Rückbau-Welle Forschungsprojekt sucht nach Strategien für die effiziente Demontage - VSB Energy

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Rückbau-Welle Forschungsprojekt sucht nach Strategien für die effiziente Demontage - VSB Energy
Windenergie

      Rückbau-Welle
      Forschungsprojekt sucht nach Strategien
      für die effiziente Demontage.

                                                                               Foto: VSB Gruppe

     Zerlegung eines
     Windkraftturms.

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Rückbau-Welle Forschungsprojekt sucht nach Strategien für die effiziente Demontage - VSB Energy
Windenergie

                   indräder halten mehr Lastwechsel

W                  aus als Brücken oder Helikopter –
                   doch auch sie haben irgendwann
                   ausgedient. Frühzeitig vor dem
Ablauf der genehmigten Betriebszeit sollten sich
Betreiber von Windenergieanlagen deshalb mit ihren
Optionen für Weiterbetrieb, Repowering oder kom-
pletten Rückbau auseinandersetzen. Zusammen mit
Praxispartnern erforscht das Institut für Integrierte
Produktion Hannover, wie eine Demontage schnell,
günstig und umweltfreundlich gelingen kann. Das
Projekt „Entwicklung eines Wirkmodells für eine
effiziente Gestaltung von Demontagenetzwerken
für XXL-Produkte“ wird von der Deutschen For-
schungsgemeinschaft (DFG) gefördert.
      In Deutschland wurden zwischen 1990 und
2010 etwa 22.220 Windenergieanlagen in Betrieb
genommen, sodass die Branche einen konstanten
Zubau verzeichnen konnte. Im Jahr 2020 fallen
jedoch die ersten Anlagen, die über 20 Jahre eine
                                                        Ob mit dem Ziel
Einspeisevergütung erhielten, aus der Förderung.        der Weiterver-
Dies betrifft auch jene Windräder, die vor dem           wertung oder der
1. Januar 2000 errichtet wurden, aber nachträglich      Demontage – der
noch im EEG Berücksichtigung gefunden haben.
      Bei Altanlagen sollte daher frühzeitig die Mög-   Anlagenrückbau
lichkeit des Weiterbetriebs geprüft werden – je nach    stellt einen kom-
Anlagentyp, Standort und Wartungsintensität kön-        plexen Arbeits-
nen sich so auch in späteren Betriebsjahren noch
Reparaturen rentieren. Den niedrigen Betriebskos-       schritt dar, der
ten von abgeschriebenen Bestandsanlagen stehen          mit großem orga-
gegenwärtig jedoch auch sehr niedrige Börsenstrom-      nisatorischen
preise entgegen – ob hier in den nächsten Jahren
eine Stabilisierung in Höhe des häufig genannten         Aufwand und
wirtschaftlichen Mindestwerts von vier Cent pro         beträchtlichen
Kilowattstunde zu beobachten sein wird, ist aller-      Kosten verbun-
dings offen. Gleichzeitig ist nicht auszuschlie-
ßen, dass der sprunghafte Wechsel in die Direkt-
                                                        den ist.
vermarktung zu schlechteren Konditionen seitens
der jeweiligen Anbieter führen wird. Angesichts die-
ser unklaren Perspektiven dürften sich zahlreiche
Betreiber für die Demontage entscheiden. Attrak-
tiver Nebeneffekt: Begehrte windhöffige Flächen
werden für moderne Technik frei. Zu beachten ist
aber, dass zahlreiche Standorte inzwischen nicht
mehr in regionalplanerisch ausgewiesenen Gebie-
ten liegen oder durch die heute üblichen Gesamt-
höhen Abstandskriterien nicht einhalten können.
Zurückgebaute Windräder werden dann zum Teil
im Ausland weiterbetrieben. Ließen sich bisher am
Zweitmarkt, vor allem in Europa und Afrika, gute
Preise erzielen, so ist auch hier ein zunehmender
Konkurrenzdruck zu spüren – eine Entwicklung, die
sich durch die zu erwartende Rückbauwelle ab dem
Jahr 2020 verstärken wird. Angesichts dieser Rah-
menbedingungen wird der Stellenwert einer Demon-
tage mit anschließendem Recycling weiter steigen. .

ERNEUERBARE ENERGIEN 05/2017                                                49
Rückbau-Welle Forschungsprojekt sucht nach Strategien für die effiziente Demontage - VSB Energy
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                                                                                                              Foto: VSB Gruppe

Rückbau als komplexes Projekt                                                       • Nicht selten besteht ein Zielkonflikt darin,
Ob mit dem Ziel der Weiterverwertung oder der                                         ob Altanlagen praktisch bis zur letzten Böe
Demontage – der Anlagenrückbau stellt einen kom-                                      am Netz bleiben sollen oder ob sie frühzeitig
plexen Arbeitsschritt dar, der mit großem organisa-                                   demontiert werden, um den Bauablauf beim
torischen Aufwand und beträchtlichen Kosten ver-                                      Repowering zu erleichtern.
bunden ist. Seit 2004 sind Betreibergesellschaften
verpflichtet, bei Inbetriebnahme der Anlage eine                                     Ablauf der Demontage
Rückbaubürgschaft zu hinterlegen. Inzwischen im                                     Derzeit werden Windenergieanlagen nach dem Abbau
sechsstelligen Bereich, soll sie im Falle einer Insol-                              am Einsatzort demontiert beziehungsweise zerlegt.
venz des Betreibers die Rückbaukosten decken. Hier-                                 Die Rotorblätter werden zersägt und zerkleinert,
bei können durch frühzeitige Planung die Kosten                                     die Turmsegmente werden aufgetrennt. Vieles lässt
reduziert und Fallstricke vermieden werden:                                         sich recyceln: das Kupfer aus den Kabeln etwa oder
• Gerade bei Altanlagen existieren nicht selten          Autoren:                   der Stahl aus den Turmsegmenten. Den kompletten
  parallele Nutzungsverträge mit Mobilfunk-              Martin Westbomke,          Rückbau vor Ort zu erledigen, wie es heute geschieht,
  anbietern für Antennenaufbauten. Hier gilt es,         Projektingenieur, IPH -    ist jedoch nicht besonders effizient. Schließlich muss
  Kündigungsfristen zu beachten und gegebenen-           Institut für Integrierte   die gesamte Infrastruktur zum Windpark-Standort
  falls Alternativen zu finden.                           Produktion Hannover        gebracht werden und ist dort nicht immer optimal
• Für den Rückbau muss die Zuwegung ertüchtigt                                      ausgelastet. Das macht die Demontage so aufwen-
  und gegebenenfalls erweitert werden, damit                                        dig und teuer. Betrachtet man den zeitlichen Aspekt,
  größere Anlagenbestandteile abtransportiert                                       muss mit gut zwei Wochen Aufwand pro Windrad
  werden können. Hierfür müssen frühzeitig Bau-                                     geplant werden. Außerdem ist bei der Demontage
  genehmigungen eingeholt und privatrechtliche                                      sicherzustellen, dass keine Schadstoffe in die Umwelt
  Sicherungen durchgeführt werden.                                                  gelangen – auch dies kann vor Ort wesentlich aufwen-
• Schweres Baugerät und insbesondere Kräne                                          diger sein. Mit Blick auf die Nachhaltigkeit des gesam-
  sind kostenintensiv und müssen effizient einge-                                     ten Projekts ist es deshalb notwendig, gemeinsam
  setzt werden. Beim anstehenden Rückbauboom                                        mit erfahrenen Demontagedienstleistern neue Stra-
  drohen Engpässe.                                       Markus Brogsitter,         tegien für den Rückbau zu erproben. Daraus könnte
• Die Lagerung von kupferhaltigen Elektroteilen          Geschäftsführer,           im nächsten Schritt ein zertifiziertes Vorgehen für
  erfordert eine angemessene Baustellensiche-            VSB Neue Energien          die Demontage definiert werden.
  rung; die Zwischenlagerung von Reststoffen,             Deutschland GmbH
  vor allem von Beton, kann rechtlich proble-                                       Demontagefabrik als goldener Mittelweg?
  matisch sein. In jedem Fall sind gesonderte                                       Eine effizientere Rückbaustrategie könnte darin lie-
  Sicherungsmaßnahmen notwendig; so muss                                            gen, die Altanlagen vor Ort nur grob zu zerlegen und
  auch bei der Lagerung von Turmbestandteilen                                       die Bauteile in spezialisierte Demontagefabriken zu
  eine Ölabsaugung bedacht werden.                                                  bringen – beispielsweise zu Recyclingunternehmen

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Windenergie

                                                                                                                         Grafik: VSB Gruppe
  Wege alter Anlagen von der Demontage bis zur Wiederverwertung

oder Schrottplätzen. Eine räumlich getrennte Demon-               weit die Altanlagen vor Ort zerlegt werden. Beispiel
tage an spezialisierten Standorten in einem Netzwerk              Rotorblatt: Je mehr Schnitte zur Zerkleinerung vor
könnte das Recycling erleichtern, die Kosten reduzie-             Ort durchgeführt werden, desto höher sind die Kosten
ren und Umweltbelastungen minimieren. Bei diesem                  und das Umweltrisiko durch Staubentwicklung. Je
Ansatz steigen zwar die Kosten für den Abtransport                weniger Schnitte vor Ort durchgeführt werden, desto
von Turmsegmenten, Gondel oder Stahlteilen. Dafür                 weniger Material passt in eine Lkw-Ladung und die
sinken jedoch die Baustellenkosten, weil weniger                  Transportkosten steigen.
Maschinen und Personal vor Ort benötigt werden                         Das Forschungsvorhaben untersucht noch bis
und durch eine bessere Aufbereitung höhere Erlöse                 2018 genau diesen Zielkonflikt, um den optimalen
erzielt werden können. Dabei kommt es insbeson-                   Mittelweg zu finden und die Gesamtkosten zu mini-
dere auf die optimale Demontagetiefe an – also wie                mieren. W
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