Nutzung und Wahrnehmungen der Informations-landschaft im zweiten Jahr der Pandemie
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Media Perspektiven 39 1/2022 Ergebnisse der RAPID-COVID-Panelbefragung Nutzung und Wahrnehmungen der Informations- landschaft im zweiten Jahr der Pandemie Von Thorsten Faas*, Teodora Bibu*, Philippe Joly* und David Schieferdecker* Massenmedien erfüllen in modernen Gesellschaften einigen empirischen Beobachtungen. Untersucht verschiedene Funktionen. Sie sind zentrale Vermitt- wurden dabei der Medienkonsum und die Wahrneh- lungsinstanzen orientierender, öffentlicher Informa- mungen der Medien durch die Bürgerinnen und Bür- tionen, die Bürgerinnen und Bürger benötigen, um ger. Auf welchem Weg erhalten sie die Informatio- ihr Leben zu gestalten. Zudem sind sie Plattformen nen, die sie benötigen, um durch eine Pandemie zu für Meinungs- und Willensbildungsprozesse. Schluss- navigieren? Wie bewerten sie die Informationsland- endlich sorgen ihre Diskurse für Identität und sozia- schaft? Unterscheiden sich Bürgerinnen und Bürger len Zusammenhalt. mit unterschiedlicher Mediennutzung systematisch in ihrem Wissensstand? In welchem Zusammen- Corona-Pandemie Im Dezember 2019 wurden die ersten Infektionen hang steht die Nutzung bestimmter Kanäle mit der stellte die Medien mit dem neuartigen Sars-CoV-2-Virus im chinesi- Akzeptanz politischer Maßnahmen zur Eindämmung vor besondere schen Wuhan bestätigt. Der Ausbruch und die Ent- der Pandemie? Herausforderungen wicklung der Corona-Pandemie haben die Massen- medien in allen drei genannten Aspekten vor eine immense Herausforderung gestellt. Massenmedien Kurz und knapp mussten der Öffentlichkeit komplexe Informationen • Die RAPID-COVID-Studie untersuchte die pandemiebezogene über eine pandemische Entwicklung nahebringen, Mediennutzung und Wahrnehmung medialer Informationen im über deren Ursprünge und Verläufe am Anfang nur zweiten Corona-Jahr. wenig bekannt war. Ebenso mussten sie die seitens • Öffentlich-rechtliche Sender bleiben auch im Verlauf der der Politik beschlossenen Maßnahmen zur Eindäm- Pandemie die wichtigsten Informationsquellen. mung der Pandemie schnell und breit in die Öffent- • Kritische Einstellungen zur Corona-Berichterstattung der Medien lichkeit tragen. In einer Demokratie sind Medien lassen sich vor allem durch ideologisch-inhaltliche Präferenzen aber nicht nur ein Sprachrohr zur Vermittlung von erklären. Informationen, sondern auch ein Motor öffentlicher • Nutzende des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wissen mehr Diskussionen und damit öffentlicher Meinungs- und über das Coronavirus und zeigen eine höhere Akzeptanz der Willensbildungsprozesse. Gerade dem Aspekt einer Maßnahmen als Nutzende sogenannter „alternativer Medien“. vielfältigen, ausgewogenen Berichterstattung, in deren Rahmen auch Kontroversen sichtbar werden, kommt dabei eine zentrale Rolle zu – zumindest in Vorliegende sozialwissenschaftliche Studien zeich- Studienlage nicht-pandemischen Zeiten. Aber in pandemischen nen bereits ein Bild des Verhältnisses von Politik, Zeiten? Die Debatte, inwiefern Massenmedien an- Medien und Öffentlichkeit aus der Perspektive der gemessen über die Pandemie berichteten wurde Bürger. Viehmann, Ziegele und Quiring etwa haben schnell ein Kernbestandteil in der zunehmend heftig Ergebnisse einer dreiwelligen Panelbefragung (durch- geführten öffentlichen Debatte. geführt zwischen März und Juli 2020) vorgelegt, in deren Rahmen sie die Auswirkungen der Corona- Diese Herausforderungen treffen klassische Medi- Krise auf die Mediennutzung der Bevölkerung ana- enangebote in einer für sie schwierigen Zeit. Seit lysiert haben. (2) Ihre Daten zeigen eine starke Nach- zwei Dekaden stellen sie sich den Herausforderun- frage nach coronabezogenen Informationen zu Be- gen des Strukturwandels, der durch die wirtschaft- ginn der Pandemie im März 2020, die im weiteren liche Transformation und die neuen technischen, Verlauf wieder etwas nachließ. Im Hinblick auf ver- digitalen Strukturen entstanden sind. Gleichzeitig schiedene Medienanbieter konnten sie sowohl für wurden sie in den letzten Jahren verstärkt zur Ziel- die Frühphase als auch für den Sommer 2020 eine scheibe populistischer Akteure. (1) hohe Popularität von öffentlich-rechtlichen Ange- boten beobachten. Weiterhin konnten sie zeigen, Wie wurde die Diesen großen normativen Fragen nach der Funkti- dass Nutzende öffentlich-rechtlicher Sender wie Pandemie- onserfüllung der Massenmedien in einer globalen auch Lesende von Tageszeitungen eher zufrieden Berichterstattung Gesundheitskrise, aber auch in einer von Populisten mit der Arbeit der Regierung waren und ein höheres rezipiert? geprägten Zeiten nähert sich dieser Beitrag mit Vertrauen in die mediale Krisenberichterstattung hatten. Umgekehrt verhielt es sich, wenn Informa- tionen bevorzugt in sogenannten alternativen Medi- * FU Berlin. en genutzt wurden.
Thorsten Faas/Teodora Bibu/Philippe Joly/David Schieferdecker Media 40 Perspektiven 1/2022 Wolling, Schumann und Arlt untersuchten, basierend ting Public Information Despite Polarization“ (RAPID- auf Daten aus dem April 2020, ob es Zusammen- COVID). Im Rahmen dieses Projekts wurde eine vier- hänge zwischen der Art der Mediennutzung und den wellige Panelerhebung – also eine viermalige Befra- Einstellungen zur Pandemie, gerade auch den Ein- gung eines identischen Personenkreises – realisiert. dämmungsmaßnahmen gibt. (3) Sie identifizierten Die befragten Personen wurden nach einem Quoten- idealtypische Bevölkerungssegmente, nämlich Kriti- plan aus dem Online-Access-Panel des Meinungs- sierende sowie besorgte, optimistische und sorglose forschungsinstituts YouGov rekrutiert. Dabei wurden Unterstützende. Ihre Typen unterschieden sich nicht nur bundesdeutsche Staatsbürgerinnen und Staats- nur systematisch in ihrer Haltung zu den Eindäm- bürger ab 18 Jahren in die Auswahlgesamtheit ein- mungsmaßnahmen, sondern auch in ihren Bewertun- bezogen. gen der Medienberichterstattung. Bemerkenswerter- weise fanden sie keine Zusammenhänge zwischen Die vier Befragungszeitpunkte decken verschiedene den persönlichen Ansichten zur Pandemie und den Phasen im zweiten Jahr der Pandemie ab: Die erste genutzten Medienangeboten. Panelerhebung war im Dezember 2020 im Feld, als die Pandemie ein zuvor unbekanntes Ausmaß in Jakobs und andere konzentrieren sich auf das Me- Deutschland erreichte und sich Deutschland in ei- dienvertrauen und die Wahrnehmung der Informati- nem zweiten Lockdown befand. Die zweite Befra- onslandschaft in der Pandemie. (4) Sie nutzen dafür gungswelle lief im März 2021, als die politischen bevölkerungsrepräsentative Daten aus einer Welle Debatten um den Fortgang der Impfkampagne und der Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen, die die dritte Pandemiewelle in vollem Gange waren. Die bereits am Ende des ersten Jahres der Pandemie dritte Befragung fand im späten Mai 2021 statt, als (November/Dezember 2020) lag. Sie konnten zeigen, die dritte Corona-Welle langsam auslief. Die vierte dass zwei Drittel der Befragten die Corona-Bericht- Untersuchung im September 2021 fiel in eine eher erstattung für vertrauenswürdig hielten. Im Vergleich ruhige pandemische Phase, sollte aber auch das zu früheren, vorpandemischen Erhebungen war das Momentum vor der Bundestagswahl erfassen. An Vertrauen in die Medien sogar noch gestiegen. Dies der ersten Befragung im Dezember 2020 nahmen galt vor allem für den öffentlich-rechtlichen Rund- rund 3 200 Befragte teil. Der Panelverlauf war ins- funk, regionale und überregionale Tageszeitungen. gesamt sehr erfreulich. Trotz eines gewissen Maßes einer unvermeidlichen Panelmortalität – d.h. Perso- Veränderte Die drei ausgewählten Studien demonstrieren, dass nen schieden während des Untersuchungszeitraums Mediennutzung im erstens unterschiedliche Medienanbieter unter- aus der Stichprobe aus – nahmen immer noch rund Laufe der Pandemie schiedlich stark genutzt und in ihrer Leistung be- 2 200 Befragte an der vierten Untersuchung teil. Alle wertet werden. Zweitens spielt der Faktor Zeit in hier präsentierten Panelanalysen umfassen nur der Pandemie eine Rolle, was die Zu- oder Abwen- Personen, die an allen betrachteten Wellen teilgenom- dung zu bzw. von Medien betrifft. Die Nutzung ver- men haben. Alle Analysen sind nach Alter, Geschlecht, änderte sich im Laufe des ersten Jahres der Pande- Bildung und Bundesland gewichtet. mie. Schließlich zeigen die Studien, wenn auch nicht ganz einheitlich, dass Mediennutzung und andere Die Fragebögen umfassten neben wechselnden Mo- pandemiebezogene Einstellungen in einem Zusam- dulen einen festen Kern an Fragen, auf den wir uns menhang zu stehen scheinen. in der Analyse stützen. Dies waren erstens Fragen zum coronabezogenen Mediennutzungs- und Infor- Im vorliegenden Beitrag möchten wir die Erkennt- mationsverhalten. Zweitens wurde von den Befrag- nisse dieser drei Studien aufgreifen und die Ent- ten erfragt, wie sie die Corona-Informationsland- wicklung im zweiten Jahr der Pandemie beobach- schaft wahrnahmen. Drittens enthielten die Frage- ten. Zunächst wurde dabei gefragt, welche Muster bögen Wissensfragen rund um das Corona-Virus und Veränderungen sich in der pandemiebezogenen und die Pandemie, die allerdings von Welle zu Welle Mediennutzung erkennen lassen? Im Anschluss wur- wechselten und jeweils aktuelle Aspekte der Pande- de der Wandel der Wahrnehmung der medialen In- mie thematisierten. Viertens sollten die Befragten formationslandschaft untersucht. Abschließend wur- angeben, inwiefern sie die Maßnahmen zur Eindäm- de geprüft, ob die Mediennutzung systematisch mit mung der Pandemie unterstützten oder ablehnten. dem Erleben der Pandemie zusammenhängt. Hier- Schließlich wurden umfangreiche sozialstrukturelle bei wurde nicht nur die Maßnahmenakzeptanz be- Informationen zu den Befragten erhoben, um Sub- trachtet, sondern auch inwieweit die Informiertheit gruppenanalysen vornehmen zu können. der Bevölkerung mit verschiedenen Formen der Me- diennutzung variiert. Im ersten Schritt der empirischen Betrachtung wen- Mediennutzung im den wir uns der Frage zu, welche Medienanbieter Verlauf der Pandemie Die „RAPID-COVID“- Die hier verwendeten Daten stammen aus dem die Menschen in Deutschland nutzen, um sich über Studie Bundesministerium für Bildung und Forschung die Pandemie zu informieren und wie sich diese (BMBF)-geförderten Projekt „Receiving and Accep- Nutzung im Zeitverlauf verändert hat. In drei der vier
Nutzung und Wahrnehmungen der Informationslandschaft im zweiten Jahr der Pandemie Media Perspektiven 41 1/2022 Abbildung 1 Mediennutzung nach Anbietertyp im Zeitverlauf in % nationale ö.-r. Sender regionale ö.-r. Sender private Sender 77 76 71 50 49 45 46 43 41 Dez 2020 Mrz 2021 Sep 2021 Dez 2020 Mrz 2021 Sep 2021 Dez 2020 Mrz 2021 Sep 2021 überregionale Zeitungen Lokal-/Regionalzeitungen Boulevardmedien 39 39 36 24 24 24 10 11 11 Dez 2020 Mrz 2021 Sep 2021 Dez 2020 Mrz 2021 Sep 2021 Dez 2020 Mrz 2021 Sep 2021 „alternative“ Medien Sonstige, Onlinemedien internationale Medien 24 23 21 7 7 7 12 9 10 Dez 2020 Mrz 2021 Sep 2021 Dez 2020 Mrz 2021 Sep 2021 Dez 2020 Mrz 2021 Sep 2021 Frage: „Wenn Sie einmal an die vergangenen beiden Wochen denken: Von welchen Medienanbietern haben Sie Informationen über die aktuelle Corona-Situation und ihre Entwicklung erhalten?“ Die Punkte geben die Nutzung (in %) zu den drei Befragungszeitpunkten wieder, W1: Dezember 2020, W2: März 2021, W4: September 2021. Basis: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland, n=2 212 Befragte. Quelle: RADID-COVID-Studie, FU Berlin. Befragungswellen wurden die Teilnehmenden ge- das Angebot des regionalen öffentlich-rechtlichen fragt, von welchen Medienanbietern sie in den Rundfunks erfreute sich großer Popularität: Fast die vergangenen beiden Wochen Informationen über die Hälfte der Befragten wurde von den Informationsan- aktuelle Corona-Situation und ihre Entwicklung er- geboten der Landesrundfunkanstalten – etwa BR, halten haben. (5) Die Befragten konnten so viele MDR oder WDR – erreicht. Knapp dahinter kamen Medienanbieter auswählen, wie sie wollten. (6) private Fernsehsender, die für 41 Prozent der Be- fragten als Informationsquelle dienten. Bei der Pres- Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse im Zeitverlauf. se lagen erwartungsgemäß regionale und lokale An- Wenn wir zunächst einmal auf die Ergebnisse aus gebote mit 36 Prozent vor nationalen Printangebo- der letzten Befragungswelle im September 2021 ten (24 %). Boulevardmedien wie die BILD-Zeitung schauen, so bestätigen diese die Muster früherer Stu- wurden von etwa jedem zehnten Befragten als Infor- dien, auch wenn exakte Vergleiche der Nutzungsni- mationsquelle genannt. Gleiches gilt für internatio- veaus aufgrund unterschiedlicher Frage- und Ant- nale Medien, wie die BBC oder die New York Times. wortformulierungen nicht möglich sind. Mit Abstand am weitesten verbreitet war die Nutzung des natio- Im Zuge des Strukturwandels der Öffentlichkeit sind Nur eine kleine nalen öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Fast drei Vier- über diese traditionellen Medienangebote hinaus Minderheit nutzt tel (71 %) der Befragten geben an, sich in den natio- auch neue Anbieter entstanden, die sich ähnlich wie „alternative“ Medien nalen öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsen- traditionelle Massenmedien mit professionell erstell- oder informiert dern – also bei Das Erste, ZDF oder dem Deutsch- ten Produkten an ein großes, nicht vorher bestimmtes sich nicht landfunk – über die Pandemie zu informieren. Auch Publikum richten, die diese aber nur im Internet
Thorsten Faas/Teodora Bibu/Philippe Joly/David Schieferdecker Media 42 Perspektiven 1/2022 anbieten. In den Fokus der öffentlichen Debatte rund sind Unterschiede nach Geschlecht (stärkere Nutzung um coronabezogene Informationen sind dabei be- bei Männern), Bildung (stärkere Nutzung bei Men- sonders Medien geraten, die sich selbst als „Alter- schen mit formal hoher Bildung) und Wohnort nativen“ zu etablierten Medien stilisieren. Von den (stärkere Nutzung bei Westdeutschen). (8) Bei pri- Befragten gibt allerdings nur ein kleiner Teil (7 %) an, vaten Fernsehsendern finden wir dagegen in Teilen sich über Medien wie KenFM, Nachdenkseiten oder spiegelbildliche Muster: Sie werden eher von Men- Compact über Corona zu informieren. Damit ist die schen mit formal niedriger Bildung und einem ost- Gruppe deutlich kleiner als diejenige, die andere deutschen Wohnort rezipiert. Zudem werden sie vor reine Onlinemedien, wie etwa T-Online, nutzt (21 %). allem von Menschen in der mittleren Altersgruppe Bemerkenswert ist schließlich, dass 5 Prozent der genutzt. Auch sogenannte alternative Medienange- Befragten aus keiner Quelle Informationen über die bote werden verstärkt in der mittleren Altersgruppe Pandemie bekamen. genutzt. Darüber hinaus scheint es sich bei Nutze- rinnen und Nutzern alternativer Medien um eine he- Mit dieser Längsschnittstudie kann nicht nur der End- terogene Gruppe zu handeln, die sich kaum unter punkt der Datenerhebung im September 2021 be- Rückgriff auf einfache soziodemographische Merk- trachtet werden, sondern auch die Entwicklung der male fassen lässt – die Unterschiede fallen jeden- Mediennutzung über fast ein Jahr hinweg nachge- falls zwischen den verschiedenen hier betrachteten zeichnet werden. Abbildung 1 zeigt ein Bild hoher Sta- Gruppen sehr gering aus. bilität. Sich über Corona zu informieren, scheint Teil einer stark habitualisierten Mediennutzung zu sein. Auch mit Blick auf Parteipräferenzen finden sich teil- Ö.-r. Angebote weise starke Unterschiede bei der Mediennutzung. werden von einer Bei genauer Betrachtung zeigen sich einige wenige Anhänger der Grünen, der Union und der SPD nutzen Mehrheit aller Veränderungen, vor allem bei den insgesamt am nationale öffentlich-rechtliche Angebote am stärks- Parteianhänger stärksten nachgefragten Anbietern. Von Dezember ten (> 80 %). Im Gegensatz dazu nutzen deutlich genutzt 2020 bis September 2021 verringerte sich etwa der weniger Sympathisanten der AfD (52 %) und Men- Anteil der Befragten, die die nationalen öffentlich- schen ohne Parteipräferenz (60 %) diese Informati- rechtlichen Medien nutzten, von 77 auf 71 Prozent; onsquelle. Auch in diesen Gruppen werden dessen bei den privaten Sendern von 46 auf 41 Prozent. Angebote aber, trotz einer kritischen Grundhaltung Dies bestätigt Trends, die schon Viehmann und an- gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, im- dere für die früheren Phasen der Pandemie aufge- merhin noch von einer knappen Mehrheit genutzt. zeigt haben. (7) Bei Print- und Onlineangeboten fal- Bei privaten Fernsehsendern fällt auf, dass diese be- len die Veränderungen dagegen geringer aus bzw. sonders häufig von Anhängerinnen und Anhängern sind gar nicht zu beobachten. der Union und SPD (> 47 %) und besonders selten von Anhängern der Grünen (31 %) genutzt werden. Soziodemografische Um nicht nur Veränderungen im Zeitverlauf zu be- Sogenannte alternative Medien werden von AfD- Charakteristika trachten, sondern auch unterschiedliche Nutzungs- Wählenden deutlich häufiger als im Durschnitt ge- muster in der Bevölkerung prüfen zu können, wurde nutzt (26 %). Die Nutzung sogenannter alternativer die Mediennutzung aus der letzten Erhebungswelle Medienangebote lässt sich also vor allem inhaltlich- im September 2021 nach vier soziodemografischen ideologisch fassen. Dabei darf man allerdings auch Eigenschaften – Alter, Geschlecht, Bildung, Wohn- nicht übersehen, dass Anhänger der AfD immer noch region – differenziert. Zudem wurden die erfragten doppelt so häufig den nationalen öffentlich-rechtli- Parteipräferenzen der Befragten herangezogen, um chen Rundfunk als Informationsquelle nennen als auch deren politische Orientierung einbeziehen zu „alternative“ Medien. können. Welche Muster sich für drei ausgewählte Medienangebote, nämlich den nationalen öffent- Bei der Betrachtung des Medienkonsums ergibt sich Wahrnehmungen der lich-rechtlichen Rundfunk, private Fernsehsender ein Bild hoher Stabilität. Dass man dies nicht als ein Corona-Informations- und sogenannte alternative Medien, ergeben, zeigt Zeichen allgemeiner Zufriedenheit lesen sollte, ha- landschaft im Verlauf Abbildung 2. ben die markanten parteipolitischen Unterschiede in der Pandemie den Zu- aber auch Abwendungsmustern gezeigt. Tatsächlich werden deutliche Unterschiede erkenn- Zumindest in einigen Gruppen scheint es deutliche bar. Obwohl sich der nationale öffentlich-rechtliche Vorbehalte gegenüber traditionellen Medien zu ge- Rundfunk insgesamt großer Popularität in der Ge- ben – aber vielleicht auch darüber hinaus? Um der sellschaft erfreut, fördert die differenzierte Analyse Frage nachzugehen, wie die mediale Berichterstat- deutliche Unterschiede in der Nutzung zutage: tung und die Informationslandschaft rund um Coro- Zwischen der jüngsten (bis 34 Jahren) und der äl- na insgesamt wahrgenommen wurden und welche testen Gruppe (ab 55 Jahre) liegen bei der Nutzung Veränderungen diesbezüglich im Zeitverlauf auftra- fast 20 Prozentpunkte Unterschied, die erneut eine ten, bat man die Befragten nach ihrem Grad an Zu- größere Distanz junger Nutzer zu diesen Angeboten stimmung zu insgesamt sechs Aussagen rund um belegen. Weniger stark, aber gleichwohl sichtbar die Informationslandschaft, wobei sie ihre Antworten
Nutzung und Wahrnehmungen der Informationslandschaft im zweiten Jahr der Pandemie Media Perspektiven 43 1/2022 Abbildung 2 Mediennutzung ausgewählter Anbietertypen nach soziodemographischen Merkmalen und parteipolitischen Präferenzen September 2021, in % nationale ö.-r. Sender private Sender „alternative“ Medien Geschlecht männlich 75 41 8 weiblich 67 41 7 Alter 18-34 J. 61 37 6 35-54 J. 70 45 11 ab 55 J. 78 39 6 Formale Bildung ohne 67 44 7 Fachhochschulreife mindestens 78 35 9 Fachhochschulreife regionale Herkunft West 72 40 7 Ost 66 44 9 Parteipräferenz CDU/CSU 83 50 1 SPD 83 47 2 AfD 52 42 26 FDP 73 41 10 Die Linke 78 39 6 Grüne 86 31 2 keine Parteipräferenz 60 38 5 Frage: „Wenn Sie einmal an die vergangenen beiden Wochen denken: Von welchen Medienanbietern haben Sie Informationen über die aktuelle Corona-Situation und ihre Entwicklung erhalten?“ Basis: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland, n=2 212 Befragte. Quelle: RADID-COVID-Studie, FU Berlin. auf einer fünfstufigen Skala abstufen konnten. Als Meinungen rund um die Pandemie in den Medien Zustimmung wurden alle Antworten gewertet, die angemessen vertreten seien. einer Aussage „eher“ oder „voll und ganz“ zustimm- ten. Abbildung 3 zeigt, dass die Informationsland- In den ersten Monaten des Jahres 2021 ver- schaft insgesamt differenziert bis kritisch gesehen schlechterte sich das wahrgenommene Bild der wurde und sich die Einstellungen an einigen Stellen Informationslandschaft nachhaltig. Informationen im Zeitverlauf deutlich verändert haben. der Regierung rund um die Pandemie wurden nun als viel weniger verständlich eingeschätzt. Von 56 Veränderte Im Dezember 2020 empfand eine Mehrheit der Prozent im Dezember 2020 ging der Wert auf 37 Wahrnehmung der Menschen (56 %), dass Informationen der Regierung Prozent im März und Mai 2021 zurück. Menschen Berichterstattung rund um die Pandemie leicht zu verstehen seien. Zwei fühlten sich auch weniger gut informiert, vor allem im Zeitverlauf Drittel der Menschen fühlten sich sowohl gut über die über die geltenden Maßnahmen, weniger die Krank- Krankheit COVID-19 als auch die Maßnahmen zur heit selbst. Die Informationen wurden häufiger als Eindämmung der Pandemie informiert. Nur ein gutes irreführend (27 % im Dezember 2020, 35 % im Mai Viertel fand die Berichterstattung irreführend. Ein 2021) und „Panik verbreitend“ (33 bzw. 38 %) an- Drittel der Menschen unterstellte den Medien, Panik gesehen. Die Kritik, dass nicht alle Positionen rund zu verbreiten. Schlussendlich teilten weniger als die um die Pandemie angemessen vorkämen, weitete Hälfte der Befragten (42 %) die Ansicht, dass alle sich aus: Nur noch 32 Prozent teilten im März und
Thorsten Faas/Teodora Bibu/Philippe Joly/David Schieferdecker Media 44 Perspektiven 1/2022 Abbildung 3 Wahrnehmung der Corona-Informationslandschaft Zustimmung in % Medien verbreiten Panik alle Meinungen kommen in den Medien vor Informationen sind leicht zu verstehen 56 42 45 33 38 38 38 32 32 35 37 37 Dez 2020 Mrz 2021 Mai 2021 Sep 2021 Dez 2020 Mrz 2021 Mai 2021 Sep 2021 Dez 2020 Mrz 2021 Mai 2021 Sep 2021 angemessen über die Krankheit informiert angemessen über die Maßnahmen Nachrichten sind irreführend informiert 65 61 62 65 65 61 54 54 32 35 33 27 Dez 2020 Mrz 2021 Mai 2021 Sep 2021 Dez 2020 Mrz 2021 Mai 2021 Sep 2021 Dez 2020 Mrz 2021 Mai 2021 Sep 2021 Frage: „Im Folgenden finden Sie einige Aussagen zur Informationslage rund um die aktuelle Corona-Situation und ihre Entwicklung. Bitte geben Sie jeweils an, inwieweit Sie diesen Aussagen zustimmen: (1) Die Medien verbreiten mit ihrer Corona-Berichterstattung Panik. (2) In der Corona-Berichterstattung der Medien kommen alle Sichtweisen und Meinungen angemessen vor. (3) Die Informationen der Bundesregierung zu Corona sind leicht zu verstehen. (4) Ich fühle mich angemessen über das Coronavirus und die Krankheit informiert. (5) Ich fühle mich angemessen über die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie informiert. (6) Ich habe oft das Gefühl, dass die Corona-Nachrichten in den deutschen Medien falsch oder irreführend sind.“ Die Punkte geben die Zustimmung (in Prozent) zu den vier Zeitpunkten wieder, W1: Dezember 2020, W2: März 2021, W3: Mai 2021, W4: September 2021. Basis: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland, n=2 212 Befragte. Quelle: RADID-COVID-Studie, FU Berlin. Mai 2021 die Ansicht, dass alle Meinungen rund um schieden sich die Befragten entlang ihrer Parteiprä- Corona in den Medien angemessen vertreten seien. ferenzen: Ein Großteil der AfD-Anhänger meint, dass Erst bei der vierten Befragung im September 2021 die Medien Panik machen (74 %) oder irreführende verbesserte sich die öffentliche Meinung zur Infor- und falsche Informationen verbreiten (75 %), während mationslandschaft wieder– also in einer Zeit relativer diese Meinungen deutlich seltener unter den Anhän- pandemischer Entspannung –, auch wenn die Aus- gerinnen und Anhängern von Union (22 % bzw. 18 %), gangswerte aus dem Dezember 2020 nicht wieder SPD (22 % bzw. 21 %) und Bündnis 90/Die Grünen erreicht wurden. (16 % bzw. 12 %) zu finden sind. Parteipolitische Analog zur Betrachtung der Nutzungsmuster sollte Wir können an dieser Stelle festhalten, dass der Kritischste Haltung Präferenzen im nächsten Schritt der Frage nachgegangen werden, Blick auf die Informationslandschaft durchaus kriti- bei Nutzern „alterna- beeinflussen die ob es Unterschiede zwischen bestimmten Gruppen scher geworden ist. Abschließend soll nun der Zu- tiver“ Medien Wahrnehmung der Gesellschaft hinsichtlich ihrer Wahrnehmung der sammenhang zwischen beiden Aspekten – Nutzung am stärksten Informationslandschaft gibt. Allerdings liefert eine und Wahrnehmung – geprüft werden: Wie hängt der Differenzierung anhand der soziodemografischen Einstellungswandel mit der Art der genutzten Medien Merkmale Alter, Geschlecht, Bildung und Wohnregi- zusammen? Abbildung 4 zeigt exemplarisch, wie on keine Hinweise auf nennenswerte Unterschiede. sich Nutzende nationaler öffentlich-rechtlicher An- Am ehesten noch zeigen sich Effekte von Alter und bieter, privater Rundfunkanbieter und sogenannter Bildung: Jüngere Befragte stuften die Berichterstat- alternativer Medien unterscheiden. tung weniger häufig als alarmistisch („verbreiten Panik“) ein (33 % vs. 37 % im gesamten Sample); Aus der Abbildung wird unmittelbar eine Zweiteilung ältere Befragte fühlten sich dagegen besonders gut erkennbar: Das Publikum des öffentlich-rechtlichen über Covid-19 (71 % vs. 66 %) und die Eindäm- und des privaten Rundfunks unterscheidet sich mungsmaßnahmen (67 % vs. 62 %) informiert. Be- kaum in seinen Einstellungen zu den Informations- fragte mit höherer formaler Bildung fanden die leistungen, während das von „alternativen“ Medi- Nachrichten weniger häufig falsch oder irreführend enangeboten davon stark abweichende Positionen (28 % vs. 33 %). Deutlich stärker hingegen unter- vertritt: Es äußert über alle Einstellungsvariablen
Nutzung und Wahrnehmungen der Informationslandschaft im zweiten Jahr der Pandemie Media Perspektiven 45 1/2022 Abbildung 4 Wahrnehmung der Corona-Informationslandschaft differenziert nach Nutzung unterschiedlicher Medienanbieter Zustimmung in % Medien verbreiten Panik alle Meinungen kommen in den Informationen sind leicht zu verstehen Medien vor 80 80 80 60 60 60 40 40 40 20 20 20 0 0 0 Dez 2020 Mrz 2021 Sep 2021 Dez 2020 Mrz 2021 Sep 2021 Dez 2020 Mrz 2021 Sep 2021 angemessen über Krankheit informiert angemessen über Maßnahmen informiert Nachrichten sind irreführend 80 80 80 60 60 60 40 40 40 20 20 20 0 0 0 Dez 2020 Mrz 2021 Sep 2021 Dez 2020 Mrz 2021 Sep 2021 Dez 2020 Mrz 2021 Sep 2021 Nutzende von nationalen ö.-r. Sendern Nutzende von privaten Sendern Nutzende von „alternativen“ Medien Frage: „Im Folgenden finden Sie einige Aussagen zur Informationslage rund um die aktuelle Corona-Situation und ihre Entwicklung. Bitte geben Sie jeweils an, inwieweit Sie diesen Aussagen zustimmen. (1) Die Medien verbreiten mit ihrer Corona-Berichterstattung Panik. (2) In der Corona-Berichterstattung der Medien kommen alle Sichtweisen und Meinungen angemessen vor. (3) Die Informationen der Bundesregierung zu Corona sind leicht zu verstehen. (4) Ich fühle mich angemessen über das Coronavirus und die Krankheit informiert. (5) Ich fühle mich angemessen über die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie informiert. (6) Ich habe oft das Gefühl, dass die Corona-Nachrichten in den deutschen Medien falsch oder irreführend sind.“ Die Punkte geben die Zustimmung (in Prozent) zu den vier Zeitpunkten wieder, W1: Dezember 2020, W2: März 2021, W3: Mai 2021, W4: September 2021. Basis: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland, n=2 212 Befragte. Quelle: RADID-COVID-Studie, FU Berlin. hinweg die kritischsten Meinungen. Besonders die dener Medien unterschiedlich viel über das Virus Aussagen zur „medialen Panikmache“ und zu fal- und die Pandemie wissen. In der ersten, zweiten und schen und irreführenden Informationen in den Nach- vierten Welle sollten die Befragten für jeweils vier richten erhalten in dieser Gruppe fast doppelt so relevante Aussagen, die das aktuelle pandemische hohe Zustimmungswerte. Zugleich darf man nicht Geschehen der Zeit beschrieben, entscheiden, ob übersehen, dass auch Nutzerinnen und Nutzer des diese zutreffen oder nicht. Die Befragten konnten öffentlich-rechtlichen Rundfunks und privater Sen- mit „Aussage richtig“, „Aussage falsch“ oder „weiß der mehrheitlich nicht der Meinung sind, dass alle nicht“ antworten. So wurde zum Beispiel im Dezem- Meinungen in den Medien angemessen vorkommen. ber 2020 das Verständnis für die Reproduktionszahl R untersucht; im März 2021 ging es um Wissen zu den Im Zeitraum der Erhebung verliefen die Muster der Impfstoffen, im September wurde nach der Delta- Veränderungen selbst in allen Gruppen sehr gleich- Variante des Virus gefragt (vgl. Tabelle 1). Die kor- förmig – nahezu überall lieferte die zweite Erhebung rekten Antworten der Personen, die an allen vier aus dem März 2021 die kritischsten Werte. Diese Befragungen teilgenommen haben, wurden zu ei- Gleichförmigkeit legt nahe, dass die Entwicklungen nem kumulativen Wissensindex summiert, dessen weniger mit den eigenen rezipierten Medien zu tun Verteilung in Abbildung 5 dargestellt ist. haben, sondern Ausdruck medienübergreifender, gesamtgesellschaftlicher Stimmungslagen sind. Alles in allem ist das Wissen über die Pandemie mit- telmäßig stark ausgeprägt. Im Durchschnitt beant- Wissen über die Abschließend stellt sich die Frage, inwiefern unter- worteten unsere Befragten 6,9 der 12 gestellten Pandemie und Maß schiedliche Mediennutzungsgewohnheiten mit ei- Fragen korrekt, obwohl die Fragen zum jeweiligen nahmenakzeptanz nem unterschiedlichen Erleben und Verarbeiten der Zeitpunkt der Befragung sehr aktuell und relevant als Korrelate zur Pandemie einhergingen. Zunächst interessierte da- waren. 28 Prozent der Befragten konnten neun Fra- Mediennutzung bei die Frage, ob Nutzerinnen und Nutzer verschie- gen oder mehr richtig beantworten. Dagegen konnten
Thorsten Faas/Teodora Bibu/Philippe Joly/David Schieferdecker Media 46 Perspektiven 1/2022 Tabelle 1 Liste der verwendeten Wissensitems Dezember 2020 – Man kann Andere mit dem Coronavirus anstecken, auch wenn man selbst keine Symptome der Krankheit hat. – Störungen des Geruchs- oder Geschmackssinns können als Symptom einer COVID-19-Erkrankung auftreten. – Nur wenn die Reproduktionszahl R über einen längeren Zeitraum unter 0 liegt, geht die Zahl der Neuinfektionen zurück. – Im Frühjahr 2020 sind in Europa mehr Menschen gestorben als im gleichen Zeitraum in den Jahren zuvor. März 2021 – Die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna sind mRNA-Impfstoffe, der Impfstoff von AstraZeneca nicht. – Nur wenn die Reproduktionszahl R über einen längeren Zeitraum unter 0 liegt, geht die Zahl der Neuinfektionen zurück. – Zwischen der Ansteckung mit dem Coronavirus und dem Beginn der Erkrankung vergehen im Mittel 5 bis 6 Tage. – Die B.1.1.7-Mutation des Coronavirus ist im Vergleich deutlich ansteckender. September 2021 – Die Delta-Variante ist die aktuell dominante Variante des Coronavirus in Deutschland. – Die Delta-Variante des Coronavirus wurde zuerst in Großbritannien entdeckt. – Die in Deutschland zugelassenen Impfstoffe bieten nur einen minimalen Schutz gegen die Delta-Variante des Coronavirus. – Einfache medizinische Masken (sog. "OP-Masken") dienen primär dem Schutz anderer und weniger dem eigenen Schutz vor einer Infektion. Quelle: Studie RAPID-COVID, FU-Berlin. Abbildung 5 Kumulativer Wissensindex Anzahl richtiger Antworten auf 12 gestellte Wissensfragen, in % 16 15 13 12 9 10 8 5 5 3 2 1 2 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 Anzahl richtiger Antworten Basis: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland, n=2 212 Befragte. Quelle: RADID-COVID-Studie, FU Berlin. 11 Prozent der Befragten nur maximal drei Fragen rem Wissen einhergeht (je größer die Zahl, desto richtig beantworten. Die Varianz ist also hoch. stärker trifft das zu), negative Werte zeigen das Ge- genteil – die entsprechenden Nutzer wissen weniger. Nutzende der Doch variiert das Wissen mit der Mediennutzung? ö.-r- Sender Abbildung 6 zeigt, in welchem Verhältnis die Nutzung Das Ergebnis ist deutlich. Personen, die den nationa- zeigen höchsten verschiedener Medienanbieter aus der ersten Befra- len öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Dezember Wissensstand gungswelle mit dem Wissen über alle Wellen hinweg 2020 (und angesichts der hohen Stabilität der Me- steht. Die Korrelationskoeffizienten zeigen an, wie diennutzung wohl auch darüber hinaus) nutzten, stark der Zusammenhang zwischen der Nutzung ei- haben im Durchschnitt ein höheres Wissen über nes bestimmten Mediums und dem Wissensindex ist. die Pandemie. (9) Mit der Nutzung von privaten Positive Werte bedeuten, dass die Nutzung mit höhe- Fernsehsendern geht dagegen nur ein kaum merk-
Nutzung und Wahrnehmungen der Informationslandschaft im zweiten Jahr der Pandemie Media Perspektiven 47 1/2022 licher Anstieg des Wissens einher. Die Nutzung so- Abbildung 6 genannter alternativer Medien geht sogar mit einem Korrelationen zwischen der Mediennutzung ausgewählter Anbietertypen in der ersten Welle und dem kumulativen Wissensindex geringeren Wissensstand über die Pandemie einher: Personen, die im Dezember 2020 Informationen aus solchen Medien erhalten haben, eigneten sich im Lau- fe der Pandemie weniger Kenntnisse an als andere. nationale ö.-r. Sender 0,27 Zwei Drittel In einem zweiten Schritt wurde untersucht, ob sich befürworten Corona- Nutzerinnen und Nutzer verschiedener Medien mit private Sender 0,02 Maßnahmen Blick auf die Akzeptanz der Maßnahmen zur Ein- dämmung der Pandemie unterschieden. In allen Be- fragungswellen wurden die Teilnehmenden gefragt, „alternative“ Medien -0,10 wie sie die Maßnahmen zur Eindämmung der Coro- na-Pandemie insgesamt bewerten. Hierbei konnten die Befragten ihre Antwort auf einer elfstufigen Ska- Die Balken zeigen die Korrelation zwischen der Nutzung ausgewählter la, die von totaler Ablehnung bis zu uneingeschränk- Medienanbieter, gemessen in der 1. Befragungswelle, und dem kumulativen Wissen, gemessen anhand von 12 Fragen verteilt über drei Wellen, W1: Dezember ter Unterstützung reicht, abstufen. Als Unterstützung 2020, W2: März 2021, und W4: September 2021. Positive Werte bedeuten, dass zählen alle Befragten, die sich jenseits der Mittelka- die Nutzung eines bestimmten Medienanbieters mit höherem Wissen einhergeht, tegorie befinden, unabhängig vom Ausmaß der Un- negative Werte zeigen das Gegenteil. Basis: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland, n=2 212 Befragte. terstützung. Quelle: RADID-COVID-Studie, FU Berlin. In unserer letzten Befragungswelle unterstützten ungefähr zwei Drittel der Befragten die Maßnahmen. Abbildung 7 differenziert dieses globale Maß an Un- Abbildung 7 terstützung nun danach, aus welchen Quellen Befrag- Unterstützung der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie differenziert te Informationen beziehen. Auch hier ist das Ergebnis nach Nutzung unterschiedlicher Medienanbieter in % eindeutig. Eine klare Mehrheit der Nutzenden des na- tionalen öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie auch privater Fernsehsender unterstützt die Maßnahmen. 80 Ein Großteil der Nutzerinnen und Nutzer von soge- 60 nannten alternativen Medienangeboten lehnt hinge- gen die Maßnahmen ab. Der Unterschied beträgt fast 40 50 Prozentpunkte. Dabei ist auch mit Blick auf die 20 zeitliche Entwicklung festzustellen, dass die Maßnah- menunterstützung im Laufe des zweiten Jahres der 0 Pandemie insgesamt und in allen Gruppen abnahm. Dez 2020 Mrz 2021 Sept 2021 Nutzende von nationalen ö.-r. Sendern Fazit Nutzende von privaten Sendern Mediennutzungs- In der Corona-Pandemie sind die wechselseitigen Nutzende von „alternativen“ Medien trends setzen Abhängigkeiten und Spannungsverhältnisse zwi- sich im zweiten schen Medien, Politik und Öffentlichkeit deutlich ge- Fragewortlaut: „Bitte denken Sie nun speziell an die Maßnahmen zur Eindämmung Coronajahr fort worden. Im vorliegenden Beitrag haben wir uns der Corona-Pandemie, die die Bundes- und Landesregierungen beschlossen haben. diesem Spannungsverhältnis aus der Perspektive Wir kommen gleich zu den einzelnen Maßnahmen. Zunächst einmal ganz allgemein, wie bewerten Sie die Maßnahmen insgesamt?“ Die Punkte geben die Unterstützung von Bürgerinnen und Bürgern genähert und ihre Me- (in Prozent) zu den drei Zeitpunkten wieder, W2: März 2021, W4: September 2021. diennutzung und Wahrnehmung der Informations- Alle Befragten, die sich jenseits der Mittelkategorie einordnen, gelten als landschaft einerseits sowie ihr Wissen rund um die unterstützend. Pandemie und ihre Akzeptanz von Maßnahmen an- Basis: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland, n=2 212 Befragte. dererseits in den Blick genommen. Dabei zeigt sich, Quelle: RADID-COVID-Studie, FU Berlin. dass Trends, die sich in früheren Studien andeuten, sich auch im zweiten Jahr der Pandemie, das hier untersucht wurde, fortsetzen. funk. Außerdem hat sich gezeigt, dass der Medien- konsum über die gesamte untersuchte Zeitspanne In Krisenzeiten Erstens zeigen die Ergebnisse auf der Basis der vor- recht stabil ist; zudem zeigen sich vertraute Muster, am häufigsten liegenden Panelstudie, dass sich die überwiegende was Unterschiede zwischen soziodemografisch de- ö.-r. Programm Mehrheit der deutschen Bürger für die Informations- finierten Gruppen ergibt. Der nationale öffentlich- angebote genutzt beschaffung über die Pandemie auf Medien verlas- rechtliche Rundfunk etwa wird stärker von älteren sen und sich dabei die traditionellen Medienanbieter Menschen genutzt; es zeigen sich aber auch Unter- der größten Popularität erfreuen. Dies gilt insbeson- schiede nach Geschlecht (stärkere Nutzung bei dere für den nationalen öffentlich-rechtlichen Rund- Männern), Bildung (stärkere Nutzung bei Menschen
Thorsten Faas/Teodora Bibu/Philippe Joly/David Schieferdecker Media 48 Perspektiven 1/2022 mit formal hoher Bildung) und Wohnort (stärkere machen – es hat Folgen auf vielen verschiedenen Nutzung bei Westdeutschen). Bei privaten Fernseh- Ebenen. Sowohl für die Zufriedenheit als auch den sendern finden wir dagegen in Teilen spiegelbildli- Wissensstand der Bürgerinnen und Bürger. che Muster. Größere Diese hohe Nutzung sollte man aber nicht mit weit- Anmerkungen Zufriedenheit verbreiteter Zufriedenheit gleichsetzen – im Gegen- 1) Vgl. hierzu die Ergebnisse der Mainzer Langzeitstudie bei Nutzenden teil: Ein Drittel unserer Befragten bewerten das Me- Medienvertrauen. Zuletzt: Jakobs, Ilka/Tanjev Schultz/ ö.-r. Angebote dienangebot in der Pandemie als irreführend und zu Christina Viehmann/Oliver Quiring/Nikolaus Jackob/Marc Ziegele/Christian Schemer: Medienvertrauen in Krisen- alarmierend; ein ähnlicher Anteil fühlt sich unange- zeiten. Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 2020. messen informiert. Diese kritischen Sichtweisen In: Media Perspektiven 3/2021, S. 152-162. finden wir dabei vor allem bei Unterstützende der 2) Viehmann, Christina/Marc Ziegele/Oliver Quiring: AfD beziehungsweise Nutzerinnen und Nutzern so- Gut informiert durch die Pandemie? Nutzung unter- schiedlicher Informationsquellen in der Corona-Krise. genannter alternativer Medien, während Nutzende Ergebnisse einer dreiwelligen Panelbefragung im Jahr des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt zu- 2020. In: Media Perspektiven 10-11/2020, S. 556–577. friedener sind. 3) Wolling, Jens/Christina Schumann/Dorothee Arlt: Vier Corona-Welten – Divergierende Vorstellungen von einer multiplen Krise und die Rolle der Medien. Eine Präferenz für Und für all das deuten sich auch Konsequenzen an, Typologie auf Grundlage der Weltbezugs-Theorie. „alternative“ etwa mit Blick auf das Wissen der Befragten. Die In: Media Perspektiven, 10-11/2020, S. 578–590. 4) Jakobs u.a. (Anm. 1) Medien korreliert Präferenzen für bestimmte Medienangebote korre- 5) Bei der dritten Welle handelte es sich um eine kürzere mit geringem lieren mit einem unterschiedlichen Wissensniveau. Befragung, für die das Fragenprogramm gekürzt werden Wissensstand Nutzende der sogenannten alternativen Medienan- musste. Angesichts der insgesamt zu beobachtenden gebote zeigen einen niedrigen Wissensstand, die hohen Stabilität der Mediennutzung wurde daher in dieser Welle auf die erneute Abfrage verzichtet. Nutzung öffentlich-rechtlicher Sender geht dagegen 6) Die Befragten wurden dabei explizit darauf hingewiesen, mit einem Mehr an Wissen einher. Im zweiten Jahr dass es keine Rolle spielt, ob sie die Inhalte dieser der Pandemie sind es vor allem Personen, die der Medienanbieter offline oder online konsumieren. 7) Vgl. Viehmann/Ziegele/Quiring (Anm. 2). AfD nahestehen, die die öffentlich-rechtlichen und 8) Das Muster zeigt sich in ähnlicher Form, teilweise noch traditionellen Qualitätsmedien weniger nutzen, die deutlicher für regionale öffentlich-rechtliche Angebote. mit dem Informationsangebot unzufrieden und so- Diese werden fast doppelt so häufig von älteren genannten alternativen Medien zugewandt sind. Menschen genutzt. Zudem sind es auch hier v.a. Männer und Menschen mit formal hoher Bildung, die auf diese Hauptsächlich sind es Nutzer von „alternativen“ Me- Angebote zurückgreifen. Allerdings ist der regionale dienangeboten, die ein geringeres Wissen über die Rundfunk in den östlichen Bundesländern deutlich Pandemie haben und die Maßnahmen eher ableh- beliebter. Auch die Ergebnisse für Printanbieter reprodu- zieren das Grundmuster. nen. Insgesamt ist es demnach auch im zweiten 9) Gleiches gilt auch für die Nutzung von regionalen und Jahr der Pandemie keineswegs egal, von welchen überregionalen Zeitungen und in geringerem Maße für Medienangeboten Bürgerinnen und Bürger Gebrauch regionalen öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
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