Performance Practice in Contemporary Music - Montag, 28. Juni 2021 19.30 Uhr, MUMUTH, György-Ligeti-Saal
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Performance Practice in Contemporary Music Montag, 28. Juni 2021 19.30 Uhr, MUMUTH, György-Ligeti-Saal
PROGRAMM Anton Webern 6 Stücke op. 6 für Orchester (1883-1945) Friedrich Cerha Quellen (*1926) Johannes Staud Auf die Stimme der weißen Kreide (*1974) ~~~~~~~ Mitglieder des Klangforum Wien PPCM-Studierende der KUG Dirigent: Patrick HAHN
Klangforum Wien Peter TAVERNARO – Oboe, Englischhorn Edurne SANTOS – Fagott, Kontraforte Jason PFIESTER – Horn Anders NYQVIST, David SCHMIDT – Trompete Mikael RUDOLFSSON – Posaune Simon TEUREZBACHER – Tuba Melanie HOSP – Gitarre Björn WILKER, Alex LIPOWSKI, Manuel ALCARAZ – Schlagwerk Maxime DESERT, Dimitrios POLISOIDIS – Viola Leo MORELLO – Violoncello Paul SALOMON – Kontrabass PPCM-Studierende Filip NOVAKOVIC – Akkordeon Alexandra SKRILEC, Gregory CHALIER, Jakobus WEICHINGER – Flöte Felix MARTL, Elena ARBONIEZ JAUREUGI, Cristian MOLINA – Klarinette Lea MOULLET, Alona PYNZENYK, Judith FLIEDL – Violine Anna GRENZNER MATHEU – Violoncello Eunhye KIM, Ana OSTJOIC, Milica ZAKIC – Klavier Katja ZWANZIGER – Saxofon Simon Tamas BARATH – Percussion Technisches Personal Ton und Streaming: Alexander ZWIERZINA, Christian SCHEUCHER Kamera: Ulrich GLADISCH, Aman IBRAHIMI Videoregie: Thomas BERGNER Licht: Ralf BEYER Stage: Ursula FLEISCHHACKER, Johannes GUNTSCHNIG, Alexander WIEDENHOFER Orchesterwarte Klangforum Wien: Xaver DIENZ, Alexander STEININGER Koordination Klangforum Wien: Jürgen SEMLITSCH
Patrick HAHN Der Dirigent, Komponist und Pianist Patrick Hahn wurde 1995 in Graz, Österreich geboren und hat sich bereits als einer der versatilsten Künstler seiner Generation etabliert. Zur Spielzeit 2021/22 wurde er zum Generalmusikdirektor der Wuppertaler Bühnen und Sinfonie- orchester GmbH und damit zum jüngsten GMD im deutschsprachigen Raum berufen. Als Dirigent verbinden ihn Zusammenarbeiten mit Orchestern und Opernhäusern wie den Münchner Philharmonikern, den Klangkörpern des Bayerischen Rundfunks, dem Gürzenich-Orchester Köln, der Dresdner Philharmonie, der NDR Radiophilharmonie, den Sympho- nikern Hamburg, dem Tonkünstlerorchester Niederösterreich, den Wiener Symphonikern, der Camerata Salzburg, dem klangforum Wien, dem Luzerner Sinfonieorchester, der Camerata Royal Concertgebouw Orchestra, dem Orchestra Ensemble Kanazawa, dem Orquestra Simfònica de les Illes Balears, dem Württembergischen Kammer- orchester Heilbronn, dem recreation – Grosses Orchester Graz, der Opéra de Rouen Normandie, der Bayerischen Staatsoper München, der Staatsoper Hamburg, der Ungarischen Staatsoper Budapest sowie den Tiroler Festspielen Erl. Im Bereich der zeitgenössischen Musik verbindet Ihn eine enge künstlerische Freundschaft mit dem Klangforum Wien. Als Pianist konzertierte er mit dem Mozarteumorchester Salzburg sowie als Liedbegleiter im Wiener Musikverein, für die Spielzeit 2017/18 war er außerdem Solorepetitor an der Staatsoper Hamburg. In enger Zusammenarbeit mit Kirill Petrenko übernahm er 2019 die Einstudierung der Neuproduktionen von Salome und Die Tote Stadt an der Bayerischen Staatsoper sowie 2020 von Fidelio bei den Osterfestspielen Baden-Baden. Noch während des Klavier- und Dirigierstudiums an der Kunstuni- versität Graz wurde er zu Meisterkursen bei Kurt Masur, Bernard
Haitink, sowie als Conducting Fellow zum Aspen Music Festival und zum Tanglewood Music Center eingeladen. Stetiger Kontakt zur Oper als Knabensolist veranlassten ihn, mit zwölf Jahren seine erste Komposition zu verfassen – die Oper „Die Frittaten- suppe“, welche 2008 unter seiner Leitung in Graz uraufgeführt wurde. 2013 erhielt er den 2. Preis aus 170 Einsendungen weltweit mit seiner Komposition „Ameraustrica“ beim 2013 Penfield Music Commission Project Contest (New York, USA). Als Komponist und Arrangeur hat er Musik beim Musikverlag Tierolff Muziekcentrale (Roosendaal, Niederlande) sowie bei Helbling (Rum/Innsbruck) veröffentlicht. Nebst seiner Arbeit im klassischen Musikbereich hegt er auch großes Interesse an den Liedern des österreichischen Chansonniers Georg Kreislers wie auch an Jazz Musik und erhielt Auszeichnungen bei Jazz Festivals in Chicago sowie den „Outstanding Soloist Award“ der University of Wisconsin-La Crosse als bester Jazz Pianist des 37th Annual Jazz Festivals. Seine musikalische Ausbildung begann er als Knabensolist bei den Grazer Kapellknaben. Noch während seiner Zeit als Schüler studierte er Klavier bei Maria Zgubic sowie später Orchesterdirigieren, Chor- leitung und Korrepetition bei Martin Sieghart, Wolfgang Bozic und Johannes Prinz an der Kunstuniversität Graz. Der Matura am Gymnasium Gleisdorf 2013 sowie dem Bachelor of Arts 2015 folgte 2017 im Alter von 21 Jahren der Master of Arts (Orchesterdirigieren bei Marc Piollet, Korrepetition bei Wolfgang Wengenroth). Ebenso 2017 wurde ihm der Würdigungspreis des Bundesministeriums für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft verliehen.
Anton Webern: 6 Stücke op. 6 für Orchester Dieses Werk, 1909 entstanden, wendet die in den Streichquartett- stücken neu erschlossenen Möglichkeiten der atonalen Instrumen- talkomposition auf ein großes Instrumentarium an, auf das größte, das Webern je vorgeschrieben hat: 4 Flöten (auch 2 kleine Flöten und 1 Alt-Flöte), 2 Oboen, 2 Englischhörner, 3 Klarinetten, 2 Bassklarinetten, 2 Fagotte (auch 1 Kontrafagott), 6 Hörner, 6 Trompeten, 4 Posaunen, Basstuba, 2 Harfen, Celesta, 3 Pauken, Triangel, Glockenspiel, Rute, Becken, Tamtam, Kleine und Große Trommel, tiefes Glockengeläute und Streicher. Diese ungeheuren Klangmassen werden aber so gut wie nie geschlossen eingesetzt. Typisch für Weberns Instrumentation ist etwa der Beginn des ersten Stückes: Eine Melodielinie von zwei Takten Umfang ist zwischen 1. Flöte, 1. Trompete (mit Dämpfer), wiederum 1. Flöte und 3. Horn (mit Dämpfer) aufgeteilt. Daneben gibt es Massierungen von einheitlicher Klangfarbe, besonders die be- drückenden Ballungen von Blechbläsern und Schlagwerk im vierten Stück, der „marcia funebre“. Wie viele seiner früheren Werke wurde auch die Konzeption des op. 6 durch den Tod von Weberns Mutter (1906) ausgelöst. Webern schreibt darüber kurz vor der Uraufführung am 31. März 1913 im Großen Musikvereinssaal in Wien an Arnold Schönberg, der dieses Konzert dirigierte: „Das erste Stück will meine Stimmung ausdrücken als ich noch in Wien war, bereits das Unglück ahnend, aber doch noch immer hoffend, die Mutter lebend anzutreffen. Es war ein schöner Tag, eine Minute lang glaubte ich ganz sicher, es sei nichts geschehen. Erst auf der Fahrt nach Kärnten, es war der nämliche Tag, am Nachmittag, erfuhr ich die Tatsache. Das 3. Stück ist der Eindruck des Duftes der Eriken, die ich an einer für mich sehr bedeutungsvollen Stelle im Walde pflückte und auf die Bahre legte. Das vierte Stück habe ich nachträglich marcia funebre überschrieben. Noch heute verstehe ich nicht meine Empfindung, als ich hinter dem Sarge zum Friedhof gieng.
Ich weiß nur, daß ich den ganzen Weg hoch aufgerichtet gieng, viel- leicht um im weiten Umkreis alles niedrige zurückzubannen.“ Eine weitere Selbstdeutung gab der Komponist für eine – nicht zu- stande gekommene – Aufführung in Dortmund 1933: Diese Stücke „stellen kurze Liedformen dar, meist im dreiteiligen Sinne. Ein thematischer Zusammenhang besteht nicht, auch nicht innerhalb der einzelnen Stücke. Diesen nicht zu geben, war sogar bewusst angestrebt: in dem Bemühen nach immerfort verändertem Ausdrucke. Um den Charakter der Stücke – sie sind rein lyrischer Natur – kurz zu beschreiben: das erste drückt die Erwartung eines Unheils aus, das zweite die Gewissheit von dessen Erfüllung; das dritte die zarteste Gegensätzlichkeit; es ist gewissermaßen die Einleitung zum vierten, einem Trauermarsche; fünf und sechs sind ein Epilog: Erinnerung und Ergebung.“ Auch der Schönberg-Schüler Erwin Stein überlieferte (1926) – abweichende – Untertitel, die Webern für die Wiener Aufführung angegeben hatte: „‚Urbild’, ‚Verwandlung’, ‚Rückkehr’, ‚Erinnerung’ und ‚Seele’. Urbild – damit ist jenes vom Menschen gemeint, was nicht von dieser Welt ist, Verwandlung – die Menschwerdung, Rückkehr – der Tod, Seele – die kindliche, hinträumend, spielend, ungezogen, fromm.“ 1928 hat Webern eine zweite Fassung der Stücke ausgearbeitet, die neben zahlreichen veränderten Vortragsbezeichnungen vor allem den hypertrophen Orchesterapparat der Erstfassung auf das übliche Maß reduziert und dadurch die Struktur der Stücke häufig in größerer Klarheit in Erscheinung treten lässt. Manfred Angerer (Homepage Universal Edition)
Friedrich Cerha: „Quellen“ für Ensemble Nachdem ich in meiner Oper Baal eine Sprachwelt erreicht hatte, in der alle meine bisherigen Erfahrungen nahtlos zu einem vielfältigen musikalischen Organismus verschmolzen erscheinen, galt in der Folge ein für mich wesentliches Interesse einer weiteren Differenzierung meiner Vorstellungen auf rhythmisch-metrischem Gebiet. Eine etwa um 1980 einsetzende und sich zunehmend intensivierende Be- schäftigung mit außereuropäischer Musik hat diese Interessen ent- scheidend gefördert. Sie kommen in meinen beiden Streichquartetten von 1989/90 am stärksten zum Tragen. In Quellen sind sie nur teilweise wirksam. Der Titel des Stücks bezieht sich darauf, dass ich bei der Konzeption mir klar zu werden versuchte, aus welchen Wurzeln meine musikalischen Vorstellungen kommen. Vielleicht im Zusammenhang damit, dass ich eben eine schwere Krankheit überlebt hatte, begann ich, eine Bilan- zierung meiner musikalischen Mittel vorzunehmen, das Repertoire meiner Phantasie kritisch zu durchforsten und alles zu eliminieren, was sich an oft Geübtem und allzu Bewährtem angesammelt hatte. Es blieb noch genug an Gewohnheiten im sprachlichen, gestischen und handwerklichen Bereich. Aber Quellen meiner Inspiration sollten klarer, deutlicher hervortreten. Meiner Lebenssituation entsprechend herrscht ein kontemplativer Charakter vor, eine Atmosphäre der Einfachheit und Stille. Der erste Abschnitt wird abrupt beendet durch eine Folge von Forte-Akkorden, die dann für den Schluss des Stückes von Bedeutung sind. Polyme- trische Überschichtungen zumeist aus afrikanischen Rhythmen ab- geleiteter Bildungen schaffen „geschäftige“ Inseln inmitten der Meditation. Ein vielfältiger Umgang mit dem musikalischen Material erlaubte auch das Hereinnehmen einer Passage aus dem letzten vorhergehenden Orchesterwerk, der Langegger Nachtmusik III. Ungewöhnlich für mich ist über weite Strecken das Fehlen von
Bassinstrumenten, was den Klang gewissermaßen „in der Luft hängen lässt“; auch in sehr vieler außereuropäischer Musik ist dies der Fall. Die Dominanz des Bassfundaments ist demgegenüber ein besonders wirksames Spezifikum der abendländischen Musik, der gleichwohl natürlich auch meine Quellen zuzuordnen sind. Friedrich Cerha Uraufführung: 22.11.1992 Schömer Haus, Klosterneuburg (Ensemble die reihe, Dirigent: Friedrich Cerha)
Johannes Staud: Auf die Stimme der weißen Kreide (Specter I-III) „Auf die Stimme der weißen Kreide“ (2014/15) ist meinen Freunden vom Ensemble Modern als Hommage „auf den Leib“ geschrieben. Seit 2000 bin ich nun mit diesem Ensemble eng und freundschaftlich verbunden wie mit keinem anderen, und so ist dieses dicht gearbeitete und inhaltlich pralle Werk auch mein Dankeschön zum 15-jährigen Jubiläum unserer wunderbaren künstlerischen Beziehung. Das dreisätzige Werk ist zudem auch Kernstück meines abendfüllenden Bühnenwerkes „Specter of the Gardenia oder Der Tag wird kommen“ (2014/15) nach einem Text des österreichischen Autors Josef Winkler – die Uraufführung fand zur Eröffnung des steirischen herbstes 2015 statt. Ausgehend von Marcel Jeans Skulptur „Specter of the Gardenia“ – ein schwarzer Kopf mit geschlossenen Reißverschlüssen als Augen und einer Filmrolle um den Hals gewickelt – entwickelt dieser Text ein Netz von surrealen Schreck- und Traumbildern, die sowohl die Gegenwart überhöhen als auch die traumatische Kindheit des Autors reflektieren. Schließlich musste ich den Text jedoch weglegen, um komponieren zu können, zu stark waren die Bilder. Das knapp halbstündige reine Ensemblewerk „Auf die Stimme der weißen Kreide (Specter I-III)“ ist zwar mitinspiriert von diesen Sprachbildern und Assoziationen, folgt jedoch einer völlig eigenen, musikimmanenten Dramaturgie, welche auch jederzeit ohne den Text deutbar und verstehbar ist. Das Werk ist Silvia und Oskar und meinen Freunden vom Ensemble Modern gewidmet. Johannes Staud Archiv Wiener Konzerthaus im Programmheft der Klangforum-Aufführung am 15.1.2018
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