Motivationale Ansätze bei Suchterkrankungen - Thilo Beck Chefarzt Psychiatrie Arud

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Motivationale Ansätze bei Suchterkrankungen - Thilo Beck Chefarzt Psychiatrie Arud
Motivationale Ansätze bei
 Suchterkrankungen

           Thilo Beck
       Chefarzt Psychiatrie
              Arud

        Zürich, 12.03.2018
Motivationale Ansätze bei Suchterkrankungen - Thilo Beck Chefarzt Psychiatrie Arud
Arud
Zentren für Suchtmedizin

                 Horgen

            Zürich
Motivationale Ansätze bei Suchterkrankungen - Thilo Beck Chefarzt Psychiatrie Arud
Therapeutisches Angebot
Gesamtes Substanzspektrum
Interdisziplinär
 (Psychiatrie/Psychotherapie, Innere
 Medizin, Sozialarbeit
Leicht zugänglich
Zieloffen
Individuell

 Information, Beratung, Abklärung, Behandlung
Motivationale Ansätze bei Suchterkrankungen - Thilo Beck Chefarzt Psychiatrie Arud
Substanzen
 Alkohol
   Cannabis
   Kokain
   Tabak           Psychiatrisch/Psychotherapeu-
   Partydrogen     tische Angebote
   Medikamente

 Opioide           Opioid-Agonisten-Therapie
                    (OAT) + Psychiatrie/Psycho-
                     therapie
Motivationale Ansätze bei Suchterkrankungen - Thilo Beck Chefarzt Psychiatrie Arud
Patientinnen und Patienten
            aktuell
 Alkohol, Kokain, Cannabis, Partydrogen
  ca. 1000
 Opoid-Agonisten-Therapie mit
  R/S- und R-Methadon/Buprenorphin/ Morphin
  ca. 670
 Heroingestützte Behandlung
  ca. 260
Motivationale Ansätze bei Suchterkrankungen - Thilo Beck Chefarzt Psychiatrie Arud
Programm
 Suchtverständnis im soziokulturellen
  Kontext
 Motivation und Verhalten, Motivation im
  therapeutischen Kontext
 Gestaltung der Behandlung mit Elementen
  der Motivierenden Gespächsführung (MI)
  und und von Acceptance and Commitment
  Therapy (ACT)
 Fragen, Diskussion
Motivationale Ansätze bei Suchterkrankungen - Thilo Beck Chefarzt Psychiatrie Arud
Jahresprävalenz Substanzgebrauch
12-Monatsprävalenz total (%)
  Alkohol             85.8
  Tabak               25.3
  Cannabis              7.3
  Kokain                0.7
  Ecstasy              0.2
  Amphetamine          0.2
  LSD                  0.2

 Suchtmonitoring 2016
Motivationale Ansätze bei Suchterkrankungen - Thilo Beck Chefarzt Psychiatrie Arud
Substanzstörungen in der Psychiatrie

                                 ?

 PUK Zürich Jahresbericht 2014
Motivationale Ansätze bei Suchterkrankungen - Thilo Beck Chefarzt Psychiatrie Arud
Notfall im Spital
 30% mit interventionsbedürftiger
  Substanzstörung
 Nur 25% erhalten entsprechendes
  Angebot
 Verlauf deutlich besser, kosteneffizient

Butler 2016, Reeve 2016
Motivationale Ansätze bei Suchterkrankungen - Thilo Beck Chefarzt Psychiatrie Arud
Geschichte der Behandlung
     Alkoholauffälliger
 Bestrafung
 Bekehrung
 Heilung
 Optimales Management eines
  chronischen Phänomens
Motivation
          Gesamtheit aller Motive
          (Beweggründe), die zur
     Handlungsbereitschaft führen, das
       heißt das auf emotionaler und
      neuronaler Aktivität beruhende
     Streben des Menschen nach Zielen
    oder wünschenswerten Zielobjekten
Ledoux 2006, Parasiso 2009
Alkohol als Grundnahrungsmittel
„Wer erstmals betrunken auffällt,
  werde ins Gefängnis geworfen
      bei Wasser und Brot.“

    „Beim zweiten Mal werde er
     öffentlich ausgepeitscht.“

„Beim dritten Mal schneide man ihm
   ein Ohr ab und verbanne ihn.“

 Franz I. 1536 zit. nach Lewin 1931
Industrialisierung,
  Liberalisierung
Gin Craze in London
Religiös-fürsorgerisches
     Lasterkonzept
Abstinenzbewegung in der
        Schweiz

      Louis-Lucien Rochat
Integration in die Medizin

       Auguste-Henri Forel
Mit eindeutiger Orientierung

          Eugen Bleuler
Verfestigung der
 Abstinenzorientierung

Jellinek und das Phasenmodell
     Anonyme Alkoholiker
Das Minnesota-Modell
  The primary goal is lifetime abstinence
  from alcohol and other mood-altering
chemicals and improved quality of life. This
 goal is achieved by applying the principles of the 12-
step philosophy, which include frequent meetings with
     other recovering people and changes in daily
 behaviors. The ultimate goal is personality change or
  change in basic thinking, feeling, and acting in the
world. Within the model, this change is referred
            to as a spiritual experience.
Traditionelle Zielhierarchie
                      zufriedene Abstinenz

                        Abstinenzphasen

                       Krankheitseinsicht

                 Sicherung der sozialen Umgebung

          Sicherung des möglichst gesunden Überlebens

               Sicherung des Überlebens
Schwoon 2002
Eine Überzeugung wird in Frage
           gestellt

   Linda & Mark Sobell   G. Alan Marlatt
Self-Change

   • Das „Herauswachsen“ aus einer
     Alkohol-, Tabak- oder
     Drogenabhängigkeit (self-change)
     mündet mindestens genauso häufig in
     moderatem Konsum wie in Abstinenz.

Klingemann 2007
Alkoholabhängigkeit im
                   Zeitverlauf

Dawson 2005
Spektrum der Konsumformen
Individuelle Variabilität von Konsumformen über die Zeit

(abhängig) problematisch kompensiert hedonistisch abstinent

                                       kompensiert
                    Keine nennenswerte Kollision mit persönlichen Zielen
                    Durch Selbstkontrollregeln gesteuert
                    Körperliche Integrität berücksichtigt
Spektrum der Konsumformen
    „Scheuklappen-Effekt“

problematisch
  abhängig      ?               abstinent

                Selektive Wahrnehmung
Substanzgebrauchsstörungen
      als chronisches Phänomen
 Wechselhafte Langzeitverläufe
 Stabilisierung mit/ohne Abstinenz
 Hohe Relapsraten bis zu 70%
 Therapieeffekte unspezifisch

Van Amsterdam 2013, Dawson 2012, Longabaugh 2008, Cutler 2005, Orford 2005
Substanzgebrauchsstörungen
     als chronisches Phänomen
Selbstmotivierte Verhaltensänderungen
 (self change) häufig

 Personalisierter Ansatz zur Unterstützung
  intrinsischer Änderungsmotivation
     - Motivational Interviewing (MI)
     - Acceptance and Commitment Therapy
       (ACT)
Dawson 2005
MI bei Substanzstörungen

Smedslund 2011
ACT bei Substanzstörungen

Lee 2015
It always takes two……
                               Motivation:
 Gesamtheit aller Motive (Beweggründe), die zur Handlungsbereitschaft
führen, das heißt das auf emotionaler und neuronaler Aktivität beruhende
 Streben des Menschen nach Zielen oder wünschenswerten Zielobjekten
Was Patienten denken
„Bei den Hausärzten merkte ich, dass diese
Alkoholiker nicht verstehen“

„Mein Arzt hat Mühe, das Thema Alkohol
anzusprechen“

„Mein Psychiater hat sich geschämt, als er
mich erneut für eine stationäre Behandlung
anmelden musste“
Geringe Inanspruchnahme

   60% fühlen sich von
    abstinenzorientiertem AA-Ansatz
    nicht angesprochen
   Nur 10% begeben sich in Behandlung

Dillworth 2005, Rehm 2012
Paradigmenwechsel in der
      Suchttherapie

   Die passende Intervention
 Wird vom Patienten entsprechend
seiner aktuellen Situation festgelegt

Mit Unterstützung des Therapeuten
Offene Zielhierarchie

Verbesserung der Lebensqualität
                 Ausbau
             von Fähigkeiten

               Stabilisieren
            der Lebenssituation

           Schadenminderung
        Förderung der Gesundheit

     Sichern des Überlebens
Verbesserung der Passung
   therapeutischer Angebote
 Zieloffenheit: Partnerschaftliches Erarbeiten von
  Zielen
 Förderung der Autonomie und des Selbstwerterlebens
 Förderung werteorientierten Handelns
Chronic Care Model

                             s

Nach Wagner 1996
Wer macht die Behandlung?

      „Die Kunst des Arztes ist es,
  den Patienten so lange zu amüsieren,
        bis die Natur ihn heilt!“

                Voltaire

       Unterstützung von
 Selbstwirksamkeit, Autonomie
Rolle des Arztes/Therapeuten?

Menschen lassen sich in der Regel besser
von jenen Gründen überzeugen, die sie
selbst entdeckt haben, als von solchen, die
anderen in den Sinn gekommen sind.
Blaise Pascal, 1660

 Evokation Intrinsischer Motivation
„Therapeutisches Arbeiten
 ist psychologisches Judo“

     Jay Haley, Systemtherapeut

   Umgang mit Dissonanz
(Widerstand) und Ambivalenz
Abstinenz – ein therapeutisches
             Ziel?
  Abstinenz ist ein möglicher Zustand, kein
         therapeutisches Ziel per se

"Abstinenz als subjektive Entscheidung eines Menschen ist zu
respektieren, auch als Gruppenentscheidung etwa einer Religions-
gemeinschaft. Als
               gesellschaftliche Zielvorstellung
aber ist Abstinenz Ausdruck einer totalitären
Phantasie." (Günter Amendt)

              Zieloffenes Arbeiten
Kein Abstinenzziel in
abstinenzorientierter Therapie

                                 %
Cannabis:
 • 47% der hochgradig Abhängigen
   wünschen Konsumreduktion
 • 28% der Patienten in
   abstinenzorientiertem Programm
   begannen mit Wunsch, moderat zu
   konsumieren.
   Unveränderter Anteil nach 4,7,13 und 26
   Monaten
Simon 2004, Lozano 2006
Tabak: Reduktion oder
     Abstinenz?
Konsumziel und Outcome

Adamson 2010, Heather 2010
Substanzbedingte Verhaltens-
 verstärkung und Motivation

      Präfrontaler Kortex

         Orbitofrontaler Kortex
Grad der Verstärkung

Wise, 2000
Stimulus Kontrolle, Attentional
   Bias und Suchtverhalten
Attentional Bias und Verhalten
physiologisch oder psychologisch?
 Konditionierung und neuronale Bahnung
 automatisiertes Zielannäherungsverhalten
 präfrontale Kontrolle geschwächt, bleibt
  aber erhalten

Cox 2014, Fadardi 2009
Attentional Bias und Verhalten
physiologisch oder psychologisch?
Neuropsychologische Trainingsprogramme
 mit kurz/mittelfristigem Effekt

Cox 2014, Fadardi 2009
Attentional Bias und Verhalten
physiologisch oder psychologisch?
 nicht suchtbezogene Werte und Motive wir-
  ken längerfristig auf Verhaltensmodifikation

Fadardi 2009
Motivationale Gesprächsführung
Solides therapeutisches Arbeitsbündnis

•   Zuhören, validieren, anerkennen

•   Bedürfnisse verstehen

•   Werte erkennen

•   Dissonanzen entwickeln

•   Information und Empowerment

•   Ambivalenz zulassen und bearbeiten

•   Optionen entwickeln
•   Zuversicht fördern

•   Entscheidungen dem Patienten überlassen

•   In der Zielerreichung Unterstützung bieten
Miller 2008, Rosenberg 2009, Linden 2010
Veränderung adäquat
                    unterstützen
                                     Gib neue Informationen

                                          precontemplation
        Ermögliche Rückkehr                  kein Problem                    Erkunde das
        zum Konsumziel                        bewusstsein                    Pro und Kontra
        (Rückfallmanagement)
                                    relapse                contemplation
                                    erneuter               Wahrnehmung
                                 Alkoholkonsum             des Problems

                                 maintenance                decision
                                   Integration              Entscheidungs-
                                  in den Altag              findung
           Halte Kontakt                            action                   Kläre und Festige
           (Nachsorge, inkl.                     Erwerb neuer                Ziel und Weg
           Rückfallprävention)                   Kompetenzen

                                          Setze evidenbasierte
                                          Interventionen ein

Körkel, 2007
PROZESSE

Beziehungsaufbau     Fokussierung      Evokation       Planung

  PRINZIPIEN DER INTERVENTION
                  Entwicklung       Stärkung der     Umgang mit
  Akzeptanz           von           Änderungs-     sustain talk und
                 Diskrepanzen        zuversicht       Dissonanz

                    METHODEN
                Reflektierendes                      Förderung
Offene Fragen                       Würdigung
                   Zuhören                          change talk

       Informieren       Zusammen-          Förderung
    Ratschläge geben      fassungen       confidence talk
Acceptance and Commitment
      Therapy (ACT)
Beziehungsaufbau und
                 Zusammenarbeit
• Von Vertrauen und Respekt geprägte
  Arbeitsbeziehung
• Herausarbeiten von Werten, Üben einer
  achtsamen, zentrierten, akzeptierenden Haltung
• Verständigung über entsprechende
  Behandlungsziele
• Kooperation bei miteinander vereinbarten
  Aufgaben zur Erreichung dieser Ziele
Bordin 1979, Harris 2017
ACT-Matrix

                  Hook
                            Self
                          Observing
                            self

Negative internal stuff               Values
Veränderungsbereitschaft fördern:
    Die Entscheidungswaage
 Fortsetzung des bisherigen                    Veränderung des Trinkverhaltens
 Trinkverhaltens
 Vorteile                                      Vorteile
 Der Alkohol hilft mir, mich zu                Ich führe eine glücklichere Ehe.
 entspannen.
                                               Ich habe mehr Zeit für die Familie.
 Es ist ein gutes Gefühl, betrunken zu sein.
                                               Ich fühle mich besser.
                                               Ich habe weniger finanzielle Probleme.
 Nachteile                                     Nachteile
 Es könnte mich meine Ehe kosten.              Was soll ich meinen Freunden sagen?
 Ich bin ein schlechtes Vorbild für meine      Ich werde keine Entspannung finden.
 Kinder.
 Ich ruiniere meine Gesundheit.
 Ich verschwende zuviel Zeit und Geld.

 Nach Miller, Rollnick, 2004
Wertekartensatz

Miller&Rollnick 2013
Wie wichtig ist es für Sie, dass Sie ihr Ziel / Vorhaben (bitte notieren Sie:)

____________________________________________________

erreichen können? Bitte tragen Sie ihre Einschätzung auf der untenstehenden
Skala ein.

         1         2         3         4          5   6   7   8     9      10
      gar nicht                                                   extrem wichtig
      wichtig

Wichtigkeitsskala, nach Miller & Rollnick, 2004
Veränderungschampions

Miller&Rollnick 2013
Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie ihr Ziel / Vorhaben (bitte notieren Sie:)

_________________________________________________

erreichen können? Bitte tragen Sie ihre Einschätzung auf der
untenstehenden Skala ein.

        1         2         3         4          5   6   7   8         9       10
     gar nicht zuversichtlich                                    sehr zuversichtlich

Zuversichtsskala, nach Miller & Rollnick, 2004
Konzepte der Konsumsteuerung
 Moderater Konsum
 Konsumreduktion (bis zur mittel-/länger-
  fristigen Abstinenz)
 Punktabstinenz
 Kontrollierter Konsum
 Extrinsische Kontrolle
 Managed Use
Zielfestlegung

• Keine Veränderung
• Weniger Konsumieren
• Vorübergehende Abstinenz
• Längerfristige Abstinenz
Konsumverhalten erfassen und planen

Bestandesaufnahme

Wochenplanung
- Menge/Tag
- Menge/Woche
- Konsumfreie
  Tage
Der motivationale Zugang
Verbesserung von Lebensqualität und Gesund-
 heit entsprechend den persönlichen Werten
Klientenzentriert: Wertschätzung, Akzeptanz
 und Empathie        Evokation intrinsischer
 Motivation
Individuelle Zielsetzung gemäss dem Willen und
 der Möglichkeiten des Betroffenen, von der
 Konsumreduktion bis zur Abstinenz
  Das adäquate Therapieziel wird von jedem
 Betroffenen neu definiert, in Zusammenarbeit
             mit dem Therapeuten
Ressourcen
Ressourcen ACT:
https://contextualscience.org/act
Kurse in der Schweiz:
http://www.zumbeherztenleben.ch/

Ressourcen MI:
https://www.gk-quest.de/
Kurse in Zürich und Wil über Fachverband Sucht
https://fachverbandsucht.ch/de/
Fragen?

www.arud.ch
  t.beck@arud.ch
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