Reintegration nach Brandverletzung - Face Equality ...
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Leitfaden für die Schule zur Reintegration von Schülerinnen und Schülern nach einer Brandverletzung Dieser Leitfaden dient dazu, die Reintegration von Schülern mit einer Brandverletzung nach einem Spitalaufenthalt möglichst erfolgreich zu gestalten. Dabei sind Sie als Klassenlehrperson, Fachlehrperson, Schulleiter oder Schulischer Heilpädagoge (SHP) eine der wichtigsten Personen, die mit dem Schüler nach dem Spitalaufenthalt regelmässig in Kontakt stehen. Neben den wichtigsten Informationen zu Brandverletzungen werden prak- tische Handlungsmöglichkeiten, nützliche Kontaktadressen sowie Literaturangaben aufgeführt. Der Leitfaden basiert auf Ergebnissen einer qualitativen For- schungsstudie, bei der betroffene Kinder und Jugendliche, Eltern und Lehrpersonen befragt wurden. Personen- und Berufsbezeichnungen gelten stets für beide Geschlechter. Kontakt Bei Fragen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung: Kindergarten: kindergarten@kispi.uzh.ch Telefon +41 44 266 72 96 Schule: spitalschule@kispi.uzh.ch Telefon +41 44 266 72 94 Schulleitung: barbara.trechslin@kispi.uzh.ch Telefon +41 44 266 32 51 Pflegeberatung: liv.mahrer@kispi.uzh.ch Telefon +41 44 266 33 06
Grad I Oberhaut Grad IIa (Epidermis) Grad IIb Lederhaut Dermis) Unterhaut Grad III (Subcutis) Schweregrade der Hautverbrennung Informationen zu Brandverletzungen bei Kindern und Jugendlichen Als thermische Verletzung wird eine oder verbrühter Körperoberfläche Schädigung des Gewebes durch Hitze- rechnen muss. Dann braucht das einwirkung bezeichnet. Es kann sich Kind neben der lokalen Wundbehand- dabei um eine Verbrennung (Flam- lung weitere spezifische Therapien me), eine Verbrühung (heisse Flüs- wie Infusionen, eine angereicherte sigkeit), ein Kontakttrauma (Berüh- (hochkalorische) Nahrung und even- ren eines heissen Gegenstandes) tuell zusätzliche medikamentöse Un- oder ein Elektrotrauma (Unfall mit terstützung. Sind bei einer Brandver- Stromeinfluss) handeln. letzung mehr als 50 Prozent der Kör- Die Flächenausdehnung einer perhülle betroffen, sind die Folgen Verbrennung wird in Prozenten der lebensbedrohend. Dann kann auch gesamten Körperoberfläche ange- eine Hospitalisation auf der Intensiv- geben. Durch die Schädigung der station notwendig sein. Haut verliert der Körper Flüssigkeit, Nach einer Brandverletzung muss Salze und Eiweisse. Der Organis- zunächst die zerstörte Haut entfernt mus reagiert meistens mit Fieber werden, um den Körper vor Infektio- und Anschwellen verletzter sowie nen zu schützen. Der Grad (1, 2a, 2b, nicht verletzter Körperareale. Diese 3), das heisst, die Tiefe und die Aus- Reaktionen gehören zur sogenannten dehnung der Verbrennung in Bezug «Verbrennungskrankheit», mit der auf die Körperoberfläche, werden man ab ca. 15 Prozent verbrannter festgestellt. Der Flüssigkeitsverlust
des Körpers durch die Wundflächen Brandverletzte Kinder und Jugend- wird berechnet und mit Infusionen liche legen während ihrer Rehabi- ausgeglichen. Bei den Verbrennungs- litation einen langen, mühsamen, graden 2b und 3 muss operiert wer- für alle Beteiligten einschneidenden den, da die Haut nicht mehr von sich Weg zurück. Juckreiz, Spannungs- aus heilen kann. In den ersten Tagen gefühl, trockene Haut, Ausschläge, werden die Verbände in der Regel Rötungen, Licht-, Kälte- und Hitze- täglich gewechselt und die Wunden empfindlichkeit können den Ausrei- gereinigt. Die Kinder und Jugendli- fungsprozess der Narben über Jahre chen erhalten dazu starke Schmerz- begleiten. Ausserdem ist es sehr mittel. Die Tiefe einer thermischen wichtig, dass Narben besonders gut Verletzung kann erst sieben bis zehn vor der Sonne geschützt werden, da Tage nach dem Unfall definitiv fest- sie selber keinen UV-Schutz bilden gelegt werden. Deshalb kann auch können. Eine konsequente Kom- die längerfristige Behandlung erst ab pressionstherapie (eng anliegender, diesem Zeitpunkt bestimmt werden. individuell angefertigter Kompressi- Eine Deckung der hautlosen Fläche onsanzug, auch Jobst genannt) unter- wird mit patienteneigener hauchdünn stützt das Erreichen eines optimalen entnommener Spalthaut (vom Ober- Narbenbildes. Er sorgt durch kon- schenkel bzw. der Kopfhaut)oder tinuierlichen Druck auf die Narben im Labor hergestellter Ersatzhaut dafür, dass diese weniger in die Höhe erreicht. Die Heilungsdauer wird wachsen («hypertroph»). Meistens dadurch wesentlich verkürzt und wird die Reifung der Narben durch das funktionelle und kosmetische eine Silikontherapie mit entsprechen- Resultat günstig beeinflusst. Sichtba- den Pflastern und Gels unterstützt. re Vernarbungen können jedoch auch Die Schwere der Narbenbildung ist durch eine Hauttransplantation nicht unterschiedlich. vermieden, sondern nur vermindert Thermische Verletzungen bei Kindern werden. Die verpflanzte Haut heilt und Jugendlichen können zu einer in wenigen Tagen ein, sofern der lebenslangen Stigmatisierung durch Heilungsprozess nicht durch eine In- Narbenbildung führen. Aufgrund fektion oder durch zu viel Bewegung eventuell funktioneller Einschrän- des Kindes oder des Jugendlichen kungen (z. B. Bewegungseinschrän- gestört wird. kungen an Gelenken) oder aufgrund des ästhetischen Erscheinungsbildes
(z. B. Gesicht und Dekolleté) folgen der Verarbeitung des Verbrennungs- oft mehrfache Korrekturoperationen traumas ist sinnvoll, um eine Chro- bis ins Erwachsenenalter. nifizierung einer Belastungsreaktion Schwere Brandverletzungen können sowie die Ausbildung einer Post- diverse komplexe physische und psy- traumatischen Belastungsstörung chische Folgekrankheiten nach sich (PTBS) zu verhindern. ziehen. Eine therapeutische Hilfe bei Stationärer Spitalaufenthalt Kinder und Jugendliche sowie deren Sie zuvor von den Erziehungsberech- Familien werden nach einer thermi tigten Informationen erhalten. Ein schen Verletzung bestmöglich unter- Gespräch über die Verletzung Ihres stützt. Neben der medizinischen Schülers sollte auf Ihre Initiative Therapie durch Ärzteschaft und stattfinden, wenn Sie von der Brand- Pflege sowie bei Bedarf durch die verletzung erfahren. Dabei ist eine Physio- und Ergotherapie kümmert aufrichtige Anteilnahme selbstver- sich die Sozialberatung um versiche- ständlich. Fragen nach dem Gesund- rungstechnische, organisatorische heitszustand sind wichtig und die El- und soziale Fragen. Zudem wird für tern werden selbst entscheiden, wie eine psychologische und schulische ausführlich sie antworten möchten. Unterstützung gesorgt. Weiter soll auch besprochen werden, Damit Sie sich mit der Brandverlet- wie und in welchem Umfang die Klas- zung Ihres Schülers auseinanderset- se und das weitere Umfeld informiert zen können, ist es unerlässlich, dass werden.
Empfehlungen zur Reintegration Die Herkunftsschule leistet für eine Rückkehr. Regelmässiger Kontakt gelingende Reintegration von brand- zu Mitschülern – telefonisch, durch verletzten Kindern und Jugendlichen Briefe, E-Mails, ev. Spitalbesuche (in einen wertvollen Beitrag. Massge- Absprache mit den Eltern) – festigt bend für die erfolgreiche Reintegra- diesen Platz in der Klasse und er- tion sind vor allem auch die Familie, leichtert die Reintegration für beide das soziale Umfeld der Betroffenen Seiten. sowie der aktuelle Gesundheits- Wenn die Schüler von mehreren zustand. Lehrpersonen unterrichtet werden, Brandverletzte Kinder und Jugend- empfiehlt sich eine innerschulische liche wünschen sich eine normale Informationsstruktur, sodass alle Behandlung als Mitschüler. Eine zu Lehrpersonen die notwendigen grosse Rücksichtnahme kann zur Informationen besitzen. Bei einem Ausgrenzung aus der Klasse führen Lehrpersonen- oder Schulwechsel und ist von den betroffenen Schülern sollten diese weitergegeben wer- nicht erwünscht. den. Selbstverständlich müssen Offenheit, Geduld, Wertschätzung diese Informationen zwingend mit und das nötige Feingefühl seitens der den Eltern und den Betroffenen Lehrpersonen der H erkunftsschule besprochen und deren Einverständ- sind zentral. Da brandverletzte Schü- nis dafür eingeholt werden. ler aufgrund von wiederkehrenden Hospitalisationen (z. B. Narbenkor- rekturen) in der Schule immer wieder Vor der Reintegration: fehlen, gilt es, die Integration in der Klasse zu pflegen. Für brandver- –– Die Klasse des Schülers wird in letzte Kinder und Jugendliche ist es Absprache mit den Eltern z. B. mit ein wichtiger Gedanke, ihren festen Fotos und Gesprächen auf das ver- Sitzplatz in der Schule reserviert zu änderte Aussehen des Kindes oder wissen. Der feste Sitzplatz symboli- des Jugendlichen vorbereitet. siert ihnen, dass die Klasse sie nicht –– Schüler, die längere Zeit ihre vergisst und vermittelt Aussicht auf Herkunftsschule nicht besuchen
können, gehen vor dem g eplanten troffenen Schüler stellen können. Wiedereinstieg z.B. mit der Pflege Dabei werden wichtige Themen beraterin oder einer anderen Fach- und Fragen zur individuellen Be- person, den Eltern oder eventuell lastbarkeit und zu speziellen Rege- mit einer Spitallehrperson in ihre lungen z.B. beim Sportunterricht angestammte Klasse. Ziel dieses und Klassenausflügen geklärt. Besuches ist, dem Schüler die Angst zu nehmen und ihm Mut zu machen. Der Besuch wird von der Klassenlehrperson mit der Klasse vorbereitet. Fragen werden ge- sammelt und vor dem Besuch an den betroffenen Schüler geschickt. Auch die Spitallehrperson oder eine andere Fachperson bereitet Literaturhinweise mit dem betroffenen Schüler den Empfohlene Literatur zum Thema Brand- Besuch vor. Die z ugesandten Fra- verletzungen für Lehrpersonen, Schullei- tungen und SHPs: gen der Klasse werden bespro- –– Flitner, E., Ostkämpfer, F., & Scheid, C. W. chen und es wird geklärt, welche (2014). Chronisch kranke Kinder in der Themen in der Klasse nicht ange- Schule. Stuttgart: W. Kohlhammer. –– Kägi, M. (2016). Brandmal – Gezeichnet sprochen werden sollen. In ein bis fürs Leben. Zürich: SRF Dok, www.srf.ch zwei Schulstunden werden den Mit- –– Kinderspital Zürich (Zentrum für schülern im Gespräch die Verlet- brandverletzte Kinder, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie), https://www. zung, ihre Behandlung und deren kispi.uzh.ch/de/patienten-und-angehoeri- Folgen erklärt. Die Erklärung er- ge/fachbereiche/zentrumfuerbrandver- folgt durch den betroffenen Schü- letztekinder –– Initiative «Hautstigma», ler, die Eltern und/oder die Begleit www.hautstigma.ch personen. Die Klasse kann die –– Paulinchen – Initiative für brandverletzte vorbereiteten Fragen stellen. Kinder e.V. (2013): Alex - ein Ratgeber für brandverletzte Jugendliche. Frankfurt: Idealerweise findet anschliessend brandbook.de, www.paulinchen.de eine Klassenkonferenz mit allen –– Schiestl, C., Schlüer, A.-B., Zikos-Pfen- beteiligten Fachlehrpersonen ninger, I., & Landolt, M. (2008): Schaut mich ruhig an: Wie brandverletzte Kinder statt, in der die Lehrpersonen ihre und Jugendliche ihr Leben meistern. Fragen zum Umgang mit dem be- Zürich: Rüffer & Rub.
Ablauf der schulischen Begleitung eines brandverletzten Kindes oder Jugendlichen 1. Phase: Kontaktpflege während des Spitalaufenthaltes –– Beginn des Spitalunterrichts nach Absprache mit Ärzten/Pflege/Eltern –– Schriftliche/telefonische Kontaktaufnahme Spitalschule-Herkunftsschule-Eltern –– Klassenkontakt-Schüler durch Briefe, Zeichnungen, CD-Aufnahmen, Skype, Facebook, Telefon, E-Mail etc. –– Regelmässiger Austausch Spitallehrperson-Lehrperson Herkunfts- schule (per E-Mail, Telefon) über Lerninhalte im Spitalunterricht –– Evtl. Besuch der Lehrperson/Klasse (einzelne Schüler) der Herkunftsschule im Spital (in Absprache mit Eltern, Spital- lehrperson, Pflege) –– Evtl. Vorbereitung Schulbesuch Herkunftsschule (Fragen zusammenstellen; Klassenkonferenz) 2. Phase: Schulbesuch in der Herkunftsklasse –– Unterrichtsgespräch mit der Klasse (mit brandverletztem Schüler, Eltern, evtl. Pflegeberatung, evtl. Spitallehrperson) –– Evtl. Klassenkonferenz (mit Fachlehrpersonen, evtl. Schulleitung) 3. Phase: Reintegration in die Herkunftsschule –– Regelmässiger Austausch aller Beteiligten (z. B. schulisches Standortgespräch) –– Evtl. schulische Unterstützung installieren (SHP, Nachhilfe etc.) –– Evtl. Nachteilsausgleich (bei funktionellen Einschränkungen) –– Nachbetreuung durch Schulsozialarbeit und/oder andere Fachpersonen –– Bei Korrekturoperationen Schulmaterial in das Spital mitgeben Kinderspital Zürich - Eleonorenstiftung Steinwiesstrasse 75 CH-8032 Zürich www.kispi.uzh.ch Telefon +41 44 266 71 11
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