen und Nutzer einen gewissen Registrierungsprozess aktiv durchlaufen haben, wozu in der Regel die Angabe von personenbezogenen Daten, die Zuordnung eines Nutzernamens und die Zustimmung zu gewissen Regeln des sozialen Netzwerks in Form von Allgemeinen Geschäftsbedingungen gehört. Die Anbieterin oder der Anbieter des sozialen Netzwerks erhält durch die Registrierung in der Regel nähere Informationen über die Nutzerin oder den Nutzer. Die Nutzerin oder der Nutzer erhält im Gegenzug gegebenenfalls ein Passwort, das ihr oder ihm den Zugang zu der Plattform und die Nutzung der registrierungspflichtigen Dienste der Plattform ermöglicht. Nicht erforderlich ist hingegen das aktive Einstellen von Inhalten. Entscheidend ist die Möglichkeit des Verbreitens von Inhalten über die auf der Plattform des sozialen Netzwerks zur Verfügung gestellten Kommunikationsmöglichkeiten. Als nicht registriert gelten damit bloße Besucherinnen und Besucher einer Webseite, die beispielsweise das Informationsangebot der Seite nutzen, ohne vorab nähere Informationen über ihre Person preisgegeben zu haben. Ebenfalls als nicht registriert gelten Nutzerinnen und Nutzer, deren vertragliches Nutzungsverhältnis mit dem sozialen Netzwerk beendet wurde. Maßgeblich ist die Zahl der registrierten Nutzerinnen und Nutzer über den gesamten Zeitraum, dem das BfJ den Tatvorwurf zugrunde legt. Innerhalb dieses Zeitraums müssen die Voraussetzungen des § 1 Absatz 2 NetzDG erfüllt sein. Um die Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer zu ermitteln, kann sich das BfJ öffentlich zugänglicher Quellen bedienen und das Netzwerk von dem Ergebnis in Kenntnis setzen. Die Anbieterin / der Anbieter des Netzwerks kann daraufhin zu der vom BfJ ermittelten Anzahl der Nutzerinnen und Nutzer Stellung nehmen. Die Stellungnahme der Anbieterin oder des Anbieters des sozialen Netzwerks ist vom BfJ bei der Überzeugungsbildung zu berücksichtigen. Anhand von aussagekräftigen Daten (zum Beispiel der Stellungnahme der Netzwerkanbieterin / des Netzwerkanbieters, belastbaren Angaben der Netzwerke zur eigenen Reichweite sowie zur Anzahl der registrierten Nutzerinnen und Nutzern – etwa gegenüber Werbekundinnen und - kunden – und ähnliche Angaben) kann das BfJ die Mindestzahl (registrierter Nutzerinnen und Nutzer im Inland) auch schätzen. Dabei sind hinreichende Sicherheitsabschläge zugunsten der Netzwerkanbieterin / des Netzwerkanbieters vorzunehmen. In Zweifelsfällen kann das BfJ die Zahl der registrierten Nutzerinnen
-6- und Nutzer im Inland auch durch ein Sachverständigengutachten weiter klären lassen. Sofern die Voraussetzungen für das Einschreiten als Aufsichtsbehörde vorliegen, kann das Bundesamt für Justiz für das Verwaltungsverfahren auch Auskünfte von der Anbieterin oder dem Anbieter erfragen. Sofern diese oder dieser zustimmt, können die Angaben auch im Rahmen eines Bußgeldverfahrens herangezogen werden. III. Auslandsgeltung Ordnungswidrigkeiten nach dem NetzDG werden unabhängig davon geahndet, ob diese im Inland oder im Ausland begangen werden (§ 4 Absatz 3 NetzDG). Der Ordnungswidrigkeitentatbestand des § 4 Absatz 1 Nummer 2 NetzDG (Nichterfüllung der aus § 3 Absatz 1 Satz 1 NetzDG folgenden Pflicht zum Vorhalten eines Verfahrens für den Umgang mit Beschwerden von Beschwerdestellen oder von Nutzerinnen und Nutzern) ist jedoch nur insoweit bußgeldbewehrt, als es um Beschwerdestellen oder Nutzerinnen und Nutzer geht, die ihren Sitz im Inland haben bzw. im Inland wohnhaft sind. Es ist jedoch unbeachtlich, ob der Inhalt der Beschwerde deutschsprachig ist. Auch Inhalte, die nicht auf Deutsch verfasst worden sind, können Gegenstand einer inländischen Beschwerde sein. Wenn jedoch keinerlei Bezug zur Bundesrepublik Deutschland oder inländischen Nutzerinnen oder Nutzern vorliegt, beispielsweise im Falle einer Kommunikation gänzlich ohne inländische Beteiligung, so können diese Inhalte kein Gegenstand einer Beschwerde nach dem NetzDG sein. IV. Persönliche Verantwortlichkeit 1. Normadressatinnen und Normadressaten Die bußgeldbewehrten Tatbestände des NetzDG richten sich überwiegend an die Anbieterinnen und Anbieter sozialer Netzwerke als Normadressatin oder Normadressat. Soweit es sich dabei um juristische Personen handelt, sind die Anbieterinnen und Anbieter selbst nicht handlungsfähig und können daher nicht Täterinnen oder Täter einer Ordnungswidrigkeit sein. Die Ordnungswidrigkeit kann in diesen Fällen aber von natürlichen Personen begangen werden, die für die Anbieterinnen und Anbieter handeln (§ 9 OWiG). Die Bebußung der juristischen Person richtet sich nach § 30 OWiG. Folgende Pflichten richten sich an die Anbieterinnen und Anbieter sozialer Netzwerke: • Die Berichtspflicht aus § 2 Absatz 1 Satz 1 NetzDG in Verbindung mit § 4 Absatz 1 Nummer 1 NetzDG • Die Pflicht aus § 3 Absatz 1 Satz 1 NetzDG in Verbindung mit § 4 Absatz 1 Nummer 2 NetzDG
-7- • Die Pflicht aus § 3 Absatz 1 Satz 2 NetzDG in Verbindung mit § 4 Absatz 1 Nummer 3 NetzDG • Die Pflicht aus § 3a Absatz 1 NetzDG in Verbindung mit § 4 Absatz 1 Nummer 7 NetzDG2 • Die Pflicht aus § 3b Absatz 1 Satz 1 NetzDG in Verbindung mit § 4 Absatz 1 Nummer 2 NetzDG • Die Pflicht aus § 3b Absatz 1 Satz 3 NetzDG in Verbindung mit § 4 Absatz 1 Nummer 3 NetzDG • Die Pflicht aus § 5 Absatz 1 und Absatz 2 Satz 1 NetzDG in Verbindung mit § 4 Absatz 1 Nummer 8 (ab 1. Februar 2022 Nummer 8) NetzDG Folgende Pflichten richten sich an die Leitungen sozialer Netzwerke: • Die Pflicht aus § 3 Absatz 4 Satz 1 NetzDG in Verbindung mit § 4 Absatz 1 Nummer 4 NetzDG • Die Pflicht aus § 3 Absatz 4 Satz 2 NetzDG in Verbindung mit § 4 Absatz 1 Nummer 5 NetzDG • Die Pflicht aus § 3 Absatz 4 Satz 3 NetzDG in Verbindung mit § 4 Absatz 1 Nummer 6 NetzDG Die Pflicht aus § 5 Absatz 2 Satz 2 NetzDG in Verbindung mit § 4 Absatz 1 Nummer 9 NetzDG richtet sich an die in § 5 Absatz 2 Satz 2 NetzDG aufgeführten empfangsberechtigten Personen. Alleinige Adressatin oder alleiniger Adressat eines Bußgeldbescheids können daher nur die in § 5 Absatz 2 Satz 2 NetzDG aufgeführten empfangsberechtigten Personen sein. Dies können natürliche oder juristische Personen sein. Handelt es sich bei der empfangsberechtigen Person um eine juristische Person, ist § 9 OWiG anwendbar. Für die Bebußung der juristischen Person gilt § 30 OWiG. 2. Übertragung der Pflichten nach § 2 oder § 3 NetzDG durch Beauftragung Die Pflichten nach § 2 bis § 3b NetzDG kann die Anbieterin oder der Anbieter eines sozialen Netzwerks (Betriebsinhaberin oder Betriebsinhaber im Sinne von § 9 OWiG) jedoch auch auf gewillkürte Vertreterinnen oder Vertreter übertragen. Unter den Voraussetzungen des § 9 Absatz 2 OWiG können sich Bußgelder dann auch gegen die Vertreterin oder den Vertreter richten. Gemäß § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 OWiG setzt dies voraus, dass jemand von der Inhaberin oder dem Inhaber eines Betriebs oder von einem sonst dazu Befugten beauftragt ist, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten. Die Vertreterin oder der Vertreter können nach § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 OWiG auch ausdrücklich beauftragt sein, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die der Inhaberin oder dem Inhaber des Betriebs obliegen. Handelt die Person aufgrund dieses Auftrags, so ist auch eine bußgeldrechtliche Verfolgung der oder des Beauftragten möglich (beispielsweise bei Auslagerung des 2 Die Meldepflicht nach § 3a NetzDG tritt am 1. Februar 2022 in Kraft.
-8- Beschwerdemanagements durch Beauftragung einer externen Dienstleisterin oder eines externen Dienstleisters), soweit auch die weiteren Tatbestandsmerkmale vorliegen. Eine Beauftragung im Sinne des § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 1 OWiG, den Betrieb ganz oder zum Teil zu leiten, liegt auch dann vor, wenn sich die Übertragung der Pflichten aus den Umständen ergibt; einer ausdrücklichen oder förmlichen Übertragung von bußgeldbewehrten Pflichten bedarf es nicht. Sonstige Beauftragte gelten nach § 9 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 OWiG hingegen nur dann als Normadressatinnen und Normadressaten der die Betriebsinhaberin oder den Betriebsinhaber treffenden Pflichten, wenn sie ausdrücklich beauftragt sind, in eigener Verantwortung Aufgaben wahrzunehmen, die der Inhaberin/dem Inhaber des Betriebs obliegen. Eine besondere Form ist für die Beauftragung nicht vorgeschrieben. Die oder der Beauftragte muss autonom handeln können und eine echte Entscheidungskompetenz besitzen. So tritt sie/er aufgrund der Delegation der Betriebsaufgaben in den Verantwortungsbereich der Betriebsinhaberin oder des Betriebsinhabers ein, jedoch nur soweit der Aufgabenbereich hinreichend klar umrissen ist. Die Verantwortlichkeit der Inhaberin oder des Inhabers entfällt mit der Bestellung von Beauftragten jedoch nicht gänzlich, sondern bleibt neben der des Vertreters grundsätzlich bestehen. Sie oder er hat alle erforderlichen Maßnahmen zur Verhinderung von Zuwiderhandlungen zu treffen. Erkennt die Inhaberin oder der Inhaber, dass die oder der Beauftragte bestimmte Pflichten missachtet oder möglicherweise verletzt oder kann er dies erkennen, so muss sie oder er selbst wieder eingreifen. Unterlässt sie oder er dies, trifft die Inhaberin oder den Inhaber wieder die volle Verantwortlichkeit als Normadressatin oder Normadressat. Im Falle eines Verstoßes der beauftragten Person haftet die Inhaberin oder der Inhaber nicht, wenn ihr oder ihm weder ein Versagen bei der Auswahl der beauftragten Person noch bei ihrer Überwachung vorgeworfen werden kann. Eine Entlastung setzt daher die Übertragung von Aufgaben an sachgerecht ausgewählte, fachlich ausreichend qualifizierte Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter voraus, denen im Rahmen ihrer Tätigkeit ausreichend Kapazitäten zur Verfügung stehen müssen, damit sie die übertragene Aufgabe auch tatsächlich erfüllen können. Weiter kommt für Betriebsinhaber (bzw. im Fall einer juristischen Person für den für den Betriebsinhaber Handelnden) eine Verantwortlichkeit nach § 130 OWiG in Betracht, wenn es infolge der unzureichenden Aufsicht zu einer Zuwiderhandlung kommt. V. Verfahren bei Verstoß gegen die Transparenzpflichten nach § 2 Absatz 1 Satz 1 NetzDG
-9- 1. Reichweite der Transparenzpflicht in Bezug auf Meldewege Zu den Transparenzpflichten gehört es, nach § 2 Absatz 2 Nummer 3 NetzDG die Mechanismen zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte (Meldewege) und die Entscheidungskriterien für die Löschung und Sperrung von rechtswidrigen Inhalten darzustellen. Hält eine Netzwerkanbieterin oder ein Netzwerkanbieter mehrere alternative Wege zur Meldung rechtswidriger Inhalte vor, so ist grundsätzlich über alle Meldewege zu berichten. Von diesem Grundsatz bestehen allerdings zwei Ausnahmen: • Es ist nicht über Meldewege zu berichten, bei deren Beschreiten a) der Nutzerin oder dem Nutzer erkennbar ist, dass sie oder er einen Meldeweg gewählt hat, der nicht zu einer Prüfung nach dem NetzDG führen wird und b) für die verständige Nutzerin oder den verständigen Nutzer leicht erkennbar ist, wie sie oder er stattdessen mittels eines nutzerfreundlichen Meldewegs eine Prüfung nach den Vorgaben des NetzDG veranlassen kann. • Sofern die Anbieterin oder der Anbieter in dem Bericht nur den für die NetzDG- Beschwerden eingerichteten Meldeweg darstellt, gilt die Berichtspflicht als erfüllt, wenn dieser Meldeweg allen gesetzlichen Vorgaben des § 3 Absatz 1 Satz 2 NetzDG entspricht. 2. Reichweite der statistischen Transparenzpflicht (§ 2 Absatz 2 Nummer 4, 7, 8, 9, 11 und 12 NetzDG) Gemäß § 2 Absatz 2 Nummer 4, 7, 8, 9, 11 und 12 NetzDG muss der Transparenzbericht diverse statistische Angaben in Bezug auf Beschwerden über rechtswidrige Inhalte enthalten. Die Reichweite dieser Transparenzpflichten knüpft an die Reichweite der Transparenzpflicht bezüglich der Meldewege an. Ist über einen Meldeweg gemäß § 2 Absatz 2 Nummer 3 NetzDG zu berichten, müssen die auf diesem Meldeweg übermittelten Beschwerden auch in die Statistiken gemäß § 2 Absatz 2 Nummer 4, 7, 8, 9, 11, und 12 NetzDG eingehen. 3. Beschwerdegrund im Sinne von § 2 Absatz 2 Nummer 4, 8 und 9 NetzDG Einige der in § 2 Absatz 2 NetzDG statuierten Transparenzpflichten fordern eine Aufschlüsselung der eingegangenen Beschwerden unter anderem nach dem Beschwerdegrund (vgl. § 2 Absatz 2 Nr. 4, 8 und 9 NetzDG). Der Begriff des „Beschwerdegrunds“ im Sinne des NetzDG ist unter Beachtung der nachfolgenden Auslegungsgrundsätze zu bestimmen: • Der Begriff des Beschwerdegrunds ist subjektiv, d.h. vom Anliegen der Beschwerdeführerin oder des Beschwerdeführers gedacht, auszulegen. Beschwerdegrund ist damit der Grund, der bei Abgabe einer Beschwerde im Sinne des NetzDG von der Beschwerdeführerin oder dem Beschwerdeführer angegeben beziehungsweise angeklickt wird. • Es ist mit dem NetzDG grundsätzlich vereinbar, wenn die Netzwerke eine Auswahl an Beschwerdegründen im Meldeprozess zum „Anklicken“ vorgeben. Mit dem NetzDG vereinbar ist auch, wenn die so vorgegebenen Beschwerdegründe angemessene umgangssprachliche Kategorien beziehungsweise Obergruppen der Tatbestände im Sinne von § 1 Absatz 3 NetzDG darstellen. In diesem Fall müssen die vorgegebenen Kategorien
- 10 - beziehungsweise Obergruppen sämtliche der in § 1 Absatz 3 NetzDG aufgeführten Straftatbestände abdecken. 4. Verhältnis zwischen Berichtspflichten und sonstigen Pflichten Beziehen sich Transparenzpflichten im Katalog des § 2 Absatz 2 NetzDG auf die Erfüllung sonstiger, den Netzwerkanbieterinnen und -anbietern durch das NetzDG auferlegter Pflichten (z.B. § 2 Absatz 2 Nummer 5 und 10 NetzDG), so erschöpft sich die Berichtspflicht in der Darstellung des tatsächlichen Verhaltens der Netzwerkanbieterin oder des Netzwerkanbieters. VI. Verfahren zum Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte nach § 3 Absatz 1 Satz 1 NetzDG 1. Berücksichtigungsfähige Beschwerden Zunächst ist zu beachten, dass eine Prüfpflicht der Anbieterin oder des Anbieters eines sozialen Netzwerks zum richtigen Umgang mit Beschwerden im Sinne von § 3 Absatz 1 NetzDG erst dann ausgelöst wird, wenn die Nutzerin oder der Nutzer eine substantiierte Beschwerde bei der Anbieterin oder dem Anbieter des sozialen Netzwerks einlegt. Die Beanstandung der oder des Betroffenen muss so konkret gefasst sein, dass der Rechtsverstoß auf Grundlage der Behauptungen der oder des Betroffenen qualifiziert geprüft werden kann. Meldungen (über rechtswidrige Inhalte im Sinne von § 1 Absatz 3 NetzDG) sind jeweils dann keine „Beschwerde über rechtswidrige Inhalte“ im Sinne des NetzDG, wenn folgende Bedingungen kumulativ vorliegen: • Der verständigen Nutzerin und dem verständigen Nutzer ist bei Beschreiten des Meldewegs erkennbar, dass sie oder er einen Meldeweg wählt, der nicht zu einer Prüfung nach NetzDG führen wird (sondern nur z.B. anhand von vertraglichen Regelungen); und • für die verständige Nutzerin oder den verständigen Nutzer ist im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang mit dem vorgenannten Meldeweg leicht erkennbar, wie sie oder er stattdessen mittels eines nutzerfreundlichen (d.h. den Anforderungen nach § 3 Absatz 1 Satz 2 NetzDG genügenden) Meldewegs eine Prüfung nach den Vorgaben des NetzDG veranlassen kann. 2. Systemisches Versagen Das NetzDG enthält in § 3 Absatz 1 Satz 1 eine organisatorische Vorgabe, ein wirksames und transparentes Verfahren für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte vorzuhalten. Diese Organisationspflicht ist bußgeldbewehrt (§ 4 Absatz 1 Nummer 2 NetzDG); die einzelnen Fristvorgaben bei der Handhabung von Beschwerden (§ 3 Absatz 2 Nummer 2 und 3 NetzDG) sind lediglich Indikatoren für die Erfüllung dieser Organisationspflicht und nicht selbständig bußgeldbewehrt. Mit
- 11 - der Fokussierung des Bußgeldtatbestands auf organisatorische Pflichten wird das Ziel des Gesetzes betont, wirksame Beschwerdeverfahren zu etablieren, die der Anbieterin oder dem Anbieter des sozialen Netzwerks die unvoreingenommene und zügige Prüfung des Einzelfalls ermöglichen. Anbieterinnen und Anbietern sozialer Netzwerke drohen bei einer Fehlentscheidung im Einzelfall kein Bußgeld. Diese gebotene systemische Betrachtungsweise verhindert, dass es zur vorsorglichen Löschung oder Sperrung von Inhalten zur Vermeidung eines möglichen Bußgelds kommt („Overblocking“). Grundsätzlich folgt somit eine Nichterfüllung der aus § 3 Absatz 1 NetzDG folgenden Pflichten nicht bereits aus einem einzelnen Verstoß gegen die Vorgaben aus § 3 Absatz 2 Nummer 2 und 3 NetzDG (Entfernung/Sperrung offensichtlich rechtswidriger Inhalte binnen 24 Stunden; im Übrigen in der Regel innerhalb von sieben Tagen beziehungsweise Übertragung der Entscheidung an eine anerkannte Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung innerhalb dieser Frist). Dies gilt auch bei einzelnen Verstößen gegen die übrigen Vorgaben des § 3 Absatz 2 NetzDG. Denn bei einem einmaligen Verstoß gegen einzelne Vorgaben nach § 3 Absatz 2 NetzDG kann regelmäßig noch nicht davon ausgegangen werden, dass kein wirksames Verfahren für den Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte vorgehalten wird. Eine Verletzung der Pflicht, offensichtlich rechtswidrige Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Beschwerde oder andere rechtswidrige Inhalte unverzüglich, in der Regel innerhalb von sieben Tagen, zu löschen oder zu sperren, kann dementsprechend nur zur Verhängung eines Bußgelds führen, wenn es sich nicht um einen Einzelfall handelt, sondern um systemisches Versagen, welches sich aus beharrlichen Verstößen, das heißt zeit- und sachnah wiederholt auftretenden Verfehlungen gegen die Vorgaben aus § 3 Absatz 2 NetzDG, ergibt. Macht eine Anbieterin oder ein Anbieter eines sozialen Netzwerks hingegen organisatorische Vorgaben für die Bewertung von Sachverhalten bei der Einzelfallprüfung, die regelmäßig dazu führen, dass bestimmte rechtswidrige Inhalte nicht gesperrt oder nicht gelöscht werden, ist der Anwendungsbereich des § 4 Absatz 1 Nummer 2 NetzDG wegen des systemischen Versagens eröffnet. Daneben kann auch dann ein systemisches Versagen vorliegen, wenn zu einem bestimmten Themenbereich, der sich durch ein zusammenhängendes Merkmal (zum Beispiel gegen eine bestimmte Bevölkerungsgruppe gerichtete rechtswidrige Inhalte) auszeichnet, systematisch keine rechtswidrigen Inhalte gelöscht oder gesperrt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob entsprechende Vorgaben der Anbieterin oder des Anbieters hierzu feststellbar sind. Zudem kann sich aus einer Häufung von Fehlentscheidungen innerhalb eines überschaubaren Zeitraums eine Indizwirkung dahin ergeben, dass die Vorgaben des § 3 Absatz 2 NetzDG nicht richtig umgesetzt werden und der Tatbestand des § 4 Absatz 1 Nummer 2 NetzDG erfüllt sein könnte.
- 12 - Verschiedene Überschreitungen der Fristen zum Entfernen oder Sperren (§ 3 Absatz 2 Nummer 2 und 3 NetzDG) können allerdings von vornherein nicht zu einer solchen Indizwirkung beitragen: So kann in Fällen, in denen die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit eines Inhalts von der Wahrheit oder Unwahrheit einer Tatsachenbehauptung in der Beschwerde abhängt, die Sieben-Tage-Frist gemäß § 3 Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe a NetzDG überschritten werden. In allen Fällen nicht-offensichtlicher Rechtswidrigkeit von Inhalten ist es zudem so, dass Anbieterinnen und Anbieter sozialer Netzwerke die Entscheidung über die Rechtswidrigkeit innerhalb von sieben Tagen an eine anerkannte Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung übertragen und sich deren Entscheidung unterwerfen können. Kommt es dann dort zu einer Fehlentscheidung, so geht dies nicht zu Lasten der Anbieterinnen und Anbieter. Außerdem können nur schuldhafte Verstöße gegen die organisatorische Vorgabe, ein Verfahren im Sinne des § 3 Absatz 1 Satz 1 NetzDG (Umgang mit Beschwerden) vorzuhalten, zu einem Bußgeld führen (§ 4 Absatz 1 NetzDG). Bleibt die rechtliche Bewertung bezüglich eines bestimmten Inhalts trotz zumutbarer Anstrengungen des Beschwerdemanagements im Einzelfall zweifelhaft, kann der Anbieterin oder dem Anbieter des Netzwerks wegen der fehlerhaften Behandlung entsprechender Inhalte nachträglich kein Schuldvorwurf gemacht werden. Hierzu gehören Fälle, in welchen widersprechende Entscheidungen von Instanzgerichten vorliegen und es somit an einer höchstrichterlichen Klärung fehlt. Hierzu gehören auch Fälle, in welchen die Einschätzung der Rechtslage aus anderen Gründen rechtlich schwierig ist, etwa bei scharfen Äußerungen im politischen Meinungskampf oder satirischen Beiträgen, die sich auf der Grenze der Strafbarkeit bewegen. VII. Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte nach § 3 Absatz 1 Satz 2 NetzDG Das NetzDG enthält in § 3 Absatz 1 Satz 2 NetzDG die organisatorische Vorgabe, den Nutzerinnen und Nutzern ein bei der Wahrnehmung „leicht erkennbares, unmittelbar erreichbares und ständig verfügbares“ Verfahren zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte zur Verfügung zu stellen. Die Anforderungen entsprechen den gesetzlichen Regelungen für die Informationspflichten von Telemediendiensteanbietern gemäß § 5 Absatz 1 Telemediengesetz (TMG). Daher sind zur Konkretisierung der Merkmale der leichten Erkennbarkeit, unmittelbaren Erreichbarkeit und ständigen Verfügbarkeit jene Auslegungsgrundsätze heranzuziehen, die zu den wortgleich in § 5 TMG verwendeten Begriffen entwickelt wurden. Danach ist eine Information leicht erkennbar, wenn sie optisch leicht wahrnehmbar ist, also an einer gut wahrnehmbaren Stelle steht und ohne langes Suchen auffindbar ist. Im Zusammenhang mit der leichten Erkennbarkeit eines Meldeverfahrens ist es erforderlich, dass die Nutzerin oder der Nutzer mühelos und ohne die Überwindung zusätzlicher Hürden zu einem Meldeverfahren gelangen kann. Dies ist der Fall, wenn
- 13 - der Einstieg in das Meldeverfahren im unmittelbaren Zusammenhang mit einem Inhalt angeboten wird und eine durchschnittlich informierte Nutzerin oder ein durchschnittlich informierter Nutzer den Einstieg intuitiv findet. Zu der Frage der Erreichbarkeit einer Information hat die Rechtsprechung die „two- clicks-away“-Regel entwickelt. Danach ist eine Information grundsätzlich unmittelbar erreichbar, wenn sie spätestens nach zwei Klicks erreicht wird. In entsprechender Anwendung im Bereich des NetzDG ist ein Meldeverfahren unmittelbar erreichbar, wenn die Nutzerin oder der Nutzer die erste einzelfallbezogene Abfrage zu einem konkreten Inhalt nach grundsätzlich zwei Klicks erreicht hat. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei der „two-clicks-away“-Rechtsprechung um eine Richtgröße im Regelfall handelt. Erforderlich ist mithin stets eine einzelfallbezogene Abwägung dahingehend, ob die Anzahl der Klicks insgesamt das intuitive und zügige Durchschreiten des Meldewegs hindert. Im Rahmen der Gesamtbetrachtung ist maßgeblich, ob sich ein Zwischenschritt als derart mühsam darstellt, dass er geeignet ist, die Nutzerin oder den Nutzer zu einem Abbruch des Meldevorgangs zu veranlassen. Die unmittelbare Erreichbarkeit ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn die Nutzerin oder der Nutzer im Rahmen des Meldeverfahrens die URL eines Inhalts händisch einfügen muss. Denn das Einfügen einer URL für die Abgabe einer Meldung über einen konkreten Inhalt (welches im Regelfall ein „Hin- und Herklicken“ erforderlich macht) schließt die unmittelbare Erreichbarkeit des Verfahrens zur Übermittlung von Beschwerden über rechtswidrige Inhalte aus. Ein Verfahren ist schließlich ständig verfügbar, wenn es jederzeit und ohne weitere Hindernisse zugänglich ist. Hieran fehlt es etwa, wenn ein Meldeverfahren für einzelne Nutzergruppen beziehungsweise auf bestimmten Endgeräten trotz einsehbarer Inhalte nicht angeboten wird. Insbesondere ist auch der nicht registrierten Nutzerin beziehungsweise dem nicht registrierten Nutzer ein gesetzeskonformer Meldeweg zur Verfügung zu stellen, sofern für diese beziehungsweise diesen eine Zugriffsmöglichkeit auf Inhalte besteht. VIII. Verfahren für Meldungen bei konkreten Anhaltspunkten für Straftaten nach § 3a Absatz 1 NetzDG Anbieterinnen und Anbieter sozialer Netzwerke sind gemäß § 3a Absatz 1 NetzDG verpflichtet, ein wirksames Verfahren für Meldungen nach den Absätzen 2 bis 5 vorzuhalten. Zu übermitteln sind gemäß § 3a Absatz 2 Nummer 1 und Nummer 2 NetzDG lediglich Inhalte, die der Anbieterin oder dem Anbieter in einer Beschwerde über rechtswidrige Inhalte gemeldet worden sind und die sie oder er entfernt oder zu denen sie oder er den Zugang gesperrt hat. Anbieterinnen und Anbieter sind demnach nicht verpflichtet, ohne Anlass ihre Plattformen nach meldepflichtigen Inhalten zu durchsuchen. Zudem sind nur solche Inhalte erfasst, bei denen die Prüfung nach § 3 NetzDG ergibt, dass es sich um einen rechtswidrigen Inhalt handelt.
- 14 - Es müssen gemäß § 3a Absatz 2 Nummer 3 NetzDG zudem konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Inhalt mindestens einen der in Nummer 3 aufgezählten Tatbestände erfüllt und nicht gerechtfertigt ist. Der Katalog des § 3a Absatz 2 Nummer 3 NetzDG ist dabei enger, als der des § 1 Absatz 3 NetzDG. Der Zeitpunkt, zu dem die Meldung der Netzwerkanbieterin oder des Netzwerkanbieters an das Bundeskriminalamt (BKA) erfolgen muss, ist in § 3a Absatz 3 NetzDG definiert. Die Meldung muss unverzüglich, nachdem ein Inhalt entfernt oder der Zugang zu ihm gesperrt wurde, daraufhin geprüft werden, ob die Voraussetzungen des § 3a Absatz 2 Nummer 3 NetzDG vorliegen. Sofern die gesetzlichen Voraussetzungen gegeben sind, ist der Inhalt gemäß § 3a Absatz 4 NetzDG unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) zu übermitteln. § 3a Absatz 4 NetzDG regelt, welche Informationen die Meldung an das BKA enthalten muss. Übermittelt werden muss gemäß § 3a Absatz 4 Nummer 1 NetzDG zum einen der Inhalt und, sofern vorhanden, der Zeitpunkt, zu dem der Inhalt geteilt oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist, unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone. Nach Nummer 2 muss die Übermittlung überdies den Nutzernamen und, sofern vorhanden, die IP-Adresse einschließlich der Portnummer, die als letztes der Nutzerin oder dem Nutzer, der den Inhalt mit anderen Nutzerinnen und Nutzern geteilt oder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat, zugeteilt war, sowie den Zeitpunkt des letzten Zugriffs unter Angabe der zugrunde liegenden Zeitzone. Der Begriff „Inhalt“ in § 3a Absatz 4 Nummer 1 NetzDG bezieht sich auf das konkrete Posting, das von der Melderin oder dem Melder als strafbar angesehen wird. Die Anbieterin oder der Anbieter muss die Angaben weiterleiten, die sie oder er ihrer/seiner eigenen rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt hat. Vorwiegend wird dies die Inhaltskundgabe als solche sein. Möglich ist allerdings auch, dass sich der strafbare Gehalt eines Inhalts erst aus der Zusammenschau mehrerer Inhalte ergibt. Dies ist zum Beispiel bei der Billigung von Straftaten nach § 140 StGB der Fall. Billigt eine Nutzerin oder ein Nutzer in strafbarer Weise eine Straftat, die in einem anderen Inhalt enthalten ist, ergibt sich die Strafbarkeit erst unter Zusammenschau beider relevanter Inhalte, des ursprünglichen Inhalts und des Inhalts, der auf diesen Bezug nimmt. In dieser Konstellation ist im Rahmen der Prüfung eine gemeinsame Betrachtung der beiden Inhalte vorzunehmen. Die Erstreckung der Meldepflicht gemäß § 3a Absatz 4 Nummer 2 NetzDG auf die der Nutzerin oder dem Nutzer zuletzt zugewiesene IP-Adresse dient der effektiven Strafverfolgung. In der Regel wird aus dem Nutzernamen und dem übermittelten Inhalt eine Identifizierung der Urheberin oder des Urhebers nicht möglich sein. Die Mehrheit der Nutzerinnen und Nutzer sozialer Netzwerke treten nicht unter ihren Klarnamen auf. Zudem bietet die Nutzung eines Nutzernamens keinen hinreichenden Beweis für die Tatsache, dass die benannte Person auch Urheberin oder Urheber des strafbaren Inhalts ist.
- 15 - IX. Verfahren zur Überprüfung der ursprünglichen Entscheidung nach § 3b Absatz 1 Satz 1 NetzDG 1. Berücksichtigungsfähige Anträge Mit § 3b NetzDG wird ein sogenanntes Gegenvorstellungsverfahren eingeführt. Dieses ermöglicht es der Beschwerdeführerin oder dem Beschwerdeführer einerseits sowie der Verfasserin oder dem Verfasser des Inhalts andererseits, eine Überprüfung der Entscheidung über die Rechtswidrigkeit eines Inhalts herbeiführen zu können. Eine Pflicht zur Prüfung der Beschwerde über die Erst-Entscheidung zur Entfernung des Inhalts durch die Anbieterin oder den Anbieter eines sozialen Netzwerks wird erst dann ausgelöst, wenn die Nutzerin oder der Nutzer einen Antrag auf Überprüfung bei der Anbieterin oder dem Anbieter stellt, der den Voraussetzungen des § 3b Absatz 1 Satz 2 NetzDG entspricht. Demnach ist der Antrag zwei Wochen nach der Information über die ursprüngliche Entscheidung zu stellen. Zudem sind die Gründe für eine Überprüfung der Entscheidung anzugeben, wobei an die Begründung nicht zu hohe Anforderungen angelegt werden dürfen (vgl. BT-Drs. 19/18792, Seite 47). Die Gegenvorstellung nach § 3b NetzDG ist ausgeschlossen, wenn gemäß § 3 Absatz 2 Nummer 3 Buchstabe b NetzDG eine Entscheidung einer anerkannten Einrichtung der Regulierten Selbstregulierung vorausgegangen ist. Für diese Fälle existiert ein entsprechendes Überprüfungsverfahren gemäß § 3 Absatz 6 Nummer 3 NetzDG, so dass ein Gegenvorstellungsverfahren überflüssig wäre. 2. Systemisches Versagen Das NetzDG enthält in § 3b Absatz 1 Satz 1 eine organisatorische Vorgabe, ein wirksames und transparentes Verfahren für die Überprüfung einer zu einer Beschwerde über rechtswidrige Inhalte getroffenen Entscheidung über die Entfernung oder die Sperrung des Zugangs zu einem Inhalt (ursprüngliche Entscheidung) vorzuhalten. Diese Organisationspflicht ist bußgeldbewehrt (§ 4 Absatz 1 Nummer 2 NetzDG). Bestandteil dieser Pflicht ist es, dass die Anbieterin oder der Anbieter des sozialen Netzwerks gemäß § 3b Absatz 2 Nummer 1 NetzDG der jeweils anderen Seite (Beschwerdeführerin oder Beschwerdeführer bzw. Nutzerin oder Nutzer, für die oder den der Inhalt gespeichert wurde) – sofern sie oder er der Gegenvorstellung abhelfen möchte – Gelegenheit zur Stellungnahme gibt und anschließend ihre oder seine ursprüngliche Entscheidung überprüft. Die Benachrichtigungspflicht ist damit auf bevorstehende Abhilfeentscheidungen beschränkt. Dies verhindert, dass die jeweils andere Seite unnötig befasst wird und berücksichtigt, dass Gegenvorstellungen missbräuchlich erhoben werden könnten.
- 16 - Damit die Überprüfung möglichst unvoreingenommen erfolgt, ist nach § 3b Absatz 2 Nummer 3 NetzDG eine neue Prüferin beziehungsweise ein neuer Prüfer zu befassen. Die Überprüfung ist nicht auf die in der Gegenvorstellung angegebenen Gründe beschränkt, sondern erfolgt unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten. Das Ergebnis der Prüfung (Aufrechterhalten oder Revidieren der ursprünglichen Entscheidung) ist gemäß § 3b Absatz 2 Nummer 4 NetzDG einzelfallbezogen zu begründen. Diese Vorgabe geht über die Anforderung zur Begründung der ursprünglichen Entscheidung hinaus. Es können allerdings passende Textbausteine verwendet werden. Nach § 3b Absatz 2 Nummer 4 NetzDG müssen die Anbieterinnen und Anbieter sicherstellen, dass im Gegenvorstellungsverfahren eine Offenlegung der Identität der Beteiligten nicht erfolgt. So ist dafür Sorge zu tragen, dass beispielsweise personenbezogene Daten auf dem Antrag auf Gegenvorstellung nicht an die andere Seite weitergegeben werden. Eine Offenlegung der Identität kann nur mit Einwilligung der oder des Betroffenen erfolgen. Ebenso wie bei der Pflicht nach § 3 Absatz 1 Satz 1 NetzDG, drohen Anbieterinnen und Anbietern sozialer Netzwerke bei einzelnen Verstößen kein Bußgeld. Ein Verstoß gegen die Organisationsvorgabe zum Vorhalten eines Gegenvorstellungsverfahrens kommt in Betracht, wenn in systemischer Weise gegen die gesetzlichen Vorgaben zum Umgang mit den Gegenvorstellungen verstoßen wird (beispielsweise Überprüfung durch eine mit der ursprünglichen Entscheidung bereits befasste Person). X. Verfahren zur Übermittlung von Anträgen auf Überprüfung einer Entscheidung nach § 3b Absatz 1 Satz 3 NetzDG Die Netzwerkanbieterinnen und Netzwerkanbieter müssen nach § 3b Absatz 1 Satz 3 NetzDG zum Zweck der Entgegennahme von Gegenvorstellungen ein leicht erkennbares Verfahren zur Verfügung stellen, das eine einfache elektronische Kontaktaufnahme und eine unmittelbare Kommunikation mit ihr oder ihm ermöglicht. Dies kann zum Beispiel durch einen gut erkennbaren Link im Rahmen der Mitteilung über die getroffene Erstentscheidung (§ 3 Absatz 2 Nummer 5 NetzDG) erfolgen. XI. Zustellungsbevollmächtigte und empfangsberechtigte Personen nach § 5 Absatz 1 Satz 1 NetzDG und § 5 Absatz 2 Satz 1 NetzDG 1. Zustellungsbevollmächtigte Person Nach § 4 Absatz 1 Nummer 8 Variante 1 NetzDG ist bußgeldbewehrt, wenn entgegen § 5 Absatz 1 NetzDG eine zustellungsbevollmächtigte Person nicht
- 17 - benannt wird. Hierzu gehört nach § 5 Absatz 1 Satz 1 NetzDG, dass die Benennung auf der Plattform der Anbieterin oder des Anbieters unter Beachtung der in § 5 Absatz 1 NetzDG normierten Vorgaben veröffentlicht wird. Die Vorschrift dient dazu, Verzögerungen von Verfahren beziehungsweise der Verfahrenseinleitung in den in § 5 Absatz 1 NetzDG genannten Verfahren, die sich daraus ergeben, dass die Anbieterin oder der Anbieter seinen Sitz im Ausland hat, zu vermeiden. Aus diesem Grund ist die Vorgabe nach § 5 Absatz 1 NetzDG für Anbieterinnen und Anbieter mit Sitz im Inland schon dann erfüllt, wenn diese ihre zustellfähige inländische Anschrift entsprechend veröffentlichen. Ausreichend ist dann zum Beispiel eine Impressumsangabe gemäß § 5 Telemediengesetz (TMG). Anbieterinnen und Anbieter ohne zustellfähige Anschrift im Inland müssen eine Person im Inland benennen. Dabei kann es sich um eine natürliche oder juristische Person handeln. Nur so ist sichergestellt, dass die Zustellungswirkungen gegenüber der Anbieterin oder dem Anbieter bereits mit Zustellung an die bevollmächtigte Person als Zustellungsadressatin oder Zustellungsadressaten eintreten (vergleiche etwa § 171 Satz 1 der Zivilprozessordnung [ZPO]). 2. Empfangsberechtigte Person § 5 Absatz 2 NetzDG normiert unterschiedliche Pflichtverletzungen. Gemäß § 4 Absatz 1 Nummer 8 Variante 2 NetzDG ist es bußgeldbewehrt, wenn die Anbieterin oder der Anbieter entgegen § 5 Absatz 2 Satz 1 NetzDG eine inländische empfangsberechtigte Person nicht gegenüber dem BfJ benennt. Normadressat dieser Pflicht ist die Anbieterin oder der Anbieter des sozialen Netzwerks. Anders als bei der zustellungsbevollmächtigten Person besteht keine Pflicht zur allgemeinen Veröffentlichung, weil die unter § 5 Absatz 2 NetzDG fallenden Kommunikationskanäle nur durch legitimierte Stellen in Anspruch genommen werden sollen, damit ihre Funktionstüchtigkeit nicht etwa durch Spam-Nachrichten beeinträchtigt wird. Als empfangsberechtigte Person kann eine natürliche oder eine juristische Person benannt werden. Die Anbieterin oder der Anbieter eines sozialen Netzwerks mit Sitz im Inland kann auch sich selbst als empfangsberechtigte Person benennen, da der Zweck des § 5 Absatz 2 NetzDG die Benennung einer weiteren Person dann nicht erfordert. Anbieterinnen und Anbieter mit Sitz im Ausland müssen eine (natürliche oder juristische) Person im Inland benennen. § 5 Absatz 2 Satz 2 NetzDG normiert eine Pflicht, die die empfangsberechtigte Person selbst trifft. Hiernach ist sie verpflichtet, auf Auskunftsersuchen binnen 48 Stunden nach Zugang zu antworten. Nicht ausdrücklich im Gesetz geregelt ist, wie die Entgegennahme von Auskunftsersuchen durch diese Person konkret ausgestaltet sein muss. Sinn und Zweck des § 5 Absatz 2 NetzDG ist es, Strafverfolgungsbehörden einen zuverlässigen und effektiven Kommunikationskanal zu den Netzwerken zu eröffnen (vergleiche insofern die Begründung zur Regelung der Empfangsberechtigten im
- 18 - Fraktionsentwurf zum NetzDG, Bundestagsdrucksache 18/12356, Seite 27). Hierfür ist es nicht notwendig, dass die benannte empfangsberechtigte Person die Ersuchen eigenhändig oder in einer bestimmten Form entgegennimmt. Ausreichend ist es, wenn hinreichend klar ein einfach zu handhabender effektiver Kommunikationskanal benannt wird. Insofern kann die Entgegennahme von Auskunftsersuchen auch dahin ausgestaltet sein, dass die Strafverfolgungsbehörden ihre Ersuchen über sichere Online-Formulare oder spezielle Portale für Strafverfolgungsbehörden, welche von den Netzwerken ausreichend transparent zur Verfügung gestellt werden, stellen können. Sofern die Netzwerke jedoch sowohl ein Portal eingerichtet als auch eine empfangsberechtigte Person benannt haben, ist in jedem Fall zumindest eine Reaktion der beziehungsweise des Empfangsberechtigten erforderlich, wenn ein Auskunftsersuchen unmittelbar an sie oder ihn gerichtet wird. Die empfangsberechtigte Person dient hingegen nicht dazu, eine etwa notwendige förmliche Zustellung zu ersetzen oder (wie § 5 Absatz 1 NetzDG) zu vereinfachen, da es sich bei der empfangsberechtigten Person nicht um einen Zustellungsbevollmächtigten im Sinne von § 132 der Strafprozessordnung (StPO) handelt (BT-Drs. 18/12356, Seite 27). Die Regelung lässt im Übrigen materielle Vorgaben zur Auskunftspflicht unberührt (zum Beispiel die Notwendigkeit von Rechtshilfeersuchen); zusätzliche Auskunftspflichten werden nicht begründet (vgl. BT-Drs. 18/12356, Seite 27). Gemäß § 4 Absatz 1 Nummer 9 NetzDG ist zudem bußgeldbewehrt, wenn die empfangsberechtigte Person entgegen § 5 Absatz 2 Satz 2 NetzDG nicht reagiert. C. Bestimmung des einschlägigen Bußgeldrahmens Die Regelungen in § 4 Absatz 2 NetzDG in Verbindung mit § 30 OWiG sehen zwei Höchstbeträge für Bußgelder bei natürlichen Personen sowie zwei Höchstbeträge für Bußgelder bei juristischen Personen vor. Zu differenzieren ist zwischen einem Verstoß gegen die Pflichten aus § 5 NetzDG und einem Verstoß gegen die übrigen Pflichten aus den §§ 2, 3, 3a und 3b NetzDG. I. Juristische Personen § 4 Absatz 2 Satz 2 NetzDG verweist auf § 30 Absatz 2 Satz 3 OWiG, weshalb sich das Höchstmaß der Geldbuße für die im Gesetz bezeichneten Tatbestände verzehnfacht, wenn die Geldbuße gegen eine juristische Person oder gegen eine Personenvereinigung verhängt wird. Ein Verstoß gegen § 2, § 3, § 3a oder 3b NetzDG eröffnet daher gegenüber juristischen Personen einen Bußgeldrahmen von fünf Euro bis zu fünfzig Millionen Euro, § 4 Absatz 1 Nummer 1 bis 7 NetzDG in Verbindung mit § 4 Absatz 2 NetzDG.
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