Depression im Alter K. Hager
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Depression im Alter K. Hager
Häufigkeit der Depression im Alter (Zahlen aus der Berliner Altersstudie) • Minor Depression: 27% • Major Depression: 5% • Frauen : Männer = 2:1 • Depression bei chronischen körperlichen Erkrankungen: bis 50% • Lebenszeitprävalenz 12 - 17% (Wittchen et al. 1999, Kessler et al., 1996) • ca. jede 4. Frau und jeder 8. Mann erkranken im Laufe des Lebens
Prävalenz Prävalenz von von Depression Depression inin der der Berliner Berliner Altersstudie Altersstudie • 25,8% in der Gesamtgruppe „Hochbetagter“ (77 – 104 J.) • 36,8 % in Gruppe mit Multimorbidität • 14,1 % ohne körperl. Komorbidität • 30-70% nach Schlaganfall • 30-50% bei Morbus Parkinson Zit.n. Hautzinger
Verlustregulation (Niederfranke et al.) Pensionierung (6 bzw. 18 Monate nach Eintritt): negativ: 8-25% neutral: 16-30% positiv: 46-53% Tod des Partners (18 Monate nach Verlust): unzufrieden: 14-19% neutral: 36-42% zufrieden: 39-50% Zit. N. Hautzinger Bei Mehrheit stellt sich nach Verlust wieder tragfähige Lebenszufriedenheit ein!
Depressive Störung im Alter • Depressive Störungen sind die häufigsten affektiven Störungen im Alter • größere Prominenz somatischer Beschwerden (z.B. Obstipation, Gewichtsverlust, Schlafstörung, Schmerz ...) „larvierte Depression“ • Komorbidität mit somatischen Erkrankungen häufig • werden aber immer wieder übersehen (somat. Erkrank., Alter) • Kernsyndrom gleich wie bei Depression im jüngeren Lebensalter (Hauptsymptome: Depressive Stimmung, Verlust von Interesse und Freude (Anhedonie), Antriebsminderung /Ermüdbarkeit) • Prävalenzraten in Pflege- und Langzeiteinrichtungen bis 6x höher als in Allgemeinarztpraxen • mehr kognitive Beeinträchtigung, mehr emotionaler Rückzug • bei der Depression im Alter Motivationsstörungen (z.B. Apathie) prominenter als reine Stimmungsveränderungen
Häufigkeit Häufigkeit und und Behandlungsrealität Behandlungsrealität der der Depression Depression Gesamtzahl Davon Davon Davon therapie- in hausärztl. als depressiv ausreichend bedürftiger Behandlung: diagnostiziert: behandelt: depressiver Menschen: ca. 4 Mio. 2.4-2.8 Mio. 1.2-1.4 Mio. 400 Tsd. 100% 60-70% 30-35% 10% Kompetenznetz Depression, 2001; aus: Laux G. (Hrsg.), Springer 2002
Klassifizierung der Depression nach ICD 10 Hauptsymptome Zusatzsymptome Somatisches Syndrom • deutlicher Interessenverlust/Verlust der Konzentrationsstörung Freude an normalerweise angenehmen Aktivitäten • Depressive Mangelndes Selbst- Verstimmung wertgefühl, -vertrauen • mangelnde Fähigkeit emotional zu reagieren Gefühle von Schuld • Früherwachen • Verlust von und Wertlosigkeit • Morgentief Interesse / Freude Pessimistische • objektivierte psychomotorische Hemmung • Verminderung des Zukunftsperspektiven oder Agitiertheit Antriebs Suizidgedanken • deutlicher Appetitverlust/mehr als 5 % Schlafstörungen Gewichtsverlust Appetitverminderung • deutlicher Libidoverlust 2 2 leicht Depressive Episode - monophasisch F 32 2 3- 4 mittel - rezidivierend F 33 3 >4 schwer - biphasisch F 31 Dauer der Symptome (> 2 Wochen) Schweregrad Verlauf ICD 10 Modifiziert nach Laux G., MMW. Fortschritte. Med., 17, 2, 2002: 417-422
Einteilung der Depression Singuläre depressive Episode (F32) Rezidivierende depressive Störung (F33) Anhaltende affektive Diagnostik Störung: Dysthymia (F34.1) Bipolare affektive Störung (F31) Anhalt. affektive Störung: Zyklothymia (F34.0)
Tests für Befindlichkeit/Stimmung • Geriatric Depression Skala • HAMD • Cornell • Neuropsychiatrisches Interview • Subtests aus NAI • NOSGER • Beck-Depressions-Inventar • div. andere (zit.n. Gatterer)
GDS (Yesavage JA et al., 1983: J psychiatr Res 39, 37-49) ja nein 1. Sind Sie grundsätzlich mit Ihrem Leben zufrieden? 2. Haben Sie viele Ihrer Tätigkeiten und Interessen aufgegeben? 3. Haben Sie das Gefühl, Ihr Leben sei leer? 4. Ist Ihnen oft langweilig? 5. Sind Sie meistens guter Laune? 6. Befürchten Sie, daß Ihnen etwas Schlimmes zustoßen könnte? 7. Fühlen Sie sich meistens glücklich? 8. Fühlen Sie sich oft hilflos? 9. Sind Sie lieber zu Hause statt auszugehen und etwas zu unternehmen? 10. Haben Sie das Gefühl mit dem Gedächtnis mehr Schwierigkeiten zu haben als andere Leute? 11. Finden Sie, es sei schön am Leben zu sein? 12. Haben Sie im Moment das Gefühl, wertlos zu sein? 13. Fühlen Sie sich noch kraftvoll? 14. Finden Sie, Ihre Lage sei hoffnungslos? 15. Haben Sie das Gefühl, daß es den meisten Leuten Ihres Alters besser geht als Ihnen? zusammen
GDS Auswertung • Gezählt wird die Anzahl der Antworten in Kreisen (je Punkt). – 0 - 5 Punkte: normal – 6 -10 Punkte: leichte oder mittelschwere Depression – 11-15 Punkte: schwere Depression • Bei erheblicher geistiger Leistungseinschränkung ist der Test nicht auswertbar. • Bei Aphasie oder unter bestimmten klinischen Umständen ist der Test ebenfalls nicht durchführbar.
aus dem Flyer des Bündnisses gegen Depression in der Region Hannover
Notwendige Zusatzuntersuchungen • Blutbild, BKS • Leber-/Nierenwerte • TSHbasal • Glukose Diagnostik • (bei Ersterkrankung kranielles CT oder NMR) • EEG
Folgen von Depression im Alter • Funktionelle Beeinträchtigung • Komorbide psychische Erkrankungen (z.B. Alkohol- und Medikamentenabusus) • Kognitive Beeinträchtigung (Ursache und Folge) • Verlust von Lebensqualität, soziale Isolation • Erhöhte Mortalität (Suizide, „passive Suizide“) • Erhöhte Vulnerabilität gegenüber somatischen Erkrankungen, Erhöhung der (nonsuicide-) Mortalität (rel. Risiko ca. 2.0) • Somatische Hospitalisationsdauer ↑ • vorzeitiger Eintritt ins Pflegeheim • ...
Mortalität und Depression (Männer: Minor D Risiko 1.80) zit.n. Hautzinger Survival x 100 100 95 90 85 80 75 70 65 60 55 50 0 1. Jahr 2. Jahr 3. Jahr 4. Jahr 5. Jahr keine D Minor D Major D Penninx et al. 1999, N = 3056 zwischen 55 und 85 Jahre in den NL
somatisch-psychisch
Multifaktorielle Ätiopathogenese Depressiver Erkrankungen aktuelle psychosoziale Genetische Prädisposition Persönlichkeitsfaktoren Belastungen (z.B. Introversion, Angstneigung) Auslenkung der Neurotransmittersysteme • Katecholamin-Hypothese • Serotonin-Hypothese • neuroendokrin. Hypothesen physikalische Einwirkungen Traumatische Erfahrungen (z.B. Lichtentzug) Verlusterlebnisse gelernte Hilflosigkeit Depressive Symptomatik Entstehung nach Laux 2000 (emotional / kognitiv / somatisch)
Häufige Risikofaktoren im Alter • Wiederholte Depressionen in der Vorgeschichte • Soz. Isolierung, Einsamkeit, Wechsel Wohnsituation Depression im Alter • Konflikte mit Angehörigen, Tod von Angehörigen • Berufsaufgabe und Statusverlust • Polypharmazie (depressiogener Einfluß bestimmter Pharmaka) • Depressionsauslösende nicht-psychiatrische Krankheiten (z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall, Hypothyreose, Demenz...)
Grundprinzipien antidepressiver Therapie Information des Krankheitsbild Patienten Therapeutische Möglichkeiten (soziale Veränderungen, Hilfe beim Coping, Gesprächstherapie .... Med. Therapie ...) Den Patienten anfangs häufiger Kontakt (wöchentlich) zur Mitarbeit persönliche stützende Gespräche motivieren Kontrolle, ob sich der Patient adäquat verhält Medikamentöse Richtige gewünschte Wirkung Therapie Medikamentenwahl Nebenwirkungen Richtig dosieren Wechselwirkungen (z.B. Cytochrom P450) Wirkungslatenz Komorbiditäten (z.B. TZA - beachten Herzerkrankungen) Suizidgefährdung Lange genug einsetzen therapeutische Breite Ggf. Überweisung zum Facharzt
Therapie der Depression Medikamentöse Therapie Denkmuster Auslöser suchen Persönlichkeit Gruppentherapie Psychologische/ Depression Soziotherapie Psychotherapeutische Behandlung Selbstsicherheitstraining Aktivitäten Genusstraining Lebensumstände Milieutherapie
Bündnis gegen Depression in der Region Hannover
Gruppen von Antidepressiva • Trizyklische Antidepressiva (TZA) – Amitryptilin: anticholinerg, geringe therapeutische Breite, Vorsicht bei Herzerkrankungen • Reversible Monoaminoxidasehemmer (RIMA) – Moclobemid: Schlafstörung, Unruhe • Selektive Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) – Citalopram, Fluoxetin, Fluvoxamin, Paroxetin, Sertralin: Unruhe, Übelkeit, Sexualstörungen • Kombiniert noradrenerges und spezifisches serotonerges AD (NaSSA) – Mirtazapin: Sedierung, Gewichtszunahme • Selektiver Serotonin-Noradrenalin- Wiederaufnahmehemmer (SNRI) – Venlafaxin, Duloxetin: Übelkeit, Kopfschmerz, Blutdruckanstieg • Selektiver Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (NARI) – Reboxetin: Mundtrockenheit, Obstipation, Antriebssteigerung
Nebenwirkungsprofile von Antidepressiva-Gruppen TZA SSRI Reboxetin Mirtazapin Anticholinerge +++ + Nebenwirkungen Gewichtszunahme +++ + Sedierung +++ + Orthostase +++ + + Insomnie + + Sexuelle Dysfunktion ++ +++ + Kopfschmerz ++ Gewichtsabnahme +++ Nausea +++
Metabolismus, Neben- und Wechselwirkungen von Antidepressiva und Neuroleptika SSRI-induzierte sexuelle Dysfunktionen Fluoxetin Paroxetin Fluvoxamin Sertralin Dysfunktion (n = 160) (n = 85) (n = 42) (n = 57) Libidoabnahme 48,1% 57,6% 40,5% 45,6% Verzögerter Orgasmus Verzögerte Ejakulation 51,1% 58,8% 57,4% 45,6% Anorgasmie keine Ejakulation 34,4% 48,2% 30,9% 36,8% Lubrikationsverlust/ED 16,2% 34,1% 9,5% 15,8% A. L. Montejo-González et. al., Journal of Sex & Marital Therapy 23(3), 1997, 176-194
Wechselwirkungen Relevante Cytochrom-P-450 Isoenzyme 1A2 2C9 2C19 2D6 2E1 3A4 Fluoxetin + ++ ++ ++++ k.A. + Fluvoxamin ++++ ++ +++ ++ k.A. +++ Paroxetin ++ ++ ++ ++++ k.A. ++ Sertralin ++ ++ ++ ++ k.A. + Es/Citalopram - - - + - - Venlafaxin - - - - k.A. - Duloxetin + - + k.A. - Mirtazapin - - - + k.A. -
Therapie Tr 70 50 60 an 40 10 0 20 30 ylc yp Am rom itr i ip n ty Im lin ip Tr ra im min ip ra m Ma in pr ot ilin Tr az Cl o om don ip Fl ra uv min Todesfälle/1 Mio. Verordnungen ox am Mi an in se Lo rin Antidepressiva fe pr am Fl in uo Mo xeti clo n be Ve m nl id af ax Ci in Fataler Toxizitätsindex verschiedener ta lop nach Cassidy und Henry ra m 20a
Tagestherapiekosten der Antidepressiva
Selektive Serotonin- Wiederaufnahmehemmer (SSRI) • Wirksamkeit bei älteren Patienten ist belegt • hohe Selektivität mit geringen anticholinergischen, adrenergischen und histaminergischen Nebenwirkungen • Halbwertszeit von 20-30 h, daher einmal tägliche Einnahme • hemmen relativ wenig die Cytochrom P-450 Enzyme, reduziertes Interaktionsrisiko (insbesondere Citalopram) • minimale kognitive Beeinträchtigung • kaum kardiotoxisch • größere Überdosierungssicherheit • auch wirksam bei Verhaltensstörungen dementer Patienten
Prognose und Verlauf • Prognose in höherem Alter nicht ungünstiger • Bei etwa 50 % der PatientInnen bessert sich der Zustand • bei etwa 20 % zeigt sich Remission, deutlich residuale Symptome bleiben • Chronifizierung bei etwa 7–10 % • Langanhaltende chronische Verläufe bestimmt durch – Dauer einer Episode – eine vorbestehende Dysthymie – somatische Erkrankungen – vermeidende und anhängige Persönlichkeitszüge und – neuroradiologische Veränderungen (Hautzinger, 2000)
Wirksamkeit der Antidepressiva Kirsch et al., 2008 Süddeutsche Zeitung, 2008
Verträglichkeit - Wirkung Comparative efficacy and acceptability of 12 new-generation antidepressants: a multiple-treatments meta-analysis, Cipriani et al., Lancet 2009; 373: 746-58
IQWIG und Antidepressiva • Abschlussbericht IQWIG 2009 – Antidepressiva: Nutzen von Serotonin-Noradrenalin Wiederaufnahmehemmern (SNRI) belegt – Venlafaxin und Duloxetin lindern Beschwerden besser als ein Scheinmedikament • Vorabbericht IQWIG 2009 – Bupropion (Elontril®), Mirtazapin (Remergil®) und Reboxetin (Solvex®) bei der Behandlung der Depression – „Der vorliegende Bericht zur Nutzenbewertung von Bupropion, Mirtazapin und Reboxetin zeigt, dass das Ziel einer validen Nutzenbewertung gefährdet wird, wenn bestehendes Wissen nicht verfügbar gemacht wird. Das Problem kann nur durch eine gesetzliche Verpflichtung zur Publikation und Bereitstellung aller Studienergebnisse gelöst werden.“
Vorgehen bei Non-Response -I Etwa ein Drittel der Patienten spricht auf den 1. Therapieversuch mit einem Antidepressivum nicht an: Non-Response. Differentialdiagnostik bei Non-Response • zu niedrige Dosierung? (z. B. wg. Nebenwirkungen) • lange genug therapiert? (mind. 3 – 4 Wochen) Therapie • mangelnde Compliance? • liegen pathogene Faktoren vor? • liegt wirklich eine Depression vor?
Vorgehen bei Non-Response -II Bei Non-Response oder unzureichendem Ansprechen kann in der Praxis nach folgendem Schema verfahren werden: Nach 3–5 Wochen nach weiteren 3–5 Wochen 1. Therapieversuch 2. Therapieversuch SSRI, bei Partialresponse Therapie weiterführen, ggf. Dosis- AD mit anderem bio- steigerung chemischem Schwerpunkt* Konsultation Nervenarzt stützende entlastende Psychotherapie *z. B. TZA, Mirtazapin, Venlafaxin, Nefazodon, Reboxetin u.a.
Auswahl von Antidepressiva (Aspekt Therapiedauer) • Erhaltungstherapie mindestens 4 – 6 Monate mit gleichem AD • ausreichende Dosierung (zur Remission in der Akutphase eingesetzte Dosierung fortführen) Therapie • frühestens nach 6 Monaten langsamer Reduktionsversuch
Empfehlung zur Überweisung an Facharzt oder Klinik Überweisung an Facharzt Stationäre Einweisung Diagnostische Unsicherheit Akute Suizidalität Wahnhafte / psychotische Depressiver Stupor Depression Therapieresistenz, Chronifizierung Suizidrisiko unklar Non-Compliance Neuropsychiatr. Komorbidität Spezielle Therapiemaßnahmen Non-Response Fehlende Betreuung / Versorgung Indikation / Einstellung Rezidivprophylaxe Akute Manie („Switch“) Modifiziert nach Laux G., MMW. Fortschritte. Med 2002; 17: 417-422
Zusammenfassung „Depression“ • Antidepressivum nach Wirkungs- und Nebenwirkungsspektrum verordnen – antriebsneutral oder stimulierend: z.B. Citalopram (Cipramil®, Sepram®), Escitalopram (Cipralex®), Duloxetin(Cymbalta) • z.B. Cipramil 20 mg als morgendliche Einmalgabe (bis 40 mg steigern), bei alten Pat. Beginn mit 10 mg, nach einer Woche 20 mg; • Cipralex 10 mg morgens, bei alten Patienten mit 5 mg beginnen, nach 2 Tagen auf 10 mg steigern; • Cymbalta 30 mg für eine Woche, dann auf 60 mg steigern – sedierend: z.B. Mirtazapin (Remergil®) • 15 mg abends, nach einer Woche ggf. auf 30 mg steigern – bei Schmerzen, PNP: z.B. Duloxetin (Cymbalta®) – bei Panik-/Angststörungen: z.B. Cipralex® oder Cymbalta®
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