Quick Fixes - Die umsatzsteuerlichen Neuerungen ab dem 1. Jänner 2020
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Quick Fixes – Die umsatzsteuerlichen Neuerungen ab dem 1. Jänner 2020 Diplomarbeit Zur Erlangung des akademischen Grades eines Mag. iur. an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck Eingereicht bei Frau assoz. Prof. MMag. Dr. Verena Hörtnagl-Seidner von Maximilian Strolz Innsbruck, im Mai 2020
Inhaltsverzeichnis Eidesstattliche Erklärung ...................................................................................................... V Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................................... VI I. Begriffserklärungen und Abgrenzungen ........................................................................ 1 A. Konsignationslager ................................................................................................ 1 B. Mehrwertsteuer – Umsatzsteuer ............................................................................ 1 C. Grenzausgleich ...................................................................................................... 2 D. Missing-Trader-Fraud ............................................................................................ 2 E. Steuerkarussell (Carousel-Fraud) .......................................................................... 3 F. Mini-One-Stop-Shop (MOSS)............................................................................... 3 G. Die Zusammenfassende Meldung ......................................................................... 3 H. Die Gruppe über die Zukunft der Mehrwertsteuer ................................................ 4 II. Einleitung ................................................................................................................... 5 A. Die Umsatzsteuer ................................................................................................... 6 B. Das Mehrwertsteuersystem ................................................................................... 7 C. Verfahrensweise bei Rechtsänderungen der Mehrwertsteuer ............................... 8 III. Aktionsprogramm der EU-Kommission für die Mehrwertsteuer ............................... 9 IV. Vereinfachung und Harmonisierung von Vorschriften für Konsignationslager ...... 14 A. Rechtslage bis zur Anwendung des Steuerreformgesetzes 2020......................... 14 1) Verbringen in ein Konsignationslager in einem anderen Mitgliedstaat .............. 15 2) Verbringen in ein Konsignationslager im Inland ................................................ 16 3) Erstmalige Anwendung ....................................................................................... 17 B. Rechtslage ab dem Steuerreformgesetz 2020 ...................................................... 17 1) Ein Überblick über die Voraussetzungen ............................................................ 17 2) Die Verbringungen durch den liefernden Unternehmer ...................................... 19 3) Der geplante Erwerber ......................................................................................... 19 II
4) Keine Betriebsstätte im Konsignationslagerstaat ................................................ 20 5) Die Zusammenfassende Meldung ....................................................................... 21 6) Das Konsignationslagerregister ........................................................................... 22 C. Keine Lieferung an den geplanten Erwerber ....................................................... 25 1) Vorgänge die kein Verbringen auslösen .............................................................. 25 2) Vorgänge die ein Verbringen auslösen ................................................................ 26 V. Einheitliche Zuordnung der Warenbewegung bei Reihengeschäften....................... 31 A. Rechtslage bis zum 31.12.2019 ........................................................................... 31 B. Neuregelung ab dem 01.01.2020 auf Unionsebene ............................................. 34 1) Der Zwischenhändler ........................................................................................... 35 2) Faktisches Wahlrecht für Zwischenhändler ........................................................ 36 3) Versendung oder Beförderung durch den Zwischenhändler ............................... 37 4) Drittlandssachverhalte ......................................................................................... 38 5) Aufeinanderfolgende Lieferungen ....................................................................... 38 6) Identität der Gegenstände .................................................................................... 39 7) Einheitliche Warenbewegung .............................................................................. 40 8) Umsetzung der Neuregelung in Österreich ......................................................... 41 VI. Harmonisierung der Regelungen betreffend Transportnachweise für innergemeinschaftliche Lieferungen ........................................................................ 45 A. Rechtslage bis zum 31.12.2019 in Österreich ..................................................... 45 B. Neuregelung ab dem 01.01.2020 auf Unionsebene ............................................. 48 1) Beförderung oder Versendung erfolgt durch den Verkäufer ............................... 48 2) Beförderung oder Versendung erfolgt durch den Erwerber ................................ 49 3) Detailfragen im Zusammenhang mit der Neuregelung ....................................... 50 4) Umsetzung der Neuregelung in Österreich ......................................................... 51 VII. Weitere Voraussetzungen für die steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung 52 A. Rechtslage bis zum 31.12.2019 ........................................................................... 52 III
B. Neuregelung ab dem 01.01.2020 auf Unionsebene ............................................. 54 1) Zeitpunkt und Form der Mitteilung der UID-Nummer des Erwerbers ............... 55 2) Folgen von Versäumnissen im Zusammenhang mit der Zusammenfassenden Meldung .............................................................................................................. 56 3) Vorsteuerabzug des Erwerbers bei Nichterfüllung gewisser Voraussetzungen .. 57 4) MIAS ................................................................................................................... 57 5) Umsetzung der Neuregelung in Österreich ......................................................... 58 VIII. Resümee ................................................................................................................... 59 Literaturverzeichnis ............................................................................................................. 60 Links .................................................................................................................................... 62 Richtlinien und Verordnungen ............................................................................................ 62 Judikaturverzeichnis ............................................................................................................ 63 IV
Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre hiermit durch meine eigenhändige Unterschrift an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel verwendet habe. Alle Stellen, die wörtlich oder inhaltlich den angegebenen Quellen entnommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht. Die vorliegende Arbeit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form noch nicht als Diplomarbeit eingereicht. Datum Unterschrift V
Abkürzungsverzeichnis ABl Amtsblatt Abs. Absatz AEUV Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union Art. Artikel BAO Bundesabgabenordnung BGBl Bundesgesetzblatt BMF Bundesministerium für Finanzen bzw. beziehungsweise B2B Business to Business. Dabei handelt es sich um eine Geschäftsbeziehung zwischen zwei oder mehreren Unternehmen. B2C Business to Consumer. Dabei handelt es sich um eine Geschäftsbeziehung zwischen einem Unternehmer und einer Privatperson. Ca. Circa D Deutschland DVO Durchführungsverordnung EUGH Europäischer Gerichtshof EUR Euro EU Europäische Union h.A. herrschende Ansicht h.L. herrschende Lehre Hrsg Herausgeber iVm in Verbindung mit lit. Litera MIAS Mehrwertsteuer-Informationsaustauschsystem Mio. Millionen Mrd. Milliarden MwSt-DVO Mehrwertsteuerdurchführungsverordnung MwSt-RL Mehrwertsteuerrichtlinie MwStSyst-RL Mehrwertsteuersystemrichtlinie VI
NoVaG Normverbrauchsabgabegesetz Ö Österreich StRefG Steuerreformgesetz UID-Nummer Umsatz-Steuer-Identifikationsnummer UStG Umsatzsteuergesetz UStR Umsatzsteuerrichtlinien UVA Umsatzsteuervoranmeldung Rz. Randzeichen v. vom VO Verordnung Z Ziffer z.B. zum Beispiel ZM Zusammenfassende Meldung VII
I. Begriffserklärungen und Abgrenzungen A. Konsignationslager Bei einem Konsignationslager handelt es sich um ein Warenlager eines Unternehmers, aus dem sich seine Kunden bei Bedarf Waren entnehmen können. Der Lieferer bleibt bis zu dem Zeitpunkt zivilrechtlicher Eigentümer, bis der Kunde Waren aus dem Lager entnimmt. Bei der Entnahme aus dem Lager kommt es zur Lieferung.1 Eine besondere Form des Konsignationslagers bildet ein sogenannter „call-of-stock“. Bei dieser Form kann nur ein Kunde oder Abnehmer auf die Waren im Lager zugreifen.2 Konträr dazu gibt es noch eine andere, besondere Form des Konsignationslagers, das „consignment stock“. Bei diesem haben mehrere Kunden oder Abnehmer Zugriff auf die sich im Konsignationslager befindliche Ware.3 B. Mehrwertsteuer – Umsatzsteuer Die Umsatzsteuer wird als Mehrwertsteuer erhoben.4 Bei EU-Richtlinien wird in der englischen Fassung der Begriff „Value-Added-Tax“ (VAT) verwendet. Bei der wörtlichen Übersetzung in die deutsche Sprache bedeutet der Begriff: Mehrwertsteuer. In den EU- Richtlinien wird immer der Begriff Mehrwertsteuer verwendet. In Österreich ist aber weiterhin der Begriff Umsatzsteuer gebräuchlich. 1 Beiser, Steuern17 (2019) Rz. 620a. 2 Berger in Berger/Schefzig/Tschiderer/Wakounig, Praxiskommentar zum UStG (2019) Art 7, Rz. 32. 3 Sterzinger, Umsatzsteuersofortmaßnahmen (sog. Quick-Fixes) im Handel zwischen Mitgliedstaaten, Umsatzsteuerrundschau 23/2018, S. 895. 4 Doralt, Steuerrecht 202021 (2019) Rz. 302. 1
C. Grenzausgleich Damit das Bestimmungslandprinzip aufrecht erhalten bleibt, ist bei grenzüberschreitenden Leistungen der Grenzausgleich notwendig. Dieser besagt, dass die Ausfuhr von Waren aus dem Ursprungsland steuerfrei ist, die Einfuhr von Waren im Bestimmungsland jedoch mit Umsatzsteuer belastet wird. Der grenzüberschreitende Warenverkehr muss allerdings von den Zollämtern kontrolliert werden. Dies ist aber nur gegenüber Drittstaaten möglich. Innerhalb der EU gibt es keine Zollkontrollen, weswegen der Grenzausgleich innerhalb der EU nur zwischen Unternehmern möglich ist. Die Unternehmer sind bereits vom Fiskus beider Mitgliedstaaten erfasst und die Kontrolle kann somit auch ohne Zollamt stattfinden. Bei Lieferungen an Privatpersonen gilt mit wenigen Ausnahmen das Ursprungslandprinzip.5 D. Missing-Trader-Fraud Der Käufer bezahlt dem Leistenden (Steuerpflichtigen) den Preis der Ware oder Dienstleistung inklusive der Umsatzsteuer. Der Steuerpflichtige erhebt die Umsatzsteuer faktisch für die Steuerbehörde. Der Leistende kann die erhobene Umsatzsteuer mit der abzugsfähigen Vorsteuer gegenrechnen und zahlt die Differenz in regelmäßigen Abständen an die Steuerbehörde. Wie aber der Name „Missing-Trader-Fraud“ schon erahnen lässt, fällt hierbei die Zahlung des Steuerpflichtigen aus, da dieser die geschuldeten Zahlungen an die Steuerbehörde nicht abführt. Er wird insolvent oder taucht ab und ist nicht mehr auffindbar. Kann der Käufer (Abnehmer) den Vorsteuerabzug geltend machen, kommt es zum Aufkommensausfall beim Fiskus. Der Käufer (Abnehmer) kann den Vorsteuerabzug allerdings nur geltend machen, wenn er vom Steuerbetrug keine Kenntnis hatte und auch keine Kenntnis hätte haben können. Ansonsten wird der Schaden und Ausfall auf Seiten des Abnehmers schlagend.6 5 Doralt, Steuerrecht 202021 (2019) Rz. 304. 6 Aigner/Kofler/Tumpel, Auswirkungen einer Umstellung auf ein hybrides Mehrwertsteuersystem für österreichische Unternehmen (FN, StAW 2017, 1) S. 9. 2
E. Steuerkarussell (Carousel-Fraud) Beim Steuerkarussell oder dem in der Literatur öfters verwendeten Begriff Carousel-Fraud wird vorausgesetzt, dass eine Gruppe von Betrügern zusammenwirkt. Die Betrüger sind mit ihren „Unternehmen“ in verschiedenen Mitgliedsaaten der EU ansässig und verkaufen Waren innerhalb kurzer Zeit im Kreis. Unternehmer 1 verkauft beispielsweise aus Mitgliedstaat 1 an Unternehmer 2 in einem anderen Mitgliedstaat umsatzsteuerbefreit. Dieser verkauft die Ware an Unternehmer 3 mit Sitz im gleichen Mitgliedstaat wie er, inklusive Mehrwertsteuer. Unternehmer 3 nimmt den Vorsteuerabzug in Anspruch und liefert wieder umsatzsteuerbefreit an Unternehmer 1 aus dem Mitgliedstaat 1. Bei einem Umsatzsteuerkarussell führt der Unternehmer 2, entgegen den Vorschriften, keine Umsatzsteuer ab. Der Carousel-Fraud ist innerhalb der EU für geschätzt 45-53 Milliarden Euro an Steuerausfällen verantwortlich.7 F. Mini-One-Stop-Shop (MOSS) Der MOSS ermöglicht Unternehmen, sich in einem EU-Mitgliedstaat zu registrieren (MSI) und sämtliche unter die Sonderregelung fallenden Umsätze innerhalb der Union über den MSI zu erklären und die resultierenden Umsätze gesammelt zu bezahlen. Dieses System bietet Unternehmen also eine Erleichterung. Unternehmen müssen sich für die elektronisch erbrachten sonstigen Leistungen, Telekommunikations-, Fernseh- oder Rundfunkleistungen an Letztverbraucher in der EU nicht mehr in jedem einzelnen Mitgliedstaat aus umsatzsteuerlichen Zwecken registrieren lassen.8 G. Die Zusammenfassende Meldung Gemäß Art. 21 Abs. 3 UStG hat der leistende Unternehmer eine Zusammenfassende Meldung bis zum Ablauf des auf jeden Kalendermonat folgenden Kalendermonats, in dem er innergemeinschaftliche Warenlieferungen ausgeführt hat, bei der Steuerbehörde 7 Aigner/Kofler/Tumpel, Auswirkungen einer Umstellung auf ein hybrides Mehrwertsteuersystem für österreichische Unternehmen (FN, StAW 2017, 1) S. 10. 8 BMF, abrufbar unter https://www.bmf.gv.at/themen/steuern/fuer- unternehmen/umsatzsteuer/informationen/faq-eu-umsatzsteuer-one-stop-shop.html (abgefragt am 17.03.2020). 3
abzugeben. Der leistende Unternehmer ist dazu auch verpflichtet, sobald er im übrigen Gemeinschaftsgebiet steuerpflichtige sonstige Leistungen ausgeführt hat und der Leistungsempfänger entsprechend Art 196 MwSt-RL die Steuer schuldet. In gewissen Fällen ist auch der Leistungsempfänger verpflichtet eine Zusammenfassende Meldung zu erstellen, wenn für Umsätze die Steuerschuld auf ihn übergeht. In Art 21 Abs 6 UStG sind notwendige Angaben in der Zusammenfassenden Meldung normiert.9 H. Die Gruppe über die Zukunft der Mehrwertsteuer Bei der Gruppe über die Zukunft der Mehrwertsteuer (eng. Group on the future of VAT) handelt es sich um eine informelle Expertengruppe der Kommission. Diese setzt sich aus Vertretern der nationalen Steuerverwaltung zusammen. Die Gruppe über die Zukunft der Mehrwertsteuer gibt der Kommission die Möglichkeit, sie bei prä-legislative Initiativen zu beratschlagen.10 9 Aigner/Kofler/Tumpel, Auswirkungen einer Umstellung auf ein hybrides Mehrwertsteuersystem für österreichische Unternehmen (FN, StAW 2017, 1) S. 19 f. 10 Gruppe über die Zukunft der Mehrwertsteuer, abrufbar unter https://ec.europa.eu/taxation_customs/business/vat/informal-commission-expert-group-discussions-with- member-states_de, abgerufen am 28.03.2020. 4
II. Einleitung Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wird in dieser Diplomarbeit die männliche Sprachform verwendet. Dies soll jedoch keine Benachteiligung anderer Geschlechter sein, sondern im Sinne der sprachlichen Vereinfachung als geschlechtsneutral verstanden werden. Einer der Eckpfeiler der Europäischen Union ist der Binnenmarkt und mit diesem die Grundfreiheiten. Sie erwirken erhebliche Erleichterungen für den innerunionalen Handel und heben Diskriminierungen in einzelnen Mitgliedstaaten auf. Dies ist auch ein Ziel des „Quick Fixes“- Paketes. Die Vereinheitlichung der Regelungen auf Unionsebene führt zu einer erhöhten Rechtssicherheit und damit gleichzeitig zu einer Reduktion des bürokratischen Mehraufwandes im Handel in der gesamten Union. Dies kann wiederum zu einem erhöhten Wirtschaftsaufkommen unter den Mitgliedstaaten führen und sich somit positiv auf die Wirtschaft und den Wirtschaftsstandort Europa auswirken. Mit der Richtlinie (EU) 2018/1910 des Rates vom 04. Dezember 2018 wurden Neuerungen in Bezug auf die Harmonisierung und Vereinfachung bestimmter Regelungen des Mehrwertsteuersystems zur Besteuerung des Handels zwischen Mitgliedstaaten beschlossen. Die Richtlinie wurde in Österreich in der Steuerreform 2019/2020 umgesetzt.11 Auch die Durchführungsverordnung (EU) 2018/1912 des Rates vom 04. Dezember 2018 bringt Neuerungen in der Umsatzsteuer.12 Diese ist ohne Umsetzung ab dem 01. Jänner 2020 gemäß Art. 288 AEUV in allen Teilen verbindlich und unmittelbar anwendbar. Zu Beginn dieser Arbeit wird die Bedeutung und die Funktionsweise der Umsatzsteuer für ein besseres Verständnis kurz umschrieben. Darüber hinaus wird auf den Aktionsplan der Mehrwertsteuer seitens der EU-Kommission eingegangen und aufgezeigt, welche Reformen in Zukunft auf dem Weg zu einem einheitlichen europäischen Mehrwertsteuerraum umgesetzt werden könnten. Der Fokus liegt aber auf den sogenannten „Quick Fixes“ - bestimmte Neuerungen, welche die zuvor genannten Rechtsänderungen hervorbringen. In der Folge werden die Konsequenzen der Rechtsänderungen im Vergleich zu der zuvor 11 Richtlinie (EU) 2019/1910 des Rates v. 04.12.2018, ABI L 311/3. 12 Durchführungsverordnung (EU) 2018/1912 des Rates v. 04.12.2018, ABI L 311/10. 5
herrschenden Rechtslage erörtert und nähergebracht, wie sich die Rechtsänderung konkret auf die Unternehmen auswirken. Was sind die sogenannten „Quick Fixes“? Die „Quick Fixes“ können in vier unterschiedliche Gruppen eingeteilt werden: 1. Regelungen für Konsignationslager werden vereinfacht. 2. Einheitliche Zuordnung der Warenbewegung bei Reihengeschäften. 3. Harmonisierung der Regelungen betreffend Transportnachweise für innergemeinschaftliche Lieferungen. 4. Weitere Voraussetzungen für die steuerbefreite innergemeinschaftliche Lieferung. A. Die Umsatzsteuer Die Umsatzsteuer erfasst den Mehrwert einer Leistung.13 Steuergegenstand ist der private Letztverbrauch im Inland.14 Bei der Umsatzsteuer handelt es sich um eine Verbrauchsteuer. Steuerträger ist der Konsument, der private Letztverbraucher. Umsatzsteuerrechtlich zerfällt der Kaufpreis in zwei Komponenten: • Entgelt (Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer) und • Umsatzsteuer.15 Im Sinne der Kostenneutralität der Umsatzsteuer in der Unternehmerkette soll die Umsatzsteuer kein Kostenfaktor, sondern nur ein kostenneutraler Durchläufer sein. Der Unternehmer muss die verrechnete Umsatzsteuer einbehalten und an das Finanzamt abführen. Der Unternehmer ist somit der Steuerschuldner. Bei Leistungen, die der Unternehmer für sein Unternehmen bezieht, kann die mitverrechnete Umsatzsteuer als Vorsteuer abgezogen werden. Der Vorsteuerabzug macht es also möglich, dass keine Umsatzsteuerbelastung in der Unternehmerkette stattfindet.16 13 Doralt, Steuerrecht 202021 (2019) Rz. 301. 14 Beiser, Steuern17 (2019) Rz. 457. 15 Beiser, Steuern17 (2019) Rz. 458. 16 Beiser, Steuern17 (2019) Rz. 458. 6
Grundsätzlich gilt im internationalen Waren- und Dienstleistungsverkehr für die Umsatzsteuer das Bestimmungslandprinzip. Das bedeutet, dass die Umsatzsteuer in dem Land anfallen soll, für das die Leistung bestimmt ist und in dem die Leistung (vom Letztverbraucher) konsumiert wird. Wenn sich das Bestimmungslandprinzip nicht verwirklichen lässt, wird die Umsatzsteuer im Ursprungsland erhoben. Das Ursprungslandprinzip besagt, dass die Umsatzsteuer in dem Land erhoben wird, wo der Unternehmer sein Unternehmen betreibt und wo die Waren erzeugt werden.17 Um das Bestimmungslandprinzip garantieren zu können, ist bei grenzüberschreitenden Leistungen ein sogenannter Grenzausgleich notwendig. Ausfuhren aus dem Ursprungsland sind steuerfrei, dafür wird bei Einfuhren im Bestimmungsland eine Belastung mit Umsatzsteuer schlagend: • Der Einfuhrumsatzsteuer unterliegen jegliche Einfuhren aus Drittstaaten. • Die Erwerbsteuer erfasst innergemeinschaftliche Erwerbe aus EU- Mitgliedsaaten.18 B. Das Mehrwertsteuersystem Durch die erste Mehrwertsteuerrichtlinie von 1967 wurde die Umsatzsteuer harmonisiert. Zur gleichen Zeit wurde durch die zweite Mehrwertsteuerrichtlinie die Grundstruktur festgelegt. Mit der sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie wurden im Jahr 1977 weitere Harmonisierungsschritte beschlossen. Diese wurden ohne inhaltliche Änderungen in die Mehrwertsteuer-System-Richtlinie (MwSt-RL, 2006/112/EG) aufgenommen. In dieser sind die Regelungen des gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystems kodifiziert. Aufgrund des Zieles der Schaffung des Binnenmarktes ohne Grenzkontrollen ab dem 01.01.1993 konnten die Erhebungen nicht mehr mithilfe von Zollbehörden erfolgen.19 Der Vorschlag für ein endgültiges Mehrwertsteuersystem, vollkommen auf das Ursprungslandprinzip überzugehen, wurde von den Mitgliedstaaten abgelehnt.20 Aufgrund der Ablehnung wurde eine Übergangsregelung beschlossen: Lieferungen von Waren innerhalb der EU an Unternehmer im Ursprungsland sind von der Steuer befreit und der innergemeinschaftliche 17 Doralt, Steuerrecht 202021 (2019) Rz. 304. 18 Doralt, Steuerrecht 202021 (2019) Rz. 304. 19 Tumpel/Weinzierl, Aktionsprogramm der EU für die Mehrwertsteuer, RdW 2018/560, S. 741. 20 Berger, EU-Binnenmarkt (Stand 5.2.2020, Lexis Briefings in lexis360.at) 7
Erwerb ist im Bestimmungsland zu besteuern. Diese Regelung ist weiterhin in Kraft.21 Aufgrund der Tatsache, dass das Bestimmungslandprinzip dem Konzept des Binnenmarktes widerspricht, aber auch das gewünschte Ursprungslandprinzip Wettbewerbsverzerrungen hervorbringt, solange das Mehrwertsteuersystem innerhalb der EU nicht vollkommen harmonisiert ist, sollten grundlegende Reformen im Mehrwertsteuersystem beschlossen werden.22 C. Verfahrensweise bei Rechtsänderungen der Mehrwertsteuer In der EU kommt die Steuerhoheit den Mitgliedstaaten zu. Nach Art. 113 AEUV erlässt der Rat „gemäß einem besonderen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des Europäischen Parlaments und des Wirtschafts- und Sozialausschusses einstimmig die Bestimmung zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften über die Umsatzsteuern, die Verbrauchsabgaben und sonstige indirekte Steuern, soweit diese Harmonisierung für die Errichtung und das Funktionieren des Binnenmarkts und die Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen notwendig sind.“23 Die EU darf nur dann tätig werden, sobald bestimmte Ziele auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden und besser auf Ebene der EU umgesetzt werden können (Subsidiaritätsprinzip). Aufgrund der fortgeschrittenen Zahl von Mitgliedern in der Europäischen Union und deren zum Teil verschiedenen Interessen und Ansichten, sind Neuerungen in steuerlichen Themen langwierig und schwierig umzusetzen. Vor allem, weil Rechtsakte in einem besonderen Gesetzgebungsverfahren einstimmig beschlossen werden müssen. 21 Tumpel/Weinzierl, Aktionsprogramm der EU für die Mehrwertsteuer, RdW 2018/560, S. 741 22 Berger, EU-Binnenmarkt, abrufbar unter https://360.lexisnexis.at/d/lexisbriefings/eu_binnenmarkt/h_80006_1181875740700701642_2a9e4b695c?ori gin=rl (abgerufen am 16.03.2020). 23 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union v. 26.10.2012 ABI C 326/47, Art. 113 AEUV. 8
III. Aktionsprogramm der EU-Kommission für die Mehrwertsteuer Um den Erfordernissen des 21. Jahrhunderts gerecht zu werden, soll laut EU-Kommission ein einheitlicher europäischer Raum der Mehrwertsteuer geschaffen werden. Durch die Reformen sollen im Einzelnen folgende Punkte verwirklicht werden: • Das Mehrwertsteuersystem soll für Unternehmer einfacher werden. Die Befolgung der Mehrwertsteuervorschriften sind im Binnenmarkt um etwa 11% aufwendiger als für den inländischen Verkehr.24 Dies betrifft besonders Klein- und Mittelunternehmen. • Das Mehrwertsteuersystem muss dem steigenden Betrugsrisiko entgegenwirken. Das derzeitige Mehrwertsteuersystem kämpft mit einem steigendem Betrugsrisiko. Die „Mehrwertsteuerlücke“ zwischen erwarteten und tatsächlichen Einnahmen wird auf 170 Mrd. EUR geschätzt. Grenzüberschreitender Betrug, besonders durch sogenannte „Steuerkarusselle“, verursacht jährlich einen Steuerausfall in der Höhe von geschätzten 50 Mrd. EUR. • Das Mehrwertsteuersystem muss digitale Technologien besser nutzen, effizienter sein und die Kosten der Steuererhebung verringern. • Das Mehrwertsteuersystem muss auf mehr Vertrauen zwischen Unternehmern und Steuerverwaltungen und besonders zwischen den einzelnen Steuerverwaltungen in der EU beruhen.25 In dem einheitlichen Raum der Mehrwertsteuer plant die Kommission die vollständige Umsetzung des Bestimmungslandprinzips. Die geltende Regelung, dass Lieferungen in andere EU-Mitgliedstaaten von der Steuer befreit bleiben, soll abgeschafft werden. Anstelle der alten Regelung, soll der Unternehmer im EU-Bestimmungsland seinen Umsatz erklären. Des Weiteren soll die Umsatzsteuer im Ansässigkeitsland über eine zentrale Anlaufstelle gemeldet und abgeführt werden. Der leistende Unternehmer wird im Empfängerland ein 24 EY, Implementing the „destination principle“ to intra-EU B2B supplies of goods, Final Report Contract: TAXUD/2013/DE/319 (2015) vom 30. 6. 2015, S. 32. 25 Tumpel/Weinzierl, Aktionsprogramm der EU für die Mehrwertsteuer, RdW 2018/560, S. 740. 9
Steuerpflichtiger. Er erbringt mit seiner Lieferung an den Abnehmer in dessen Sitzland eine steuerbare Lieferung zu den Steuersätzen des Empfängerlandes. Das bisherige System des Grenzausgleichs soll in der Zukunft nur im Verhältnis zu Drittstaaten Geltung finden.26 Die Umstellung soll in zwei Stufen erfolgen: In der ersten Stufe würde die Mehrwertsteuerbehandlung der B2B-Lieferungen von Waren innerhalb der EU geregelt werden. Lieferungen sollen in der Zukunft in dem Mitgliedstaat besteuert werden, in dem die Versendung oder Beförderung endet. Der Lieferer stellt die Rechnung dem Erwerber und schuldet die Mehrwertsteuer zu dem jeweiligen Steuersatz des Mitgliedstaates. Die erste Stufe wird weiters in zwei Teilschritte untergliedert: 1. Erwerber, die von ihrer Steuerbehörde als ihrer Pflicht nachkommende Unternehmen zertifiziert wurden, sollen abweichend vom allgemeinen Grundsatz weiter mehrwertsteuerpflichtig für die in anderen Mitgliedstaaten erworbenen Gegenstände bleiben.27 2. Auf zweiter Ebene soll die Mehrwertsteuerbehandlung auf alle grenzüberschreitenden Lieferungen und besonders auf grenzüberschreitende Dienstleistungen ausgeweitet werden. Der zweite Schritt soll aber erst nach Umsetzung des ersten Schritts vorgeschlagen werden. Fünf Jahre nach Inkrafttreten des ersten Schritts würde die Kommission diesen aber noch auf gewisse Aspekte, wie Effizienz oder Betrugssicherheit, überprüfen.28 Anstatt des Begriffs innergemeinschaftliche Lieferung und der Besteuerung von innergemeinschaftlichen Erwerben innerhalb der EU soll der Begriff „Lieferung innerhalb der EU“ verwendet werden. Wie schon beschrieben, wird bei einer Lieferung innerhalb der EU, der Lieferort für eine Lieferung von Gegenständen innerhalb der EU dort bestimmt, wo sich die Waren bei Beendigung der Versendung oder Beförderung an den Erwerber befinden.29 26 Sterzinger, Umsatzsteuersofortmaßnahmen (sog. Quick-Fixes) im Handel zwischen Mitgliedstaaten, Umsatzsteuerrundschau 23/2018, S. 894. 27 Tumpel/Weinzierl, Aktionsprogramm der EU für die Mehrwertsteuer, RdW 2018/560, S. 742. 28 Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG in Bezug auf die Einführung der detaillierten technischen Maßnahmen für die Anwendung des endgültigen Mehrwertsteuersystems für die Besteuerung des Handels zwischen Mitgliedstaaten, COM(2018) 329 final 2018/0164 (CNS), S. 6. 29 Tumpel/Weinzierl, Aktionsprogramm der EU für die Mehrwertsteuer, RdW 2018/560, S. 743. 10
Bei Realisierung des endgültigen Mehrwertsteuersystems würde die Zusammenfassende Meldung für Lieferungen von Gegenständen innerhalb der EU abgeschafft werden. Laut der EU-Kommission kann wegen der hergestellten „Selbstkontrolle des Mehrwertsteuersystems“ darauf verzichtet werden. Um dem Steuerpflichtigen den bürokratischen Mehraufwand, sich in jedem Mitgliedstaat registrieren zu lassen, um die steuerliche Pflicht zu erfüllen, zu ersparen, sollte die Steuererhebung auf dem erprobten System des One-Stop-Shop erfolgen. Dieses System gilt bereits bei auf elektronischem Weg erbrachten Dienstleistungen an Nichtunternehmer.30 Die Steuererhebung sollte auf diesem Wege auch für Unternehmer zugänglich sein, die im Drittland ansässig sind. Als Voraussetzung müsste jedoch ein in der EU ansässiger Vermittler benannt werden. Auch der Vorsteuerabzug, Leistungsbezug für den Zweck des Unternehmens in anderen Mitgliedstaaten, soll in der Zukunft im Wege des One-Stop-Shop- Systems erfolgen. Übersteigt der Betrag der abgezogenen Vorsteuer den Betrag der geschuldeten Mehrwertsteuer in einem Mitgliedstaat, soll der Überschuss auf den folgenden Zeitraum übertragbar sein. Durch den vorliegenden Vorschlag der EU-Kommission soll auch der Karussellbetrug bekämpft werden, jedoch kann der Karussellbetrug laut Berger nicht ausgeschlossen werden. Der Erwerber wäre zwar verpflichtet die Mehrwertsteuer an den Lieferer zu leisten, jedoch ist dies keine Garantie, dass diese auch an den Fiskus abgeführt wird. Darüber hinaus könnte die Gefahr der Steuerhinterziehung für innerhalb der EU ausgeführte Lieferungen steigen, da diese bislang als innergemeinschaftliche Lieferungen steuerfrei waren. Die Kommission rechnet aber damit, mit dem One-Stop-Shop-System, den Steuerbetrug um bis zu 80% eindämmen zu können.31 Im Jahr 2005 wurde der Umsatzsteuerbetrug in Deutschland auf 15 bis 17 Mrd. Euro geschätzt. In Österreich wurde der Umsatzsteuerbetrug im Jahr 2001 bis inklusive dem Jahr 2005 auf 6,66 Mrd. Euro geschätzt. Bei einer damaligen Bevölkerungsanzahl von 8,26 Mio. 30 Aigner/Kofler/Tumpel, Auswirkungen einer Umstellung auf ein hybrides Mehrwertsteuersystem für österreichische Unternehmen (FN , StAW 2017, 1) S. 11. 31 Berger, EU-Binnenmarkt (Stand 5.2.2020, Lexis Briefings in lexis360.at). 11
Einwohner (2005) entspricht das einem Schaden von 806 Euro pro Kopf.32 Aufgrund der entgangenen Steuereinnahmen haben sich bereits 2006 Österreich und Deutschland für ein System ausgesprochen, welches auch bei inländischen Umsätzen ab einem Schwellenwert von 5.000 bzw. 10.000 Euro zu einem Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger abstellt. Im Jahr 2015 wurde dieser Vorschlag erneut aufgegriffen. Der größte Vorteil der Umstellung auf ein hybrides Mehrwertsteuersystem wäre, dass der Missing-Trader-Fraud effektiv bekämpft werden würde. Weiters würden inländische und innergemeinschaftliche Umsätze durch die Beseitigung der selektiven Reverse-Charge- Systems gleich behandelt werden. Darüber hinaus würden sich die Rechtsstreitigkeiten mit den Steuerbehörden und die damit verbundene Rechtsunsicherheit verringern. Einige Mitgliedstaaten und auch die Kommission haben sich aber wiederholt gegen die Einführung eines hybriden Mehrwertsteuersystems ausgesprochen. Es gibt Bedenken, dass das bisherige Mehrwertsteuersystem aufgelöst würde oder, dass es zu vermehrten Steuerausfällen auf Ebene des Einzelhandels kommt. Die Befürchtung der Steigerung an Steuerausfällen scheint jedoch überzogen, da die Hinterziehungsmöglichkeit bereits bei innergemeinschaftlichen Lieferungen und bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen bestand.33 Am 21.12.2016 hat die EU-Kommission einen RL-Vorschlag zur Änderung der MwSt-RL im Zusammenhang mit der befristeten generellen Umkehrung der Steuerschuld auf Lieferungen bestimmter Gegenstände und Dienstleistungen über einen bestimmten Schwellenwert vorgelegt.34 Dieser Vorschlag wurde im Rahmen der Ratsverhandlungen mehrfach geändert. Man hat sich darauf geeinigt, dass Mitgliedstaaten bis zum 30.06.2022 die generelle Umkehrung der Steuerschuld bei Übersteigen des Schwellenwertes von 17.500 Euro anwenden können.35 Dafür müssen allerdings gewisse Kriterien erfüllt sein: • Die Mehrwertsteuerlücke muss größer als 5% und der Anteil des Karussellbetrugs an der Mehrwertsteuerlücke größer als 25% sein. 32 Mattes, Elektronische Umsatzsteuerverrechnung eliminiert den Umsatzsteuerbetrug: Das Mattes-Schneider Modell (FN 1), FJ 2006, 321. 33 Tumpel/Weinzierl, Aktionsprogramm der EU für die Mehrwertsteuer, RdW 2018/560, S. 746. 34 Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz (Hrsg), Umsatzsteuergesetz: Kommentar5 (2017) EINFÜHRUNG ZUM UMSATZSTEUERGESETZ, Rz. 21/3. 35 Tumpel/Weinzierl, Aktionsprogramm der EU für die Mehrwertsteuer, RdW 2018/560, S. 746 f. 12
• Es muss nachgewiesen werden, dass andere Maßnahmen nicht ausreichen, um den Karussellbetrug zu bekämpfen und der erwartete Erfolg muss den Aufwand für Unternehmen und Verwaltung um mindestens 25% übersteigen. • Weiters muss die elektronische Meldeverpflichtung für Unternehmer implementiert werden.36 Aufgrund der strengen Anwendungsbedingungen können nur sehr wenige Mitgliedstaaten von der Regelung Gebrauch machen. Erfüllt ein Mitgliedstaat aber die geforderten Kriterien, kann der Mitgliedstaat gezwungen werden, noch vor dem geplanten Auslaufen wieder zum bisherigen System zurückzukehren, sofern negative Auswirkungen auf das Steueraufkommen anderer Mitgliedstaaten auftreten.37 Die negativen Auswirkungen sind bereits dann erfüllt, wenn in einem anderen Mitgliedstaat der MwSt-Betrug zugenommen hat.38 36 Melhardt, EU: ECOFIN-Rat beschließt zahlreiche MWSt-Regelungen, ÖStZ 2018/784, S. 624. 37 Tumpel/Weinzierl, Aktionsprogramm der EU für die Mehrwertsteuer, RdW 2018/560, S. 746 f. 38 Melhardt, EU: ECOFIN-Rat beschließt zahlreiche MWSt-Regelungen, ÖStZ 2018/784, S. 624. 13
IV. Vereinfachung und Harmonisierung von Vorschriften für Konsignationslager Mit 01.01.2020 ist das „Quick Fixes“- Paket in Kraft getreten, auf das sich die Mitgliedstaaten geeinigt haben. Ab sofort unterliegen die Konsignationslagerumsätze einer einheitlichen Behandlung, die mit der Umsetzung in allen Mitgliedstaaten gilt. Die bisherigen Regelungen bleiben allerdings für Waren, die vor dem 01.01.2020 in ein Konsignationslager befördert oder versendet wurden weiterhin anwendbar.39 A. Rechtslage bis zur Anwendung des Steuerreformgesetzes 2020 In der Regel führte der Transport von Gegenständen in ein Konsignationslager zu einem innergemeinschaftlichen Erwerb, wenn die Anwendung der Vereinfachungsregel nicht möglich war. Im Konsignationslagerstaat war die darauffolgende Lieferung als „inländische Lieferung“ steuerpflichtig. Aus der Steuerpflicht resultierte, dass sich der liefernde Unternehmer im Konsignationslagerstaat zur Umsatzsteuer anmelden musste, um den innergemeinschaftlichen Erwerb und die Lieferung erklären zu können.40 Um den bürokratischen Mehraufwand, die Registrierungspflicht für Unternehmer zu mindern, entschlossen sich einige Mitgliedstaaten, darunter auch Österreich, zu optionalen Sonderregeln im Zusammenhang mit Konsignationslagern.41 Die Vereinfachungsregel normierte, dass der Transport ins Konsignationslager noch keinen Umsatzsteuertatbestand auslöste. Die Warenbewegung wurde nämlich der tatsächlichen Lieferung zugerechnet. Das bedeutete, dass im Augenblick der Übertragung der Verfügungsmacht eine innergemeinschaftliche Lieferung im Ursprungsland und ein innergemeinschaftlicher Erwerb durch den Erwerber im Konsignationslagerstaat vorlag. Daraus resultierte, dass sich der liefernde Unternehmer im Konsignationslagerstaat nicht registrieren lassen musste.42 39 Ecker/Zolles, Konsignationslager - Die neuen Regeln, ÖStZ 2020/72, S. 65 f. 40 Ecker/Zolles, Konsignationslager - Die neuen Regeln, ÖStZ 2020/72, S. 66. 41 Vgl. UStR. 2000, Rz. 3603. 42 Ecker/Zolles, Konsignationslager - Die neuen Regeln, ÖStZ 2020/72, S. 66. 14
Die Vereinfachungsregel erleichterte folgende Tatbestände: 1) Verbringen in ein Konsignationslager in einem anderen Mitgliedstaat Lieferte ein im Inland ansässiger Unternehmer oder ein Unternehmer mit seinem Sitz oder Betriebsstätte im Inland seine Waren in sein in einem anderen Mitgliedstaat liegendes Konsignationslager, konnte er die Warenentnahme aus dem ausländischen Konsignationslager als innergemeinschaftliche Lieferung behandeln. Gleichzeitig unterlag die Entnahme der Erwerbsbesteuerung des Erwerbers in dem anderen Mitgliedstaat. In der Zusammenfassenden Meldung war die innergemeinschaftliche Lieferung im Zeitpunkt der Entnahme der Ware aus dem Lager aufzunehmen, nicht im Zeitpunkt der Verbringung beim Transport der Ware in das Konsignationslager. Für die Erleichterung wurde vorausgesetzt, dass der Unternehmer, • dem in den Tätigkeitsbereich der Umsatzsteuer fallenden Finanzamt schriftlich die Inanspruchnahme dieser Regelung mitteilt, (Die in Anwendung kommenden Regelungen des anderen Mitgliedstaates waren zu beschreiben.); • bezugnehmend auf die ein- und auslagernden Gegenstände und somit über den aktuellen Lagerbestand Aufzeichnungen führte, welche der Finanzbehörde die Überprüfung der Richtigkeit der Versteuerung ermöglichte.43 1.1) Praktische Darstellung In manchen Mitgliedstaaten, wie beispielsweise Belgien oder Finnland, gab es eine unbefristete Anwendung der Vereinfachungsregel. In Ländern wie Frankreich, Italien und Litauen gab es eine befristete Anwendung der Vereinfachungsregel. Frankreich sah einen Aufschub von drei Monaten vor, Italien und Litauen sahen einen Aufschub von 12 Monaten vor. Österreich hingegen lehnte sich an die Vereinfachungsregel anderer Mitgliedstaaten an. Wurden Waren in ein österreichisches Konsignationslager geliefert, wurde die in dem Ursprungsland vorgesehene Vereinfachungsregel mit einer Anwendbarkeit von sechs 43 Hinterleitner/Gepperth in Berger/Bürgler/Kanduth-Kristen/Wakounig, UStG-ON3.00 Art 1 BMR (2018), Rz. 3603. 15
Monaten angewendet. Da es in Deutschland keine Vereinfachungsregel gab, wurden Warenlieferungen aus Deutschland in ein in Österreich gelegenes Konsignationslager nach den allgemeinen Steuergrundsätzen besteuert. Lieferte ein Unternehmer, der in einem EU-Mitgliedstaat ansässig war, Waren in sein in Deutschland gelegenes Konsignationslager, hat der Unternehmer in Deutschland einen innergemeinschaftlichen Erwerb verwirklicht. Zum Zeitpunkt in dem der Leistungsempfänger die Ware aus dem Konsignationslager entnommen hat, bewirkte der Unternehmer ebenfalls eine in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Lieferung. Daher musste sich der Unternehmer aus dem übrigen Gemeinschaftsgebiet in Deutschland für umsatzsteuerliche Zwecke registrieren lassen.44 2) Verbringen in ein Konsignationslager im Inland Lieferte ein Unternehmer, der im Inland keinen Wohnsitz und keinen Sitz seines Unternehmens hatte und im Inland auch nicht umsatzsteuerlich registriert war, seine Ware in ein im Inland gelegenes Konsignationslager, so konnte der Abnehmer des ausländischen Unternehmers die Entnahme von Ware aus dem Konsignationslager als innergemeinschaftlichen Erwerb behandeln. Dementsprechend handelte es sich bei der Lieferung um eine innergemeinschaftliche Lieferung im anderen Mitgliedstaat. Die Regelung beschränkte sich allerdings auf Konsignationslager, die nur einem einzigen Abnehmer zur Verfügung standen („Call-off-stock“). Die Vereinfachung galt auch für ausländische Unternehmen, die umsatzsteuerlich registriert waren, welche aber nur Umsätze tätigten, die solchen Konsignationslagern zuzurechnen waren. Wenn von der Regelung Gebrauch gemacht wurde, musste diese auf alle Vorgänge, für die die Voraussetzungen zutrafen, angewendet werden. Die Vereinfachungsregel galt allerdings nur für Waren, die innerhalb der jeweiligen Frist im anderen Mitgliedstaat, spätestens jedoch innerhalb von 6 Monaten ab der Einlagerung entnommen wurden. Bei Überschreiten der Frist lag ab diesem Zeitpunkt ein steuerpflichtiger Erwerb des ausländischen Unternehmers vor. Wurde nach Überschreiten der Frist, die Ware vom Abnehmer aus dem Konsignationslager entnommen, handelte es sich um eine steuerpflichtige Lieferung des ausländischen Lieferers an den Abnehmer im Inland. In diesem Fall war § 27 Abs. 4 UStG anwendbar. 44 Warenlieferungen in und aus Konsignationslagern, abrufbar unter https://datenbank.nwb.de/Dokument/Anzeigen/689919/, abgerufen am 12.04.2020. 16
Für die Erleichterung wurde weiters vorausgesetzt, dass der ausländische Unternehmer, • der für die Erhebung von der Umsatzsteuer des Abnehmers zuständigen Steuerbehörde, schriftlich die Inanspruchnahme dieser Regelung mitteilte, • weiters mitteilte, dass der Ausgangsmitgliedstaat bei Entnahme der Ware innerhalb von 6 Monaten von einer innergemeinschaftlichen Lieferung ausgeht, • bezugnehmend auf die ein- und auslagernden Gegenstände und somit über den aktuellen Lagerbestand Aufzeichnungen führte (bzw. für ihn der inländische Abnehmer), welche der Finanzbehörde die Überprüfung der Richtigkeit der Versteuerung ermöglichte.45 3) Erstmalige Anwendung Die Vereinfachungen waren erstmalig ab dem Zeitpunkt auf die Verbringung von Gegenständen anzuwenden, ab dem die Mitteilung bei der Finanzbehörde eingelangt war. In jedem Mitgliedstaat, in dem Vereinfachungen für Konsignationslager angewendet wurden, war die Warenverbringung aus Österreich in Konsignationslager in diesen Mitgliedstaat oder Warenverbringung von diesen Mitgliedstaaten in Konsignationslager in Österreich unter die in den Punkten 1 bis 3 beschriebenen Voraussetzungen und Vorgangsweise möglich.46 B. Rechtslage ab dem Steuerreformgesetz 2020 1) Ein Überblick über die Voraussetzungen Die Grundidee der Vereinfachung von Konsignationslagerumsätzen ist, dass sich ein Lieferer wegen einem Verbringen von Waren nicht mehr umsatzsteuerlich registrieren lassen muss, sofern die Gegenstände bereits im Zeitpunkt der Lieferung für eine spätere Verbringung an einen Erwerber bestimmt sind. Das Verbringen und die anschließende Lieferung an den Abnehmer im Konsignationslagerstaat löst grundsätzlich nur einen steuerpflichtigen Umsatz aus. Die Warenbewegung, durch die die Ware in den 45 Mayr/Weinzierl, SWK-Spezial Reihen- und Dreiecksgeschäfte (2017), S. 193 f. 46 Melhardt, Umsatzsteuer-Handbuch 2019 (2019), S. 846. 17
Konsignationslagerstaat gebracht wird, wird steuerlich der zeitlich verzögerten Lieferung an den geplanten Erwerber zugeordnet. Daher kommt es im Zeitpunkt der Lieferung an den Erwerber zu einer innergemeinschaftlichen Lieferung im Ursprungsland durch den Lieferer und einem innergemeinschaftlichen Erwerb im Konsignationslagerstaat durch den Abnehmer.47 Für die Anwendung der Konsignationslagerregelung müssen nach Art. 1a UStG folgende Kriterien gegeben sein: • Ein Unternehmer versendet oder befördert Gegenstände in einen anderen Mitgliedstaat, um sie an einen anderen Unternehmer, einen sogenannten geplanten Erwerber, zu liefern. • Die Ware soll noch nicht im Zuge dieses Transportes in das Inland, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt geliefert werden. Das bedeutet, dass die Verfügungsmacht über die Ware erst später übertragen werden soll. • Es ist beabsichtigt, die Ware erst zu einem späteren Zeitpunkt an den geplanten Erwerber zu liefern. • Zwischen dem Lieferer und dem geplanten Erwerber besteht eine Vereinbarung, dass der geplante Erwerber zum Erwerb des Eigentums an der Ware berechtigt ist. • Der Lieferer hat weder seine Betriebsstätte noch seinen Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit im Konsignationslagerstaat. • Dem Lieferer ist bereits vor Beginn der Versendung oder Beförderung die Identität und die UID-Nummer des geplanten Erwerbers aus dem Konsignationslagerstaat bekannt. • Der Unternehmer nimmt das Verbringen gemäß Art. 21 Abs. 3 UStG in eine Zusammenfassende Meldung mit Hinweis auf die Konsignationslagerregelung auf. • Der Unternehmer führt gemäß Art. 1a Abs. 6 UStG ein Konsignationslagerregister und trägt das Verbringen in dieses ein.48 Die Norm Art. 1a UStG steht unter der Überschrift „Konsignationslagerregelung“. Dabei stellt sich die Frage was unter dem Begriff des Konsignationslagers fällt. Laut Ecker/Zolles 47 Ecker/Zolles, Konsignationslager - Die neuen Regeln, ÖStZ 2020/72, S. 66. 48 Schwab in Ecker/Epply/Rößler/Schwab (Hrsg), Kommentar zur Mehrwertsteuer - UStG 1994 (62. Lfg 2020) zu Art 1a UStG - Gesetzestext und Kommentierung, Rz 19. 18
soll die gewählte Bezeichnung nur die Anwendung der Regelung auf eine gängige Unternehmenspraxis, das Verbringen und den Verkauf im Rahmen eines sogenannten Konsignationslagers, signalisieren. Es ist nicht erheblich, ob die Ware in ein Gebäude mit gewisser Mindestausstattung verbracht wird. Die Konsignationslagerregelung kann somit auch bei Nutzung von Freiluftlagern oder bei einer Lagerung in Containern verwendet werden. Es ist ebenfalls unerheblich, ob der Aufbewahrungsort im Eigentum des Erwerbers, eines Dritten oder des liefernden Unternehmers steht. Hingegen ist unter anderem entscheidend, ob sich die Ware weiterhin im Eigentum des Lieferers befindet und ob der Lagerort der Ware zu jeder Zeit aus den Konsignationslagerregistern ersichtlich ist.49 2) Die Verbringungen durch den liefernden Unternehmer Grundsätzliche Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Vereinfachungsregel ist, dass das Verbringen nur Lieferungen von einem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat umfasst. Der Lieferer hat die Beförderung in das Konsignationslager selbst vorzunehmen oder sie wird für ihn durch einen Dritten vorgenommen. Wird die Ware vom geplanten Erwerber im Auftrag des Lieferers befördert, ist die Vereinfachungsregel nur anwendbar, sofern die Verfügungsmacht an der Ware nicht vor dem Verbringen übergeht. Werden Gegenstände aus dem Drittland verbracht und diese anschließend aus dem Einfuhrmitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat verbracht, kann die Vereinfachungsregel nicht angewendet werden, weil zum Zeitpunkt der Einfuhr noch nicht sicher ist, ob tatsächlich eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erfolgen wird.50 3) Der geplante Erwerber Ein geplanter Erwerber kann jeder Unternehmer sein, der im Konsignationslagerstaat registriert ist und über eine UID-Nummer in diesem Staat verfügt. Der geplante Erwerber muss aber nicht im Konsignationslagerstaat niedergelassen sein. Damit die 49 Ecker/Zolles, Konsignationslager - Die neuen Regeln, ÖStZ 2020/72, S. 67. 50 Europäische Kommission, Explanatory Notes on the EU VAT changes in respect of call-off stock arrangements, chain transactions and the exemption for intra-Community supplies of goods (“2020 Quick Fixes“), (2019) S.42. 19
Vereinfachungsregel Anwendung findet, muss der geplante Erwerber bereits vor Antritt der Beförderung oder Versendung bekannt sein. Weiters muss eine verbindliche Vereinbarung geschlossen worden sein, nach dieser der geplante Erwerber zum Erwerb des Eigentums berechtigt ist. Es ist auf die umsatzsteuerliche Verfügungsmacht abzustellen. Der Lieferer bleibt vor der Verbringung weiterhin Eigentümer und trägt so das Risiko für den zufälligen Untergang der Ware. Wenn für jeden Gegenstand bereits vor der Verbringung feststeht, wer der jeweilige geplante Erwerber ist, also die Identität und die UID-Nummer aus dem Konsignationslagerstaat vor Beginn der Versendung oder Beförderung bekannt ist, kann die Vereinfachungsregel auch bei mehreren geplanten Erwerbern angewendet werden. Diese Zuordnung muss auch klar aus der Zusammenfassenden Meldung und dem Konsignationslagerregister hervorgehen.51 4) Keine Betriebsstätte im Konsignationslagerstaat Art. 1a UStG stellt darauf ab, dass der Unternehmer im Konsignationslagerstaat weder eine Betriebsstätte noch seinen Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Es gibt keine Definition der Betriebsstätte, allerdings ist sie mit dem Begriff der „festen Niederlassung“, welcher in Art. 17a der Richtlinie (EU) 2018/1910 des Rates verwendet wird, gleichzusetzen. Leider wird dieser Begriff nicht näher definiert. Analog sollte aber für Zwecke der Konsignationslagerregelung die Definition der festen Niederlassung in Art. 11 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates angewendet werden können. Demnach weist eine feste Niederlassung „[…] einen hinreichenden Grad an Beständigkeit, sowie eine Struktur [auf], die es ihr von der personellen und technischen Ausstattung her erlaubt, Dienstleistungen […]“ zu erbringen. Soweit die Ausstattung eines Lagers es erlaubt Lieferungen oder Dienstleistungen zu erbringen, sollte von einer festen Niederlassung ausgegangen werden. Eine Registrierung im Konsignationslagerstaat muss in diesem Fall schon wegen der Betriebsstätten-Umsätze erfolgen. Eine Erleichterung durch die Anwendung der Konsignationslagerregelung erscheint nicht notwendig. Werden durch das Lager lediglich Waren oder Dienstleistungen empfangen, sollten nach Meinung von Ecker und Zolles unter analoger Anwendung des Art. 11 Abs. 2 der 51 Ecker/Zolles, Konsignationslager - Die neuen Regeln, ÖStZ 2020/72, S. 67. 20
Verordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates, auch für Zwecke der Konsignationslagerregelung, das Lager, keine feste Betriebsstätte bzw. Niederlassung sein. Eine andere Interpretation würde auch den Sinn und Zweck der Konsignationslagerregelung in Frage stellen. Empfängt und lagert ein Unternehmer in einem Mitgliedstaat lediglich Ware, die für einen anderen Unternehmer bestimmt ist zwischen, sollte sich der Unternehmer wegen dieser Verbringung nicht im Konsignationslagerstaat registrieren lassen müssen. Der Rückgriff auf die bestehende Definition in Art. 11 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 282/2011 des Rates würde auf den Vereinheitlichungsgedanken aufbauend eine unionsweite einheitliche Anwendung fördern. Hingegen könnte ein Abstellen auf Eigentumsverhältnisse des Lagers oder auf nicht bestimmte und bislang nicht relevante Begriffe wie „betreiben“ eines Lagers, zu einem erhöhten Risiko einer uneinheitlichen Anwendung durch die Mitgliedstaaten führen. Ein Unternehmer der im Konsignationslagerstaat umsatzsteuerlich registriert ist, kann im Gegensatz zu einer Betriebsstätte, die Vereinfachungsregel trotzdem in Anspruch nehmen, solange er dort nicht niedergelassen ist.52 5) Die Zusammenfassende Meldung Bei der Abgabe der Zusammenfassenden Meldung handelt es sich um eine materielle Voraussetzung für die Anwendung der Konsignationslagervereinfachung. Durch Nichtabgabe der Zusammenfassenden Meldung kann der Unternehmer in der Praxis konkludent ausdrücken, dass die Vereinfachungsregel nicht zur Anwendung kommen soll. Mit der Umsetzung der neuen Konsignationslagerregelung erfolgte gleichzeitig eine umfassende Umgestaltung der Zusammenfassenden Meldung. Neben der herkömmlichen Zusammenfassenden Meldung gibt es ab 2021 eine Kennzeichnung mit eigenen Codes: Für das Verbringen in ein Konsignationslager (KL-Code1), den Rückversand sowie Stornierung (KL-Code 2) und den Erwerberwechsel (KL-Code 3). Der Unternehmer muss die UID- Nummer des geplanten Erwerbers (KL-Code 1) bzw. bei Erwerberwechsel die UID- Nummer des ursprünglichen und des neuen geplanten Erwerbers (KL-Code 3) angeben. 52 Ecker/Zolles, Konsignationslager - Die neuen Regeln, ÖStZ 2020/72, S. 68. 21
Durch die Angabe der UID-Nummer in der Zusammenfassenden Meldung ist die gesetzliche Voraussetzung garantiert, die Identität des geplanten Erwerbers zu kennen. Wurden die Voraussetzungen für die Konsignationslagerregelung eingehalten und wird die Ware innerhalb von 12 Monaten an den geplanten Erwerber geliefert, ist die innergemeinschaftliche Lieferung an den geplanten Erwerber in eine Zusammenfassende Meldung in herkömmlicher Form, also wie auch bei anderen innergemeinschaftlichen Lieferungen, aufzunehmen. Der Unternehmer hat keine KL-Codes, dafür aber die Bemessungsgrundlage anzugeben. Wurde innerhalb von 12 Monaten weder eine Lieferung an den geplanten Erwerber noch ein Rückversand getätigt, hat der liefernde Unternehmer das daraus resultierende Verbringen ebenfalls in eine Zusammenfassende Meldung in herkömmlicher Form aufzunehmen.53 6) Das Konsignationslagerregister Gemäß Art. 1a Abs. 6 UStG ist es eine materielle Voraussetzung für die Anwendung der Vereinfachungsregel, jede Änderung und die letztendliche Lieferung an den geplanten Erwerber in das Konsignationslagerregister einzutragen. Welche inhaltlichen Anforderungen ein Konsignationslagerregister erfüllen muss, ist in der Durchführungsverordnung (EU) 2018/1912 des Rates normiert und somit unionsweit standardisiert. Demnach hat der Lieferer folgende Informationen aufzuzeichnen: • Den Mitgliedstaat, aus dem die Gegenstände versandt oder befördert wurden (Ursprungsland). • Den Mitgliedstaat, in dem die Gegenstände versandt oder befördert wurden (Konsignationslagerstaat). • Die UID-Nummer des geplanten Erwerbers aus dem Konsignationslagerstaat oder bei einem Erwerberwechsel, die UID-Nummer des neuen geplanten Erwerbers aus dem Konsignationslagerstaat. Auf den Erwerberwechsel wird im Kapitel IV,C,1),1.2) näher Bezug genommen. 53 Ecker/Zolles, Konsignationslager - Die neuen Regeln, ÖStZ 2020/72, S. 69 f. 22
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