Reportage - Hof Wilstedtermühle | Ferienwohnungen und ...
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Farbenfrohes Schaffen Im Atelier bei Worpswede kann die Kreativität der Gäste frei sprudeln EINMAL WILDE BILDER MALEN Mit dem Ferienhof Wilstedtermühle im Teufelsmoor hat die Kunstpädagogin Andrea Schloen einen Zufluchtsort für Kreative, für Ruhesuchende, Familien und Freiheitsliebende geschaffen. Und ihr eigenes Lebenselixier Text Michèle Rothenberg Fotos Helen Fischer
Kinderleicht Zum Toben bleibt genug Zeit zwischen den Kunstkur- sen. Die Kids finden: „Die besten Ferien im Jahr!“ W er das Herz der Wilstedter- mühle finden will, muss dem Klopfen folgen. Man hört es schon von Weitem. Hammerstark Es kommt von einem Platz, Große und der zentral unter alten Buchen zwischen Kleine Gutshaus, Pferdeställen und den Ferienwoh- bildhauern nungen liegt. Rund 20 Erwachsene und nachmittags Kinder haben sich da versammelt. Sie alle gemeinsam stehen an einem Baumstumpf und häm- mern, feilen oder schleifen an einem Stein- brocken herum. Manche sind still und in sich versunken, andere unterhalten sich dabei. Ein paar Kinder erzählen Witze, wäh- rend sie Tierfiguren aus Speckstein glatt schmirgeln. Ein 15-Jähriger schmeißt kurz die Motorsäge an, um eine Ecke von einer mächtigen Kalksteinskulptur abzutrennen. Er scheucht mit dem Lärm eine Gruppe Hühner auf, die empört davonstolziert. Inmitten dieser geschäftigen Szenerie geht eine Frau im Arbeitskittel und mit kinnlangem Haar von einem zum anderen. Sie gibt Ratschläge, lobt Fortschritte oder beobachtet einfach nur, wie sich die Klum- pen in Skulpturen verwandeln. Andrea Schloen, 77, bietet seit 33 Jahren ihre Kunst- kurse in Wilstedt an, das idyllisch zwischen
Eigenwillig Charakter- den Künstlerdörfern Worpswede und Fi- Drei Kerle, stark Andrea scherhude liegt. Aber Routine ist bei ihr geschnitzt aus Schloen nicht zu spüren. Sie genießt jeden Moment, gutem Holz studierte den sie mit ihren Gästen und mit der Kunst Kunst mit 42 verbringen kann. Das Grundstück der Wilstedtermühle ist weitläufig, mit einem Weiher, alten Bäumen, einer großen Wiese, Weidezäunen, Grillstel- le, Blumenbeeten und immer wieder Kunst. nen?“ – „Nein“, sagt die Kunstlehrerin be- stimmt. „Das wird sonst viel zu pingelig.“ » Mit Stolze Steinskulpturen stehen neben einem Es ist eine Mischung aus Herzlichkeit Bleistift Baumhaus aus Holz. Am Ufer eines Baches sind weiße Steine auf Stäbe montiert, sie und natürlicher Autorität, aus Freiheit und klaren Ansagen, mit der Andrea Schloen vorzeichnen? schweben in der Luft wie kleine Schäfchen, ihren Hof führt und die bei den Kindern gut Nein. die durch einen Traum springen. Auf den ersten Blick wirkt der ganze Hof ankommt. Viele sind mit ihrer Familie re- gelmäßig hier. „Das sind die besten Ferien Das wird etwas wild und verwunschen, doch bei ge- im Jahr!“, sagt die zehnjährige Juli. Andrea sonst viel zu nauerem Hinsehen entdeckt man, dass alles sehr bewusst gestaltet ist. Andrea wuschelt durch ihre Haare, in denen noch etwas Matsch vom Weiher klebt. pingelig! « Schloen hat ein Gespür für Sichtachsen und Die Niedersächsin hat auf Umwegen Die Kunstpädagogin schöne Ausblicke – viel Inspiration fürs in ihr kleines Paradies gefunden. Nach über Kreativität kreative Arbeiten. der Schule führte sie zunächst den Hand- So wie am nächsten Morgen im Kinder- werksbetrieb ihrer Eltern in Bramsche. kurs. Im Atelier sind Mädchen und Jungen Die Kunst interessierte sie schon früh, von drei bis zehn Jahren. Bevor es ans Ma- len geht, liest Andrea ihnen etwas vor, aus Astrid Lindgrens „Wir Kinder aus Bullerbü“. Ein kleines Mädchen hat sich auf ihren Inspirierend Schoß gesetzt. Immer wieder dreht sie sich Wegweisendes zu Andrea um und betrachtet staunend ihr Feedbackgibt’s Gesicht, in dem sich beim Lesen so viel be- zu jedem Werk wegt. Schließlich klappt Andrea das Buch zu und verteilt Wachsmalkreiden. „Und jetzt malen wir Bullerbü!“ Eine Neunjährige mel- det sich. „Kann ich mit Bleistift vorzeich- BRIGITTE 2/2020 19
zwischenzeitlich leitete sie in Stuttgart eine „Sonst wird man unglücklich.“ Im Atelier Galerie. „Aber auf einer Vernissage stehen beginnt jetzt der nächste Malkurs. Nach den mit einem Sektglas in der Hand – das ist Kindern sind die Erwachsenen dran. Am nichts für mich“, sagt sie und lacht. Ende des großen Tisches sitzt Solveig und Nein, Andrea Schloen steht lieber in betrachtet das Bild, das sie gestern ange- Gummistiefeln auf einer Wiese. Und so zö- fangen hat: abstrakte Formen, viel Weiß gerte sie nicht, als ihr Mann Brüne Schloen kombiniert mit Grau und feinen Bleistiftli- vor 45 Jahren vorschlug, nach Wilstedt zu nien. Andrea stellt sich hinter sie. „Toll sieht ziehen, auf den Hof seiner Familie. Hier das aus!“, sagt sie. Solveig ist noch nicht lebten sie fortan mit ihren drei Kindern. Den zufrieden. Andrea empfiehlt ihr, eine wei- Hof betrieb Andrea zunächst für Reitferi- tere Farbe einzuarbeiten. Solveig entschei- engäste, aber bald reichte ihr das nicht mehr. det sich für Rosé. Die Architektin aus Ham- Mit 42 Jahren machte sie ihr Abitur nach burg ist Stammgast bei Andrea. Sie genießt und ging nach Ottersberg, um Kunstpäda- es, ihre Kreativität hier einfach frei sprudeln gogik zu studieren. Dort, im kreativen Um- zu lassen, ohne Zwänge. „Vielleicht sehen feld der Hochschule, habe sie die schönste meine Bilder so wild aus, weil ich im Beruf Junge Talente Zeit ihres Lebens erlebt: „Ich war so frei!“ immer so genau sein muss“, erklärt sie mit Geschichten Danach war klar, dass sie dieses Frei- einem Lächeln. lesen, dann heitsgefühl auch weitergeben will. Die meis- Am nächsten Morgen, als die Familien malen – das ten Pferde auf dem Hof wurden in liebevol- langsam aus ihren Betten kriechen, hat begeistertauch le Hände vermittelt, dafür entstanden das Andrea Schloen schon Brötchen geholt und Dreijährige Atelier und eine Werkstatt für Bildhauerei. sie vor die Türen gelegt. Auch die Tiere sind Ihr Mann, der lange als Wirtschaftsprü- versorgt. Der Betrieb, den Andrea mit we- fer arbeitete und heute Bücher schreibt, ließ nigen Mitarbeitern führt, erfordert viel Dis- Andrea ihr Ding machen. „Es ist wichtig, ziplin – und Pausen, die sich Andrea ganz keine Bremse zu Hause zu haben“, sagt sie. bewusst nimmt. Früher habe sie noch bei jedem Grillfest ihrer Gäste mitgemacht. Heute zieht sie sich abends zurück und lässt die anderen draußen am Lagerfeuer sitzen. „Das ist besser für meine Knochen“, sagt sie K R E AT I V K U R S E zwinkernd. KUNST ZUM MITMACHEN Einige Rituale aber sind ihr wichtig. Mon- Der Ferienhof Wilstedtermühle in Nieder- tags lädt sie die Feriengäste zu sich ins Haus sachsen ist von April bis Oktober geöffnet. ein. Jede Familie bringt einen Topf Suppe und etwas zu trinken mit, am festlich ge- Übernachtungen:Ferienwohnungenkostenab deckten Esstisch entstehen schnell inter- 280 Euro pro Woche mit Selbstversorgung. essante Gespräche. Und immer wieder ist Kunstkurs Kinder: 4 Euro/Stunde, Kunstkurs Andreas helles Lachen zu hören. Sie erzählt Erwachsene: 8 Euro (Material extra). Angebo- viel und lebhaft, skurrile Hofgeschichten tenwerdenKurseinHolzschnitzen,Bildhauern sind ebenso Thema wie das ungeliebte Bin- in Holz und Stein (Speckstein/Steatit, Alabas- degewebe, das im Alter so stark nachlasse. ter, Sandstein, Marmor), Malen, Plastizieren „Ich bin schon speziell, für manche vielleicht mitTonundDrucktechnikensowieDrahtarbei- etwas zu direkt“, sagt Andrea über sich ten mit Papier oder Gips und Bildobjekte in selbst. Den Gästen heute Abend aber ge- Gips. Es werden für kleine Gruppen auch krea- fällt’s. Erneut heben sie ihre Weingläser und tiveWochenendenmitVerpflegungangeboten. stoßen an, auf die Wilstedtermühle und ihre ➵ www.wilstedtermuehle.de wunderbare Gastgeberin. 20 BRIGITTE 2/2020
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