Pathophysiologie der Wundheilung - Januar 2020 - Universitätsspital Basel

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Pathophysiologie der Wundheilung - Januar 2020 - Universitätsspital Basel
21. Januar 2020

Pathophysiologie der Wundheilung

Prof. Alexander Navarini
Dermatologie
Universitätsspital Basel

Basler Wund- und Dekubitusseminar
Pathophysiologie der Wundheilung - Januar 2020 - Universitätsspital Basel
Wunde ist ein Gewebedefekt
Pathophysiologie der Wundheilung - Januar 2020 - Universitätsspital Basel
Wundheilungskapazität vor der Geburt

               Regeneration
Pathophysiologie der Wundheilung - Januar 2020 - Universitätsspital Basel
Wundheilungskapazität nach der Geburt

                          Reparatur

Reissfestigkeit: nach 1 Monat 40%, nach 1 Jahr 70%
Pathophysiologie der Wundheilung - Januar 2020 - Universitätsspital Basel
Je jünger, desto schneller heilt es zu …
Pathophysiologie der Wundheilung - Januar 2020 - Universitätsspital Basel
Die Tiefe der Wunde bestimmt den Heilungstyp
                        Erosion  nur Epidermis kaputt
                        • Kann sich perfekt regenerieren, keine Narbe

                        Oberflächliche Wunde / Ulcus  Epidermis und
                        obere Dermis zerstört
                        • Re-Epithelialisierung kommt von den Rändern
                           und den verbleibenden Hautanhängseln
                        • Gibt Narbe

                         Tiefe Wunde / Ulcus  Epidermis und ganze
                         Dermis zerstört
                         • Keine Hautanhängsel mehr vorhanden
                         • Re-Epithelialisierung kommt nur von den
                            Rändern
                         • Gibt Narbe
                         • Wunde kontrahiert sich
Pathophysiologie der Wundheilung - Januar 2020 - Universitätsspital Basel
Klinische Phasen der Wundheilung

                    Wund-            Epithel-
Granulation
                  kontraktion      ialisierung
Pathophysiologie der Wundheilung - Januar 2020 - Universitätsspital Basel
Ab wann ist eine Wunde chronisch?
 Ab 6 Wochen.
 25-50% der Beinulcera und 30% der Fussulzera sind nach 6 Monaten noch
  offen.

Wie häufig ist das Problem?
 1-2% der Bevölkerung haben eine chronischen Wunde.
Pathophysiologie der Wundheilung - Januar 2020 - Universitätsspital Basel
Kosten von Hautwunden
 70 Millionen chirurgische Eingriffe pro Jahr in den USA
 11 Millionen Verbrennungen pro Jahr in den USA
 Kosten: 15 Milliarden USD für venöse Ulzera, 12 für diabetische Ulzera

Gesundheitskosten
der Dermatologie

Singer et al. NEJM 2017
Pathophysiologie der Wundheilung - Januar 2020 - Universitätsspital Basel
Was führt zur chronischen Wunde?

                                   (Durchblutungsstörung)
Kategorien von Wunden

 Gestörter venöser Abfluss  Ulcus cruris venosum (70% aller Ulzera)

 Erhöhte mechanische Belastung beim Dekubitus

 Vasculäre, neurologische und metabolische Gewebeschädigung beim
  diabetischen Fuss
Kategorien von Wunden

 Gestörter venöser Abfluss  Ulcus cruris venosum

 Erhöhte mechanische Belastung beim Dekubitus

 Vasculäre, neurologische und metabolische Gewebeschädigung beim
  diabetischen Fuss
Kategorien von Wunden

 Gestörter venöser Abfluss  Ulcus cruris venosum

 Erhöhte mechanische Belastung beim Dekubitus

 Vasculäre, neurologische und metabolische
  Gewebeschädigung beim diabetischen Fuss

 Arterielle Wunden  Ischämie
 < 10% andere Ursachen für Wunden
Wundlokalisation
               Venös                                gibt Hinweis auf
                                                    Ursache

      Über Malleolus
      medialis                                 Über Malleolus
                                               lateralis

               Arteriell                        Neuropathisch
                                                   Innere Seite
Zehengelenke        Tibia          Zehengelenke   Metatarsalkopf

                       Malleolus     Meta-                  Malleolus
                                     tarsal-
      Fersen                          kopf       Fersen
Wundlokalisation
                          gibt Hinweis auf
                          Ursache

Singer et al. NEJM 2017
Verzögerte Wundheilung – wer und warum?

 15-20% aller Patienten haben eine verzögerte Wundheilung aufgrund
  o Ödem
  o Ischämie
  o Infektion
  o Fremdkörper

Welche Faktoren sind anders bei einer schlecht
heilenden Wunde?
 Normal heilende Wunde                Chronische Wunde
 Hohe Mitoseaktivität                 Geringe Zellteilung
 Normale Fibroblastenaktivität        Fibroblasten gehen in Seneszenz

 Normaler Turnover der Matrix         Extrazelluläre Matrix wird degradiert
 Selbstlimitierende Entzündung        Entzündung ist unkontrolliert
Wieso heilen Wunden an den Beinen schlechter als
anderswo?
 Hydrostatischer Druck an den Beinen
  viel höher  Stase der Zirkulation

 Kapillarnetz ist an den Händen und
  am Kopf viel dichter
Klinische Gründe für verzögerte Wundheilung
Wunde          Systemisch    Äussere         Krankheiten
                             Einflüsse
Körperstelle   Ernährung     Chemotherapie   Diabetes
Infektion      Alter         NSAR            Autoimmunität
Gefässe        Geschlecht    Steroide        Venöse Stase
Sauerstoff     Stress        Bestrahlung     Keloidbildung
Mechanischer   Immobilität   Rauchen         Genetik
Stress
Austrocknung                 Alkohol         Immun-
                                             suppression
Ödem                                         Uebergewicht
                                             Vaskulitis
                                             Neuropathie

Science 2014
Biologische Gründe für verzögerte Wundheilung

                                Hyper-
                                proliferation
                                Epidermis

                                Fehlender
                                Stop der
                                Entzündung

                                Fibrosierung

Science 2014
Zelluläre Phasen der Wundheilung

     Entzündung

     Zellteilung

     Remodeling

                   Tage   Wochen   Monate
Zelluläre Phasen der Wundheilung
  Minuten Stunden Tage                                                           Wochen             Monate

             Entzündung
 Hämostase

 Plättchen      Fibrin-Thrombus
                Wachstumsfaktoren

 Entzündung
 Hauptzellen    Chemotaxis,
                Entzündung
 Neutrophile
 Makrophagen    Phagozytose

                                                 Zellteilung
                          Neue Oberfläche
                          Keratinozyten
                                                        Re-Epithelialisierung
                          Dermale Regeneration
                          Endothelzellen
                          Fibroblasten                  Angiogenese
                                                        Fibroplasie

                                                                                       Remodeling
                                                                                Keratinozyten   Epidermisreifung
                                                                                Myofibroblasten Wundkontraktion
                                                                                Endothelzellen Apoptose, Narbenbildung

Li et al. Clin. Dermatol. 2007
Aggregierte Thrombozyten geben Platelet-drived
factor ab und stimulieren die Fibrinbildung
Hämostase
Zelluläre Phasen der Wundheilung
  Minuten Stunden Tage                                                           Wochen             Monate

             Entzündung
 Hämostase

 Plättchen      Fibrin-Thrombus
                Wachstumsfaktoren

 Entzündung
 Hauptzellen    Chemotaxis,
                Entzündung
 Neutrophile
 Makrophagen    Phagozytose

                                                 Zellteilung
                          Neue Oberfläche
                          Keratinozyten
                                                        Re-Epithelialisierung
                          Dermale Regeneration
                          Endothelzellen
                          Fibroblasten                  Angiogenese
                                                        Fibroplasie

                                                                                       Remodeling
                                                                                Keratinozyten   Epidermisreifung
                                                                                Myofibroblasten Wundkontraktion
                                                                                Endothelzellen Apoptose, Narbenbildung

Li et al. Clin. Dermatol. 2007
Entzündung während der Wundheilung
Keratinozyten     Blutplättchen
                  (Thrombozyten)

  Neutrophile
  Granulozyten,
  Botenstoffe
Entzündung steuert die Qualität des Reparaturvorgangs

                                   Verletzung

 Embryo,                          Erwachsene                  Diabetes
 Kleinkind                                                    Venöse Ulzera
                                                              Alter

                                                                              Entzündung
Kontrolle der Gefässbildung, Belegen mit Hautzellen, Bindegewebe

Regeneration,           Normale           Hypertrophe Narbe      Chronische
narbenfreie Abheilung    Narbe               oder Keloid          Wunde
Zelluläre Phasen der Wundheilung
  Minuten Stunden Tage                                                           Wochen             Monate

             Entzündung
 Hämostase

 Plättchen      Fibrin-Thrombus
                Wachstumsfaktoren

 Entzündung
 Hauptzellen    Chemotaxis,
                Entzündung
 Neutrophile
 Makrophagen    Phagozytose

                                                 Zellteilung
                          Neue Oberfläche
                          Keratinozyten
                                                        Re-Epithelialisierung
                          Dermale Regeneration
                          Endothelzellen
                          Fibroblasten                  Angiogenese
                                                        Fibroplasie

                                                                                       Remodeling
                                                                                Keratinozyten   Epidermisreifung
                                                                                Myofibroblasten Wundkontraktion
                                                                                Endothelzellen Apoptose, Narbenbildung

Li et al. Clin. Dermatol. 2007
Am Ulcusrand beginnt die Epithelialisierung
Haarfollikel helfen bei der Epithelialisierung
Am Ulcusrand beginnt die Epithelialisierung

 Ausreifung

Epidermis

 Basal-
 Membran
Angiogenese während der Wundheilung
Einfluss der Feuchtigkeit auf die Epithelialisier-
ungsrate bei oberflächlichen Wunden des Schweins

                                       Trockene
                                       Wunde

                                       Feuchte
                                       Wunde

Winter et al. Nature 1962
Wie sieht das aus in der Klinik? Studien zur
Feuchthaltung von Wunden
Zelluläre Phasen der Wundheilung
  Minuten Stunden Tage                                                           Wochen             Monate

             Entzündung
 Hämostase

 Plättchen      Fibrin-Thrombus
                Wachstumsfaktoren

 Entzündung     Chemotaxis,
 Hauptzellen    Entzündung

 Neutrophile    Phagozytose
 Makrophagen

                                                 Zellteilung
                          Neue Oberfläche
                          Keratinozyten
                                                        Re-Epithelialisierung
                          Dermale Regeneration
                          Endothelzellen
                          Fibroblasten                  Angiogenese
                                                        Fibroplasie

                                                                                       Remodeling
                                                                                Keratinozyten   Epidermisreifung
                                                                                Myofibroblasten Wundkontraktion
                                                                                Endothelzellen Apoptose, Narbenbildung

Li et al. Clin. Dermatol. 2007
• Extrazelluläre Matrix ist in einem konstanten Turnover.
• Produziert von Fibroblasten, Keratinozyen, Makrophagen,
  Endothelzellen.
• Fasern und Schleim-Moleküle machen ein dynamisches Netzwerk.
• Können zelluläre Aktionen beeinflussen und Botenstoffe sowie Wasser
  speichern.

Mayo Clin Proc. 2013
Fibroblasten werden zu Myofibroblasten während
Narbenbildung  Kontraktur!
Wann debridieren wir eine Wunde?

• Entfernung von devitalisiertem Gewebe wegen
   • Reduktion von Infektionsherden
   • Nekrotisches Gewebe versperrt die Einsicht des Klinikers
   • Fremdkörper verhindert die Abheilung

• Reduziert Bakterienzahl, atypische Keratinozyten und seneszente
  Fibroblasten

• Bis sichtbar lebendes, blutendes Gewebe

• Chirurgisch / autolytisch / enzymatisch
Wie debridieren wir eine Wunde?

 1. Chirurgisch  Schnell, direkt, aber braucht Analgesie, Blutung
    möglich, Expertise nötig
 2. Autolytisch  Selektiv, schmerzlos, bei wenig Debris, nicht bei
    infizierten Wunden
 3. Mechanisch  Nass-zu-trocken. Schnell, schmerzt aber, gut bei viel
    Debris, unselektiv
 4. Enzymatisch -> Starke Entzündung, braucht viel Zeit
 5. Biologisch  Braucht Schulung, emotionale Komponente, rasch, leicht
    schmerzhafter
Das Débritom

Die Säuberung der Wunde
mit Hochdruck-Wasserstrahl
Lucilia – die Madentherapie

   Wundsäuberung durch Maden – biologisches Debridement
   Larven fressen devitales Gewebe
   Verschont lebendes Gewebe
   Fraglicher antibakterieller Effekt
   Biofilme sollen verhindert werden
   Funktioniert nicht auf steinharten
    Nekrosen  Hydrieren
Hautmikrobiom unterschiedlich je nach Region

Science 2014
Hautmikrobiom kann einen Infekt begünstigen; oder
auch angeborene Immunität schützend aktivieren
                           Nährstoffe:
                           Glucose,
                           Sebum

  Genetik                Dichte                  Orts-         Co-              Infektion
                                                 ständig       Infektion

       Antimikrobielle                                     Toxine,
       Peptide,                                            Entzündungssignale
       Keratinozyten
                            Verstärkte Rekrutierung
                            von Entzündungszellen
Mikrobiom ist unterschiedlich je nach Typ der Wunde

                                                      Aerobe Bakterien
                                                      Fakult.
                                                      Anaerobier
                                                      Strikte
                                                      Anaerobier

            Venös            Diabetisch   Dekubitus
Biofilm-Entwicklung:
(i) Oberflächenhaftung;
(ii) Mikrokolonien
(iii) Reifung des Biofilms
(iv) Verteilung, Ablösung
Biofilme als Grund für verzögerte Heilung

                   Chronische Wundinfektion

  Polymikrobielle Biofilme mit Bakterien wie P. aeruginosa können nicht
  eradiziert werden, von Neutrophilen wie auch durch Antibiotika nicht.

Wound Rep Reg. 2008
• Autogen
• Lange Dauer bis bereit
• Können sich permanent
  integrieren

•   Allogen oder Xenogen
•   Einfach herzustellen
•   Können Fibroblasten enthalten
•   Risiko der Abstossung oder
    Immunogenizität

• Autogen, Allogen oder Xenogen
• Kann Fibroblasten enthalten
• Risiko der Abstossung
Zukunftsperspektiven
• Visuelle Evaluation von Wunden wird teilautomatisiert
  stattfinden können
• Follow-App erlaubt Selbstmanagement von Wunden
• Hautfabriken anstatt Spalthaut
Zusammenfassung

 Wunden heilen in feuchtem Milieu rascher

 Debridement ist sinnvoll

 Kategorien chronischer Wunden:
  a) Venös
  b) Arteriell (ischämisch / hypertensiv)
  c) Neuropathisch (z.B. durch Diabetes)
  d) Druck-/Scherkräfte-bedingt (Dekubitus)
  e) Gemischt
  f) andere Ursachen (z.B. Malignität)

 Kontakt: alexander.navarini@usb.ch
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