Nutzung und Wahrnehmungen der Informations-landschaft im zweiten Jahr der Pandemie

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                                                                                                                        Perspektiven   39
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                      Ergebnisse der RAPID-COVID-Panelbefragung
                      Nutzung und Wahrnehmungen der Informations-
                      landschaft im zweiten Jahr der Pandemie
                      Von Thorsten Faas*, Teodora Bibu*, Philippe Joly* und David Schieferdecker*

                      Massenmedien erfüllen in modernen Gesellschaften        einigen empirischen Beobachtungen. Untersucht
                      verschiedene Funktionen. Sie sind zentrale Vermitt-     wurden dabei der Medienkonsum und die Wahrneh-
                      lungsinstanzen orientierender, öffentlicher Informa-    mungen der Medien durch die Bürgerinnen und Bür-
                      tionen, die Bürgerinnen und Bürger benötigen, um        ger. Auf welchem Weg erhalten sie die Informatio-
                      ihr Leben zu gestalten. Zudem sind sie Plattformen      nen, die sie benötigen, um durch eine Pandemie zu
                      für Meinungs- und Willensbildungsprozesse. Schluss-     navigieren? Wie bewerten sie die Informationsland-
                      endlich sorgen ihre Diskurse für Identität und sozia-   schaft? Unterscheiden sich Bürgerinnen und Bürger
                      len Zusammenhalt.                                       mit unterschiedlicher Mediennutzung systematisch
                                                                              in ihrem Wissensstand? In welchem Zusammen-
 Corona-Pandemie      Im Dezember 2019 wurden die ersten Infektionen          hang steht die Nutzung bestimmter Kanäle mit der
 stellte die Medien   mit dem neuartigen Sars-CoV-2-Virus im chinesi-         Akzeptanz politischer Maßnahmen zur Eindämmung
     vor besondere    schen Wuhan bestätigt. Der Ausbruch und die Ent-        der Pandemie?
Herausforderungen     wicklung der Corona-Pandemie haben die Massen-
                      medien in allen drei genannten Aspekten vor eine
                      immense Herausforderung gestellt. Massenmedien
                                                                               Kurz und knapp
                      mussten der Öffentlichkeit komplexe Informationen        • Die RAPID-COVID-Studie untersuchte die pandemiebezogene
                      über eine pandemische Entwicklung nahebringen,             Mediennutzung und Wahrnehmung medialer Informationen im
                      über deren Ursprünge und Verläufe am Anfang nur            zweiten Corona-Jahr.
                      wenig bekannt war. Ebenso mussten sie die seitens        • Öffentlich-rechtliche Sender bleiben auch im Verlauf der
                      der Politik beschlossenen Maßnahmen zur Eindäm-            Pandemie die wichtigsten Informationsquellen.
                      mung der Pandemie schnell und breit in die Öffent-       • Kritische Einstellungen zur Corona-Berichterstattung der Medien
                      lichkeit tragen. In einer Demokratie sind Medien           lassen sich vor allem durch ideologisch-inhaltliche Präferenzen
                      aber nicht nur ein Sprachrohr zur Vermittlung von          erklären.
                      Informationen, sondern auch ein Motor öffentlicher       • Nutzende des öffentlich-rechtlichen Rundfunks wissen mehr
                      Diskussionen und damit öffentlicher Meinungs- und          über das Coronavirus und zeigen eine höhere Akzeptanz der
                      Willensbildungsprozesse. Gerade dem Aspekt einer           ­Maßnahmen als Nutzende sogenannter „alternativer Medien“.
                      vielfältigen, ausgewogenen Berichterstattung, in
                      deren Rahmen auch Kontroversen sichtbar werden,
                      kommt dabei eine zentrale Rolle zu – zumindest in       Vorliegende sozialwissenschaftliche Studien zeich-       Studienlage
                      nicht-pandemischen Zeiten. Aber in pandemischen         nen bereits ein Bild des Verhältnisses von Politik,
                      Zeiten? Die Debatte, inwiefern Massenmedien an-         Medien und Öffentlichkeit aus der Perspektive der
                      gemessen über die Pandemie berichteten wurde            Bürger. Viehmann, Ziegele und Quiring etwa haben
                      schnell ein Kernbestandteil in der zunehmend heftig     Ergebnisse einer dreiwelligen Panelbefragung (durch-
                      geführten öffentlichen Debatte.                         geführt zwischen März und Juli 2020) vorgelegt, in
                                                                              deren Rahmen sie die Auswirkungen der Corona-
                      Diese Herausforderungen treffen klassische Medi-        Krise auf die Mediennutzung der Bevölkerung ana-
                      enangebote in einer für sie schwierigen Zeit. Seit      lysiert haben. (2) Ihre Daten zeigen eine starke Nach-
                      zwei Dekaden stellen sie sich den Herausforderun-       frage nach coronabezogenen Informationen zu Be-
                      gen des Strukturwandels, der durch die wirtschaft-      ginn der Pandemie im März 2020, die im weiteren
                      liche Transformation und die neuen technischen,         Verlauf wieder etwas nachließ. Im Hinblick auf ver-
                      digitalen Strukturen entstanden sind. Gleichzeitig      schiedene Medienanbieter konnten sie sowohl für
                      wurden sie in den letzten Jahren verstärkt zur Ziel-    die Frühphase als auch für den Sommer 2020 eine
                      scheibe populistischer Akteure. (1)                     hohe Popularität von öffentlich-recht­lichen Ange-
                                                                              boten beobachten. Weiterhin konnten sie zeigen,
   Wie wurde die      Diesen großen normativen Fragen nach der Funkti-        dass Nutzende öffentlich-rechtlicher Sender wie
       Pandemie-      onserfüllung der Massenmedien in einer globalen         auch Lesende von Tageszeitungen eher zufrieden
 Berichterstattung    Gesundheitskrise, aber auch in einer von Populisten     mit der Arbeit der Regierung waren und ein höheres
         rezipiert?   geprägten Zeiten nähert sich dieser Beitrag mit         Vertrauen in die mediale Krisenberichterstattung
                                                                              hatten. Umgekehrt verhielt es sich, wenn Informa-
                                                                              tionen bevorzugt in sogenannten alternativen Medi-
                       * FU Berlin.                                           en genutzt wurden.
Thorsten Faas/Teodora Bibu/Philippe Joly/David Schieferdecker
                      Media
               40     Perspektiven
                      1/2022

                      Wolling, Schumann und Arlt untersuchten, basierend          ting Public Information Despite Polarization“ (RAPID-
                      auf Daten aus dem April 2020, ob es Zusammen-               COVID). Im Rahmen dieses Projekts wurde eine vier-
                      hänge zwischen der Art der Mediennutzung und den            wellige Panelerhebung – also eine viermalige Befra-
                      Einstellungen zur Pandemie, gerade auch den Ein-            gung eines identischen Personenkreises – realisiert.
                      dämmungsmaßnahmen gibt. (3) Sie identifizierten             Die befragten Personen wurden nach einem Quoten-
                      idealtypische Bevölkerungssegmente, nämlich Kriti-          plan aus dem Online-Access-Panel des Meinungs-
                      sierende sowie besorgte, optimistische und sorglose         forschungsinstituts YouGov rekrutiert. Dabei wurden
                      Unterstützende. Ihre Typen unterschieden sich nicht         nur bundesdeutsche Staatsbürgerinnen und Staats-
                      nur systematisch in ihrer Haltung zu den Eindäm-            bürger ab 18 Jahren in die Auswahlgesamtheit ein-
                      mungsmaßnahmen, sondern auch in ihren Bewertun-             bezogen.
                      gen der Medienberichterstattung. Bemerkenswerter-
                      weise fanden sie keine Zusammenhänge zwischen               Die vier Befragungszeitpunkte decken verschiedene
                      den persönlichen Ansichten zur Pandemie und den             Phasen im zweiten Jahr der Pandemie ab: Die erste
                      genutzten Medienangeboten.                                  Panelerhebung war im Dezember 2020 im Feld, als
                                                                                  die Pandemie ein zuvor unbekanntes Ausmaß in
                      Jakobs und andere konzentrieren sich auf das Me-            Deutschland erreichte und sich Deutschland in ei-
                      dienvertrauen und die Wahrnehmung der Informati-            nem zweiten Lockdown befand. Die zweite Befra-
                      onslandschaft in der Pandemie. (4) Sie nutzen dafür         gungswelle lief im März 2021, als die politischen
                      bevölkerungsrepräsentative Daten aus einer Welle            Debatten um den Fortgang der Impfkampagne und
                      der Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen, die             die dritte Pandemiewelle in vollem Gange waren. Die
                      bereits am Ende des ersten Jahres der Pandemie              dritte Befragung fand im späten Mai 2021 statt, als
                      (November/Dezember 2020) lag. Sie konnten zeigen,           die dritte Corona-Welle langsam auslief. Die vierte
                      dass zwei Drittel der Befragten die Corona-Bericht-         Untersuchung im September 2021 fiel in eine eher
                      erstattung für vertrauenswürdig hielten. Im Vergleich       ruhige pandemische Phase, sollte aber auch das
                      zu früheren, vorpandemischen Erhebungen war das             Momentum vor der Bundestagswahl erfassen. An
                      Vertrauen in die Medien sogar noch gestiegen. Dies          der ersten Befragung im Dezember 2020 nahmen
                      galt vor allem für den öffentlich-rechtlichen Rund-         rund 3 200 Befragte teil. Der Panelverlauf war ins-
                      funk, regionale und überregionale Tageszeitungen.           gesamt sehr erfreulich. Trotz eines gewissen Maßes
                                                                                  einer unvermeidlichen Panelmortalität – d.h. Perso-
         Veränderte   Die drei ausgewählten Studien demonstrieren, dass           nen schieden während des Untersuchungszeitraums
 Mediennutzung im     erstens unterschiedliche Medienanbieter unter-              aus der Stichprobe aus – nahmen immer noch rund
Laufe der Pandemie    schiedlich stark genutzt und in ihrer Leistung be-          2 200 Befragte an der vierten Untersuchung teil. Alle
                      wertet werden. Zweitens spielt der Faktor Zeit in           hier präsentierten Panelanalysen umfassen nur
                      der Pandemie eine Rolle, was die Zu- oder Abwen-            Personen, die an allen betrachteten Wellen teilgenom-
                      dung zu bzw. von Medien betrifft. Die Nutzung ver-          men haben. Alle Analysen sind nach Alter, Geschlecht,
                      änderte sich im Laufe des ersten Jahres der Pande-          Bildung und Bundesland gewichtet.
                      mie. Schließlich zeigen die Studien, wenn auch nicht
                      ganz einheitlich, dass Mediennutzung und andere             Die Fragebögen umfassten neben wechselnden Mo-
                      pandemiebezogene Einstellungen in einem Zusam-              dulen einen festen Kern an Fragen, auf den wir uns
                      menhang zu stehen scheinen.                                 in der Analyse stützen. Dies waren erstens Fragen
                                                                                  zum coronabezogenen Mediennutzungs- und Infor-
                      Im vorliegenden Beitrag möchten wir die Erkennt-            mationsverhalten. Zweitens wurde von den Befrag-
                      nisse dieser drei Studien aufgreifen und die Ent-           ten erfragt, wie sie die Corona-Informationsland-
                      wicklung im zweiten Jahr der Pandemie beobach-              schaft wahrnahmen. Drittens enthielten die Frage-
                      ten. Zunächst wurde dabei gefragt, welche Muster            bögen Wissensfragen rund um das Corona-Virus
                      und Veränderungen sich in der pandemiebezogenen             und die Pandemie, die allerdings von Welle zu Welle
                      Mediennutzung erkennen lassen? Im Anschluss wur-            wechselten und jeweils aktuelle Aspekte der Pande-
                      de der Wandel der Wahrnehmung der medialen In-              mie thematisierten. Viertens sollten die Befragten
                      formationslandschaft untersucht. Abschließend wur-          angeben, inwiefern sie die Maßnahmen zur Eindäm-
                      de geprüft, ob die Mediennutzung systematisch mit           mung der Pandemie unterstützten oder ablehnten.
                      dem Erleben der Pandemie zusammenhängt. Hier-               Schließlich wurden umfangreiche sozialstrukturelle
                      bei wurde nicht nur die Maßnahmenakzeptanz be-              Informationen zu den Befragten erhoben, um Sub-
                      trachtet, sondern auch inwieweit die Informiertheit         gruppenanalysen vornehmen zu können.
                      der Bevölkerung mit verschiedenen Formen der Me-
                      diennutzung variiert.                                       Im ersten Schritt der empirischen Betrachtung wen-       Mediennutzung im
                                                                                  den wir uns der Frage zu, welche Medienanbieter          Verlauf der Pandemie
Die „RAPID-COVID“-    Die hier verwendeten Daten stammen aus dem                  die Menschen in Deutschland nutzen, um sich über
            Studie    Bundesministerium für Bildung und Forschung                 die Pandemie zu informieren und wie sich diese
                      (BMBF)-geförderten Projekt „Receiving and Accep-            Nutzung im Zeitverlauf verändert hat. In drei der vier
Nutzung und Wahrnehmungen der Informationslandschaft im zweiten Jahr der Pandemie
                                                                                                                                          Media
                                                                                                                                    Perspektiven        41
                                                                                                                                         1/2022

Abbildung 1
Mediennutzung nach Anbietertyp im Zeitverlauf
in %

                nationale ö.-r. Sender                                       regionale ö.-r. Sender                                       private Sender
      77               76                71

                                                                     50               49                 45                    46                  43              41

   Dez 2020        Mrz 2021          Sep 2021                     Dez 2020         Mrz 2021           Sep 2021              Dez 2020         Mrz 2021           Sep 2021

              überregionale Zeitungen                                     Lokal-/Regionalzeitungen                                       Boulevardmedien

                                                                     39               39                36
      24              24                 24
                                                                                                                               10                  11              11

  Dez 2020         Mrz 2021          Sep 2021                    Dez 2020          Mrz 2021           Sep 2021              Dez 2020         Mrz 2021           Sep 2021

              „alternative“ Medien                                        Sonstige, Onlinemedien                                       internationale Medien

                                                                     24               23                21
      7               7                  7                                                                                     12                  9               10

  Dez 2020        Mrz 2021         Sep 2021                      Dez 2020          Mrz 2021           Sep 2021             Dez 2020         Mrz 2021            Sep 2021

Frage: „Wenn Sie einmal an die vergangenen beiden Wochen denken: Von welchen Medienanbietern haben Sie Informationen über die aktuelle Corona-Situation und ihre
Entwicklung erhalten?“ Die Punkte geben die Nutzung (in %) zu den drei Befragungszeitpunkten wieder, W1: Dezember 2020, W2: März 2021, W4: September 2021.
Basis: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland, n=2 212 Befragte.

Quelle: RADID-COVID-Studie, FU Berlin.

                            Befragungswellen wurden die Teilnehmenden ge-                das Angebot des regionalen öffentlich-rechtlichen
                            fragt, von welchen Medienanbietern sie in den                Rundfunks erfreute sich großer Popularität: Fast die
                            vergangenen beiden Wochen Informationen über die             Hälfte der Befragten wurde von den Informationsan-
                            aktuelle Corona-Situation und ihre Entwicklung er-           geboten der Landesrundfunkanstalten – etwa BR,
                            halten haben. (5) Die Befragten konnten so viele             MDR oder WDR – erreicht. Knapp dahinter kamen
                            Medienanbieter auswählen, wie sie wollten. (6)               private Fernsehsender, die für 41 Prozent der Be-
                                                                                         fragten als Informationsquelle dienten. Bei der Pres-
                            Abbildung 1 zeigt die Ergebnisse im Zeitverlauf.             se lagen erwartungsgemäß regionale und lokale An-
                            Wenn wir zunächst einmal auf die Ergebnisse aus              gebote mit 36 Prozent vor nationalen Printangebo-
                            der letzten Befragungswelle im September 2021                ten (24 %). Boulevardmedien wie die BILD-Zeitung
                            schauen, so bestätigen diese die Muster früherer Stu-        wurden von etwa jedem zehnten Befragten als Infor-
                            dien, auch wenn exakte Vergleiche der Nutzungsni-            mationsquelle genannt. Gleiches gilt für internatio-
                            veaus aufgrund unterschiedlicher Frage- und Ant-             nale Medien, wie die BBC oder die New York Times.
                            wortformulierungen nicht möglich sind. Mit Abstand
                            am weitesten verbreitet war die Nutzung des natio-           Im Zuge des Strukturwandels der Öffentlichkeit sind            Nur eine kleine
                            nalen öffentlich-rechtlichen Rundfunks: Fast drei Vier-      über diese traditionellen Medienangebote hinaus                Minderheit nutzt
                            tel (71 %) der Befragten geben an, sich in den natio-        auch neue Anbieter entstanden, die sich ähnlich wie            „alternative“ Medien
                            nalen öffentlich-rechtlichen Radio- und Fernsehsen-          traditionelle Massenmedien mit professionell erstell-          oder informiert
                            dern – also bei Das Erste, ZDF oder dem Deutsch-             ten Produkten an ein großes, nicht vorher bestimmtes           sich nicht
                            landfunk – über die Pandemie zu informieren. Auch            Publikum richten, die diese aber nur im Internet
Thorsten Faas/Teodora Bibu/Philippe Joly/David Schieferdecker
                       Media
                42     Perspektiven
                       1/2022

                       anbieten. In den Fokus der öffentlichen Debatte rund        sind Unterschiede nach Geschlecht (stärkere Nutzung
                       um coronabezogene Informationen sind dabei be-              bei Männern), Bildung (stärkere Nutzung bei Men-
                       sonders Medien geraten, die sich selbst als „Alter-         schen mit formal hoher Bildung) und Wohnort
                       nativen“ zu etablierten Medien stilisieren. Von den         (stärkere Nutzung bei Westdeutschen). (8) Bei pri-
                       Befragten gibt allerdings nur ein kleiner Teil (7 %) an,    vaten Fernsehsendern finden wir dagegen in Teilen
                       sich über Medien wie KenFM, Nachdenkseiten oder             spiegelbildliche Muster: Sie werden eher von Men-
                       Compact über Corona zu informieren. Damit ist die           schen mit formal niedriger Bildung und einem ost-
                       Gruppe deutlich kleiner als diejenige, die andere           deutschen Wohnort rezipiert. Zudem werden sie vor
                       reine Onlinemedien, wie etwa T-Online, nutzt (21 %).        allem von Menschen in der mittleren Altersgruppe
                       Bemerkenswert ist schließlich, dass 5 Prozent der           genutzt. Auch sogenannte alternative Medienange-
                       Befragten aus keiner Quelle Informationen über die          bote werden verstärkt in der mittleren Altersgruppe
                       Pandemie bekamen.                                           genutzt. Darüber hinaus scheint es sich bei Nutze-
                                                                                   rinnen und Nutzern alternativer Medien um eine he-
                       Mit dieser Längsschnittstudie kann nicht nur der End-       terogene Gruppe zu handeln, die sich kaum unter
                       punkt der Datenerhebung im September 2021 be-               Rückgriff auf einfache soziodemographische Merk-
                       trachtet werden, sondern auch die Entwicklung der           male fassen lässt – die Unterschiede fallen jeden-
                       Mediennutzung über fast ein Jahr hinweg nachge-             falls zwischen den verschiedenen hier betrachteten
                       zeichnet werden. Abbildung 1 zeigt ein Bild hoher Sta-      Gruppen sehr gering aus.
                       bilität. Sich über Corona zu informieren, scheint Teil
                       einer stark habitualisierten Mediennutzung zu sein.         Auch mit Blick auf Parteipräferenzen finden sich teil-   Ö.-r. Angebote
                                                                                   weise starke Unterschiede bei der Mediennutzung.         werden von einer
                       Bei genauer Betrachtung zeigen sich einige wenige           Anhänger der Grünen, der Union und der SPD nutzen        Mehrheit aller
                       Veränderungen, vor allem bei den insgesamt am               nationale öffentlich-rechtliche Angebote am stärks-      Parteianhänger
                       stärksten nachgefragten Anbietern. Von Dezember             ten (> 80 %). Im Gegensatz dazu nutzen deutlich          genutzt
                       2020 bis September 2021 verringerte sich etwa der           weniger Sympathisanten der AfD (52 %) und Men-
                       Anteil der Befragten, die die nationalen öffentlich-        schen ohne Parteipräferenz (60 %) diese Informati-
                       rechtlichen Medien nutzten, von 77 auf 71 Prozent;          onsquelle. Auch in diesen Gruppen werden dessen
                       bei den privaten Sendern von 46 auf 41 Prozent.             Angebote aber, trotz einer kritischen Grundhaltung
                       Dies bestätigt Trends, die schon Viehmann und an-           gegenüber dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk, im-
                       dere für die früheren Phasen der Pandemie aufge-            merhin noch von einer knappen Mehrheit genutzt.
                       zeigt haben. (7) Bei Print- und Onlineangeboten fal-        Bei privaten Fernsehsendern fällt auf, dass diese be-
                       len die Veränderungen dagegen geringer aus bzw.             sonders häufig von Anhängerinnen und Anhängern
                       sind gar nicht zu beobachten.                               der Union und SPD (> 47 %) und besonders selten
                                                                                   von Anhängern der Grünen (31 %) genutzt werden.
Soziodemografische     Um nicht nur Veränderungen im Zeitverlauf zu be-            Sogenannte alternative Medien werden von AfD-
     Charakteristika   trachten, sondern auch unterschiedliche Nutzungs-           Wählenden deutlich häufiger als im Durschnitt ge-
                       muster in der Bevölkerung prüfen zu können, wurde           nutzt (26 %). Die Nutzung sogenannter alternativer
                       die Mediennutzung aus der letzten Erhebungswelle            Medienangebote lässt sich also vor allem inhaltlich-
                       im September 2021 nach vier soziodemografischen             ideologisch fassen. Dabei darf man allerdings auch
                       Eigenschaften – Alter, Geschlecht, Bildung, Wohn-           nicht übersehen, dass Anhänger der AfD immer noch
                       region – differenziert. Zudem wurden die erfragten          doppelt so häufig den nationalen öffentlich-rechtli-
                       Parteipräferenzen der Befragten herangezogen, um            chen Rundfunk als Informationsquelle nennen als
                       auch deren politische Orientierung einbeziehen zu           „alternative“ Medien.
                       können. Welche Muster sich für drei ausgewählte
                       Medienangebote, nämlich den nationalen öffent-              Bei der Betrachtung des Medienkonsums ergibt sich        Wahrnehmungen der
                       lich-rechtlichen Rundfunk, private Fernsehsender            ein Bild hoher Stabilität. Dass man dies nicht als ein   Corona-Informations-
                       und sogenannte alternative Medien, ergeben, zeigt           Zeichen allgemeiner Zufriedenheit lesen sollte, ha-      landschaft im Verlauf
                       Abbildung 2.                                                ben die markanten parteipolitischen Unterschiede in      der Pandemie
                                                                                   den Zu- aber auch Abwendungsmustern gezeigt.
                       Tatsächlich werden deutliche Unterschiede erkenn-           Zumindest in einigen Gruppen scheint es deutliche
                       bar. Obwohl sich der nationale öffentlich-rechtliche        Vorbehalte gegenüber traditionellen Medien zu ge-
                       Rundfunk insgesamt großer Popularität in der Ge-            ben – aber vielleicht auch darüber hinaus? Um der
                       sellschaft erfreut, fördert die differenzierte Analyse      Frage nachzugehen, wie die mediale Berichterstat-
                       deutliche Unterschiede in der Nutzung zutage:               tung und die Informationslandschaft rund um Coro-
                       Zwischen der jüngsten (bis 34 Jahren) und der äl-           na insgesamt wahrgenommen wurden und welche
                       testen Gruppe (ab 55 Jahre) liegen bei der Nutzung          Veränderungen diesbezüglich im Zeitverlauf auftra-
                       fast 20 Prozentpunkte Unterschied, die erneut eine          ten, bat man die Befragten nach ihrem Grad an Zu-
                       größere Distanz junger Nutzer zu diesen Angeboten           stimmung zu insgesamt sechs Aussagen rund um
                       belegen. Weniger stark, aber gleichwohl sichtbar            die Informationslandschaft, wobei sie ihre Antworten
Nutzung und Wahrnehmungen der Informationslandschaft im zweiten Jahr der Pandemie
                                                                                                                                          Media
                                                                                                                                    Perspektiven   43
                                                                                                                                         1/2022

                     Abbildung 2
                     Mediennutzung ausgewählter Anbietertypen nach soziodemographischen Merkmalen und
                     parteipolitischen Präferenzen
                     September 2021, in %

                                                nationale ö.-r. Sender               private Sender                „alternative“ Medien
                             Geschlecht
                                  männlich                                 75                         41                  8
                                   weiblich                            67                             41              7

                                Alter
                                   18-34 J.                           61                          37                  6
                                   35-54 J.                              70                            45                 11
                                   ab 55 J.                                 78                    39                  6

                      Formale Bildung
                              ohne
                                                                       67                             44              7
                        Fachhochschulreife
                           mindestens
                                                                            78                   35                       9
                        Fachhochschulreife
                     regionale Herkunft

                                       West                                72                         40                 7

                                          Ost                          66                              44                 9

                       Parteipräferenz
                                  CDU/CSU                                       83                         50        1

                                       SPD                                      83                     47             2

                                          AfD                    52                                   42                       26

                                        FDP                                73                         41                  10

                                  Die Linke                                 78                    39                  6

                                      Grüne                                     86              31                   2

                       keine Parteipräferenz                       60                             38                  5

                     Frage: „Wenn Sie einmal an die vergangenen beiden Wochen denken: Von welchen Medienanbietern
                     haben Sie Informationen über die aktuelle Corona-Situation und ihre Entwicklung erhalten?“
                     Basis: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland, n=2 212 Befragte.

                     Quelle: RADID-COVID-Studie, FU Berlin.

                     auf einer fünfstufigen Skala abstufen konnten. Als                Meinungen rund um die Pandemie in den Medien
                     Zustimmung wurden alle Antworten gewertet, die                    angemessen vertreten seien.
                     einer Aussage „eher“ oder „voll und ganz“ zustimm-
                     ten. Abbildung 3 zeigt, dass die Informationsland-                In den ersten Monaten des Jahres 2021 ver-
                     schaft insgesamt differenziert bis kritisch gesehen               schlechterte sich das wahrgenommene Bild der
                     wurde und sich die Einstellungen an einigen Stellen               Informationslandschaft nachhaltig. Informationen
                     im Zeitverlauf deutlich verändert haben.                          der Regierung rund um die Pandemie wurden nun
                                                                                       als viel weniger verständlich eingeschätzt. Von 56
       Veränderte    Im Dezember 2020 empfand eine Mehrheit der                        Prozent im Dezember 2020 ging der Wert auf 37
Wahrnehmung der      Menschen (56 %), dass Informationen der Regierung                 Prozent im März und Mai 2021 zurück. Menschen
 Berichterstattung   rund um die Pandemie leicht zu verstehen seien. Zwei              fühlten sich auch weniger gut informiert, vor allem
    im Zeitverlauf   Drittel der Menschen fühlten sich sowohl gut über die             über die geltenden Maßnahmen, weniger die Krank-
                     Krankheit COVID-19 als auch die Maßnahmen zur                     heit selbst. Die Informationen wurden häufiger als
                     Eindämmung der Pandemie informiert. Nur ein gutes                 irreführend (27 % im Dezember 2020, 35 % im Mai
                     Viertel fand die Berichterstattung irreführend. Ein               2021) und „Panik verbreitend“ (33 bzw. 38 %) an-
                     Drittel der Menschen unterstellte den Medien, Panik               gesehen. Die Kritik, dass nicht alle Positionen rund
                     zu verbreiten. Schlussendlich teilten weniger als die             um die Pandemie angemessen vorkämen, weitete
                     Hälfte der Befragten (42 %) die Ansicht, dass alle                sich aus: Nur noch 32 Prozent teilten im März und
Thorsten Faas/Teodora Bibu/Philippe Joly/David Schieferdecker
                             Media
                     44      Perspektiven
                             1/2022

Abbildung 3
Wahrnehmung der Corona-Informationslandschaft
Zustimmung in %

           Medien verbreiten Panik                                 alle Meinungen kommen in den Medien vor                      Informationen sind leicht zu verstehen

                                                                                                                                56
                                                                   42                                                                                               45
  33            38            38            38                                 32            32       35                                    37          37

Dez 2020     Mrz 2021      Mai 2021    Sep 2021                Dez 2020    Mrz 2021    Mai 2021    Sep 2021                 Dez 2020 Mrz 2021        Mai 2021    Sep 2021

     angemessen über die Krankheit informiert                        angemessen über die Maßnahmen                                Nachrichten sind irreführend
                                                                               informiert

  65            61           62             65                     65                                  61
                                                                               54            54
                                                                                                                                            32          35          33
                                                                                                                                27

Dez 2020     Mrz 2021      Mai 2021   Sep 2021                  Dez 2020 Mrz 2021       Mai 2021   Sep 2021                 Dez 2020 Mrz 2021        Mai 2021    Sep 2021

Frage: „Im Folgenden finden Sie einige Aussagen zur Informationslage rund um die aktuelle Corona-Situation und ihre Entwicklung. Bitte geben Sie jeweils an, inwieweit Sie
diesen Aussagen zustimmen: (1) Die Medien verbreiten mit ihrer Corona-Berichterstattung Panik. (2) In der Corona-Berichterstattung der Medien kommen alle Sichtweisen
und Meinungen angemessen vor. (3) Die Informationen der Bundesregierung zu Corona sind leicht zu verstehen. (4) Ich fühle mich angemessen über das Coronavirus und
die Krankheit informiert. (5) Ich fühle mich angemessen über die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie informiert. (6) Ich habe oft das Gefühl, dass die
Corona-Nachrichten in den deutschen Medien falsch oder irreführend sind.“ Die Punkte geben die Zustimmung (in Prozent) zu den vier Zeitpunkten wieder, W1: Dezember
2020, W2: März 2021, W3: Mai 2021, W4: September 2021.
Basis: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland, n=2 212 Befragte.

Quelle: RADID-COVID-Studie, FU Berlin.

                             Mai 2021 die Ansicht, dass alle Meinungen rund um           schieden sich die Befragten entlang ihrer Parteiprä-
                             Corona in den Medien angemessen vertreten seien.            ferenzen: Ein Großteil der AfD-Anhänger meint, dass
                             Erst bei der vierten Befragung im September 2021            die Medien Panik machen (74 %) oder irreführende
                             verbesserte sich die öffentliche Meinung zur Infor-         und falsche Informationen verbreiten (75 %), während
                             mationslandschaft wieder– also in einer Zeit relativer      diese Meinungen deutlich seltener unter den Anhän-
                             pandemischer Entspannung –, auch wenn die Aus-              gerinnen und Anhängern von Union (22 % bzw. 18 %),
                             gangswerte aus dem Dezember 2020 nicht wieder               SPD (22 % bzw. 21 %) und Bündnis 90/Die Grünen
                             erreicht wurden.                                            (16 % bzw. 12 %) zu finden sind.

        Parteipolitische     Analog zur Betrachtung der Nutzungsmuster sollte            Wir können an dieser Stelle festhalten, dass der            Kritischste Haltung
           Präferenzen       im nächsten Schritt der Frage nachgegangen werden,          Blick auf die Informationslandschaft durchaus kriti-        bei Nutzern „alterna-
       beeinflussen die      ob es Unterschiede zwischen bestimmten Gruppen              scher geworden ist. Abschließend soll nun der Zu-           tiver“ Medien
         Wahrnehmung         der Gesellschaft hinsichtlich ihrer Wahrnehmung der         sammenhang zwischen beiden Aspekten – Nutzung
          am stärksten       Informationslandschaft gibt. Allerdings liefert eine        und Wahrnehmung – geprüft werden: Wie hängt der
                             Differenzierung anhand der soziodemografischen              Einstellungswandel mit der Art der genutzten Medien
                             Merkmale Alter, Geschlecht, Bildung und Wohnregi-           zusammen? Abbildung 4 zeigt exemplarisch, wie
                             on keine Hinweise auf nennenswerte Unterschiede.            sich Nutzende nationaler öffentlich-rechtlicher An-
                             Am ehesten noch zeigen sich Effekte von Alter und           bieter, privater Rundfunkanbieter und sogenannter
                             Bildung: Jüngere Befragte stuften die Berichterstat-        alternativer Medien unterscheiden.
                             tung weniger häufig als alarmistisch („verbreiten
                             Panik“) ein (33 % vs. 37 % im gesamten Sample);             Aus der Abbildung wird unmittelbar eine Zweiteilung
                             ältere Befragte fühlten sich dagegen besonders gut          erkennbar: Das Publikum des öffentlich-rechtlichen
                             über Covid-19 (71 % vs. 66 %) und die Eindäm-               und des privaten Rundfunks unterscheidet sich
                             mungsmaßnahmen (67 % vs. 62 %) informiert. Be-              kaum in seinen Einstellungen zu den Informations-
                             fragte mit höherer formaler Bildung fanden die              leistungen, während das von „alternativen“ Medi-
                             Nachrichten weniger häufig falsch oder irreführend          enangeboten davon stark abweichende Positionen
                             (28 % vs. 33 %). Deutlich stärker hingegen unter-           vertritt: Es äußert über alle Einstellungsvariablen
Nutzung und Wahrnehmungen der Informationslandschaft im zweiten Jahr der Pandemie
                                                                                                                                             Media
                                                                                                                                       Perspektiven   45
                                                                                                                                            1/2022

 Abbildung 4
 Wahrnehmung der Corona-Informationslandschaft differenziert nach Nutzung unterschiedlicher Medienanbieter
 Zustimmung in %

                 Medien verbreiten Panik                                   alle Meinungen kommen in den                         Informationen sind leicht zu verstehen
                                                                                     Medien vor
80                                                                                                                     80
                                                               80
60                                                                                                                     60
                                                               60
40                                                                                                                     40
                                                               40
20                                                             20                                                      20

0                                                               0                                                       0
          Dez 2020           Mrz 2021      Sep 2021                    Dez 2020       Mrz 2021        Sep 2021                  Dez 2020        Mrz 2021         Sep 2021

            angemessen über Krankheit informiert                      angemessen über Maßnahmen informiert                           Nachrichten sind irreführend

80                                                             80                                                      80
60                                                             60                                                      60
40                                                             40                                                      40
20                                                             20                                                      20
  0                                                              0                                                      0
           Dez 2020          Mrz 2021       Sep 2021                   Dez 2020       Mrz 2021        Sep 2021                  Dez 2020        Mrz 2021         Sep 2021

                      Nutzende von nationalen ö.-r. Sendern                  Nutzende von privaten Sendern                  Nutzende von „alternativen“ Medien

 Frage: „Im Folgenden finden Sie einige Aussagen zur Informationslage rund um die aktuelle Corona-Situation und ihre Entwicklung. Bitte geben Sie jeweils an, inwieweit Sie
 diesen Aussagen zustimmen. (1) Die Medien verbreiten mit ihrer Corona-Berichterstattung Panik. (2) In der Corona-Berichterstattung der Medien kommen alle Sichtweisen
 und Meinungen angemessen vor. (3) Die Informationen der Bundesregierung zu Corona sind leicht zu verstehen. (4) Ich fühle mich angemessen über das Coronavirus und
 die Krankheit informiert. (5) Ich fühle mich angemessen über die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie informiert. (6) Ich habe oft das Gefühl, dass die
 Corona-Nachrichten in den deutschen Medien falsch oder irreführend sind.“ Die Punkte geben die Zustimmung (in Prozent) zu den vier Zeitpunkten wieder, W1: Dezember
 2020, W2: März 2021, W3: Mai 2021, W4: September 2021.
 Basis: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland, n=2 212 Befragte.

 Quelle: RADID-COVID-Studie, FU Berlin.

                               hinweg die kritischsten Meinungen. Besonders die           dener Medien unterschiedlich viel über das Virus
                               Aussagen zur „medialen Panikmache“ und zu fal-             und die Pandemie wissen. In der ersten, zweiten und
                               schen und irreführenden Informationen in den Nach-         vierten Welle sollten die Befragten für jeweils vier
                               richten erhalten in dieser Gruppe fast doppelt so          relevante Aussagen, die das aktuelle pandemische
                               hohe Zustimmungswerte. Zugleich darf man nicht             Geschehen der Zeit beschrieben, entscheiden, ob
                               übersehen, dass auch Nutzerinnen und Nutzer des            diese zutreffen oder nicht. Die Befragten konnten
                               öffentlich-rechtlichen Rundfunks und privater Sen-         mit „Aussage richtig“, „Aussage falsch“ oder „weiß
                               der mehrheitlich nicht der Meinung sind, dass alle         nicht“ antworten. So wurde zum Beispiel im Dezem-
                               Meinungen in den Medien angemessen vorkommen.              ber 2020 das Verständnis für die Reproduktionszahl R
                                                                                          untersucht; im März 2021 ging es um Wissen zu den
                               Im Zeitraum der Erhebung verliefen die Muster der          Impfstoffen, im September wurde nach der Delta-
                               Veränderungen selbst in allen Gruppen sehr gleich-         Variante des Virus gefragt (vgl. Tabelle 1). Die kor-
                               förmig – nahezu überall lieferte die zweite Erhebung       rekten Antworten der Personen, die an allen vier
                               aus dem März 2021 die kritischsten Werte. Diese            Befragungen teilgenommen haben, wurden zu ei-
                               Gleichförmigkeit legt nahe, dass die Entwicklungen         nem kumulativen Wissensindex summiert, dessen
                               weniger mit den eigenen rezipierten Medien zu tun          Verteilung in Abbildung 5 dargestellt ist.
                               haben, sondern Ausdruck medienübergreifender,
                               gesamtgesellschaftlicher Stimmungslagen sind.              Alles in allem ist das Wissen über die Pandemie mit-
                                                                                          telmäßig stark ausgeprägt. Im Durchschnitt beant-
         Wissen über die       Abschließend stellt sich die Frage, inwiefern unter-       worteten unsere Befragten 6,9 der 12 gestellten
     Pandemie und Maß­         schiedliche Mediennutzungsgewohnheiten mit ei-             Fragen korrekt, obwohl die Fragen zum jeweiligen
       nahmenakzeptanz         nem unterschiedlichen Erleben und Verarbeiten der          Zeitpunkt der Befragung sehr aktuell und relevant
         als Korrelate zur     Pandemie einhergingen. Zunächst interessierte da-          waren. 28 Prozent der Befragten konnten neun Fra-
          Mediennutzung        bei die Frage, ob Nutzerinnen und Nutzer verschie-         gen oder mehr richtig beantworten. Dagegen konnten
Thorsten Faas/Teodora Bibu/Philippe Joly/David Schieferdecker
                   Media
            46     Perspektiven
                   1/2022

                    Tabelle 1
                    Liste der verwendeten Wissensitems

                    Dezember 2020
                         – Man kann Andere mit dem Coronavirus anstecken, auch wenn man selbst keine Symptome der Krankheit hat.
                         – Störungen des Geruchs- oder Geschmackssinns können als Symptom einer COVID-19-Erkrankung auftreten.
                         – Nur wenn die Reproduktionszahl R über einen längeren Zeitraum unter 0 liegt, geht die Zahl der Neuinfektionen zurück.
                         – Im Frühjahr 2020 sind in Europa mehr Menschen gestorben als im gleichen Zeitraum in den Jahren zuvor.
                    März 2021
                         – Die Impfstoffe von Biontech/Pfizer und Moderna sind mRNA-Impfstoffe, der Impfstoff von AstraZeneca nicht.
                         – Nur wenn die Reproduktionszahl R über einen längeren Zeitraum unter 0 liegt, geht die Zahl der Neuinfektionen zurück.
                         – Zwischen der Ansteckung mit dem Coronavirus und dem Beginn der Erkrankung vergehen im Mittel 5 bis 6 Tage.
                         – Die B.1.1.7-Mutation des Coronavirus ist im Vergleich deutlich ansteckender.
                    September 2021
                         – Die Delta-Variante ist die aktuell dominante Variante des Coronavirus in Deutschland.
                         – Die Delta-Variante des Coronavirus wurde zuerst in Großbritannien entdeckt.
                         – Die in Deutschland zugelassenen Impfstoffe bieten nur einen minimalen Schutz gegen die Delta-Variante des Coronavirus.
                         – Einfache medizinische Masken (sog. "OP-Masken") dienen primär dem Schutz anderer und weniger dem eigenen Schutz vor einer Infektion.
                    Quelle: Studie RAPID-COVID, FU-Berlin.

                   Abbildung 5
                   Kumulativer Wissensindex
                   Anzahl richtiger Antworten auf 12 gestellte Wissensfragen, in %

                                                                                      16      15

                                                                             13                       12

                                                                   9                                           10
                                                          8

                                                  5                                                                    5
                                         3
                                2
                     1                                                                                                          2

                     0          1        2        3       4        5          6       7        8         9     10     11       12

                                                                       Anzahl richtiger Antworten

                   Basis: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland, n=2 212 Befragte.

                   Quelle: RADID-COVID-Studie, FU Berlin.

                   11 Prozent der Befragten nur maximal drei Fragen                 rem Wissen einhergeht (je größer die Zahl, desto
                   richtig beantworten. Die Varianz ist also hoch.                  stärker trifft das zu), negative Werte zeigen das Ge-
                                                                                    genteil – die entsprechenden Nutzer wissen weniger.
   Nutzende der    Doch variiert das Wissen mit der Mediennutzung?
    ö.-r- Sender   Abbildung 6 zeigt, in welchem Verhältnis die Nutzung             Das Ergebnis ist deutlich. Personen, die den nationa-
zeigen höchsten    verschiedener Medienanbieter aus der ersten Befra-               len öffentlich-rechtlichen Rundfunk im Dezember
  Wissensstand     gungswelle mit dem Wissen über alle Wellen hinweg                2020 (und angesichts der hohen Stabilität der Me-
                   steht. Die Korrelationskoeffizienten zeigen an, wie              diennutzung wohl auch darüber hinaus) nutzten,
                   stark der Zusammenhang zwischen der Nutzung ei-                  haben im Durchschnitt ein höheres Wissen über
                   nes bestimmten Mediums und dem Wissensindex ist.                 die Pandemie. (9) Mit der Nutzung von privaten
                   Positive Werte bedeuten, dass die Nutzung mit höhe-              Fernsehsendern geht dagegen nur ein kaum merk-
Nutzung und Wahrnehmungen der Informationslandschaft im zweiten Jahr der Pandemie
                                                                                                                                     Media
                                                                                                                               Perspektiven   47
                                                                                                                                    1/2022

                        licher Anstieg des Wissens einher. Die Nutzung so-       Abbildung 6
                        genannter alternativer Medien geht sogar mit einem       Korrelationen zwischen der Mediennutzung ausgewählter Anbietertypen
                                                                                 in der ersten Welle und dem kumulativen Wissensindex
                        geringeren Wissensstand über die Pandemie einher:
                        Personen, die im Dezember 2020 Informationen aus
                        solchen Medien erhalten haben, eigneten sich im Lau-
                        fe der Pandemie weniger Kenntnisse an als andere.        nationale ö.-r. Sender                                                        0,27

         Zwei Drittel   In einem zweiten Schritt wurde untersucht, ob sich
befürworten Corona-     Nutzerinnen und Nutzer verschiedener Medien mit                 private Sender                                0,02
       Maßnahmen        Blick auf die Akzeptanz der Maßnahmen zur Ein-
                        dämmung der Pandemie unterschieden. In allen Be-
                        fragungswellen wurden die Teilnehmenden gefragt,          „alternative“ Medien      -0,10
                        wie sie die Maßnahmen zur Eindämmung der Coro-
                        na-Pandemie insgesamt bewerten. Hierbei konnten
                        die Befragten ihre Antwort auf einer elfstufigen Ska-    Die Balken zeigen die Korrelation zwischen der Nutzung ausgewählter
                        la, die von totaler Ablehnung bis zu uneingeschränk-     Medienanbieter, gemessen in der 1. Befragungswelle, und dem kumulativen
                                                                                 Wissen, gemessen anhand von 12 Fragen verteilt über drei Wellen, W1: Dezember
                        ter Unterstützung reicht, abstufen. Als Unterstützung    2020, W2: März 2021, und W4: September 2021. Positive Werte bedeuten, dass
                        zählen alle Befragten, die sich jenseits der Mittelka-   die Nutzung eines bestimmten Medienanbieters mit höherem Wissen einhergeht,
                        tegorie befinden, unabhängig vom Ausmaß der Un-          negative Werte zeigen das Gegenteil.
                                                                                 Basis: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland, n=2 212 Befragte.
                        terstützung.
                                                                                 Quelle: RADID-COVID-Studie, FU Berlin.
                        In unserer letzten Befragungswelle unterstützten
                        ungefähr zwei Drittel der Befragten die Maßnahmen.
                        Abbildung 7 differenziert dieses globale Maß an Un-      Abbildung 7
                        terstützung nun danach, aus welchen Quellen Befrag-      Unterstützung der Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie differenziert
                        te Informationen beziehen. Auch hier ist das Ergebnis    nach Nutzung unterschiedlicher Medienanbieter
                                                                                 in %
                        eindeutig. Eine klare Mehrheit der Nutzenden des na-
                        tionalen öffentlich-rechtlichen Rundfunks wie auch
                        privater Fernsehsender unterstützt die Maßnahmen.         80
                        Ein Großteil der Nutzerinnen und Nutzer von soge-
                                                                                  60
                        nannten alternativen Medienangeboten lehnt hinge-
                        gen die Maßnahmen ab. Der Unterschied beträgt fast        40
                        50 Prozentpunkte. Dabei ist auch mit Blick auf die
                                                                                  20
                        zeitliche Entwicklung festzustellen, dass die Maßnah-
                        menunterstützung im Laufe des zweiten Jahres der           0
                        Pandemie insgesamt und in allen Gruppen abnahm.                        Dez 2020                    Mrz 2021                Sept 2021
                                                                                                           Nutzende von nationalen ö.-r. Sendern
                        Fazit                                                                              Nutzende von privaten Sendern
   Mediennutzungs-      In der Corona-Pandemie sind die wechselseitigen
                                                                                                           Nutzende von „alternativen“ Medien
      trends setzen     Abhängigkeiten und Spannungsverhältnisse zwi-
    sich im zweiten     schen Medien, Politik und Öffentlichkeit deutlich ge-     Fragewortlaut: „Bitte denken Sie nun speziell an die Maßnahmen zur Eindämmung
     Coronajahr fort    worden. Im vorliegenden Beitrag haben wir uns             der Corona-Pandemie, die die Bundes- und Landesregierungen beschlossen haben.
                        diesem Spannungsverhältnis aus der Perspektive            Wir kommen gleich zu den einzelnen Maßnahmen. Zunächst einmal ganz allgemein,
                                                                                  wie bewerten Sie die Maßnahmen insgesamt?“ Die Punkte geben die Unterstützung
                        von Bürgerinnen und Bürgern genähert und ihre Me-
                                                                                  (in Prozent) zu den drei Zeitpunkten wieder, W2: März 2021, W4: September 2021.
                        diennutzung und Wahrnehmung der Informations-             Alle Befragten, die sich jenseits der Mittelkategorie einordnen, gelten als
                        landschaft einerseits sowie ihr Wissen rund um die        unterstützend.
                        Pandemie und ihre Akzeptanz von Maßnahmen an-             Basis: Wahlberechtigte Bevölkerung in Deutschland, n=2 212 Befragte.
                        dererseits in den Blick genommen. Dabei zeigt sich,       Quelle: RADID-COVID-Studie, FU Berlin.
                        dass Trends, die sich in früheren Studien andeuten,
                        sich auch im zweiten Jahr der Pandemie, das hier
                        untersucht wurde, fortsetzen.                            funk. Außerdem hat sich gezeigt, dass der Medien-
                                                                                 konsum über die gesamte untersuchte Zeitspanne
     In Krisenzeiten    Erstens zeigen die Ergebnisse auf der Basis der vor-     recht stabil ist; zudem zeigen sich vertraute Muster,
      am häufigsten     liegenden Panelstudie, dass sich die überwiegende        was Unterschiede zwischen soziodemografisch de-
    ö.-r. Programm­     Mehrheit der deutschen Bürger für die Informations-      finierten Gruppen ergibt. Der nationale öffentlich-
   angebote genutzt     beschaffung über die Pandemie auf Medien verlas-         rechtliche Rundfunk etwa wird stärker von älteren
                        sen und sich dabei die traditionellen Medienanbieter     Menschen genutzt; es zeigen sich aber auch Unter-
                        der größten Popularität erfreuen. Dies gilt insbeson-    schiede nach Geschlecht (stärkere Nutzung bei
                        dere für den nationalen öffentlich-rechtlichen Rund-     Männern), Bildung (stärkere Nutzung bei Menschen
Thorsten Faas/Teodora Bibu/Philippe Joly/David Schieferdecker
                    Media
            48      Perspektiven
                    1/2022

                    mit formal hoher Bildung) und Wohnort (stärkere             machen – es hat Folgen auf vielen verschiedenen
                    Nutzung bei Westdeutschen). Bei privaten Fernseh-           Ebenen. Sowohl für die Zufriedenheit als auch den
                    sendern finden wir dagegen in Teilen spiegelbildli-         Wissensstand der Bürgerinnen und Bürger.
                    che Muster.

         Größere    Diese hohe Nutzung sollte man aber nicht mit weit-          Anmerkungen
   Zufriedenheit    verbreiteter Zufriedenheit gleichsetzen – im Gegen-         1)	Vgl. hierzu die Ergebnisse der Mainzer Langzeitstudie
  bei Nutzenden     teil: Ein Drittel unserer Befragten bewerten das Me-            Medienvertrauen. Zuletzt: Jakobs, Ilka/Tanjev Schultz/
  ö.-r. Angebote    dienangebot in der Pandemie als irreführend und zu              Christina Viehmann/Oliver Quiring/Nikolaus Jackob/Marc
                                                                                    Ziegele/Christian Schemer: Medienvertrauen in Krisen-
                    alarmierend; ein ähnlicher Anteil fühlt sich unange-            zeiten. Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen 2020.
                    messen informiert. Diese kritischen Sichtweisen                 In: Media Perspektiven 3/2021, S. 152-162.
                    finden wir dabei vor allem bei Unterstützende der           2)	Viehmann, Christina/Marc Ziegele/Oliver Quiring:
                    AfD beziehungsweise Nutzerinnen und Nutzern so-                 Gut informiert durch die Pandemie? Nutzung unter-
                                                                                    schiedlicher Informationsquellen in der Corona-Krise.
                    genannter alternativer Medien, während Nutzende                 Ergebnisse einer dreiwelligen Panelbefragung im Jahr
                    des öffentlich-rechtlichen Rundfunks insgesamt zu-              2020. In: Media Perspektiven 10-11/2020, S. 556–577.
                    friedener sind.                                             3)	Wolling, Jens/Christina Schumann/Dorothee Arlt:
                                                                                    Vier Corona-Welten – Divergierende Vorstellungen von
                                                                                    einer multiplen Krise und die Rolle der Medien. Eine
   Präferenz für    Und für all das deuten sich auch Konsequenzen an,               Typologie auf Grundlage der Weltbezugs-Theorie.
   „alternative“    etwa mit Blick auf das Wissen der Befragten. Die                In: Media Perspektiven, 10-11/2020, S. 578–590.
                                                                                4)	Jakobs u.a. (Anm. 1)
Medien korreliert   Präferenzen für bestimmte Medienangebote korre-
                                                                                5)	Bei der dritten Welle handelte es sich um eine kürzere
  mit geringem      lieren mit einem unterschiedlichen Wissensniveau.               Befragung, für die das Fragenprogramm gekürzt werden
  Wissensstand      Nutzende der sogenannten alternativen Medienan-                 musste. Angesichts der insgesamt zu beobachtenden
                    gebote zeigen einen niedrigen Wissensstand, die                 hohen Stabilität der Mediennutzung wurde daher in dieser
                                                                                    Welle auf die erneute Abfrage verzichtet.
                    Nutzung öffentlich-rechtlicher Sender geht dagegen          6)	Die Befragten wurden dabei explizit darauf hingewiesen,
                    mit einem Mehr an Wissen einher. Im zweiten Jahr                dass es keine Rolle spielt, ob sie die Inhalte dieser
                    der Pandemie sind es vor allem Personen, die der                Medienanbieter offline oder online konsumieren.
                                                                                7)	Vgl. Viehmann/Ziegele/Quiring (Anm. 2).
                    AfD nahestehen, die die öffentlich-rechtlichen und
                                                                                8)	Das Muster zeigt sich in ähnlicher Form, teilweise noch
                    traditionellen Qualitätsmedien weniger nutzen, die              deutlicher für regionale öffentlich-rechtliche Angebote.
                    mit dem Informationsangebot unzufrieden und so-                 Diese werden fast doppelt so häufig von älteren
                    genannten alternativen Medien zugewandt sind.                   Menschen genutzt. Zudem sind es auch hier v.a. Männer
                                                                                    und Menschen mit formal hoher Bildung, die auf diese
                    Hauptsächlich sind es Nutzer von „alternativen“ Me-             Angebote zurückgreifen. Allerdings ist der regionale
                    dienangeboten, die ein geringeres Wissen über die               Rundfunk in den östlichen Bundesländern deutlich
                    Pandemie haben und die Maßnahmen eher ableh-                    beliebter. Auch die Ergebnisse für Printanbieter reprodu-
                                                                                    zieren das Grundmuster.
                    nen. Insgesamt ist es demnach auch im zweiten
                                                                                9)	Gleiches gilt auch für die Nutzung von regionalen und
                    Jahr der Pandemie keineswegs egal, von welchen                  überregionalen Zeitungen und in geringerem Maße für
                    Medienangeboten Bürgerinnen und Bürger Gebrauch                 regionalen öffentlich-rechtlichen Rundfunk.
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