Sitzung Stenographischer Bericht - Deutscher Bundestag
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Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 165. Sitzung Bonn, Freitag, den 18. April 1975 Inhalt: Amtliche Mitteilung ohne Verlesung . . . 11555 A Beratung des Jahresberichts 1974 des Wehr- beauftragten des Deutschen Bundestages — Drucksache 7/3228 — Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) . . . 11555 B Rommerskirchen (CDU/CSU) . . 11558 B Krall (FDP) 11561 B Schlaga (SPD) 11563 A Schmidt, Staatssekretär (BMVg) . 11565 C Dr. Wörner (CDU/CSU) 11566 A Berkhan, Wehrbeauftragter des Bundestages . . . . . . . 11568 B Nächste Sitzung 11571 C Anlagen Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 11573* A Die schriftlichen Antworten auf die Fragen der Drucksache 7/3481 vom 11. 4. 75 werden in einem Nachtrag zum Stenographischen Bericht über die 165. Sitzung abgedruckt.
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1975 11555 165. Sitzung Bonn, den 18. April 1975 Beginn: 9.00 Uhr Vizepräsident Dr. Jaeger: Die Sitzung ist eröffnet. Entschließung des Rates betreffend die Festlegung eines kurz- fristigen Zieles im Bereich der Verringerung des Mineralöl- verbrauchs Folgende amtliche Mitteilungen werden ohne — Drucksache 7/3488 — Verlesung in den Stenographischen Bericht aufge- überwiesen an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte um Vor- nommen: lage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat Der Vorsitzende des Ausschusses für Wirtschaft hat mit Schrei- ben vom 16. April 1975 mitgeteilt, daß der Ausschuß gegen die nachfolgenden, bereits verkündeten Vorlagen keine Bedenken Ich rufe Punkt 20 der gemeinsamen Tagesordnung erhoben hat: auf: Verordnung (EWG) des Rates zur Durchführung des Beschlus- ses Nr. 47/74 des Assoziationsrates EWG-AASM über eine his Beratung des Jahresberichts 1974 des Wehr- zum Inkrafttreten des Abkommens, das das Abkommen von beauftragten des Deutschen Bundestages Yaunde ersetzt, und höchstens bis zum 31. Dezember 1975 gel- tende Ausnahme von der Begriffsbestimmung für Ursprungs- — Drucksache 7/3228 — erzeugnisse mit Rücksicht auf die besondere Lage von Mau- ritius bei bestimmten Erzeugnissen der Textilindustrie Überweisungsvorschlag des Ältestenrates: — Drucksache 7/3339 — Verteidigungsausschuß Beschluß des Rates über die Anwendung der Verordnung (EWG) des Rates zur Errichtung eines Europäischen Fonds für Regio- Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Schäfer. nalentwicklung auf die französischen überseeischen Departe- ments — Drucksache 7/3375 — Dr. Schäfer (Tübingen) (SPD) : Herr Präsident! Mitteilung der Kommission an den Rat über die Übergangs- Meine Damen und Herren! Wir beraten heute hier maßnahmen nach dem 31. Januar 1975 im Rahmen der Bezie- hungen zu den AKP-Staaten und den ÜLG im ersten Durchgang den Jahresbericht 1974 des — Drucksache 7/3179 — Wehrbeauftragten, der entsprechend der gesetz- lichen Bestimmung dem Hause erstattet wurde. Die- Überweisung von EG-Vorlagen ser Bericht wurde noch vom vierten Inhaber des Der Präsident des Bundestages hat entsprechend dem Beschluß des Bundestages vom 25. Juni 1959 die nachstehenden Vorlagen Amtes des Wehrbeauftragten, Herrn Fritz-Rudolf üherwisn: Schultz, vorgelegt. Wir werden uns mit diesem Be- Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung richt sehr eingehend zu beschäftigen haben. (EWG) Nr. 766'68 hinsichtlich der Aussetzung der periodi- schen Festsetzung der Ausfuhrerstattungen bei Melasse und Mit dem neuen Wehrbeauftragten, Herrn Karl Sirupen --- Drucksache 7;3476 — Wilhelm Berkhan, ist zum erstenmal ein So- überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und zialdemokrat in dieses Amt berufen worden. Ich Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor betone dies deshalb, weil es die sozialdemokratische der endgültigen Beschlußfassung im Rat Bundestagsfraktion war, die seinerzeit den Gedan- Verordnung (EWG) des Rates ken einer besonderen parlamentarischen Kontroll- zur Festlegung der Grundregeln für die Lieferung von Mager- instanz für die neuen deutschen Streitkräfte poli- milchpulver als Nahrungsmittelhilfe im Rahmen des Pro- gramms 1975 zugunsten bestimmter Entwicklungsländer und tisch und rechtlich durchsetzte. Ich erinnere dabei an internationaler Organisationen die damalige Reise einer kleinen Delegation dieses über die Lieferung von Magermilchpulver an bestimmte Ent- Hauses unter Beteiligung unseres früheren Kol- wicklungsländer und internationale Organisationen als der Nahrungsmittelhilfe im Rahmen des Programms 1975 legen, des Abgeordneten Ernst Paul, nach Schwe- Beschluß des Rates (EWG) über die Erstellung von Modali- den, wo er während seiner Emigration sich aufge- täten für die Durchführung der Nahrungsmittelhilfe mit den in vorgenannter Verordnung in Aussicht genommenen Ent- halten hatte lind wo er das Institut des Ombuds- wicklungsländern und Organisationen mans kennengelernt hatte. Es ging damals darum, — Drucksache 7/3486 — dieses für deutsche Verhältnisse ganz neue Instru- überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und ment einer parlamentarischen Kontrolle daraufhin Forsten (federführend), Ausschuß für wirtschaftliche Zusammen- arbeit mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der zu prüfen, inwieweit es bei einer zukünftigen Wehr- endgültigen Beschlußfassung im Rat verfassung Eingang finden kann. Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1397/69 zur Festsetzung der Standardqualitäten für Entscheidend war und ist wohl auch heute, daß bestimmte Arten von Getreide, Mehl, Grobgrieß und Fein- grieß sowie der Regeln für die Festsetzung der Schwellen- alles das, was man unter Kommiß und Militarismus preise dieser Arten zu bezeichnen pflegt, in einer neuen deutschen — Drucksache 7/3487 — Wehrmacht keinen Platz haben durfte. Darum zeich- überwiesen an den Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und nete das Konzept der Wehrverfassung von 1956 Forsten mit der Bitte um Vorlage des Berichts rechtzeitig vor der endgültigen Beschlußfassung im Rat eine doppelte Blickrichtung vor: Zum einen ging es
11556 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1975 Dr. Schäfer (Tübingen) darum, die bewaffnete Macht in die rechtsstaatliche gane. Die Befehls- und Kommandogewalt wurde nach parlamentarische Ordnung des Grundgesetzes einzu- der Verfassung dem Bundesminister der Verteidi- beziehen, und zum anderen mußte auch im inneren gung zugeordnet. Damit ist zum ersten Mal in der militärischen Bereich den Soldaten der Schutz der deutschen Geschichte ein dem Parlament verantwort- Grundrechte gewährleistet werden. Die wehrver- licher Minister Inhaber der obersten Kommando- fassungsrechtlichen Vorstellungen der deutschen So- befugnisse. Die Ablösung der beim Staatsoberhaupt zialdemokratie sahen aus diesem Grunde die Ein- angesiedelten Kommandogewalt und die Übertra- richtung eines Wehrbeauftragten vor. Nur mit einer gung auf den dem Parlament verantwortlichen Mini- solchen Institution konnten nach unserer Auffas- ster kann für die Entwicklung nicht hoch genug ver- sung die weitgespannten Zielvorstellungen der anschlagt werden. Der Minister ist dem Parlament Wehrverfassung erfüllt werden. für den gesamten Geschäftsbereich verantwortlich. Die Beziehungen zwischen Parlament und bewaff- Ich darf an zwei Bestimmungen erinnern, die neter Macht sind in Deutschland nicht frei von Be- gleichzeitig geschaffen wurden und die in dem Rah- lastungen, Verzerrungen und auch von Ressenti- men der Betrachtungen mit angeführt werden soll- ments. Stets war die deutsche Armee der parlamen- ten. Es wurde Art. 45 a des Grundgesetzes geschaf- tarischen Kontrolle nur schwer zugänglich gewesen. fen, der dem Ausschuß für Verteidigung generell die In der konstitutionellen Monarchie war die militä- Rechte eines Untersuchungsausschusses verlieh, und rische Kommandogewalt parlamentarisch kaum faß- es wurde Art. 87 a des Grundgesetzes geschaffen, bar, da sie unter dem Oberbefehl des Königs in par- der in seiner enormen Bedeutung häufig übersehen lamentsfernen militärischen Immediatbehörden aus- wird und der sagt, daß sich Organisation und Stärke geübt wurde. Auf diese Weise konnte die Krone, der Streitkräfte aus dem Haushaltsplan, der vom was die Armee anbetrifft, bis 1918 nahezu absolu- Parlament jährlich zu beschließen ist, ergeben müs- tistisch regieren und kommandieren. sen. In dem mit der Einführung des konstitutionellen Von besonderer Bedeutung — etwas ganz Neues Systems in Preußen entbrennenden Kampf zwischen — war, eine Regelung für den einzelnen Soldaten zu Krone und Parlament um die Macht im Staat spielte finden. Das Problem ergibt sich aus dem Spannungs- die Armee eine besondere Rolle. Der Krone ging es verhältnis zwischen der grundgesetzlichen Garantie darum, Ansätze parlamentarischer Kontrolle im der Grundrechte und der befehlsunterworfenen Stel- militärischen Bereich zu unterbinden, um sich die lung des Soldaten. Das war Anlaß, im einzelnen zu Armee als verläßliche Stütze ihrer Macht auch bei gewährleisten, daß — unter Sicherung der Funk- der innenpolitischen Auseinandersetzung erhalten tionsfähigkeit der Streitkräfte — die Grundrechte zu können. in ihrem Wesensgehalt erhalten bleiben müssen. Die Auch in der Weimarer Zeit fanden Parlament und für die Bundeswehr geltenden Grundzüge der Inne- bewaffnete Macht, Reichstag und Reichswehr, nicht ren Führung sind daher neben den festgelegten so zueinander, wie es im Interesse des Staates und Grundrechten der Maßstab zur Überprüfung des der parlamentarischen Demokratie gelegen hätte. Einzelfalls. Das allgemeine Petitionsrecht, wie wir Das ist kein Vorwurf für die beiden, sondern das es in Art. 17 des Grundgesetzes haben, konnte dafür richtet sich an diejenigen, die die Verfassung ge- nicht genügen. Der Bundestag mußte sich ein eigenes macht haben und die — rein verfassungsrechtlich -- Inspektionsrecht geben. Ich darf heute daran er- dem Staatsoberhaupt, also dem Reichspräsidenten, innern, daß die Entwicklung dieses eigenen Inspek- die Kommandogewalt übergeben haben. Mit diesem tionsrechts in einigem Umfang in der zukünftigen Kommando war auch gleichzeitig die Planung im Entwicklung der Rechte des Petitionsausschusses militärischen Bereich in oberster Instanz dem Parla- seine entsprechende Ausgestaltung erfährt. Es ment entzogen, und man erinnert sich an die Fehl- konnte nicht genügen, nur den einzelnen Beschwer- entwicklungen, die nach 1919 damit verbunden wa- den nachzugehen, es genügt auch nicht — so wie § 7 ren. Seinen Einfluß konnte das Parlament nur durch es sagt —, daß jeder Soldat das Recht hat, sich ein- die Kontrolle des Reichswehrministers geltend ma- zeln ohne Einhaltung des Dienstweges unmittelbar chen. Dieser wurde wiederum von der Generalität an den Wehrbeauftragten zu wenden; sondern hinzu durch sogenannte unmittelbare Vortrags- und Ent- kam die Aufgabe, allen Vorgängen und allen Um- scheidungswege unmittelbar an das Staatsoberhaupt, ständen nach pflichtgemäßem Ermessen nachzuge- unmittelbar an den Reichspräsidenten, mehr und hen, die auf eine Verletzung der Grundrechte der mehr von der Entscheidung ausgeschlossen und nur Soldaten oder der Grundsätze der Inneren Führung auf die Administration beschränkt. Und auch — das schließen lassen können. Damit ist dem Wehrbeauf- muß man heute ebenfalls betonen — die in weiten tragten eine sehr umfassende Aufgabe überwiesen. Teilen des Offizierskorps unverändert vorhandene Das Amt des Wehrbeauftragten ist durch eine monarchische Einstellung hat eine Integration der wechselvolle Geschichte gekennzeichnet, auch wenn Reichswehr nahezu unmöglich gemacht. sie noch nicht sehr lang ist. Sie ist durch verschie- Mit diesen historischen Hypotheken in den Be- dene Ausdeutungen seines Verfassungsauftrages, ziehungen zwischen Parlament und bewaffneter durch Kompetenzstreitigkeiten mit dem Bundesmini- Macht mußte bei der Schaffung der Wehrverfassung ster der Verteidigung, durch behauptete oder tat- unseres Grundgesetzes aufgeräumt werden. Ihr An- sächliche — ich werde darauf nachher einzugehen satz war die Regelung des Oberbefehls und die haben — Vernachlässigungen seitens des Bundes- Überweisung seiner verschiedenen Funktionen auf tages, aber auch durch persönliche Verstrickungen die nach dem Grundgesetz jeweils zuständigen Or- geprägt, die bekannt sind.
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1975 11557 Dr. Schäfer (Tübingen) Das Amt des Wehrbeauftragten, seine Einrich- men, durch Art. 45 b des Grundgesetzes und durch tung und sein Verfassungsauftrag werden heute die Formulierung des Gesetzes über den Wehrbe- nicht mehr in Frage gestellt. Der Verteidigungsmini- auftragten in dieser Weise eigentlich nicht abge- ster des Jahres 1970, der heutige Bundeskanzler, deckt. Der Vorschlag, das Gesetz über den Wehrbe- hat bei der Einsetzung des vierten Wehrbeauftrag- auftragten zu novellieren, ist daher sehr ernst zu ten im März 1970 vor diesem Hohen Hause die Ein- nehmen. Ich weiß, daß sich der Verteidigungsaus- richtung des Wehrbeauftragten als eine schlechthin schuß mit diesen Fragen im letzten Jahr befaßt hat. unverzichtbare Institution bezeichnet, und die Frau Ich bin aber auch froh, daß er noch nicht zu einer Präsidentin hat bei der Einsetzung des fünften Wehr- abschließenden Regelung gekommen ist und auch beauftragten daran erinnert. noch nicht abschließende Vorschläge vorgelegt hat. Überblickt man die Entwicklung des Amtes, so (Dr. Wörner [CDU/CSU] : Herr Schäfer, das wird man nach den Jahren des Aufbaues und der ist leider nicht richtig! Die sind abgeschlos Suche nach einer richtigen Konzeption etwa seit dem sen!) Ende der 60er Jahre eine Phase der Konsolidierung Noch nicht Vorschläge an das Plenum gemacht konstatieren müssen, in der sich der Verfassungsauf- hat, Herr Wörner. trag des Wehrbeauftragten verfestigt und zuneh- mend anerkannt wird. Der Verfassungsauftrag um- (Dr. Wörner [CDU/CSU] : Ja, das trifft zu!) faßt ich darf das noch einmal formulieren — Er hat also noch keine Vorschläge an das Plenum neben dem Schutz der Grundrechte der Soldaten gemacht, auch den Schutz der Grundsätze der Inneren Füh- rung. Das Reformkonzept der Inneren Führung stand (Rommerskirchen [CDU/CSU] : Die kommen von Anfang an im Mittelpunkt der Diskussionen und nachher!) Auseinandersetzung um die Bundeswehr. Die Innere aber ich meine, Herr Wörner — ich schließe aus Führung mußte die Spannung zwischen freier Aus- Ihrem Zwischenruf, daß wir da gleicher Meinung übung der Grundrechte und Funktionssicherung der sind —, daß die Zeit für eine Novellierung reif ist. Streitkräfte aushalten, zwischen praxisbezogener (Dr. Wörner [CDU/CSU] : Jawohl!) schen rechtlicher Normierung und nicht kodifizier und daß es gut ist, wenn wir jetzt darangehen, diese baren Bewußtseins- und Verhaltensweisen. Fragen zu klären und eine Novellierung vorzuneh- men. Gerade das letztere ist entscheidend. Die Durch- führung der Aufgaben im Bereich des Bundesmini- Dabei werden der Bericht des Wehrbeauftragten, sters der Verteidigung ist an sehr viele Einzelper- wie er uns jetzt vorliegt, und insbesondere auch das, sönlichkeiten geknüpft, an ihr Verhalten, an alle die was er auf den ersten Seiten gesagt hat, uns, insbe- Vorgesetzten, gleich welchen Ranges, und jeder die- sondere dem Verteidigungsausschuß, aber auch dem ser Vorgesetzten kann mit seinem Verhalten die Parlament im ganzen zu gewissenhafter Prüfung Grundrechte verletzen. Ohne daß die Institution des Anlaß sein. Man kann es nicht einfach überschlagen, Wehrbeauftragten bestünde, könnten daraus keine wenn ein Wehrbeauftragter nach fünf Jahren in die- Folgerungen gezogen werden. Genau das ist der ser Form seine Sorgen über die Entwicklung des entscheidende Punkt beim Wehrbeauftragten: Es ist Instituts des Wehrbeauftragten ausdrückt. die Kontrolle von verschiedenen Seiten, die Kon- Lassen Sie mich denn auch ein paar Bemerkun- trolle auch von unten her, die Kontrolle durch den gen dazu machen. Es wird die Frage aufgeworfen, Betroffenen, der sich zu Wort melden kann und der ob denn ein Wehrbeauftragter, der mindestens die damit eine Überprüfung des Verhaltens durch den Stimmen der Mehrheit dieses Hauses erhalten muß, Wehrbeauftragten veranlaßt. einen Minister der Koalition kontrollieren könne. Nun, der Wehrbeauftragte versteht sich nicht nur, Ich glaube, daß die Fragestellung so nicht richtig ist. wie manchmal gesagt wird, als Klagemauer der Das Amt des Wehrbeauftragten ist so ausgestaltet, Soldaten, sondern auch als Sachwalter der Streit- daß sein Inhaber weisungsfrei ist. Das Amt des kräfte gegenüber Parlament und Öffentlichkeit. Da- Wehrbeauftragten ist nicht mit der Legislaturperiode mit kommt man zu einer sehr schwierigen Frage, verbunden, sondern geht auf fünf Jahre, und die die es zu prüfen gilt. Zahlenmäßig fallen nicht so Arbeit und die Prüfungen, die er macht, sind für sehr die Eingaben ins Gewicht, die sich auf Verlet- alle Verantwortlichen nützlich, für den letztlich par- zung der Grundrechte, auf Verletzung der Grund- lamentarisch verantwortlichen Minister der Vertei- sätze der Inneren Führung stützen, als vielmehr digung ebenso wie für das Parlament, das seine diejenigen, die sich auf den sozialen Bereich - be- Kontrollfunktion und vielleicht darüber hinaus, wie ziehen: Fragen der Unterbringung, der Fürsorge ich vorhin andeutete, auch seine Fürsorgepflicht für die Familie, der Vermittlung einer Wohnung. deutlich machen muß. Ich habe vorhin den neuen Hier kommt der Wehrbeauftragte schon in eine Wehrbeauftragten gefragt, ob es denn symptoma- etwas schwierige Situation. Denn er kann ja eine tisch sei, daß er hier an einem angesetzten kleinen solche Eingabe nicht einfach hinnehmen, er kann Tisch sitzt. Vielleicht ist es symptomatisch, daß er nicht nur als Bittsteller bei den entsprechenden Re- auf der Bundesratsbank noch einen kleinen Katzen- ferenten des Ministeriums auftreten, sondern muß tisch angesetzt bekam und eigentlich gar nicht auf insoweit auch ein Sachwalter sein. der richtigen Bank, auf dem richtigen Stuhl sitzt. Dieser große Bereich des Fürsorgewesens ist aus Ich will damit nur andeuten, daß wir Grund haben, der Entwicklung entstanden und ist, streng genom- vom Bundestag im ganzen aus zu prüfen, ob wir
11558 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1975 Dr. Schäfer (Tübingen) unser eigenes Hilfsorgan richtig ausgestattet haben Ich muß aber sofort hinzufügen: Wenn eine Ver- und richtig behandeln im Sinne dessen, wie wir den besserung des derzeitigen Zustandes dabei heraus- Auftrag von vornherein gedacht haben und wie wir kommen soll, muß die Ü berprüfung dieses Zuord- ihn durchgeführt sehen wollen. Wir haben vor bald nungsverhältnisses eine Sache auf Gegenseitigkeit zehn Jahren dem Wehrbeauftragten hier ein Rede- sein. Ohne unfreundlich sein zu wollen, muß ich es recht im Bundestag eingeräumt. Er ist immerhin der dem ausgeschiedenen Wehrbeauftragten, wenn ich erste nicht zu den Abgeordneten und nicht zur Re- so formulieren darf, ins Stammbuch schreiben: In gierung bzw. zum Bundesrat Gehörende, der hier seinem Jahresbericht vermissen wir auch nur einen ein Rederecht hat, aber kein Rederecht von sich aus, Ansatz von Selbstkritik. Statt dessen glaubte der sondern nur eines auf Anforderung. Diese Ausge- Wehrbeauftragte, in der zusammenfassenden Wer- staltung des Rederechts war schon Vorbild für tung seiner Gedanken feststellen zu müssen, daß einige andere Vorschläge, z. B. dem Präsidenten des „ein allgemeines Desinteresse des Parlaments an der Rechnungshofes ein ähnliches Recht oder eine ähn- Institution und der Arbeit seines Hilfsorgans bei der liche Pflicht hier einzuräumen. Man wird es prüfen Wahrnehmung der Kontrolle im Verteidigungsbe- müssen. reich zu verzeichnen" sei. Ich bin der Auffassung — und das als derjenige, der viele Jahre im Verteidi- Man wird — ich habe das vor einigen Jahren in gungsausschuß und damit auch für das Parlament einer Abhandlung geschrieben — auch prüfen müs- Berichterstatter für den Bereich des Wehrbeauftrag- sen, ob der Bundestag sich seines eigenen Instru- ten war —, daß diese schwerwiegende Feststellung mentes nicht stärker bedienen sollte — das Wei- mit diesem Akzent nicht gerechtfertigt ist. sungsrecht, Auftragserteilung , aber ich stelle hier nur die Frage, weil ich meine, daß die Kollegen Die Institution des Wehrbeauftragten steht zu- im Verteidigungsausschuß aus ihrer laufenden Ar- mindest im Parlament nicht mehr zur Diskussion. Ge- beit diese Frage richtig beantworten können. Was rade im Zusammenhang mit der Wahl eines neuen wir vom Plenum hier erwarten müssen, ist, daß Wehrbeauftragten ist die Bedeutung dieses system- unsere Kollegen im Verteidigungsausschuß sich nicht gerechten Instruments zur Wahrung der Grundrechte nur mit den Sachfragen des Berichts befassen, son- des im Wehrverhältnis stehenden Staatsbürgers und dern auch mit den ersten Seiten des Berichts — sie der Grundsätze zeitgemäßer Menschenführung in- haben es schon getan; ich weiß, Herr Rommerskir- nerhalb der Streitkräfte auf jeden Fall von seiten chen —, und daß konkrete Vorschläge an das Ple- der CDU/CSU-Fraktion bekundet worden. Wir wol- num kommen, damit wir dieses Instrument, so um- len auf den damaligen Wahlvorgang nicht mehr im stritten es am Anfang gewesen ist, so unterschied- einzelnen eingehen. Aber es ist doch unbestritten, lich die Unterstützung für dieses Instrument war, daß das Hickhack in der Fraktion der SPD das Amt so ausgestalten und so für unsere Arbeit nützlich des Wehrbeauftragten leider Gottes, Herr Dr. Schä- machen, wie wir es von Anfang an gedacht haben, fer, mindestens hat abwerten können; ich befürchte, wie es notwendig ist, um die Stellung des Menschen, daß es dadurch abgewertet worden ist. der als Soldat seine Pflicht in diesem Staat tut, im (Beifall bei der CDU/CSU) höchstmöglichen Maße zu sichern, die Grundrechte zu sichern und den Grundsätzen der Inneren Füh- Auch die Behandlung der Jahresberichte des rung, die diesem Ziele dienen, Geltung zu verschaf- Wehrbeauftragten im Verteidigungsausschuß, dem fen. nach parlamentarischem Selbstverständnis die Prak- (Beifall bei Abgeordneten der SPD) tizierung der Zuordnung überantwortet ist, gibt mei- nes Erachtens keinen Anlaß zu einer so pauschalen Ich hoffe sehr, daß wir gerade jetzt uns mit dieser negativen Kritik. Ich sage das wiederum als der- Frage nicht zu befassen, sondern daß wir auch zu jenige, der auch im Verteidigungsausschuß den je- Beschlüssen kommen. weiligen Jahresbericht einführen durfte und entspre- chende Anregungen dazu gab. (Beifall bei allen Fraktionen) Um die Arbeit im Amt des Wehrbeauftragten mit den gesammelten Erkenntnissen und Erfahrungen Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- optimal fruchtbar zu machen, müssen zweifellos alle geordnete Rommerskirchen. diesbezüglichen wesentlichen Feststellungen, die Besorgnisse und die konstruktiven Anregungen sorg- Rommerskirchen (CDU/CSU) : Herr Präsident! fältig daraufhin überprüft werden, wieweit sie zum Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Im politischen Willen des Parlaments gegenüber dem Interesse der Verbesserung des gesetzlich geordne- Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt über die ten Verhältnisses zwischen dem Deutschen Bundes- Bundeswehr zu machen sind und in diese Bundes- tag und dem Wehrbeauftragten als Institution be- wehr hinein wirken sollen. grüßen auch wir seitens der CDU/CSU-Fraktion die Dabei hat ganz sicher auch der Teil des Fachaus- kritische Überprüfung dieses Verhältnisses. Die schusses wie des Parlaments insgesamt, der die Re- diesbezüglichen Feststellungen — ich stimme da gierung trägt, also die Koalition, bei aller verständ- ganz mit Herrn Dr. Schäfer überein —, die der Wehr- lichen und auch gebotenen Loyalität zu bedenken — beauftragte in seinem letzten Jahresbericht festge- der Wehrbeauftragte spricht das im Jahresbericht halten hat, bedürfen unseres Erachtens tatsächlich an und versieht die Kontrollfunktion in dieser Hin- einer angemessenen Würdigung. Sie sind insgesamt sicht auch mit Fragezeichen —, daß notwendige Kor- sicherlich sehr erwägenswert. rekturen in der Praxis wie von Absichten und Plä-
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1975 11559 Rommerskirchen nen nicht durch eine unkritische Solidarität mit dem beauftragten — und das ist ein weiterer Vorschlag von ihr getragenen Bundesminister der Verteidigung unsererseits — auch die Gelegenheit zu mehrmali- verhindert werden dürfen. gem Eingehen auf strittige Fragen, sofern sie im (Beifall bei der CDU/CSU) Ausschuß nicht ausgeräumt werden konnten, ge- geben werden sollte, könnte so rechtzeitig erfolgen, Meine Damen und Herren, nicht zuletzt auf Grund daß dem Eilbedürfnis von Konsequenzen, die sich der Kritik des Wehrbeauftragten ist es sicherlich an- aus dem Jahresbericht ergeben, voll Rechnung getra- gebracht, zu überprüfen, ob der Beratung des Jahres- gen würde. berichts bei der Arbeitsplanung — zumal des Ver- teidigungsausschusses — tatsächlich der Rang einge- Eine andere Anregung betrifft die Gestaltung der räumt ist, den er verdient. Allerdings kann es von Jahresberichte. Wir meinen, es sollte darauf ver- der Sache her und im Interesse einer sinnvollen Ar- zichtet werden, ihnen unbedingt den Charakter um- beitsökonomie sehr wohl geboten sein, besondere fassender wissenschaftlicher Studien zu verleihen. Problemkomplexe, statt sie unbedingt im Zusam- Solche können jederzeit gesondert vorgelegt wer- menhang mit der Beratung des Jahresberichts zu er- den, wenn es sich als ratsam oder als notwendig örtern, um einer gediegenen Klärung und Lösung erweist. Es sollte auch darauf verzichtet werden, die willen je für sich und damit um so eingehender zu Jahresberichte, zumindest passagenweise, quasi als behandeln. Ich meine sagen zu sollen: Jedem Wehr- Tätigkeits- oder Rechenschaftsbericht des Verteidi- beauftragten ist zu empfehlen — mit dem Blick auf gungsministers abzufassen. Ich könnte dazu Bei- den neuen ist diese Empfehlung im Grunde sicher- spiele geben; ich werde das im Ausschuß tun. Statt lich nicht angebracht —, sich nicht zuletzt lebhafter dessen sollte Wert darauf gelegt werden, konzen- an dieser ständigen Erörterung zu beteiligen. triert Tatbestände von symptomatischer Bedeutung aufzuzeigen, Abstellungsvorschläge zu unterbreiten Es möge nicht als Unfreundlichkeit oder gar als und die Auswirkungen der Beachtung oder Nicht- billige Retourkutsche gewertet werden, wenn ich beachtung vorheriger Anregungen deutlich zu die Meinung äußere, daß manche Beratungen sowohl machen. der Jahresberichte als gerade auch einzelner Kom- plexe im Zuständigkeitsbereich des Wehrbeauftrag- Die dritte Anregung geht dahin — und da komme ten ganz gewiß gründlicher und sicherlich auch er- ich im besonderen auf Ausführungen meines Vor- giebiger gewesen wären, wenn sich der ausgeschie- redners zu sprechen —, möglichst umgehend die dene Wehrbeauftragte dabei nicht so sehr zurück- Novellierung des Wehrbeauftragtengesetzes vorzu- gehalten hätte. Wir sind ganz sicher, daß sich der nehmen. Der Verteidigungsausschuß hat den diesbe- neue Wehrbeauftragte insofern munter am parla- züglichen Vorschlag seiner Kommission, die anzu- mentarischen Ballspiel beteiligen wird, als er selber führen ich die Ehre hatte, gutgeheißen, so daß wir mehr Bälle zuwirft und die ihm zugeworfenen pla- eine unverzügliche interfraktionelle Initiative emp- ziert dahin weitergibt, wohin sie gehören. fehlen. Durch die Gesetzesänderung — das möchte ich heute schon in Übereinstimmung mit den Kolle- Es will auch den Dank an den ausgeschiedenen gen sagen dürfen, die die entscheidende Vorarbeit Wehrbeauftragten für seine gewissenhafte Arbeit geleistet haben und denen ich meinerseits dafür nicht schmälern, wenn wir den Wunsch äußern, daß danke würde folgendes bewirkt: sein Nachfolger das Parlament mit Anregungen und Herausforderungen weniger schont und den fort- Klarstellung, daß der Wehrbeauftragte bei der währenden Kontakt selber initiativ mit belebt. Wahrnehmung aller seiner Aufgaben als Hilfsorgan des Bundestages handelt. Das war umstritten. Man- Meine sehr geehrten Damen und Herren, was die cher Streit darum war nicht nötig. Behandlung der künftigen Jahresberichte betrifft, möchte ich namens meiner Fraktion einige konkrete Verdeutlichung der Sachkompetenz des Wehrbe- Anregungen unterbreiten. Vielleicht verhindert ihre auftragten, d. h. seine Zuständigkeit ausschließlich Annahme die zukünftige Wiederholung des berech- auf dem Gebiete der Verteidigung. tigten Teils der Kritik des bisherigen Wehrbeauf- tragten. Stärkere Betonung des Initiativrechts gegenüber der Weisungsgebundenheit sowohl im Hinblick auf Wir würden es begrüßen, wenn der jeweilige das Tätigwerden als auch im Hinblick auf das Be- Jahresbericht nach der Vorlage beim Präsidenten richtswesen. des Bundestages, dem die Dienstaufsicht über den Wehrbeauftragten obliegt, möglichst ohne jede Zeit- Erweiterung der Befugnisse zur Klärung und Er- verzögerung durch das Plenum dem zuständigen ledigung von Beschwerdefällen einschließlich Ver- Fachausschuß überwiesen würde. Da vergeht oft zu stärkung des Rechts der Inanspruchnahme von Ge- lange Zeit, was der Sache nicht dienlich ist. Da vom richtsunterlagen in Anlehnung an die verbesserte Wehrbeauftragten der Zeitpunkt der Fertigstellung Regelung der Befugnisse des Petitionsausschusses seines Jahresberichts doch ziemlich genau zu fixie- des Bundestages. ren ist, wäre die vorsorgliche Einplanung in den Stärkung des Zeugnisverweigerungsrechts im In- Beratungskalender des Verteidigungsausschusses teresse der Vertiefung des Vertrauens der Soldaten sicherlich ohne Schwierigkeit möglich. Die Erörte- in die Arbeit des Wehrbeauftragten, womit dieses rung des Jahresberichts im Ausschuß sowie seine Amt zweifellos steht und fällt. Abschlußberatung und seine Verabschiedung im Plenum — die Beratung muß so gründlich sein, wie Schließung einer Lücke im Hinblick auf die Ver- der jeweilige Bericht es gebietet , wo dem Wehr- tretung des Wehrbeauftragten bei längerer Verhin-
11560 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1975 Rommerskirchen derung sowie im Hinblick auf die Regelung der Zur sachgerechten Erörterung des Komplexes Be- Amtsbefugnisse bei vorzeitigem Ausscheiden. deutung und Gestaltung der Freizeit, der erstmals ausführlich und aufschlußreich im Jahresbericht auf- Verbesserung der Grundlagen für die Wahrneh- gerissen wird, könnte vermutlich das Ergebnis einer mung der Dienstobliegenheiten und der Versor- zuvor durchzuführenden Feldforschung zur Fest- gungsregelung. stellung des diesbezüglichen „Konsumbedarfs" ei- Ich füge sehr betont namens meiner Fraktion hin- nerseits und des erforderlichen Betreuungs- und Ge- zu: Eine sachliche wie personelle Kompetenzauswei- staltungsangebots andererseits nützlich sein. Herr tung über den Verteidigungsbereich und den durch Parlamentarischer Staatssekretär, wir regen eine sol- ein aktives Wehrverhältnis betroffenen Personen- che Untersuchung für die Beratung im Verteidi- kreis hinaus wird von seiten der CDU/CSU-Fraktion gungsausschuß und anschließend hier im Plenum an. abgelehnt, weil die geltende Rechtsordnung in die- sem unserem Staat deren Mißachtung oder Verlet- Meine Damen und Herren, dem scheidenden zung in den jeweiligen Bereichen unseres staatlichen Wehrbeauftragten Fritz-Rudolf Schultz haben wir und gesellschaftlichen Lebens jeweils bereits ange- anläßlich der Wahl seines Nachfolgers gedankt. Wir messene Schranken setzt. wiederholen gern diesen Dank mit den besten Wün- schen für denjenigen, der nun als Winzer hegt und Wenn anläßlich der Überweisung des Jahres- pflegt. berichts 1974 von uns darauf verzichtet wird, heute (Beifall) in dieser Überweisungsberatung auf die einzelnen Sachkomplexe näher einzugehen, geschieht das aus- Dem neuen Wehrbeauftragten, unserem langjäh- schließlich im Interesse einer um so gründlicheren rigen Kollegen Karl Wilhelm Berkhan, wünschen wir Beratung im zuständigen Fachausschuß. Der Zeitbe- viel Erfolg für seine verantwortungsvolle Tätigkeit darf, den wir dafür ansetzen, sollte sich ausschließ- als überparteilicher Sachwalter im Dienst am Solda- lich aus der Sache ergeben, wobei die Erfahrung be- ten, dem wir alle viel an Pflichterfüllung abfordern, rücksichtigt werden wollte, daß die Beschränkung auf dessen Rechte als Staatsbürger in Uniform wir alle das Wichtige dem Ganzen sicherlich zugute kommt. zusammen schützen und stärken müssen. Wir schlagen vor, daß sich der Ausschuß insbeson- (Beifall) dere auf folgende Komplexe konzentriert: das Ein- Weil der Begriff „Überparteilichkeit" fiel — nun berufungs- und Ausbildungssystem unter Berücksich- wende ich mich an Sie, Herr Parlamentarischer tigung sowohl der Organisationsschwierigkeiten in- Staatssekretär —, der im Zusammenhang mit den nerhalb der Bundeswehr als auch infolge mangeln- Grundsätzen der Inneren Führung auch für die der Übereinstimmung mit den schulischen Gegeben- heiten innerhalb der Bundesrepublik Deutschland, oberste politische Führung der Bundeswehr unab- dingbare Gültigkeit hat, muß ich namens meiner alsdann die Neuordnung des Ausbildungswesens, wozu die Erstattung eines Zwischenberichts des Bun- Fraktion eine dringende Bitte an Sie und über Sie an den Herrn Bundesminister der Verteidigung desministers der Verteidigung für angebracht gehal- ten wird, alsdann die Innere Führung. Nachdem die richten. Die Schrift „Die Bundesrepublik Deutsch- Begriffs- und Prinzipiendiskussion im ganzen als be- land — unser Staat", dieses Propagandamachwerk, endet gilt, scheint die Nutzanwendung im Hinblick (Dr. Wörner [CDU/CSU] : Sehr gut!) sowohl auf den lehrbaren Teil als auch auf das durchgehende Führungs- und Ordnungsprinzip um ist nachweisbar über den Dienstvorschriftenverteiler so interessanter zu sein. Wir schlagen noch einmal an die Truppe zur Auslieferung gebracht worden. vor, daß an dieser Beratung Mitglieder des Beirats Nicht nur die Tatsache ist zu beklagen, daß hier ein für Innere Führung, der dankenswerterweise Klä- fatales Staatsverständnis vermittelt wird, weil nur rungen vorgenommen hat, unmittelbar beteiligt wer- die Regierung als repräsentatives Organ vorgestellt den, so wie wir in einem anderen Zusammenhang und die demokratisch-parlamentarische Grundstruk- dem Vorsitzenden des Deutschen Reservistenverban- tur völlig ignoriert wird. des die Möglichkeit gegeben haben, sich an den (Dr. Wörner [CDU/CSU] : Sehr gut!) Überlegungen zu beteiligen. Ich darf noch zwei Komplexe nennen: den Kom- Die Schrift enthält mit bösartigen zeitgeschichtlichen plex der Wehrgerechtigkeit, der unter Berücksichti- Fälschungen auch eine unerträgliche Polemik gegen gung der Dringlichkeit von Verbesserungen in An- die derzeitige Opposition. betracht wachsender Jahrgangsstärken, die das bis- (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Wörner herige Problem noch verstärken, zu bedenken - ist, [CDU/CSU] : Unerhört! Verletzung des Sol und nicht zuletzt die Neuordnung des Anerken- datengesetzes! — Zurufe von der SPD) nungsverfahrens von Kriegs- bzw. Wehrdienstver- weigerern unter Würdigung des verfassungsrecht- Ich stelle sie Ihnen gerne zur Verfügung, wenn Sie lichen und verfassungspolitischen Zusammenhangs sie nicht durchgeschaut haben. Hier kommt die ge- zwischen dem Friedensgebot mit dem Recht und der meinsame Verantwortung zum Tragen, die wir alle Pflicht des Staates zu wirksamen Schutzmaßnahmen miteinander gegenüber dieser Bundeswehr haben, im Interesse einer freiheitlich-friedlichen Grundord- Herr Kollege Dr. Schäfer. Mein Kollege Franz nung einerseits sowie dem Schutz der persönlichen Handlos hat dem Herrn Bundesminister der Ver- Gewissens- und Überzeugungsfreiheit und Verant- teidigung den Sachverhalt schriftlich unterbreitet. wortung des Staatsbürgers andererseits. Wegen der Schwere des Falles müssen wir Sie aber
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1975 11561 Rommerskirchen auch öffentlich auffordern, solche Mißgriffe zukünf- jahr 1974 sogar ein Rückgang auf weniger als 7 000. tig zu unterbinden. Wehrpflichtige, Soldaten auf Zeit und Berufssolda- (Beifall bei der CDU/CSU) ten wenden sich etwa zu gleichen Teilen an den Wehrbeauftragten. 1974 stammten etwa 3 000 Ein- Sie belasten in einer geradezu gefährlichen Weise gaben von wehrpflichtigen Soldaten, 2 700 kamen die Loyalität von Soldaten der Bundeswehr gegen- von Zeit- und Berufssoldaten. Ebenso zeigt sich, daß über ihrer politischen Führung. Dies wird an zahl- Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere in fast reichen uns vorliegenden und auszuweisenden Be- übereinstimmenden Anteilen ihre Anliegen an den schwerden von Bundeswehrangehörigen ganz deut- Wehrbeauftragten herantragen. Im Berichtsjahr 1974 lich, denen — das ist doch das Fatale — das Solda- wandten sich beispielsweise 1,2 % aller Offiziere, tengesetz bei Strafe parteipolitische Betätigung und 1,4 % aller Unteroffiziere und 1,1 $ aller Mann- Propaganda innerhalb der Truppe und des Dienstes schaften an den Wehrbeauftragten. untersagt. Von den insgesamt 6 748 Eingaben des Berichts- (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Sehr jahres 1974 bezogen sich nur 760 auf Fragen der richtig!) Grundrechte und nur 515 auf Fragen der Inneren Sie prangern deswegen die Mißachtung dieser für sie Führung im engeren Sinn. Das sind insgesamt we- bindenden gesetzlichen Grundlage durch die poli- niger als 20 % des gesamten Eingabenaufkommens. tische Führung und insofern die für sie unerträg- In etwa der Hälfte dieser von mir eben genannten liche doppelte Moral des Befehlenden an. Fälle waren die Klagen berechtigt oder konnte den Eingaben stattgegeben werden. Der Löwenanteil, (Dr. Carstens [Fehmarn] [CDU/CSU] : Eine nämlich 4 330 von insgesamt 6 748 Eingaben — das sehr gute Formulierung!) sind etwa 65 % —, hatte Fragen der Fürsorge im Wir bitten den Bundesminister der Verteidigung weitesten Sinne zum Gegenstand. Auch hier setzt über Sie, Herr Kollege Schmidt, er möge seines zur sich eine Entwicklung fort, die sich seit einigen Jah- Überparteilichkeit verpflichteten Amtes als oberster ren beobachten läßt. Herr Kollege Professor Schä- Befehlshaber der Bundeswehr walten, der Bundes- fer, Sie haben diesem Komplex eben Ihre besondere wehr, die die Armee des ganzen Volkes und nicht Aufmerksamkeit gewidmet. Ich meine, daß diese einer Partei ist. Eingaben im weitesten Sinne auch zum Bereich der Inneren Führung zu rechnen sind. Ich meine damit (Beifall bei der CDU/CSU) den Gesamtkomplex der Fürsorge. Das ist nach un- serer Auffassung, wie ich schon ausführte, eben auch Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat ,der Herr ein Element der Inneren Führung. Deshalb sind Abgeordnete Krall. diese Eingaben für uns nicht strittig und auch kein Ballast für den Wehrbeauftragten. Krall (FDP) : Herr Präsident! Meine sehr verehrten (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Aber er muß Damen und Herren! Der inzwischen aus dem Amt eine Möglichkeit haben, etwas zu tun!) des Wehrbeauftragten ausgeschiedene Fritz-Rudolf Schultz hat in seinem Jahresbericht 1974 dankens- — Natürlich, und hier sind ja auch Ihrerseits Mög- werterweise ein Resümee der allgemeinen Entwick- lichkeiten aufgezeigt worden. Ich gehe davon aus, lung und Tendenzen bei der Wahrnehmung seines daß wir gerade diesen Bereich im Ausschuß einge- gesetzlichen Auftrages während seiner fünfjährigen hend beraten werden; darauf hat ja auch der Kol- lege Rommerskirchen hingewiesen. Amtszeit gezogen. Sein Bericht für das Jahr 1974 geht daher weit über eine normale Jahresbilanz hin- Aus all dem läßt sich nach unserer Auffassung aus. Die Tatsache, daß Fritz-Rudolf Schultz heute folgern: Der Wehrbeauftragte ist zu einem selbst- nicht mehr im Amt ist, macht es mir leichter, ihm verständlichen Bestandteil des demokratischen Staa- an dieser Stelle den Dank der liberalen Fraktion tes geworden. Zu dieser Entwicklung hat nicht zu- auszusprechen, und zwar nicht nur dafür, daß er fünf letzt die besonnene und erfolgreiche Amtsführung Jahre die Last und die Bürde des Amtes des Wehr- des ehemaligen Wehrbeauftragten Fritz-Rudolf beauftragten getragen hat, sondern auch dafür, daß Schultz wie auch die politische Gesamtentwicklung er viele Jahre als Abgeordneter des Deutschen Bun- in diesem Staat unserer Auffassung nach wesentlich destages, Stellvertretender Vorsitzender der FDP- beigetragen. Sicherlich mag es hier und dort noch Bundestagsfraktion und als Mitglied des Verteidi- Vorbehalte gegenüber der Institution des Wehrbe- gungsausschusses tätig gewesen ist. auftragten geben. Es kann aber keine Rede davon Was läßt sich zu diesem Jahresbericht im ersten sein, daß die Einrichtung des Wehrbeauftragten in parlamentarischen Durchgang grundsätzlich sagen? den Streitkräften als institutionalisiertes Mißtrauen Meiner Fraktion erscheinen die folgenden drei empfunden wird. Der Wehrbeauftragte ist heute pro- Punkte von besonderer Bedeutung zu sein. zentual häufiger mit den Anliegen der Offiziere und Unteroffiziere als mit den Problemen der meist Die Zahl der Eingaben an den Wehrbeauftragten wehrpflichtigen Mannschaften befaßt. Es ist also hat sich nach starken Steigerungsraten in den sech- keineswegs so gekommen, daß sich der Wehrbeauf- ziger Jahren nun schon seit 1970 kaum mehr nen- tragte zu einer Klagemauer für entrechtete Wehr- nenswert erhöht. Nachdem sich das Eingabenauf- pflichtige entwickelt hat. Das ist ein gemeinsames kommen seit 1970 etwa auf einem gleichbleibenden Verdienst von Bundeswehr, Wehrbeauftragtem und Wert eingependelt hat, zeigt sich für das Berichts- Parlament.
11562 Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1975 Krall Das Amt ist seinerzeit als Kontrollorgan des Par- Deutschen Bundestages in immerhin 47 Fällen an laments eingerichtet worden, um einem von vielen den Wehrbeauftragten gewandt. Auch auf diese befürchteten Wiederaufleben von Militarismus und Weise dokumentiert sich das Interesse des Parla- Kommißdenken in den neuen deutschen Streitkräf- ments an der Arbeit des Wehrbeauftragten. Man ten rechtzeitig begegnen zu können. Der Wehrbeauf- sollte diese Zahl deshalb nicht gänzlich unter den tragte — das ist hier heute schon gesagt worden — Tisch fallenlassen. Sie erscheint uns keineswegs als ist nach dem Gesetz tätig als Hüter der Grundrechte zu gering. und Wächter über die Beachtung und Einhaltung der Meine Fraktion sieht deshalb in der Klage des Grundsätze der Inneren Führung in den Streitkräf- Wehrbeauftragten weniger eine Rüge für das Parla- ten. Dieser verantwortungsvollen Aufgabe ist nach ment als vielmehr einen Denkanstoß. Ich glaube, so Auffassung meiner Fraktion Fritz-Rudolf Schultz vor sollten wir das alle verstehen. Wir sollten deshalb allem anderen in kritischer Solidarität nachgekom- gemeinsam überlegen, ob der Deutsche Bundestag men. seinen sachverständigen Wehrbeauftragten nicht Das Amt des Wehrbeauftragten hat nach seiner auch seinerseits häufiger in Anspruch nehmen und Einrichtung lange Zeit gebraucht, um sein Selbstver- seine Erfahrungen besser nutzen müßte. ständnis zu finden. Der Umfang der Berichtspflicht, Es scheint mir kein Zufall zu sein, daß sich die die Zulässigkeit allgemeiner Wertungen, die Zustän- Parlamente anderer Staaten bei uns immer wieder digkeiten und Kompetenzen in Überprüfungsverfah- aufmerksam über die Institution des Wehrbeauftrag- ren waren nicht immer unumstritten. Hinzu kamen ten informieren. Schwierigkeiten aller Art, die das Amt zeitweilig ins Gerede gebracht und seine Arbeit beeinträchtigt Der Wehrbeauftragte hat in allen seinen Jahres- haben. berichten für die Entwicklung der Inneren Führung wichtige Impulse gegeben. Auch darauf ist hier von Unter Fritz-Rudolf Schultz ist eine Periode der Sta- meinem Herrn Vorredner hingewiesen worden. bilität und kontinuierlichen Arbeit eingetreten. Das Nicht zuletzt dies hat den Deutschen Bundestag ver- Amt hat fünf Jahre hindurch ohne irgendwelche anlaßt — mir scheint das besonders wesentlich zu Querelen erfolgreich gearbeitet. Auch dieser Tatbe- sein —, den Bundesminister der Verteidigung auf- stand verdient unseres Erachtens einmal erwähnt zu zufordern, seinerseits in verbindlicher Weise zu er- werden. klären, was unter Innerer Führung zu verstehen Die wohl gravierendste Feststellung von Fritz- und wie sie zu praktizieren ist. Rudolf Schultz ist seine Bemerkung über eine man- Dieser Forderung des Parlaments ist der Bundes- gelnde Unterstützung durch das Parlament. Aller- minister der Verteidigung dann im August 1972 mit dings ist dieser Hinweis auch am meisten mißver- der Herausgabe der ZDV 10/1 „Hilfen für die Innere standen worden. Hier, Herr Kollege Rommerskir- Führung" nachgekommen. chen, lassen Sie mich eine Anmerkung machen: Sie haben, wenn auch in sehr kollegialer Form, dem frü- Die Fraktion der Freien Demokraten betrachtet es als ein besonderes Verdienst des aus ihrer Mitte heren Kollegen Fritz-Rudolf Schultz gewisse Vor- stammenden ehemaligen Wehrbeauftragten Fritz- würfe insofern gemacht, als Sie erwartet hätten, daß Rudolf Schultz, daß er es verstanden hat, die Rechte er von sich aus, in seinem Bemühen, das Gespräch des einzelnen vernünftig und sachgerecht von den mit dem Parlament und seinem Fachausschuß zu su- nicht weniger verzichtbaren Pflichten unserer Sol- chen und zu führen, aktiver geworden wäre. Ich muß daten abzugrenzen. Fritz-Rudolf Schultz ist aus libe- dazu sagen, daß Mißverständnisse immer auf Gegen- ralem Grundverständnis heraus in allen Jahresbe- seitigkeit beruhen. richten sowohl für die Sicherung der persönlichen (Zuruf des Abg. Rommerskirchen [CDU/CSU]) Freiheitsräume der Soldaten als auch für die sich aus dem Verteidigungsauftrag ergebenden Notwen- Ganz sicher wäre es auch sinnvoll gewesen, — das digkeiten eingetreten. Er war nicht nur ein guter ist mein persönlicher Eindruck — wenn der Ausschuß Sachwalter der Soldaten, sondern hat daneben auch von sich aus das Gespräch gesucht hätte. Es liegt ja der Beachtung von Befehl und Gehorsam sowie der häufig auch an der Mentalität eines Menschen, in- in den Streitkräften nun einmal erforderlichen Diszi- wieweit er eigene Initiativen entwickelt. Wir wer- plin entscheidenden Stellenwert eingeräumt. den zweifelsohne gerade diesem Komplex in der Ausschußberatung unsere besondere Aufmerksam- Schließlich hat er auch immer wieder Parlament keit widmen müssen. und Öffentlichkeit dazu aufgefordert, sich der Pro- bleme der Bundeswehr anzunehmen und die Streit- Der im Zusammenhang mit der Behandlung - des kräfte nicht durch Gleichgültigkeit und Desinteresse Jahresberichts in der Öffentlichkeit, vor allem sei- in das gesellschaftliche Abseits zu drängen. tens der Presse erhobene Vorwurf, das Parament sei an seinem Wehrbeauftragten nicht interessiert — ich Als ein wesentliches Erbe der Tätigkeit von Fritz- sage das jetzt noch einmal ganz besonders deutlich Rudolf Schultz betrachte ich seinen Anstoß zur No- — erscheint uns doch allzu pauschal und undifferen- vellierung des Gesetzes über den Wehrbeauftragten. ziert. Hierauf sind meine Herren Vorredner bereits ein- (Rommerskirchen [CDU/CSU] : Also Über gegangen. Ich kann mir daher Einzelheiten ersparen. einstimmung!) Die vom Verteidigungsausschuß eingesetzte Kom- mission zur Erweiterung der Kompetenzen des Ausweislich der Statistik des Jahresberichts 1974 Wehrbeauftragten hat ausgiebig einen Entwurf be- haben sich im vergangenen Jahr Abgeordnete des raten. Abschließend hat der Verteidigungsausschuß
Deutscher Bundestag — 7. Wahlperiode — 165. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. April 1975 11563 Krall den Entwurf einstimmig zur Kenntnis genommen. und ähnliche Institutionen einrichten; denn sie hat Es ist jetzt Sache der Fraktionen, das neue Gesetz sich zweifellos bewährt. Es ist also nicht richtig, so bald wie möglich einzubringen, damit es in Kraft wenn eine Hamburger Zeitung — nicht die übliche, gesetzt werden kann. Die FDP-Fraktion wird ihren sondern eine andere — als Überschrift von sich gibt Beitrag hierzu leisten. „Nöte der Truppe in Bonn kein Thema". So geht es nicht. Lassen Sie mich abschließend feststellen, daß dem neuen Wehrbeauftragten, dem bisherigen Parlamen- Hier wurde darauf hingewiesen, daß viele Abge- tarischen Staatssekretär des Bundesministers der ordnete in unmittelbarem Verhältnis zum Wehr- Verteidigung und ehemaligen Kollegen Karl Wil- beauftragten stehen, daß sie ihm Tips geben, daß helm Berkhan, unser volles Vertrauen gehört. Wir sie ihm Eingaben zukommen lassen, daß sie mit zweifeln nicht daran, daß er die Aufgabe meistern ihm sprechen. Ich bin eher der Auffassung, daß das wird, in Zukunft den Bereich zu kontrollieren, den Amt des Wehrbeauftragten, das er selber hier er bisher als Parlamentarischer Staatssekretär mit- manchmal etwas strittig darstellt, für die Mehrheit verantwortet hat. Wir wünschen ihm dafür vollen dieser Gesellschaft Gott sei Dank schon soweit Erfolg. selbstverständlich geworden ist, daß nicht immer (Beifall bei der FDP und der SPD) darüber geredet werden muß. Natürlich werden wir uns in Zukunft noch mehr Vizepräsident Dr. Jaeger: Das Wort hat der Ab- Mühe geben als bisher; das ist eine Selbstverständ- geordnete Schlaga. lichkeit. Aber Kooperation — das sagt schon das Wort -- ist natürlich eine Sache von beiden Seiten. Der Wehrbeauftragte — das ist mein Wunsch beson- Schlaga (SPD) : Herr Präsident! Meine Damen und ders an den neuen Wehrbeauftragten Karl Wilhelm Herren! Der Bericht des Wehrbeauftragten 1974, der Berkhan -- kann und muß, sooft er irgendwie dazu natürlich auch Komponenten seiner Erkenntnis aus in der Lage ist, an das Parlament und an den Ver- fünfjähriger Tätigkeit enthält, hat in der Öffentlich- teidigungsausschuß herantreten. keit ein lebhaftes Echo gefunden. Wie das so ist: die Grundsatzbemerkungen wurden in der Presse In diesem Zusammenhang auch von mir im Namen am ehesten gelesen, weil sie vorn standen, und ent- meiner Fraktion Dank an die Unterkommission, die sprechend kommentiert. Dieser Bericht ist zweifellos sich mit den eventuell neuen Kompetenzen des nicht nur interessant zu lesen; er bringt politischen Wehrbeauftragten befaßt hat. Ein Ergebnis liegt vor. Gewinn, wenn man ihn liest. Er gibt eine Fülle von Natürlich sind weitere Diskussionen in den Fach- Anstößen für die Weiterentwicklung dieses wichti- ausschüssen notwendig und werden in absehbarer gen Amtes. Zeit erfolgen. Aber dieser Bericht — gerade das, was in den Zum Bericht selbst bleibt einem bei der Fülle ersten Seiten gesagt worden ist — fordert natürlich der Problemkreise, die da angesprochen werden, auch zur Diskussion und, wie sollte es anders sein, nur wenig Zeit, einiges zu einigen wenigen Problem- zum Widerspruch heraus. Das betrifft besonders das kreisen zu sagen. Da ist, wie sollte es anders sein, — dies ist meine persönliche Auffassung —, was da wie alle Jahre — und das ist richtig so, weil es als eine Zustandsbeschreibung der parlamentari- das wichtigste Thema ist — der Problemkreis Innere chen Demokratie in der Bundesrepublik geschrieben Führung anzusprechen. Es ist richtig, was Helmut steht. Ich kann diese Meinung nicht teilen, die der Schmidt einmal gesagt hat, was der Wehrbeauftragte Wehrbeauftragte dort dargelegt hat. Wenn ich heute auch zitiert hat, daß die Interpretation des Begriffs nicht einem friedlichen Freitag frönen wollte, dann und natürlich auch des Inhalts des Begriffs Innere fiele mir dazu sehr vieles ein. Mir ist zumindest Führung kein Glasperlenspiel sein darf. ganz warm ums Herz geworden, als Herr Rommers- kirchen nun doch nicht so ganz ohne Anmerkungen Natürlich ist Innere Führung weder als Begriff — eben als Opposition gegen die Regierungspar- noch als Inhalt ein statischer Begriff. Für uns ist teien — argumentierte. Wir haben nämlich ein Par- allein wesentlich und entscheidend, daß man — es lament, das zweifellos englische Züge trägt und ein liegen eine Reihe von Definitionen vor, die durch- ausgesprochenes Arbeitsparlament ist; das wird aus kongruent sind — diese Innere Führung an- jeder, der die Ausschußarbeit kennt, wissen; und wendet, daß man aus ihr lernt, daß man grundsätz- dem wird er auch nicht widersprechen. lich Lernbereitschaft in der Truppe zeigt und daß man sich ununterbrochen bemüht, dem Ideal nahezu- Eine andere Kritik des Wehrbeauftragten ist die — kommen. Auch die zitierten Befehle im Bericht des sie wurde vom Herrn Kollegen Krall eben schon zum Wehrbeauftragten auf Seite 25 und die angespro- Ausdruck gebracht —, daß das Parlament und der chene ZDV 10/1 sind Grundsätze, und Grundsätze Verteidigungsausschuß zuwenig Interesse gezeigt bedürfen einer ständigen Erprobung, einer ständi- haben sollen. Sicher, man kann sich bei allem sehr gen Diskussion, natürlich auch einer ständigen Aus- viel mehr wünschen. Ich bin der Auffassung, daß legung. Sie müssen Tag für Tag neu geübt werden. man gerade der Institution des Wehrbeauftragten Anders kann ich mir das nicht vorstellen. Meine Er- noch mehr Beachtung schenken muß. Denn wir sind fahrung aus der Truppe besagt jedenfalls, daß man das einzige westliche Land, daß überhaupt eine sol- sich nicht nur hinreichend, sondern ernsthaft bemüht che Institution hat, und wir wissen auch, daß andere --- es gibt eine Reihe von Ausnahmen; dem sei nicht Länder uns um diese Institution beneiden. Ich kann widersprochen —, dem zu folgen und das zu prakti- nur hoffen, daß sie in dieser Hinsicht bald nachziehen zieren.
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