Motivationale Ansätze bei Suchterkrankungen - Thilo Beck Chefarzt Psychiatrie Arud
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Therapeutisches Angebot Gesamtes Substanzspektrum Interdisziplinär (Psychiatrie/Psychotherapie, Innere Medizin, Sozialarbeit Leicht zugänglich Zieloffen Individuell Information, Beratung, Abklärung, Behandlung
Substanzen Alkohol Cannabis Kokain Tabak Psychiatrisch/Psychotherapeu- Partydrogen tische Angebote Medikamente Opioide Opioid-Agonisten-Therapie (OAT) + Psychiatrie/Psycho- therapie
Patientinnen und Patienten aktuell Alkohol, Kokain, Cannabis, Partydrogen ca. 1000 Opoid-Agonisten-Therapie mit R/S- und R-Methadon/Buprenorphin/ Morphin ca. 670 Heroingestützte Behandlung ca. 260
Programm Suchtverständnis im soziokulturellen Kontext Motivation und Verhalten, Motivation im therapeutischen Kontext Gestaltung der Behandlung mit Elementen der Motivierenden Gespächsführung (MI) und und von Acceptance and Commitment Therapy (ACT) Fragen, Diskussion
Jahresprävalenz Substanzgebrauch 12-Monatsprävalenz total (%) Alkohol 85.8 Tabak 25.3 Cannabis 7.3 Kokain 0.7 Ecstasy 0.2 Amphetamine 0.2 LSD 0.2 Suchtmonitoring 2016
Notfall im Spital 30% mit interventionsbedürftiger Substanzstörung Nur 25% erhalten entsprechendes Angebot Verlauf deutlich besser, kosteneffizient Butler 2016, Reeve 2016
Geschichte der Behandlung Alkoholauffälliger Bestrafung Bekehrung Heilung Optimales Management eines chronischen Phänomens
Motivation Gesamtheit aller Motive (Beweggründe), die zur Handlungsbereitschaft führen, das heißt das auf emotionaler und neuronaler Aktivität beruhende Streben des Menschen nach Zielen oder wünschenswerten Zielobjekten Ledoux 2006, Parasiso 2009
Alkohol als Grundnahrungsmittel
„Wer erstmals betrunken auffällt, werde ins Gefängnis geworfen bei Wasser und Brot.“ „Beim zweiten Mal werde er öffentlich ausgepeitscht.“ „Beim dritten Mal schneide man ihm ein Ohr ab und verbanne ihn.“ Franz I. 1536 zit. nach Lewin 1931
Industrialisierung, Liberalisierung
Gin Craze in London
Religiös-fürsorgerisches Lasterkonzept
Abstinenzbewegung in der Schweiz Louis-Lucien Rochat
Integration in die Medizin Auguste-Henri Forel
Mit eindeutiger Orientierung Eugen Bleuler
Verfestigung der Abstinenzorientierung Jellinek und das Phasenmodell Anonyme Alkoholiker
Das Minnesota-Modell The primary goal is lifetime abstinence from alcohol and other mood-altering chemicals and improved quality of life. This goal is achieved by applying the principles of the 12- step philosophy, which include frequent meetings with other recovering people and changes in daily behaviors. The ultimate goal is personality change or change in basic thinking, feeling, and acting in the world. Within the model, this change is referred to as a spiritual experience.
Traditionelle Zielhierarchie zufriedene Abstinenz Abstinenzphasen Krankheitseinsicht Sicherung der sozialen Umgebung Sicherung des möglichst gesunden Überlebens Sicherung des Überlebens Schwoon 2002
Eine Überzeugung wird in Frage gestellt Linda & Mark Sobell G. Alan Marlatt
Self-Change • Das „Herauswachsen“ aus einer Alkohol-, Tabak- oder Drogenabhängigkeit (self-change) mündet mindestens genauso häufig in moderatem Konsum wie in Abstinenz. Klingemann 2007
Alkoholabhängigkeit im Zeitverlauf Dawson 2005
Spektrum der Konsumformen Individuelle Variabilität von Konsumformen über die Zeit (abhängig) problematisch kompensiert hedonistisch abstinent kompensiert Keine nennenswerte Kollision mit persönlichen Zielen Durch Selbstkontrollregeln gesteuert Körperliche Integrität berücksichtigt
Spektrum der Konsumformen „Scheuklappen-Effekt“ problematisch abhängig ? abstinent Selektive Wahrnehmung
Substanzgebrauchsstörungen als chronisches Phänomen Wechselhafte Langzeitverläufe Stabilisierung mit/ohne Abstinenz Hohe Relapsraten bis zu 70% Therapieeffekte unspezifisch Van Amsterdam 2013, Dawson 2012, Longabaugh 2008, Cutler 2005, Orford 2005
Substanzgebrauchsstörungen als chronisches Phänomen Selbstmotivierte Verhaltensänderungen (self change) häufig Personalisierter Ansatz zur Unterstützung intrinsischer Änderungsmotivation - Motivational Interviewing (MI) - Acceptance and Commitment Therapy (ACT) Dawson 2005
MI bei Substanzstörungen Smedslund 2011
ACT bei Substanzstörungen Lee 2015
It always takes two…… Motivation: Gesamtheit aller Motive (Beweggründe), die zur Handlungsbereitschaft führen, das heißt das auf emotionaler und neuronaler Aktivität beruhende Streben des Menschen nach Zielen oder wünschenswerten Zielobjekten
Was Patienten denken „Bei den Hausärzten merkte ich, dass diese Alkoholiker nicht verstehen“ „Mein Arzt hat Mühe, das Thema Alkohol anzusprechen“ „Mein Psychiater hat sich geschämt, als er mich erneut für eine stationäre Behandlung anmelden musste“
Geringe Inanspruchnahme 60% fühlen sich von abstinenzorientiertem AA-Ansatz nicht angesprochen Nur 10% begeben sich in Behandlung Dillworth 2005, Rehm 2012
Paradigmenwechsel in der Suchttherapie Die passende Intervention Wird vom Patienten entsprechend seiner aktuellen Situation festgelegt Mit Unterstützung des Therapeuten
Offene Zielhierarchie Verbesserung der Lebensqualität Ausbau von Fähigkeiten Stabilisieren der Lebenssituation Schadenminderung Förderung der Gesundheit Sichern des Überlebens
Verbesserung der Passung therapeutischer Angebote Zieloffenheit: Partnerschaftliches Erarbeiten von Zielen Förderung der Autonomie und des Selbstwerterlebens Förderung werteorientierten Handelns
Chronic Care Model s Nach Wagner 1996
Wer macht die Behandlung? „Die Kunst des Arztes ist es, den Patienten so lange zu amüsieren, bis die Natur ihn heilt!“ Voltaire Unterstützung von Selbstwirksamkeit, Autonomie
Rolle des Arztes/Therapeuten? Menschen lassen sich in der Regel besser von jenen Gründen überzeugen, die sie selbst entdeckt haben, als von solchen, die anderen in den Sinn gekommen sind. Blaise Pascal, 1660 Evokation Intrinsischer Motivation
„Therapeutisches Arbeiten ist psychologisches Judo“ Jay Haley, Systemtherapeut Umgang mit Dissonanz (Widerstand) und Ambivalenz
Abstinenz – ein therapeutisches Ziel? Abstinenz ist ein möglicher Zustand, kein therapeutisches Ziel per se "Abstinenz als subjektive Entscheidung eines Menschen ist zu respektieren, auch als Gruppenentscheidung etwa einer Religions- gemeinschaft. Als gesellschaftliche Zielvorstellung aber ist Abstinenz Ausdruck einer totalitären Phantasie." (Günter Amendt) Zieloffenes Arbeiten
Kein Abstinenzziel in abstinenzorientierter Therapie %
Cannabis: • 47% der hochgradig Abhängigen wünschen Konsumreduktion • 28% der Patienten in abstinenzorientiertem Programm begannen mit Wunsch, moderat zu konsumieren. Unveränderter Anteil nach 4,7,13 und 26 Monaten Simon 2004, Lozano 2006
Tabak: Reduktion oder Abstinenz?
Konsumziel und Outcome Adamson 2010, Heather 2010
Substanzbedingte Verhaltens- verstärkung und Motivation Präfrontaler Kortex Orbitofrontaler Kortex
Grad der Verstärkung Wise, 2000
Stimulus Kontrolle, Attentional Bias und Suchtverhalten
Attentional Bias und Verhalten physiologisch oder psychologisch? Konditionierung und neuronale Bahnung automatisiertes Zielannäherungsverhalten präfrontale Kontrolle geschwächt, bleibt aber erhalten Cox 2014, Fadardi 2009
Attentional Bias und Verhalten physiologisch oder psychologisch? Neuropsychologische Trainingsprogramme mit kurz/mittelfristigem Effekt Cox 2014, Fadardi 2009
Attentional Bias und Verhalten physiologisch oder psychologisch? nicht suchtbezogene Werte und Motive wir- ken längerfristig auf Verhaltensmodifikation Fadardi 2009
Motivationale Gesprächsführung Solides therapeutisches Arbeitsbündnis • Zuhören, validieren, anerkennen • Bedürfnisse verstehen • Werte erkennen • Dissonanzen entwickeln • Information und Empowerment • Ambivalenz zulassen und bearbeiten • Optionen entwickeln • Zuversicht fördern • Entscheidungen dem Patienten überlassen • In der Zielerreichung Unterstützung bieten Miller 2008, Rosenberg 2009, Linden 2010
Veränderung adäquat unterstützen Gib neue Informationen precontemplation Ermögliche Rückkehr kein Problem Erkunde das zum Konsumziel bewusstsein Pro und Kontra (Rückfallmanagement) relapse contemplation erneuter Wahrnehmung Alkoholkonsum des Problems maintenance decision Integration Entscheidungs- in den Altag findung Halte Kontakt action Kläre und Festige (Nachsorge, inkl. Erwerb neuer Ziel und Weg Rückfallprävention) Kompetenzen Setze evidenbasierte Interventionen ein Körkel, 2007
PROZESSE Beziehungsaufbau Fokussierung Evokation Planung PRINZIPIEN DER INTERVENTION Entwicklung Stärkung der Umgang mit Akzeptanz von Änderungs- sustain talk und Diskrepanzen zuversicht Dissonanz METHODEN Reflektierendes Förderung Offene Fragen Würdigung Zuhören change talk Informieren Zusammen- Förderung Ratschläge geben fassungen confidence talk
Acceptance and Commitment Therapy (ACT)
Beziehungsaufbau und Zusammenarbeit • Von Vertrauen und Respekt geprägte Arbeitsbeziehung • Herausarbeiten von Werten, Üben einer achtsamen, zentrierten, akzeptierenden Haltung • Verständigung über entsprechende Behandlungsziele • Kooperation bei miteinander vereinbarten Aufgaben zur Erreichung dieser Ziele Bordin 1979, Harris 2017
ACT-Matrix Hook Self Observing self Negative internal stuff Values
Veränderungsbereitschaft fördern: Die Entscheidungswaage Fortsetzung des bisherigen Veränderung des Trinkverhaltens Trinkverhaltens Vorteile Vorteile Der Alkohol hilft mir, mich zu Ich führe eine glücklichere Ehe. entspannen. Ich habe mehr Zeit für die Familie. Es ist ein gutes Gefühl, betrunken zu sein. Ich fühle mich besser. Ich habe weniger finanzielle Probleme. Nachteile Nachteile Es könnte mich meine Ehe kosten. Was soll ich meinen Freunden sagen? Ich bin ein schlechtes Vorbild für meine Ich werde keine Entspannung finden. Kinder. Ich ruiniere meine Gesundheit. Ich verschwende zuviel Zeit und Geld. Nach Miller, Rollnick, 2004
Wertekartensatz Miller&Rollnick 2013
Wie wichtig ist es für Sie, dass Sie ihr Ziel / Vorhaben (bitte notieren Sie:) ____________________________________________________ erreichen können? Bitte tragen Sie ihre Einschätzung auf der untenstehenden Skala ein. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 gar nicht extrem wichtig wichtig Wichtigkeitsskala, nach Miller & Rollnick, 2004
Veränderungschampions Miller&Rollnick 2013
Wie zuversichtlich sind Sie, dass Sie ihr Ziel / Vorhaben (bitte notieren Sie:) _________________________________________________ erreichen können? Bitte tragen Sie ihre Einschätzung auf der untenstehenden Skala ein. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 gar nicht zuversichtlich sehr zuversichtlich Zuversichtsskala, nach Miller & Rollnick, 2004
Konzepte der Konsumsteuerung Moderater Konsum Konsumreduktion (bis zur mittel-/länger- fristigen Abstinenz) Punktabstinenz Kontrollierter Konsum Extrinsische Kontrolle Managed Use
Zielfestlegung • Keine Veränderung • Weniger Konsumieren • Vorübergehende Abstinenz • Längerfristige Abstinenz
Konsumverhalten erfassen und planen Bestandesaufnahme Wochenplanung - Menge/Tag - Menge/Woche - Konsumfreie Tage
Der motivationale Zugang Verbesserung von Lebensqualität und Gesund- heit entsprechend den persönlichen Werten Klientenzentriert: Wertschätzung, Akzeptanz und Empathie Evokation intrinsischer Motivation Individuelle Zielsetzung gemäss dem Willen und der Möglichkeiten des Betroffenen, von der Konsumreduktion bis zur Abstinenz Das adäquate Therapieziel wird von jedem Betroffenen neu definiert, in Zusammenarbeit mit dem Therapeuten
Ressourcen Ressourcen ACT: https://contextualscience.org/act Kurse in der Schweiz: http://www.zumbeherztenleben.ch/ Ressourcen MI: https://www.gk-quest.de/ Kurse in Zürich und Wil über Fachverband Sucht https://fachverbandsucht.ch/de/
Fragen? www.arud.ch t.beck@arud.ch
Sie können auch lesen