Professionelle Integration als zentraler Baustein zur Qualitätssicherung von Politikberatung
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Professionelle Integration als zentraler Baustein zur Qualitätssicherung von Politikberatung – Böcher/Krott | Aufsatz
Professionelle Integration als zentraler Baustein zur
Qualitätssicherung von Politikberatung
Michael Böcher und Max Krott
Kernaussagen können, sobald das dafür erforderliche wissenschaftliche Wis-
sen zur Verfügung steht. Oft wird dieses Modell auch als tech-
Eine häufig diskutierte Frage ist, ob die Qualität wissen- nokratisch bezeichnet (z.B. bei Hulme, 2009, S. 101).
schaftlicher Politikberatung allein aufgrund wissenschaftli- Ein solches Verständnis von Prozessen wissenschaftlicher
cher Qualitätskriterien abgeschätzt werden kann oder ob Politikberatung stellt im Lichte politikwissenschaftlicher und
für eine qualitativ hochwertige Politikberatung die rein poli- wissenschaftssoziologischer Erkenntnisse allerdings einen Ide-
tische Zweckerfüllung maßgebend ist. Da wir lineare altypus dar, der angesichts der Realitäten politischer Prozesse
Modelle der Politikberatung, in denen wissenschaftliche und der unterschiedlichen Funktionslogiken des wissenschaft-
Erkenntnisse von der Sphäre der Wissenschaft in die der lichen und des politischen Systems als wenig wirklichkeitsnah
Politik transferiert und von politischen Akteuren direkt gekennzeichnet werden muss (u.a. U. Beck & Bonß, 1989;
umgesetzt werden, als wirklichkeitsfern ablehnen, schlagen Boehmer-Christiansen, 1995; Freiburghaus, 1982, 1989;
wir ein alternatives Politikberatungsmodell vor: In diesem Jasanoff, 1990; Lompe, 2006; Murswieck, 1994; Weingart,
Modell steht zwischen wissenschaftlicher Forschung und 2001; Weingart & Lentsch, 2008). Es sind drei grundlegende
der Verwertung durch die politische Praxis ein zentraler Irrtümer, denen das lineare Politikberatungsmodell unterliegt:
Zwischenschritt, den wir als Integration bezeichnen. 1. Das lineare Wissenstransfermodell geht davon aus, dass
Daraus folgend plädieren wir in unserem Beitrag für die Wissenschaft nicht nur wissenschaftliche, sondern auch
Verwendung eines Kriterienmixes zur Qualitätssicherung politische Problemlösungen finden könne. Diese Annahme
des gesamten Politikberatungsprozesses. Diese auf dem ist allerdings falsch, weil politische Problemlösungen nicht
FIV-Modell basierenden Anforderungen an die Qualitätssi- nur von wissenschaftlicher Sachrationalität, sondern auch
cherung wissenschaftlicher Politikberatung führen zu Kon- von der Nützlichkeit für die Interessen konkreter politi-
sequenzen bei der Ausbildung von Politikberaterinnen und scher Akteure abhängen (Miller, 2009). Wissenschaft kann
–beratern, die wir abschließend beschreiben. lediglich richtige wissenschaftliche Erkenntnisse zur Ver-
fügung stellen, die als ein Beitrag zur Problemlösung für
die politische Praxis verwendet werden können.
1 Ein alternatives Modell wissenschaftlicher Politikberatung 2. Ein weiterer Irrtum solcher linearen Modelle wissenschaft-
licher Politikberatung ist, dass wissenschaftliche Wahrheit
1.1 Die begrenzte Erkenntnis linearer
die Akzeptanz und Anwendung in der politischen Umset-
Politikberatungsmodelle
zungspraxis erzwingen könne. Dies ist jedoch nicht mög-
Jüngere wissenschaftssoziologische und politikwissenschaftli- lich, weil die gesellschaftlichen Teilsysteme Wissenschaft
che Forschungen haben das lineare Modell wissenschaftlicher und Politik mit unterschiedlichen Codes operieren: Geht es
Politikberatung massiv in Frage gestellt (siehe z.B. Lompe, in der Wissenschaft um „Wahrheit“, operiert das politi-
2006; Weingart, 2003). Solche linearen Modelle wissenschaft- sche System mit dem Code „Macht“ (Lehmann & Rieder,
lichen Wissenstransfers gehen davon aus, dass es zwischen der 2003; Weingart, 2003). Beide Codes basieren auf unter-
Sphäre der wissenschaftlichen Erkenntnisproduktion (System schiedlichen Logiken, sodass Wissenschaft allein keine
Wissenschaft) und der politischen Praxis (politisches System) politischen Problemlösungen durch wissenschaftliche
zu einem direkten Transfer der wissenschaftlichen Erkennt- Rationalität erzwingen kann. Vielmehr benötigen wissen-
nisse komme und dass wissenschaftliche Ergebnisse unmittel- schaftliche Erkenntnisse als Beiträge zur politischen Pro-
bar von politischen Akteuren angewendet werden können, blemlösung Akteure und Institutionen, die Macht besitzen,
wenn sich diese nach wissenschaftlichen Kriterien gemessen diese Erkenntnisse umzusetzen.
als „wahr“ erwiesen haben (Lompe, 2006, S. 30). Die best- 3. Implizit bedeutet das lineare Wissenstransfermodell auch,
mögliche wissenschaftliche Erkenntnis setzt sich durch und dass es zwischen Wissenschaft und politischer Praxis einen
kann im politischen Prozess, der als reiner Problemlösungs- Konsens gibt und dass dieser Konsens mit Akteuren der
prozess verstanden wird, unmittelbar in politische Handlun- Praxis für die wissenschaftliche Wahrheit von Vorteil sei.
gen transformiert werden. In diesem Politikberatungsmodell Das ist jedoch grundlegend falsch, weil der wissenschaft-
stellen Wissenschaftler die Lieferanten des durch das politi- liche Diskurs und dessen Ergebnisse keiner Zustimmung
sche System nachgefragten wissenschaftlichen Wissens dar, durch die Praxis bedürfen und davon unabhängig als wis-
und politische Akteure besitzen ein Interesse an einer wissen- senschaftlich „wahr“ oder „falsch“ ihre Geltung bekom-
schaftsbasierten politischen Problemlösung, die sie umsetzen men.
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Nichtsdestotrotz gilt bei vielen Wissenschaftlern das lineare Frage von Macht und Interessen ist (Miller, 2009; Krott, 2001,
Politikberatungsmodell nach wie vor als erstrebenswertes S. 5 ff.), in denen wissenschaftliche Erkenntnisse in Form eines
(und realistisches!) Ideal, insbesondere bei denen, die als Automatismus mitnichten eine große Rolle spielen und es
Natur- oder Wirtschaftswissenschaftler der Gesellschaft und einer Reihe an Faktoren bedarf, damit wissenschaftsbasierte
den politischen Akteuren wissenschaftsbasierte Rezepte in Erkenntnisse überhaupt eine Rolle im politischen Prozess spie-
Bezug auf gegenwärtige drängende Probleme anbieten. Wein- len können, bilden lineare Politikberatungsmodelle nicht ab.
gart weist darauf hin, dass trotz der tatsächlichen Bedingun-
In Auseinandersetzung mit der Problematik linearer Poli-
gen wissenschaftlicher Politikberatung nach wie vor auch in
tikberatungsmodelle haben verschiedene Autoren Faktoren
der Politik die Erwartung herrsche, Politikberatung könne im
für die Wirkung wissenschaftlicher Politikberatung im politi-
Sinne des linearen Modells Wissen bereit stellen und dass trotz
schen Prozess herausgearbeitet, die relevant sind, wenn man
der massiven Kritik linearer Modelle sowohl Wissenschaft
die Möglichkeit einer direkten und zwangsläufigen Anwen-
und Politik immer noch häufig an diesen festhielten (Weingart,
dung wissenschaftlichen Wissens im politischen Prozess
2003, S. 95). Auch Pielke zeigt in seinem sehr bekannt gewor-
negiert. Unter anderem zentral sind dabei die „Relevanz der
denen Buch „The Honest Broker“, dass das lineare Politikbe-
Informationen“ und die „Legitimation des Beratungsprozes-
ratungsmodell nach wie vor relevant ist und verweist dabei als
ses“ als grundlegende Kriterien für eine erfolgreiche wissen-
Praxisbeispiel auf die US-amerikanische Environmental Pro-
schaftliche Politikberatung (siehe zu folgendem Cash et al.,
tection Agency (EPA), innerhalb derer ein Verständnis herr-
2002; Mitchell, Clark, Cash, & Alcock, 2004; Böcher, 2007,
sche, nach welchem wissenschaftliche Forschung unmittelbar
S. 33 ff.). Das Kriterium der Relevanz bezieht sich auf die
Praxis-Annahmen über Umweltprobleme und ihre Wirkungen
durch wissenschaftliche Beratung bereitgestellten Informatio-
verändere und anhand dessen politische Problemlösungen ent-
nen. Diese müssen tatsächlich durch politische Akteure nach-
wickelt würden (Pielke, 2007, S. 13).
gefragt werden und für deren tägliche Arbeit oder Entschei-
Als ein weiteres praktisches Beispiel für die angesichts des dungen relevant sein (Cash, et al., 2002, S. 4). Wissenschaft-
Forschungsstandes zur wissenschaftlichen Politikberatung auf liche Politikberater_innen und müssen in der Lage sein, ihre
den ersten Blick erstaunlich ungebrochene Relevanz eines Ergebnisse in eine Form zu fassen, die anschlussfähig an die
linearen und autoritativen Politikberatungsmodells mag der Erwartungen und strukturellen Anforderungen der politischen
Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) gelten, Auftraggeber ist (Renn, 2003, S. 139). Wissenschaftler disku-
der als Weltklimarat die internationale Klimapolitik mit sei- tieren häufig Themen, die für die politische Praxis (noch) nicht
nen Prognosen prägt. Vielen Beobachtern gilt der vom IPCC relevant sind, während drängende politische Probleme und
verkörperte Politikberatungsansatz als „role model“ (S. Beck, deren alternative Problemlösungsstrategien häufig nicht wis-
2009, S. 120), und es wird derzeit sogar versucht, dieses durch senschaftlich diskutiert werden (Müller-Rommel, 1984).
die Bildung eines ähnlichen Gremiums für den globalen Schutz Zudem gibt es wissenschaftliche Problemlösungen, die im spe-
der Biodiversität auf ein anderes Politikfeld zu übertragen zifischen Anwendungskontext (zum Beispiel durch zugrunde
(Perrings, Duraiappah, Larigauderie, & Mooney, 2011; kri- liegende Gesetze oder herrschende politische Machtverhält-
tisch dazu Hulme et al., 2011). Dennoch folgt, wie Silke Beck nisse) nicht umsetzbar sind. Wirklich relevant ist wissenschaft-
überzeugend darlegt, der vom IPCC verfolgte Politikbera- liche Expertise dann, wenn sie rechtzeitig bereit steht und tat-
tungsansatz grundlegenden Vorstellungen linearer Politikbe- sächlich diejenigen Probleme behandelt, die gerade auf der
ratungsmodelle, z.B. in der Vorstellung, dass mehr Forschung politischen Agenda der Akteure stehen und deren Handlungs-
zu mehr Sicherheit in der politischen Entscheidungsfindung optionen berücksichtigt (Böcher, 2007, S. 34).
führe und Wissenschaft helfen könne, politische Konflikte
Der Aspekt der Legitimation bezieht sich auf die Frage, ob
aufzulösen (S. Beck, 2011, S. 298). Beck resümiert daher tref-
politische Akteure den Beratungsprozess als transparent,
fend für die Klimapolitik die nach wie vor herrschende Domi-
unvoreingenommen sowie politisch und prozedural als fair
nanz linearer Politikberatungsvorstellungen: “although social
ansehen (Cash et al. 2002, S. 5, Renn 2006, S. 58). Die Legi-
scientists questioned it at an early stage, to some extent the
timation der wissenschaftlichen Politikberatung steigt, wenn
linear model of expertise still dominates perceptions among
der Beratungsprozess und der Erstellungsprozess der ihm
climate scientists, policy-makers, and advisors” (S. Beck,
zugrunde liegenden Erkenntnisse transparent sind und demo-
2011, S. 298). Obwohl in den Sozialwissenschaften das lineare
kratischen sowie gesetzlichen Normen entsprechen.
Modell stark kritisiert wurde, zeigt das Beispiel deutlich, dass
dieses in der praktischen Politik nach wie vor eine äußerst
große Relevanz besitzt und es lohnenswert ist, nach Alterna- 1.2 Das FIV-Modell wissenschaftlicher Politikberatung
tiven zu suchen.
Aufgrund der oben dargestellten Schwächen lehnen wir
Das Missverständnis der Idee linearer Politikberatung lineare Modelle der Politikberatung, in denen wissenschaftli-
besteht darin, dass sie der Vorstellung folgt, dass politische che Erkenntnisse von der Sphäre der Wissenschaft direkt in die
Entscheidungen sachrational getroffen werden könnten, wenn der Politik transferiert und von politischen Akteuren als Pro-
nur eine hinreichende Menge an wissenschaftlichen Erkennt- blemlösung umgesetzt werden, als wirklichkeitsfern ab und
nissen zur Verfügung stehe. Dass Politik aber vielmehr eine
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schlagen ein alternatives Politikberatungsmodell vor.1 Das Politikberatungsprozess konstituierende Handlungsbereiche,
Modell, welches wir aufgrund seiner unterschiedlichen die jeweils unterschiedlichen Logiken folgen: Forschung, Inte-
Bestandteile Forschung, Integration und Verwertung als FIV- gration und Verwertung (Böcher & Krott, 2010, S. 22ff.)
Modell wissenschaftlicher Politikberatung bezeichnen, soll (siehe Abb. 1).
analytisch die wissenschaftliche Erzeugung und den Einsatz
Abb. 1: Das FIV-Modell wissenschaftlicher Politikberatung
dieser wissenschaftsbasierten Informationen in der Politik
erklären. Zusätzlich kann das FIV – Modell verwendet wer-
den, um darzustellen, welche Kriterien eine „erfolgreiche“
Politikberatung erfüllen muss. Der Erfolg von Politikberatung
wird dabei normativ definiert als eine Politikberatung, deren
Inhalt den formalen Kriterien für wissenschaftliche Erkenntnis
nahe kommt und aus der politische Handlungen folgen. Das
Gegenteil wäre eine sich als wissenschaftlich deklarierende
Politikberatung, die Behauptungen aufstellt, welche nicht auf Quelle: eigene Darstellung nach Böcher/Krott, 2010.
dem aktuellen wissenschaftlichen Forschungsstand beruhen
oder die keinen ihren Aussagen gemäßen Einfluss auf politi-
sche Handlungen erzielt. Forschung
Im FIV-Politikberatungsmodell erweitern wir die Perspek- Voraussetzung für wissenschaftliche Politikberatung sind wis-
tive der eingangs genannten Kriterien Relevanz und Legitima- senschaftliche Erkenntnisse als Beratungsgrundlage. Diese
tion für einen erfolgreichen Wissenstransfer um den aus unse- werden im Handlungsbereich Forschung unter Zuhilfenahme
rer Sicht wichtigen Aspekt eines besonderen Bezugs zu den wissenschaftlicher Prinzipien, Methoden und Standards
Interessen und Handlungsmöglichkeiten der zu beratenden erzeugt (Böcher & Krott, 2010, S. 29). Das System Wissen-
politischen Akteure (Böcher & Krott, 2010, S. 25). Damit schaft verfügt über Akteure und Kontrollverfahren, die For-
berücksichtigt es diejenigen Ansätze, die von einer „Politisie- scherinnen und Forscher dazu drängen, den wissenschaftlich
rung der Expertise“ (Weingart, 2006, S. 42) ausgehen und anerkannten Methoden zu folgen (Matthies & Simon, 2008,
schlussfolgern, dass es für die Politikberatung insbesondere S. 9; Schneider, 2000; Deutsche Forschungsgemeinschaft,
darauf ankomme, die Nachfrage (demand) der verschiedenen, 1998). Da es bei der Politikberatung jedoch nicht um die
unterschiedlichen am politischen Prozess beteiligten Akteure innerwissenschaftliche Diskussion der wissenschaftlichen
mit einem zur Verfügung stehenden Angebot (supply) selektiv Erkenntnisse geht, müssen wissenschaftliche Erkenntnisse in
und spezifisch zu koppeln (Sarewitz & Pielke, 2007). Bestand- den Dienst der Anforderungen und Vorgaben der politischen
teil unseres Modells wissenschaftlicher Politikberatung ist Akteure angesichts der in der Praxis benötigten Problemlö-
daher, dass die in der neueren Politikberatungsforschung dis- sungen gestellt werden: Ansprüche der Politik hinsichtlich der
kutierten grundlegenden Kriterien Relevanz und Legitima- von ihr nachgefragten Lösungen für politischen Probleme lie-
tion stets auf bestimmte Akteure als Zielgruppe im Sinne von fern die Maßstäbe für Integration und Verwertung.
Bündnispartnern des Wissenstransfers betrachtet werden
(Böcher & Krott, 2010, S. 25).
Integration
Denn für wissenschaftliche Politikberatung ist es entschei-
dend, inwieweit Erkenntnisse der Wissenschaft vor dem Hin- Im Gegensatz zum linearen Politikberatungsmodell handelt es
tergrund der unterschiedlichen Ressourcen und Handlungs- sich hier nicht um eine Einbahnstraße – Vielmehr verstehen
optionen der politischen Akteure in spezifische Beratungskon- wir Politikberatung als wechselseitigen Prozess zwischen For-
zepte übersetzt werden können und tatsächlich anschlussfähig schung und Ansprüchen der Verwertung. In der Phase der
an die Interessen und konkreten Wünsche (demand) der Integration werden einerseits vorliegende Forschungsergeb-
Akteure an die politische Problemlösung sind. Gelingt eine nisse nach den Ansprüchen der Praxis selektiert. Andererseits
solche akteursspezifische Politikberatung, können Akteure zu werden aus Ansprüchen politischer Akteure neue wissen-
Bündnispartnern für die Praxisumsetzung wissenschaftlicher schaftliche Fragestellungen generiert (Böcher & Krott, 2010,
Erkenntnisse werden (Krott, 2012, S. 39). Dazu kommt die S. 37). Die Integration ist ein Informationsprozess, indem aus-
bekannte, umfassend diskutierte Notwendigkeit der Verwen- schließlich Informationen über die (mutmaßlichen) Ansprüche
dung einer entsprechenden zielgruppenorientierten Kommu- der Praxis und über erwartetes Erkenntnispotenzial der For-
nikationsstrategie und Sprache (Müller-Rommel, 1984; Renn,
2003), die zwischen verschiedenen Adressaten und den jewei- 1 Dieses Modell wurde im Rahmen des im Auftrag des Umweltbundes-
amtes durchgeführten Forschungsprojektes „Umsetzung des Kon-
ligen Ansprüchen und kognitiven Voraussetzungen (Wissen-
zepts einer modernen Ressortforschung im Geschäftsbereich des
schaft, politische Akteure, Bürgerinnen und Bürger, vollzie- BMU“ – Förderkennzeichen (UFOPLAN) 3708 11 105 – entwickelt (Böcher
hende Verwaltung, usw.) unterscheidet (Böcher & Krott, & Krott, 2010, 2011). Das zunächst vor dem Hintergrund der Spezifika
von Ressortforschungseinrichtungen erarbeitete Modell wird im vor-
2010, S. 26). Das hier vorgeschlagene FIV-Modell wissen- liegenden Beitrag hinsichtlich wissenschaftlicher Politikberatung all-
schaftlicher Politikberatung identifiziert folgende drei den gemein weiterentwickelt.
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schung ausgetauscht werden, politische Handlungen erfolgen Ausrichtung vollzieht sich in zwei Richtungen: Einerseits wird
erst in der Phase der Verwertung. die Nachfrage der politischen Akteure nach wissenschaftlich
fundierten Lösungen ermittelt und für die Auswahl von wis-
Verwertung senschaftlichen Forschungsfragen eingesetzt, andererseits
werden wissenschaftliche Forschungsergebnisse nach deren
Verwertung schließlich bedeutet, dass ein Politikberatungs- Relevanz für die politischen Akteure ausgewählt, interpretiert
produkt an die politischen Akteure in Form von Gutachten, und zusammengefasst (Böcher & Krott, 2010, S. 37). Die Inte-
Gesetzesentwürfen, Broschüren, usw. abgegeben und damit gration verbindet wissenschaftliche Erkenntnisse mit Erwar-
Teil von deren Handlungen wird (Böcher & Krott, 2010, tungen und Wünschen der politischen Akteure, ohne jedoch
S. 41). Die politischen Akteure können den Empfehlungen fol- die wissenschaftliche Rationalität der Forschung zu verän-
gen, aber auch wenn sie diese ignorieren, stellt das eine Hand- dern. Diese Verbindung erfordert den ständigen Wechsel zwi-
lung dar, weil unterlassene Problemlösung ebenfalls politisch schen Forschung und Integration und gelingt nur bei umfas-
bedeutsam ist. Die Verwertung wird dadurch zu einem senden wissenschaftlichen Erkenntnissen und umfassendem
Bestandteil der politischen Problembearbeitung. Politikbera- Wissen über die politische Praxis (Böcher & Krott, 2010,
tungsprozesse verstehen wir als ständigen Wechsel zwischen S. 37). Die Integration erfolgt durch Selektion wissenschaftli-
Integration und Forschung mit dem Ziel Verwertungspro- cher Erkenntnisse vor dem Hintergrund konkreter Erwartun-
dukte zu schaffen, in denen immer Anteile von Forschung und gen politischer Akteure, mit dem Ziel Übereinstimmungen,
Integration (Abstimmung mit den Ansprüchen der politischen Widersprüche und Lücken zu identifizieren (Böcher & Krott,
Akteure hinsichtlich Problemlösungen) eingeflossen sind. 2010, S. 37). Übereinstimmung signalisiert die erfolgreiche
Damit unterscheidet sich das Modell Forschung-Integration- Beschreibung bzw. Lösung von Wissensproblemen politischer
Verwertung (FIV) vom linearen Modell fundamental, da das Akteure. Lücken initiieren entweder Anpassung durch Gene-
letztgenannte davon ausgeht, Politikberatung funktioniere rierung neuer Forschungsfragen oder durch Lernen der poli-
allein durch eine Bereitstellung für und Übergabe wissen- tischen Akteure. Bei Widersprüchen geht es darum, entweder
schaftlicher Erkenntnisse an die politische Praxis, ohne den die Erwartungen der politischen Akteure an die wissenschaft-
wichtigen Handlungsbereich der Integration der Übergabe lich verfügbaren Kenntnisse anzugleichen bzw. ganz auf wis-
von Politikberatungsprodukten dazwischenzuschalten. senschaftliche Erkenntnisse ohne jegliche Relevanz für die
Zusammengefasst stellt die Grundlage für das FIV-Modell politische Praxis zu verzichten (Böcher & Krott, 2010, S. 37).
der Politikberatung eine Verbindung zwischen Forschung und Die Integration verbindet die politische Praxis mit der der For-
Integration und Verwertung dar. Die konkreten Inhalte, das schung durch die Selektion einzelner Wissensbausteine
Ausmaß der notwendigen Forschung und die Prozesse der (Böcher & Krott, 2010, S. 37). Diese erreichen sowohl Gül-
Integration leiten sich dabei aus dem Potenzial der Forschung tigkeit des wissenschaftlichen „State of Art“ als auch Relevanz
und den Anforderungen der Verwertung, das heißt aus der für die politische Problemlösung (Böcher & Krott, 2010,
Nachfrage und den Ansprüchen der politischen Akteure an S. 37-38). Die dabei entstehenden Produkte der Verwertung
Problemlösungen ab (Böcher & Krott, 2010, S. 28). Die unter- sind integrativ im Sinne gleichzeitiger Erfüllung wissenschaft-
schiedlichen Logiken folgenden Arbeitsschritte Forschung, licher Kriterien und solcher der Praxistauglichkeit (Böcher &
Integration und Verwertung erfüllen dabei jeweils unter- Krott, 2010, S. 38). Integration legt Maßstäbe der Wissen-
schiedliche Teilaufgaben für den gesamten Politikberatungs- schaftlichkeit und der politischen Problemlösung an, sie ist
prozess, sie werden aber nicht notwendigerweise nacheinan- aber gleichzeitig dazu gezwungen, sowohl den maximal mög-
der, sondern in einem ständigen Wechsel, insbesondere zwi- lichen Anteil an wissenschaftlicher Forschung zu reduzieren
schen Forschung und Integration, ausgeführt (Böcher & als auch politische Erwartungen angesichts des tatsächlich
Krott, 2010, S. 28). Im Gegensatz zu den beiden genannten verfügbaren wissenschaftlichen Wissens zu korrigieren
Handlungsbereichen wissenschaftlicher Politikberatung For- (Böcher & Krott, 2010, S. 38). Sie führt daher sowohl zu Rei-
schung und Verwertung ist der Handlungsbereich Integration bungen mit umfassenderen Forschungszielen als auch mit den
in der Politikberatungsforschung aus unserer Sicht noch zu Erwartungen und Wünschen der politischen Akteure (Böcher
wenig diskutiert. Daher sollen im Folgenden zunächst dessen & Krott, 2010, S. 38). Das Integrative an der Integration
Bedeutung und Besonderheiten für eine erfolgreiche Politik- besteht in der gleichzeitigen Berücksichtigung des wissen-
beratung dargestellt werden. schaftlichen „State of Art“ und der Anforderungen der poli-
tischen Praxis.
1.3 Professionelle Integration als Kern wissenschaftlicher
Professionelle Integration im Prozess wissenschaftlicher
Politikberatung
Politikberatung heißt daher konsequenterweise, diesen Hand-
Integration beschreibt eine Tätigkeit, die als Alleinstellungs- lungsbereich als spezifische Besonderheit wissenschaftlicher
merkmal wissenschaftlicher Politikberatung aufzufassen ist. Politikberatung ernst zu nehmen (im Gegensatz zum linearen
Integration bedeutet die Ausrichtung der Forschung auf ein Modell ist Wissenschaft allein eben noch keine hinreichende
politisches Praxisproblem mit dem Ziel, dieses zu beschreiben Bedingung für erfolgreiche Politikberatung). Zwischen wis-
und erfolgreich zu lösen (Böcher & Krott, 2010, S. 37). Die senschaftlicher Forschung und einer erfolgreichen Verwertung
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durch die politischen Akteure muss „etwas passieren“, das die darauf bauen, durch Dialog die Handlungsrationalitäten
sich als Tätigkeit sowohl von der reinen (Grundlagen-) For- des Gegenüber besser zu verstehen (siehe z.B. Kropp, Schiller,
schung als auch von eben dieser Verwertung durch politische & Wagner, 2007).
Akteure unterscheidet und die Eigenständigkeit wissenschaft-
licher Politikberatung, angesiedelt zwischen und mit Schnitt- 2 Kriterien zur Qualitätssicherung von Politikberatung
stellen zu Forschung und Politik (Hirsch Hadorn, 2002; Frei-
burghaus, 1989), adäquat beschreibt. Zur Professionalisie- Das FIV-Modell kann nun dazu verwendet werden, um nor-
rung der wissenschaftlichen Politikberatung gehört damit mativ Qualitätskriterien einzuführen, die zu erfolgreicher Poli-
auch die Frage nach einer Institutionalisierung dieser Integra- tikberatung führen, welche im oben definierten Sinne politi-
tionsaufgaben (Böcher & Krott, 2011). Damit wissenschaftli- sches Handeln beeinflusst. Im linearen Politikberatungsmodell
che Politikberatung erfolgreich geleistet werden kann, müssen stellt sich die Frage nach eigenständigen Qualitätskriterien für
Institutionen bzw. Akteure dauerhaft institutionalisiert wer- wissenschaftliche Politikberatung nicht. Sobald die wissen-
den, die in der Lage sind, insbesondere die beschriebenen Inte- schaftlichen Ergebnisse nach „State of Art“ vorliegen, führt
grationstätigkeiten professionell zu leisten. Solche Institutio- dies automatisch zu einer qualitativ hochwertigen Politikbe-
nen können z.B. Einrichtungen der Ressortforschung sein, so ratung. Das lineare Politikberatungsmodell kommt mit den
lange sie sich vom universitären Forschungsmodell unterschei- etablierten Kriterien zur Qualitätssicherung der Wissenschaft
den und tatsächlich ihre besonderen Tätigkeiten in der Inte- aus. Da der Prozess wissenschaftlicher Politikberatung in
gration leisten (Böcher & Krott, 2011). Eine Institutionalisie- unserem Modell jedoch wie aufgezeigt analytisch aus den drei
rung von Integration könnte jedoch auch durch Politikbera- unterschiedlichen Ansprüchen folgenden Handlungsbereichen
terinnen und –berater geleistet werden, wenn diese als eigen- Forschung, Integration und Verwertung besteht, lässt sich
ständige „Experten“ (Stehr & Grundmann, 2010) oder „Brü- bezogen auf die Frage nach erforderlichen Kriterien zur Qua-
ckenbauer“ (Böcher & Krott, 2007) auftreten, die weder als litätssicherung wissenschaftlicher Politikberatung folgern,
Wissenschaftler noch als politische Akteure i.e.S. zu bezeich- dass dazu ein die Logiken dieser unterschiedlichen Hand-
nen sind. Solche Institutionen und Akteure wissenschaftlicher lungsbereiche berücksichtigender Kriterienmix notwendig ist.
Politikberatung in dem hier beschriebenen Sinne müssen auch Die Qualitätssicherung wissenschaftlicher Politikberatung
nicht selbst forschen – sie sollten jedoch in der Lage sein, For- sollte daher aus einer gleichzeitig anzuwendenden Kombina-
schungsprozesse auf dem „State of Art“ der Wissenschaft zu tion von Qualitätskriterien zu Forschung, Integration und
beurteilen und nachzuvollziehen, ihre Ergebnisse zu verstehen Verwertung bestehen: Wissenschaftliche Politikberatungspro-
und auf den tatsächlichen Bedarf der politischen Akteure hin zesse sollten selbstverständlich über Qualität der ihnen
zu selektieren und auszurichten. zugrunde liegenden Forschung verfügen, ohne eine ausrei-
chende Qualität in den Handlungsbereichen Integration und
Integration im hier beschriebenen Sinne verbindet die Wis-
Verwertung wird daraus jedoch keine qualitativ hochwertige
senschaft mit der politischen Praxis. Sie erfordert aber weder,
wissenschaftliche Politikberatung. Tabelle 1 zeigt die von uns
dass die politischen Akteure die Wissenschaft verstehen noch
vorgeschlagenen Qualitätskriterien im Überblick:
die Forscherinnen und Forscher die politische Praxis. Im
Gegenteil, das FIV-Modell geht davon aus, dass die Hand-
Tabelle 1: Qualitätskriterien für wissenschaftliche Politikbera-
lungsrationalitäten der beiden Bereiche so unterschiedlich
tung
sind, dass eine direkte Verständigung oder gar Konsens nicht
Handlungsbereich des Modells Qualitätskriterien
möglich sind. Die Integration überbrückt den fundamentalen
Forschung Aktuelle wissenschaftliche Informa-
Unterschied, indem in ihr einerseits die wissenschaftlichen tionen
Erkenntnisse als durch das Wissenschaftssystem vorgegeben Verfahren nach guter wissenschaft-
oder erst zu erarbeiten angesehen werden und darin durch die licher Praxis
politischen Akteure nicht nachvollziehbar sind. Andererseits Kooperationen mit thematisch aus-
gewiesenen Wissenschaftlern und
haben aber die politischen Akteure Kompetenz in der Beur- Forschungsinstitutionen
teilung der Relevanz, denn nur sie führen machtbasierte Hand- Integration Öffentlicher Zweck
lungen aus, nicht die Wissenschaft. Die Funktion der Integra- Relevanz
tion ist es, zu gewährleisten, dass möglichst alles wissenschaft- Akteursbezug
lich verfügbare Wissen bereit steht, dieses nicht manipuliert Angemessene Vermittlung
wird, und die Akteure der Praxis daraus so auswählen können, Verwertung Rechtsstaatlichkeit
wie es ihren Interessen und Machtkalkülen entspricht. Einen Demokratie
Konsens zwischen den Forscherinnen und Forschern benöti- Quelle: verändert nach Böcher & Krott, 2010, S. 108 ff.
gen sie dazu ebenso wenig, wie die Forscherinnen und For-
scher die Zustimmung der Praxis zu ihren Erkenntnissen. In
2.1 Qualitätskriterien Forschung
dieser Rolle der Integration, der Vermittlung zwischen von-
einander unabhängigen Diskursen in Wissenschaft und Politik Die Qualitätskriterien für den Handlungsbereich Forschung
liegt der Unterschied zu jenen Modellen der Politikberatung, entstammen den formalen Normen, die das System Wissen-
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schaft explizit formuliert. Mit den Qualitätskriterien For- ratung zugrunde liegenden Forschung soll einer in der Litera-
schung soll sichergestellt werden, dass wissenschaftliche Poli- tur übereinstimmend als notwendig für die Effektivität und
tikberatung auf der Basis des wissenschaftlichen „State of Art“ Güte wissenschaftlicher Politikberatung anerkannter Grund-
agiert. Die Wichtigkeit dieser Qualitätskriterien erklärt sich bedingung Rechnung getragen werden (Weingart & Lentsch,
aus der Funktionslogik von Wissenschaft: Wissenschaft, die 2008; Pregernig & Böcher, 2012; für die politische Diskus-
solche elementaren Qualitätskriterien verletzt, schafft kein sion: European Commission, 2002).
Wissen und kann folglich nicht für eine qualitativ hochwertige
Politikberatung genutzt werden, da diese dann mit ungesi- 2.2 Qualitätskriterien Integration
chertem oder falschem Wissen als Basis agieren würde. Damit
Aufgabe der Integration ist es, Forschung auf die zu bearbei-
bestünde die Gefahr, dass die Legitimation wissenschaftlicher
tende politische Aufgabe der Beratung auszurichten. Identifi-
Politikberatung aufgrund einer nicht ausreichenden wissen-
ziert werden muss, welche Forschungen tatsächlich einen Bei-
schaftlichen Qualität ihrer Beratungsinhalte in Frage gestellt
trag zur politischen Problemlösung leisten. Forschung, die sich
wird.
nicht unter diesen Zweck subsumieren ließe, verfehlt die Auf-
Bei den Qualitätskriterien Forschung geht es um die Güte gabe der Politikberatung (Böcher & Krott, 2010, S. 61). Die
der für die wissenschaftliche Politikberatung eingesetzten wis- Qualitätskriterien sind aus der Norm der „Problemlösung“
senschaftlichen Informationen. Hierunter fallen zum Beispiel abgeleitet. Als eine solche soll ein Vorschlag für politisches
die Sicherstellung, dass die eingesetzte Forschung aktuell und Handeln bezeichnet werden, welches öffentlichen Zwecken
auf dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Informatio- dient, Relevanz für ein Problem der Praxis besitzt und einen
nen zum spezifischen Thema ist, dass die zugrunde gelegten klaren Bezug zu bestimmten politischen Akteuren hat. Der
Forschungen die Ansprüche der „Guten wissenschaftlichen Vorschlag soll darüber hinaus der Praxis verständlich sein.
Praxis“ (Deutsche Forschungsgemeinschaft, 1998) erfüllen Öffentlicher Zweck: In der Integration soll die wissen-
und dass zur Erzeugung der Forschungsergebnisse national schaftliche Politikberatung die wissenschaftlichen Erkennt-
und international mit den entsprechenden thematisch ausge- nisse an öffentlichen Zwecken ausrichten (Böcher & Krott,
wiesenen Wissenschaftlern und wissenschaftlichen Einrich- 2010, S. 62). Zwar definieren unterschiedliche politische
tungen kooperiert wird (Böcher & Krott, 2010, S. 52 ff.). Akteure als private oder öffentliche Auftraggeber wissen-
Dazu benötigt die für wissenschaftliche Politikberatung schaftlicher Politikberatung die öffentlichen Zwecke interes-
zugrunde gelegte Forschung genügend materielle und perso- senorientiert unterschiedlich. Wissenschaft als Grundlage wis-
nelle Ressourcen, um Wissenslücken zu identifizieren und senschaftlicher Politikberatung darf jedoch normative Defini-
geeignete Suchverfahren anwenden zu können. Zudem geht es tionen liefern. Wissenschaftliche Politikberatung kann darauf
um Ressourcen, sich aktiv in Fachgremien zu beteiligen, um aufbauend zusätzliche Alternativen ins Spiel bringen und die
den Anschluss an den wissenschaftlichen Fachdiskurs regel- Optionen für die zu beratenden politischen Akteure erweitern.
mäßig zu gewährleisten und über die Erlangung einer wissen- Wissenschaftliche Politikberatung hat nach diesen Kriterien
schaftlichen Themenführerschaft den wissenschaftlichen der Integration das Mandat, sich zu öffentlichen Zwecken zu
Fachdiskurs aktiv beeinflussen zu können (Böcher & Krott, äußern. Dies stellt auch einen wichtigen Unterschied zu Lob-
2010, S. 54). Wenn wissenschaftliche Politikberatung auf For- byisten dar, die unter dem Deckmantel der Politikberatung
schung aufbaut, die diesen Kriterien entspricht, ist das ein einseitig Interessenpolitik betreiben. Wenn wissenschaftliche
wichtiger Baustein für eine qualitativ wertvolle Politikbera- Politikberatung Handlungsoptionen der politischen Akteure
tung. erweitert, dann hat sie eine wissenschaftlich begründete Mei-
Allerdings steckt in diesen Kriterien auch ein Spannungs- nung zu öffentliche Zwecken und liefert neben notwendigem
verhältnis. Die Einhaltung der Verfahren der „Guten wissen- Erklärungswissen auch Orientierungswissen im Sinne eines
schaftlichen Praxis“ impliziert, dass Wissenschaft offen ist „Mehrs“ an Interpretationen, was der öffentliche Zweck sein
gegenüber innerwissenschaftlicher Kritik. Dazu müssen ihre könnte. Diese Funktion von Politikberatung wird z.B. im
Methoden und theoretischen Annahmen jedoch offen und „Honest Broker“-Modell Pielkes (2007, S. 17) beschrieben.
transparent gegenüber anderen Forscherinnen und Forschern Zur Orientierung am öffentlichen Zweck gehören auch die
sein. In der Politikberatung ist es jedoch häufig so, dass inner- Prinzipien der Unabhängigkeit und Weisungsungebundenheit
halb der Integration, wenn die wissenschaftlichen Erkennt- wissenschaftlicher Politikberatung insbesondere von privaten
nisse auf politische Aspekte und die Interessen der politischen Interessen (Böcher & Krott, 2010, S. 64). Gerade in politisch
Akteure treffen, Intransparenz und Geheimhaltung herrschen, konfliktären Debatten spielt es eine Rolle, dass wissenschaft-
gerade bei öffentlich kontrovers diskutierten Themen. Dieses liche Politikberatung unabhängig von bestimmten Interessen
Spannungsverhältnis zwischen Grundlagen der wissenschaft- agieren kann und auch Vorschläge unterbreiten kann, die
lichen Qualitätssicherung und den politischen Rationalitäten nicht den herrschenden Interessen dient.
in der Integration kann zu negativen Effekten für die Qualität Relevanz: Politikberatung soll sich auf Analyse und
der in der Politikberatung verwendeten Forschung führen: das Lösung konkreter Probleme beziehen und zeitnah dann (mit-
bestmögliche Wissen könnte sich dann nicht durchsetzen. Mit unter auf Abruf) zur Verfügung stehen, wenn sie tatsächlich
der Qualitätssicherung der der wissenschaftlichen Politikbe- gebraucht wird (Böcher & Krott, 2010, S. 65). Akteure und
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Institutionen wissenschaftlicher Politikberatung sollten in der In unserem Modell der wissenschaftsbasierten Politikbe-
Integration Ressourcen für die verschiedenen Beratungsfor- ratung führen Forschung und Integration zu bestimmten Pro-
men (z.B. kurzfristige Stellungnahmen nach wenigen Tagen dukten für die Verwertung innerhalb des politischen Systems.
oder Wochen, Beauftragung von Forschung für längerfristige Es geht vorwiegend um Beiträge zur Beratung politischer
Beratungsanfragen), die sich an unterschiedlichen politischen Akteure und der Bürgerinnen und Bürger. Verwertung ist
Zeittakten orientieren, optimal kombinieren, so dass sowohl dann erfolgt, wenn die in der Integration auf die Ansprüche
tagespolitische als auch mittelfristige Beratungsleistungen der politischen Praxis gedanklich ausgerichteten Beratungsin-
erbracht werden können (Böcher & Krott, 2010, S. 66). Eine halte als konkrete Beratungsprodukte die Akteure und Insti-
Kernkompetenz besitzen wissenschaftliche Politikberaterin- tutionen wissenschaftlicher Politikberatung verlassen und den
nen und -berater darin, Praxisprobleme in wissenschaftliche politischen Akteuren übergeben werden, z.B. in Form von
Fragen zu übersetzen. Für diese Übersetzungsarbeit von der Gutachten, Stellungnahmen, oder Medienauftritten.
Praxis in die Wissenschaft und umgekehrt müssen entspre-
chende Ressourcen vorhanden sein (Böcher & Krott, 2010, 2.3 Qualitätskriterien Verwertung
S. 67). Dazu bedarf es erfahrener wissenschaftlicher Politik-
beraterinnen und -berater, die die Ansprüche politischer Zur Qualitätssicherung der Verwertung gehören Kriterien der
Akteure und die Eigenheiten des politischen Systems genau Rechtsstaatlichkeit und der Demokratie in der Beratung
kennen, und in der Lage sind, aus widersprüchlichen Aussagen (Böcher & Krott, 2010, S. 72 ff.). Rechtsstaatlichkeit bedeu-
und unklaren Aufträgen der Praxis wissenschaftlich bearbeit- tet, dass die Produkte wissenschaftlicher Politikberatung sach-
bare Fragen zu machen. Umgekehrt muss auch Wissen darü- gerecht sind, d.h. dass sie die Probleme richtig erfassen. Sie
ber vorliegen, welche wissenschaftlichen Disziplinen und Fra- sollen unparteilich sein, also nicht unausgewogen einseitig
gen ein Praxisproblem berührt und wo es entsprechendes wis- interessengebunden. Wissenschaftliche Politikberatungspro-
senschaftliches Wissen geben kann, das dann einen Beitrag für dukte sollen wirtschaftlich sein und nicht gegen gesetzliche
eine Problemlösung leistet, die wirklich relevant ist (Böcher & Vorgaben verstoßen (Böcher & Krott, 2010, S. 72-73). Zur
Krott, 2010, S. 67). Demokratie in der Beratung gehört, dass wissenschaftliche
Akteursbezug: Die Integration, die den Einsatz von Wis- Politikberatungsangebote auch für Bürgerinnen und Bürger
senschaft für die Lösung von politischen Problemen zum Ziel angeboten werden, dass die Verfahren der wissenschaftlichen
hat, soll die tatsächlichen Handlungsmöglichkeiten der poli- Politikberatung und der Anteil externer Expertise an politi-
tischen Akteure beachten (Böcher & Krott, 2010, S. 69). Wis- schen Vorschlägen und Stellungnahmen transparent sind und
senschaftliche Lösungen bleiben in der politischen Praxis wissenschaftliche Politikberatung nicht außerhalb demokra-
solange wirkungslos, wie sie keinen direkten Bezug zu politi- tisch legitimierter Verfahren stattfindet (Böcher & Krott,
schen Akteuren und ihren Ressourcen aufbauen (Böcher & 2010, S. 73). Dass die Verwertungsprodukte wissenschaftli-
Krott, 2010, S. 69). Die für eine Umsetzung der wissenschaft- cher Politikberatung rechtsstaatlichen und demokratischen
lichen Erkenntnisse relevanten Akteure müssen für die bear- Normen entsprechen sollen, trägt wieder zur wichtigen Unter-
beiteten Themen aktiv identifiziert und durch unterschiedliche scheidung zwischen Lobbyismus und Politikberatung bei:
Vermittlungsstrategien bedient werden (Böcher & Krott, Beim Lobbying geht es um die interessenbasierte einseitige
2010, S. 69). Umsetzungschancen entstehen nur, wenn die Beeinflussung politischer Akteure und Entscheidungen, wäh-
Forschungsergebnisse auf die Interessen, Handlungsoptionen rend wissenschaftliche Politikberatung auf die Herstellung
und vorhandenen Ressourcen der nationalen und internatio- problemlösungsfähiger Politik abzielt (Hustedt, Veit, & Flei-
nalen relevanten Akteure abgestimmt sind. Dies bedeutet, die scher, 2010, S. 16). In der Realität sind innerhalb von Macht-
potenziellen Gegner und Unterstützer einer Lösung zu kennen und Interessenauseinandersetzungen die Grenzen zwischen
und eine Lösung so zu gestalten, dass sie ausreichend Unter- Politikberatung und Lobbying jedoch fließend (Hustedt, Veit,
stützer findet. Genaue Kenntnisse des Umfeldes sind wichtig, & Fleischer, 2010, S. 16). Erst wenn die von uns vorgeschla-
um umsetzungsrelevante Lösungen zu erarbeiten (Böcher & genen Kriterien Forschung, Integration und Verwertung in
Krott, 2010, S. 69). wissenschaftlichen Politikberatungsprozessen erfüllt sind,
Angemessene Vermittlung: Weitere Qualitätskriterien handelt es sich tatsächlich um wissenschaftliche Politikbera-
innerhalb der Integration betreffen die Vermittlung von Infor- tung, während bei einer Verletzung der Qualitätskriterien in
mationen. Die entsprechenden Akteure als Zielgruppen wis- einem oder mehreren Handlungsbereichen die Gefahr besteht,
senschaftlicher Politikberatung müssen jeweils durch indivi- dass Lobbyismus im Gewand der Politikberatung auftritt.
duell-spezifische Produkte, Medien und Kommunikations-
wege angesprochen werden. Zur Qualitätssicherung einer 3 Der Mehrwert des FIV-Modells und seine Konsequenzen für
angemessenen Vermittlung von Beratungsinhalten dienen die die Ausbildung von Politikberater_innen
Verwendung einer zielgruppengerechten Sprache, zielgrup-
Zusammengefasst besteht der Mehrwert des FIV–Modells der
pengerechter Medien, sowie eine zeitgerechte Übermittlung
Politikberatung darin, für die Erklärung der Politikberatung
(Böcher & Krott, 2010, S. 71).
Theorien über die Wissenschaft und über die Politik zu
erschließen. Die beiden unterschiedlichen Bereiche müssen
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nicht verschmolzen werden und auf der Basis einer „neuen“ besteht, die jeweils bestimmte Fähigkeiten für Forschung und
einheitlichen Theorie erklärt werden. Im Gegenteil: das FIV- professionelle Integration aufweisen. Wissenschaftliche Poli-
Modell geht von unveränderbaren unterschiedlichen Hand- tikberaterinnen und -berater müssen dabei nicht selbst for-
lungslogiken von Politik und Wissenschaft aus. Den „link“ schen, sondern können mit Forscherinnen und Forschern
liefert die Integration, die mit politikwissenschaftlichen Hand- zusammenarbeiten, wenn sie dabei alle Standards der Wissen-
lungstheorien erklärt wird (Böcher & Krott, 2010, 2011) schaft auf einem hohen Niveau beherrschen, um die For-
Die Trennung in die drei unterschiedlichen Bereiche des schungsergebnisse beurteilen und auf der Basis der notwendi-
FIV-Modells ermöglicht zudem, Qualitätskriterien aus unter- gen problemlösungsorientierten Ansprüche der Integration zu
schiedlichen weithin anerkannten Normen für Wissenschaft selektieren.
und für Politik abzuleiten. Die Qualitätskriterien für die Inte- Für die konkrete Ausbildung heißt das, dass wissenschaft-
gration ergeben sich ebenfalls aus diesen beiden Bereichen. liche Politikberaterinnen und -berater politikwissenschaftlich
Widersprüche löst das FIV-Modell nicht durch Kompromisse, ausgebildet sein sollten, um grundlegende Eigenschaften des
sondern durch eine doppelte Selektion: gute Politikberatung politischen Systems und Unterschiede zwischen politischer
stellen nur solche Vorschläge dar, die gleichzeitig sowohl Kri- Rationalität im Vergleich zu wissenschaftlicher Sachrationa-
terien der Wissenschaft als auch solche der Politik erfüllen. lität erkennen zu können. Damit sollten Kenntnisse über die
Eine Konsequenz der doppelten Selektion ist, dass es in vielen Ansprüche politischer Akteure an politische Problemlösungen
aktuellen politischen Problemen aufgrund mangelhafter wis- verbunden werden, die über verpflichtende längere Praktika
senschaftlicher Erkenntnisse oder wegen fehlender mächtiger in Politik oder Verwaltung gesammelt werden sollten. Darü-
Bündnispartner für neue Erkenntnisse keine gute Politikbera- ber hinaus sollten wissenschaftliche Politikberaterinnen und
tung gibt. Insofern zeigt das FIV-Modell auch die engen Gren- -berater hohe ethische Ansprüche besitzen, um gegen eine ein-
zen auf, die trotz des Ideals einer Wissensgesellschaft für wis- seitige Vereinnahmung durch bestimmte Interessen, die die
senschaftsbasierte Politikberatung bestehen. Gute Politikbe- Qualitätskriterien der Politikberatung verletzen würden,
ratung stellt eher eine Ausnahme als den Standard für die immun zu sein. Hier geht es um eine normsensible Ausbildung,
Lösung vieler aktueller politischer Probleme dar. die Politikberaterinnen und -berater grundlegende Prinzipien
des Rechtsstaats und der Demokratie vermittelt. Damit könn-
Welche Konsequenzen ergeben sich aus dem FIV-Politik-
ten zur politikwissenschaftlichen Ausbildung wissenschaftli-
beratungsmodell mit den daraus abgeleiteten Qualitätskrite-
cher Politikberaterinnen und -berater in der Politikwissen-
rien für die Ausbildung von wissenschaftlichen Politikberate-
schaft wieder eine Besinnung auf deren Prinzipien und Tradi-
rinnen und –beratern? Aufgrund der notwendigen Qualität
tion als Demokratiewissenschaft (Rupp, 1996) sowie in poli-
der der Politikberatung zugrunde gelegten Forschung sollten
tikberatungsrelevanten Studiengängen eine Stärkung der
Politikberaterinnen und -berater hervorragend wissenschaft-
Aspekte der „politischen Bildung“ (Berg-Schlosser & Stam-
lich ausgebildet sein, um Methoden und verwendete Ansätze
men, 2003, S. 308 ff.) dienlich sein. Denn nur umfassend im
wissenschaftlicher Forschung auf dem „State of Art“ verste-
Sinne aller drei Handlungsbereiche der wissenschaftlichen
hen, nachvollziehen und die Adäquatheit der Ansätze beurtei-
Politikberatung Forschung, Integration und Verwertung aus-
len zu können. Zudem sollten wissenschaftliche Politikbera-
gebildete Politikberaterinnen und -berater können nach unse-
terinnen und –berater besondere Kompetenzen in der Integra-
rem FIV-Modell eine qualitativ hohe Politikberatung gewähr-
tion besitzen, indem sie in der Lage sind, gedanklich die
leisten, die nicht in die Gefahr gerät, Lobbyinteressen wahr-
Ansprüche der politischen Praxis zu erkennen, hinsichtlich
zunehmen.
eines Bedarfs sich daraus entstehender Forschungsfragen zu
interpretieren und umgekehrt aus der Fülle an wissenschaftli- Professionelle Integration in der wissenschaftlichen Poli-
cher Forschung diejenigen „State of Art“-Ergebnisse zu selek- tikberatung bedeutet, wie wir weiter oben ausgeführt haben,
tieren, die den Anspruch der politischen Akteure einlösen kön- auch eine dauerhafte Institutionalisierung der für die Politik-
nen. Für die Kompetenzen im Bereich Integration sind Erfah- beratung so notwendigen Integrationsaufgaben. Eine entspre-
rungen aus der eigenen Arbeit in Politik und Verwaltung sehr chende Ausbildung wissenschaftlicher Politikberaterinnen
hilfreich. Über die Qualitäten bezogen auf Forschung und und -berater zur Stärkung ihrer Fähigkeiten in den Bereichen
Integration hinaus sollten Politikberaterinnen und -berater Forschung, Integration und Verwertung trägt danach auch zu
normsensibel sein, d.h., dass sie bezüglich der Wahrung dieser notwendigen dauerhaften Institutionalisierung bei.
rechtsstaatlicher Normen und demokratischer Prinzipien sen-
sibilisiert sind. Dies ist notwendig, um Gefahren der Verein- Literatur
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