Psychologische Versorgung auf der pädiatrischen Intensivstation - Klinik für Kinder-und Jugendmedizin - Dipl.-Psych. C. Langer - DIVI
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Klinik für Kinder-und Jugendmedizin Abteilung Kinderkardiologie Psychologische Versorgung auf der pädiatrischen Intensivstation Dipl.-Psych. C. Langer 15.01.2020
Psychologische Versorgung auf pädiatrischer ITS 1. Wahrnehmung der Situation 2. Potenziell traumatisierendes Erleben 3. Notfallpsychologie und Transfer auf pädiatrische ITS
Situations- wahrnehmung Erleben für Patienten, Eltern und Geschwisterkinder auf der pädiatrischen Intensivstation unterscheidet sich deutlich vom Erleben dort arbeitenden Personals
Experten-Alltag versus Katastrophen-Erleben Arbeitsalltag Kinderintensivstation Krisensituation Kinderintensivstation • Hohe Fachexpertise in allen agierenden • Eltern und /oder Geschwisterkinder erleben Berufsgruppen vorhanden und im Bedarfsfall sich hilflos und der Situation „ausgeliefert“ rasch hinzuziehbar • Besonders Eltern schildern oft Schuldgefühle, • Teamarbeit: Erfolge werden nicht alleine machen sich massive Selbstvorwürfe zu errungen (angeblich) eigenem Unvermögen • Erfolgreiches Agieren in Krisensituationen • Massive persönliche Betroffenheit von Eltern bei gehört zum Arbeits- „Alltag“ intensivmed. Behandlungserfordernissen am • Hohes Selbstwirksamkeitserleben eigenen Kind (potenziel traumatisierend) • Hohe intrinsische Motivation • Hohe Identifikation der Eltern mit dem Leiden • Stressresistenz?? des Kindes • Resilienz ! • Sorge / Angst um das Überleben des Kindes • Skills im Umgang mit herausfordernden • Unvermittelte Konfrontation hoher Intensität Situationen sind grundsätzlich vorhanden eines zuvor noch nicht erlebten Ereignis Dipl.-Psych. C. Langer
GRUNDSÄTZE (I) • Kinder erleben und verarbeiten eine Krisensituation anders als Erwachsene • Geschwisterkinder erleben unmittelbar und mittelbar die schwerste Erkrankung ihres Bruders/ ihrer Schwester • (Geschwister-) Kinder erleben ihre Eltern in einer „Ausnahmesituation“ • Kinder brauchen stabile Bezugspersonen zum Erleben eigener Sicherheit Dipl.-Psych. C. Langer
GRUNDSÄTZE (II) Konsequenzen für (notfall)psychologisches Vorgehen: • Teaching/Coaching von Bezugspersonen ➔ Wirksamkeit erzielen via Multiplikatoren Bezugspersonen, die selbst sicher und stabil sind, wirken stabilisierend auf ihre Kinder • Beachtung Bedürfnis emotionaler Bindung der Kinder an ihre Bezugspersonen • Bedürfnis Erleben von Struktur und Sicherheit, die durch Erwachsene geschaffen wird • Schutz vor traumatisierenden Sinneseindrücken, ermöglichen von Beschäftigung • !! Keine Gespräche ins Ereignis hinein Dipl.-Psych. C. Langer
Experten-Alltag versus Katastrophen-Erleben Kinderintensivstation aus Kindersicht Kinderintensivstation aus Elternsicht DAS KIND ALS PATIENT ELTERN ALS BEGLEITER DES KINDES • Eltern verlieren ihre „Allmacht“ und Allwissenheit • Unsicherheit in sorgenvoller Situation • Eltern sind selbst belastet und reagieren ungewohnt • Quälende Schuldfragen als Ausdruck von Ohnmacht • Eltern lassen zu, dass Dritte ggf. Schmerzen zufügen • Bedingungsloser Schutz des Kindes = unmöglich • Verändertes Verhalten durch Überforderungssituation in • Verändertes Verhalten durch eigenes Belastungserleben unbekannter Umgebung • Veränderte Bewusstheit • Veränderte Bewusstheit Dipl.-Psych. C. Langer
Traumatisierendes Erleben Betroffener Psychologisch-neurologische Grundlagen und deren Auswirkung auf Verhalten, Erleben und Bewusstheit
Hinweise auf potenziell traumatisierendes Erleben • Gefühle von Hilflosigkeit/ Machtlosigkeit * • Schuldgefühle, massive Selbstvorwürfe ** Bestimmt durch: • Massive persönliche Betroffenheit * Einstellungen, Werthaltungen, Normen = • Hohe Identifikation mit Leidenden * • Intensität eines Ereignisses * • Bedrohung von Leib und Leben * *PTBS Kriterium A ; Diagnostisches Manual Psychischer Störungen 5. Auflage, 2015 **M. Huber; Vortrag Trauma und Schuld, 04.01.2015 Dipl.-Psych. C. Langer
Traumatisierung als „Stressverarbeitungsstörung“ Adaptiert nach G. Fischer 2003: psychodynamisches Trauma-Modell der „unterbrochenen Handlung“ & Stressmodell nach Lazarus 1974 Kontrollverlust Hilflosigkeit Entsetzen Angst Ohnmacht Bedrohung Potenzieller Primäre Bewertung Sekundäre Bewertung Stressor Auswirkung des Stressors nach vorhandener Bewältigungskompetenz hilflos Massive Stressreaktionen! Dipl.-Psych. C. Langer
Überblick: Anatomie Physiologie potenziell–traumatisierenden Das limbische System Erlebens (I) Abbildung: F. Volperts, Vortrag: Hypnosetherapie, PSAPKA-Tagung am 25.03.2017, Boltenhagen Klinikum der Universität München, Kinderkardiologie und Intensivpädiatrie, HTX-Ambulanz Amygdala („Alarmanlage“) • Sitz im limbischen System • Zentrale Rolle in der Verarbeitung und Speicherung von Emotionen, besonders von Angst • ist beteiligt an Furchtkonditionierung: Gefahrenanalyse • wahrgenommene Situationen werden emotional bewertet… und später auch wieder erkannt … • Verbindung mit dem Hirnstamm und mit dem Hippocampus: Gedächtniskonsolidierung und Verarbeitung komplexer Reize und Wahrnehmungen • Folge bei „Alarm“… kortikale Hemmung Dipl.-Psych. C. Langer
Überblick: Anatomie Physiologie potenziell–traumatisierenden Das limbische System Erlebens (II) Hippokampus und präefrontaler Kortex • „Mittler“ zwischen Gefühl und Verstand, verschaltet die Gefühle, die im limbischen System entstehen, mit den rationalen Abwägungen der handlungsstarken Großhirnrinde. • Verbindung auch mit nicht-limbischen sensorischen Assoziationsgebieten. • Empfänger hochverarbeiteter visueller, auditorischer und somato-sensorischer Information • Integration dieser Informationen laufend in Hinblick auf die aktuelle Situation, in der sich der Mensch gerade befindet • Berücksichtigung der inneren Befindlichkeit (limbisches Grafik: Helmut Hinghofer-Szalkay, Life Science Teaching Resource Community http://user.medunigraz.at/helmut.hinghofer-szalkay/Pruef.htm Zugriff am 19.02.2016 System), zusätzlich beigesteuert werden Impulse aus dem para-hippokampalen Gebiet zur gefühlsmäßigen Ausrichtung • Organisation von „angemessenem Verhalten“: emotional & motorisch (also verantwortlich für Selbstkontrolle • Vermittlung der am höchsten kognitiven Fähigkeiten: Konzentration, Planung, Analyse, Urteilsvermögen, Gedächtniszugriff Dipl.-Psych. C. Langer
Konsequenz in Krisenpotenziell Auswirkungen - Situationentraumatisierenden Erlebens (I) • In psychisch stark (!!) belastenden Situationen hemmt die Ausschüttung von Noradrenalin und Dopamin die „Arbeit“ des präfrontalen Kortex (neuronale Kurzschlussreaktionen) • Hypothalamus übernimmt die Verhaltenskontrolle ➔ lähmende ANGST • Verminderte Merkfähigkeit • Verminderte Konzentrations-und Aufmerksamkeitsspanne • Schwierigkeiten in der Entscheidungsfindung Dipl.-Psych. C. Langer
Konsequenz in Krisenpotenziell Auswirkungen - Situationentraumatisierenden Erlebens (II) • Schwerst erkrankte Patienten und ihre nahen Angehörigen befinden sich mit ihrem Krankheitsgeschehen in einem Ausnahmezustand und damit in einem veränderten Bewusstseinszustand. • Sie sind dadurch sehr suggestibel (empfänglich) für hilfreiche, aber auch unbeabsichtigt ungünstige Mitteilungen der in die Behandlung involvierten Personen. • Betroffene nehmen vielseitige Informationen auf, beziehen sie auf ihre Situation und ziehen unweigerlich ihre eigenen Schlüsse… auch und gerade Eltern eines schwer erkrankten Kindes tun dies… Dipl.-Psych. C. Langer
Notfallpsychologie Überblick und Transfer auf die pädiatrische Intensivstation
Psychologisches Notfallgeschehen im Zeitstrahl adaptiert nach Lucas 2002 Prävention und Bewältigung posttraumatischer Belastungsreaktionen Neuorganisation (sekundäre Prävention) Integration Traumatisches Ereignis Coping Schockphase Einwirkungsphase Ressourcenarbeit Anpassungsstörung Erregung/Schlafstör. Vermeidung / Burn- out Erinnern Alkohol PTBS Traumatherapie Akute Belastungsstörung Belastungsreaktion (tertiäre Prävention) vorher bis 48 h danach bis 1 Woche danach bis 6 Monate danach Lebenszeit © C. Langer 2005
Reaktionsverlauf Notfallpsychologie, Fischer 2000 Kölner Risiko-Index Wechslergruppe Bei ca. 30% der Betroffenen besteht das Risiko der Entwicklung einer PTBS. Ca. 30% der Betroffenen verarbeiten die Belastung als belastendes Lebensereignis, ohne daran zu erkranken. Restliche ca. 40% der Betroffenen können als „Wechsler-Gruppe“ gut unterstützt werden, das Ereignis zu verarbeiten. Dipl.-Psych. C. Langer
Umsetzung Notfallpsychologischer Leistungen Bedarfseinschätzung Interventionsziele • „event driven“ mit dem Ziel • Sicherheit vermitteln, stabilisieren, Komplexitätsreduktion normalisieren, entlasten, strukturieren • „time driven“ mit dem Ziel • Keine klaren Grenzen in Zeit und Raum Einleitung geeigneter Unterstützung einhaltend, Geh-Struktur realisierend (aufsuchende Begleitung) • Wer braucht welche Unterstützung? (Einschätzung Grad potenzieller Betroffenheit) • Ziel: Wiederermächtigung und Rebonding • Wer kann welche Unterstützung leisten? • Pragmatische Hilfe mit eingeschränkter parteilicher Abstinenz ================================== versus „symtom driven“ ➔ Psychodiagnostik !! Dipl.-Psych. C. Langer
NOTFALLPSYCHOLOGIE Abb.: nach C. Hausmann 2010 Notfallspsychologie und Traumabewältigung Die notfallpsychologische Interventionskette Psychosoziale Notfallpsychologische Org.- und Familien- Langfrist. Behandlung Erste Hilfe Akutintervention unterstützung Psychotherapie Psychosoziale Einzel- u. Gruppen- Individuelle Unterstützung gespräche Weiterbetreuung Akutphase Stabilisierungs- Weiterbetreuung phase Dipl.-Psych. C. Langer
Constructivist Selv-Developement Theorie McCann 1988,1990 Bewältigung traumatischer Ereignisse • Sicherheit erfahren • Vertrauensvolle Beziehungen erleben • Bedürfnis nach Stärke (statt Hilflosigkeit und Verletzlichkeit) • Wertschätzung und Achtung erfahren • Berücksichtigung von Intimität • Erleben von Unabhängigkeit (individuelle Autonomie) • Existenz bedeutsamen Bezugsrahmens Dipl.-Psych. C. Langer
Theorie der Ressourcenerhaltung nach Hobfoll 1988 Bedürfnisse in Ableitungen für den Umgang mit Betroffenen Stresssituationen • Sicheren Rahmen schaffen Sicherheit • Informieren, Situationsüberblick ermöglichen • Ordnung und Struktur • Zuverlässig „da“ sein, begleiten Verbundenheit • Zuhören statt Ratschläge • Verständnis und Wertschätzung zeigen • Konfrontation mit dem subjektiv Erlebten vermeiden! • Nicht „überbehüten“ • Beteiligte (insbesondere in weiteres Vorgehen) einbeziehen Selbstwirksamkeit • Eigene Entscheidungen ermöglichen • Kontrollgefühl stärken • Herstellung möglichst völlständigen Bildes der Situation Kollektive • Ereignis als Ganzes verstehen und eigenen Beitrag sehen Wirksamkeit • Ressourcen und Sichtweisen der Gruppe nutzen • Ermöglichung gemeinsamen Austauschs / Abschluss • Abschirmen ohne zu isolieren Ruhe • Pause und Rückzugsmöglichkeiten schaffen • Authentizität, Vermittlung positiver Perspektive Perspektive • Ausblick auf folgende Stunden /Tage (Struktur erarbeiten) • Festen Ansprechpartner vereinbaren • Bewertung unterstützen, das eigene Handeln als Sinnvoll und als wertvoll zu betrachten Dipl.-Psych. C. Langer
Unterstützendes Verhalten Konkretes Handeln bei erheblich belasteten Eltern Handlung ORIENTIERUNG begleitendes Sprechen stoppt Hilflosigkeitserleben Beim Eintreten ins Patienten-Zimmer Bei der Vorbereitung von Eingriffen Bei der Einweisung neuer Mitarbeitenden SPRECHEN MIT DEM KIND !! Dipl.-Psych. C. Langer
Unterstützendes Verhalten Unterstützende Kommunikation bei erheblich belasteten Eltern Ziel: Im persönlichen Kontakt ungünstige Beeinflussungen vermeiden und stattdessen die Situationen positiv im Sinne Betroffener nutzen, um Stressreaktionen, Angst-und Spannungszustände zu vermindern. • Ressourcenorientierung • Aufmerksamkeitsfokussierung • Suggestion ins Positive • Förderung hilfreicher Patienten-Einstellung zum Heilungsprozess • Verminderung von Stressreaktionen, Angst, Anspannung, Schmerzempfinden ➔ Erfolgreicher Umgang mit schwierigen Situationen Dipl.-Psych. C. Langer
(Notfall-)Psychologische bedürfnisorientierte Begleitung der Patienten Ziele (notfall)psychologischer Interventionen (I) • Rebonding • (Re)orientierung und Information • Feststellung des aktuellen Unterstützungsbedarfs: Selbstwirksamkeitserleben ermöglichen! • Kriseninterventionsgespräche • Vermittlung zwischen Eltern und Patienten nach längeren „Sedierungsphasen“ Dipl.-Psych. C. Langer
(Notfall-)Psychologische Begleitung von Eltern und Patientenfamilien (1) Ziele (notfall)psychologischer Interventionen (II) • Familien- Anamnese: Fokus Ressourcen und critical incidents (Krisenkompetenz) • Feststellung des aktuellen psychosozialen Unterstützungsbedarfs • Orientierung und Re-Orientierung durch Information • Suportive Entlastungsgespräche mit dem Ziel Steigerung elterlichen Selbstwirksamkeitserlebens • Reflexion der aktuellen Situation aus Sicht der Mutter, des Vaters, der Geschwister • Psychoedukation zu Stresserleben • Reflexion des Wertes und zum Erfordernis elterlicher Selbstfürsorge Dipl.-Psych. C. Langer
(Notfall-)Psychologische Begleitung von Eltern und Patientenfamilien (1) Ziele (notfall)psychologischer Interventionen (III) • Notfallpsychologische Begleitung von Eltern bei Notfallaufnahmen • Psychologische Beratung zum Umgang mit Reaktionen (klein-) kindlichen Belastungserlebens: einordnen als ´vorübergehend und adäquat (Fokus Entwicklungs-Psychologie) • Reflexion der aktuell realisierten (unterschiedlichen) Coping-Strategien der Eltern und Wertschätzung dieser Verschiedenheit • Familientherapeutische Beratung auf Wunsch von Eltern / Mutter / Vater • Psychologische Begleitung der Eltern bei (interdisziplinären) OA-Gesprächen • Kriseninterventionsgespräche • Psychologische Begleitung von Eltern und Geschwisterkindern in Sterbesituation und postum Dipl.-Psych. C. Langer
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit Psychologische Versorgung auf päd. ITS Dipl.-Psych. C. Langer
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