"Die sind doch alle gleich!" - Programmatische Unterschiede in der deutschen Parteienlandschaft Ein Methodenexperiment - Konrad-Adenauer-Stiftung
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„Die sind doch alle gleich!“ Programmatische Unterschiede in der deutschen Parteienlandschaft Ein Methodenexperiment Franziska Fislage, Sebastian Graf, Tobias Montag www.kas.de
Impressum Herausgeberin: Konrad-Adenauer-Stiftung e. V. 2019, Sankt Augustin/Berlin Umschlagfoto: © katatonia82/shutterstock Kapiteleinstiege: S. 4 © niroworld/Adobe Stock; S. 6 © frankix/istockphoto by Getty Images; S. 16 © pavel nekoranec/unsplash; S. 44 © katatonia82/ shutterstock Gestaltung und Satz: yellow too, Pasiek Horntrich GbR Diese Publikation ist lizenziert unter den Bedingungen von „Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 international”, CC BY-SA 4.0 (abrufbar unter: https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/ legalcode.de). ISBN 978-3-95721-515-4
Inhaltsverzeichnis Einleitung 5 Die Methodik 7 Die Wahlprogramme 7 Die Themenfelder 7 Arbeitsmarkt und Rente 7 Finanzen und Steuern 7 Innere Sicherheit 8 Migration und Asyl 8 Außenpolitik 8 Die Kodierung mit MAXQDA 9 Aufbau von MAXQDA 9 Vorteile von MAXQDA 9 Logik des Kategoriensystems: Das III-Stufen-Modell 10 Qualität der Kodierung 12 Methodik der Kongruenzwertanalyse 12 Die Analyse 17 Positionsvergleich und inhaltliche Tiefe 17 Dokumentportraits 19 Dokumentportrait: CDU/CSU 20 Dokumentportrait: SPD 20 Dokumentportrait: Die Grünen 21 Dokumentportrait: FDP 22 Dokumentportrait: Die Linke 22 Dokumentportrait: AfD 23 Kongruenzwertanalyse 23 Kongruenzwerte der CDU/CSU 25 Kongruenzwerte der SPD 29 Kongruenzwerte der Grünen 32 Kongruenzwerte der FDP 35 Kongruenzwerte der Linken 38 Kongruenzwerte der AfD 41 Alle Parteien sind gleich? – Schlussbetrachtung 45 Die Autorin und die Autoren 46 Ansprechpartner in der Konrad-Adenauer-Stiftung 47
Einleitung „Die sind doch alle gleich!“ – so lautet in der politi- Die Konrad-Adenauer-Stiftung hat die Bundes- schen Debatte oft ein Vorwurf gegenüber politi- tagswahl 2017 zum Anlass genommen, um die schen Parteien in Deutschland. Die Parteien seien Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, Bündnis sich zunehmend ähnlicher geworden, ließen sich 90/Die Grünen, Die Linke, FDP und AfD mit dem inhaltlich kaum mehr voneinander unterscheiden Analyseprogramm MAXQDA in fünf Themen- und würden die gleichen Standpunkte ver- feldern zu vergleichen. Ziel dieses Vorgehens treten. Die vermeintliche Ähnlichkeit der Parteien war es, verschiedene Auswertungsmöglich- wird dabei oft als Grund für die Wahlabstinenz keiten zu nutzen, um die Wahlprogramme mit angeführt und als Ausdruck einer Krise der Demo- den vielfältigsten Fragestellungen konfrontieren kratie gewertet. Die repräsentative Demokratie zu können. Dabei wurden die Wahlprogramme lebt schließlich davon, dass verschiedene Par- kodiert und u. a. die programmatischen Überein- teien die unterschiedlichen Teile der Gesellschaft stimmungen (Kongruenzwerte) berechnet. Die repräsentieren und sich im Wettbewerb für das Kongruenzwertanalyse ist von besonderem Inte- Wohl des Ganzen einsetzen. Unterscheidbarkeit resse, weil sie den prozentualen Anteil an pro- und Repräsentationsfunktion gehören demnach grammatischer Übereinstimmung in den Wahl- zusammen. programmen angibt. Hierbei wird zusätzlich zu den konkreten Maßnahmen auch die über- Der Vorwurf einer mangelnden Unterscheid- geordnete Richtung – die Tendenz – einbezogen.1 barkeit wird damit anschlussfähig für die poli- tische Auseinandersetzung. In Wahlkämpfen Untersucht wurde, inwieweit sich die Parteien dient er oftmals dazu, politischen Gegnern ein in den Themenfeldern Migration und Asyl, Innere eigenständiges Profil in Abrede zu stellen und Sicherheit, Arbeitsmarkt und Rente, Finanzen und sich selbst in ein besseres Licht zu rücken. Oder Steuern sowie Außenpolitik in ihren programmati- aber man konstruiert damit einen vermeint- schen Positionen voneinander unterscheiden bzw. lichen „Mainstream-Goliath“, um bei den Wäh- einander ähneln. Anhand der Befunde soll die lern gewissermaßen als heldenhafter „David“ Aussage, dass die Parteien alle gleich seien, empi- Sympathiepunkte zu gewinnen. Verfangen kann risch geprüft werden. dieses Vorgehen freilich nur, weil in der Regel die meisten Bürger nicht die Mühe auf sich nehmen, In dieser Publikation wird zunächst die Metho- die doch sehr umfangreichen Wahlprogramme zu dik erläutert. Die Analyse der in MAXQDA kodier- studieren und zu vergleichen. Aber selbst profes- ten Wahlprogramme sowie die Darstellung der sionelle Beobachter des Politikbetriebs verirren Kongruenzwerte folgen in einem weiteren Kapitel. sich mitunter in den Details der Programme und In der Schlussbetrachtung wird aufgezeigt, dass verlieren die grundsätzlichen Unterschiede aus die populäre These von der programmatischen den Augen. Einheitlichkeit der Parteien hinsichtlich der Wahl- programme nicht zutrifft. Einen Ausweg aus dieser Unübersichtlichkeit bie- ten Programmsynopsen. Diese können jedoch im selben Maße unübersichtlich werden wie ihre Vor- lagen und weisen nur eine geringe Funktion und Flexibilität hinsichtlich ihrer Auswertungsmöglich- keiten auf. Außerdem können Zuordnungen 1 Der Kongruenzwert wird davon beeinflusst, wie umfang- von Einzelpersonen zu einer Subjektivität füh- reich die Äußerungen der Parteien im Wahlprogramm zu einem Thema sind und ob Themen überhaupt plat- ren, die nur mit weiterem Personal- und Zeitauf- ziert werden. Eine Nicht-Thematisierung bedeutet eine wand eindämmbar ist. Der Einsatz eines Analyse- Nicht-Übereinstimmung. Vor diesem Hintergrund sind programms könnte hier Abhilfe schaffen. Es soll auch die im Vergleich geringen Kongruenzwerte der AfD zu betrachten. Zudem findet keine Gewichtung einzelner Teil- die notwendige Objektivität sicherstellen und mit aspekte statt, auch wenn diese im Mittelpunkt der öffentli- überschaubaren Ressourcen arbeiten können. chen Debatte stehen. 5
Die Methodik Die Wahlprogramme Die Themenfelder Die inhaltliche Grundlage der Wahlprogramm- Arbeitsmarkt und Rente analyse bilden die offiziellen Wahlprogramme Dieser Themenblock unterteilt sich in drei Unter- zur Bundestagswahl 2017. Die Auswertung kategorien: Arbeitsmarktpolitik, Rentenpolitik sowie beinhaltet die Wahlprogramme der folgenden Wirtschaftspolitik. sechs Parteien: ›› Arbeitsmarktpolitik: Neben den Aspekten der ›› Christlich Demokratische Union Deutsch- Arbeitsbedingungen (Gehälter, Arbeitszeiten lands/Christlich-Soziale Union in Bayern etc.) sowie Beschäftigungspolitik (Arbeitslosig- (CDU/CSU): Für ein Deutschland, in dem wir keit, prekäre Beschäftigung etc.) ist zudem gut und gerne leben – Regierungsprogramm der Aspekt der Aus- und Weiterbildung auf- 2017–2021. genommen worden, da Qualifizierung als initialer Bestandteil von Arbeitsmarktpolitik ›› Sozialdemokratische Partei Deutschlands zu sehen ist. Akademische Ausbildung, For- (SPD): Es ist Zeit für mehr Gerechtigkeit: schung und Hochschulpolitik sind hier nicht Zukunft sichern, Europa stärken – Das enthalten. Regierungsprogramm 2017–2021. ›› Rentenpolitik: Beinhaltet die Positionen der ›› Bündnis 90/Die Grünen (Die Grünen): Parteien zur gesetzlichen, privaten sowie Zukunft wird aus Mut gemacht – Bundestags- betrieblichen Altersvorsorge. wahlprogramm 2017. ›› Wirtschaftspolitik: Hier liegt der Fokus auf ›› Die Linke (Die Linke): Die Zukunft, für die wir wirtschaftspolitischen Maßnahmen, die kämpfen: Sozial. Gerecht. Frieden. Für Alle. einen starken arbeitsmarktpolitischen bzw. Programm zur Bundestagswahl 2017. beschäftigungsfördernden Ansatz haben. Dabei wird vor allem der Umgang mit kleinen ›› Freie Demokratische Partei (FDP): Schauen und mittelständischen Unternehmen sowie wir nicht länger zu. Programm der Freien Demo- mit Start-Ups/Unternehmensgründern bzw. kraten zur Bundestagswahl 2017. Selbstständigen adressiert. Die deutsche Standortpolitik bzw. die industrielle Wirt- ›› Alternative für Deutschland (AfD): Programm schaftspolitik wird hier ausgeklammert. Diese für Deutschland – Wahlprogramm der Alter- Unterkategorie wird in der folgenden Analyse native für Deutschland für die Wahl zum Deut- nicht separat betrachtet, da die Nennungen schen Bundestag am 24. September 2017. hierzu zu gering sind. Alle Wahlprogramme sind von den offiziellen Finanzen und Steuern Webseiten der Parteien im PDF-Format herunter- Der Themenblock Finanzen und Steuern ist in geladen worden. Zur einfacheren Kodierung in zwei Dimensionen – international und national – MAXQDA wurden diese in ein Textformat (DOCX) unterteilt: konvertiert. Dabei sind unnötige Formatierun- gen sowie grafische Elemente entfernt worden, ›› Nationale Finanz- und Steuerpolitik: Thema- sodass das Wahlprogramm – möglichst – in rei- tisierung von unterschiedlichen nationalen ner Textform vorliegt. Inhaltliche Veränderungen Steuern und Abgaben sowie der deutschen bzw. Modifikationen am Programmtext fanden Haushaltspolitik. Dabei ist anzumerken, dass nicht statt. Investitionsbereiche bzw. Schwerpunkte in der Haushaltspolitik bzw. den Ressorts nicht kodiert worden sind. Dies liegt darin begründet, dass hier keine ausreichende 7
Die Methodik ifferenzierung der Parteien erkennbar D Außenpolitik war – alle Parteien wollen am liebsten in allen Der Themenblock Außenpolitik unterteilt sich in Bereichen mehr Mittel v erorten. drei Teilaspekte: ›› Die internationale Finanz- und Steuerpolitik ›› Die erste Unterkategorie thematisiert die thematisiert vor allem die Aspekte Banken diplomatischen Beziehungen sowie politischen und Finanzmarkt (Regulierung) sowie Inter- Positionen Deutschlands in der Weltpolitik, nationale Steuerpolitik (Besteuerung von wobei stets das Verhältnis Deutschlands Unternehmen und Kampf gegen Steuerflucht). gegenüber anderen Staaten (USA, Russland, Daneben werden die europäische Haushalts- Türkei, Großbritannien/Brexit, Israel/Paläs- und Finanzpolitik (Bankenrettung und Trans- tina etc.) sowie gegenüber der Europäischen ferunion) sowie Währungspolitik adressiert. Union im Fokus steht. Innere Sicherheit ›› Der zweite Teilaspekt konzentriert sich auf Der Themenbereich Innere Sicherheit unterteilt Fragen der Außensicherheitspolitik. Neben der sich in drei größere Aspekte: deutschen Rüstungspolitik und den Auslands- einsätzen der Bundeswehr wird hier auch ›› Institutionen: Aufbau, Ausstattung und Aus- die Europäische Sicherheitspolitik sowie das richtung der Polizei- und Sicherheitsbehörden Verhältnis zu internationalen Sicherheits- bzw. des Justizwesens. organisationen – wie NATO und Vereinte Nationen – thematisiert. ›› Methoden und Befugnisse: Thematisierung unterschiedlicher Strafverfolgungsmethoden, ›› Der dritte Teilaspekt umfasst die deutsche wie Videoüberwachung oder Vorratsdaten- Außenwirtschaftspolitik, wobei Umgang mit speicherung, sowie Befugnisse der Nach- und Ausgestaltung von Handelsabkommen, richtendienste im Sinne der Strafverfolgung internationale Kooperationen sowie die Regu- bzw. -vereitelung. lierung der Weltwirtschaft im Fokus stehen. ›› Formen: Hierzu zählen die einzelnen Kriminalitätsformen und die Ansätze der Partei zu deren Bekämpfung, die separat kodiert wurden. Migration und Asyl Der Themenkomplex Migration und Asyl unterteilt sich in zwei Bereiche: ›› Der erste Teil beinhaltet jegliche Aspekte, die sich auf Asylpolitik bzw. Aufnahme, Umgang, Unterbringung sowie Abschiebung von Geflüchteten beziehen. ›› Der zweite Unterpunkt adressiert hingegen allgemein die deutsche Integrationspolitik, Fragen zur Einwanderung sowie Staats bürgerschaft. 8
Die Methodik Die Kodierung mit MAXQDA Vorteile von MAXQDA Die Analyse mit MAXQDA bietet folgende Vorteile: Die Qualität der Wahlprogrammanalyse hängt in besonderem Maße von der Qualität der Kodie- Das strukturierende Kategoriensystem wird rung der Wahlprogramme in MAXQDA ab. Im induktiv erstellt und kann dadurch stets flexibel Folgenden werden zunächst MAXQDA und des- angepasst werden. Die unterschiedlichen und sen Vorteile kurz vorgestellt. Darauf aufbauend teils vielschichtigen Ansätze der Parteien müssen werden die Vorgehensweise zur Kodierung der nicht von vornherein in ein vorgegebenes Raster Wahlprogramme, die Maßnahmen zur Quali- „gepresst“ werden. tätssicherung sowie schließlich die Methodik zur Kongruenzwertanalyse ausführlich beschrieben. Mit MAXQDA können zahlreiche Ebenen erzeugt werden, wodurch die inhaltliche Tiefe einzelner Aufbau von MAXQDA Parteiprogramme adäquat abgebildet werden In der Liste der Dokumente (Fenster links oben) kann. Dadurch entstehen keine Informationsver- sind alle Wahlprogramme einzeln aufgelistet. Im luste aufgrund einer zu starken Reduktion oder Dokument-Browser (rechtes Fenster) erscheinen Komprimierung der Inhalte. die Texte der einzelnen Wahlprogramme. Hier werden die Segmente bzw. Textpassagen markiert Schließlich bleiben beim Kodieren alle Inhalte und kodiert. erhalten, d. h. die den Codes zugewiesenen Text- passagen können stets abgerufen, geprüft und Bei der Kodierung werden die markierten Text- bei Bedarf geändert werden. Dadurch sind alle segmente einem Kategoriensystem in der Liste der Kodierungen transparent verfügbar und nach- Codes (Fenster links unten) zugewiesen. Dieses vollziehbar. Kategoriensystem wird schrittweise entwickelt und kann – je nachdem, wie feingliedrig die Aus- wertung erfolgt – aus mehreren Ebenen bestehen. 9
Die Methodik Logik des Kategoriensystems: Text: „Wir brauchen einen neuen Generationen- Das III-Stufen-Modell vertrag und einen gesellschaftlichen Konsens Bei der Kodierung der Inhalte wird induktiv ein über die Anstrengungen, die für eine Stabilisie- Kategoriensystem entwickelt. Dabei werden rung des Rentensystems notwendig sind.“ alle Wahlprogramme in ein einheitliches Raster (SPD, S. 43) geordnet, wodurch die inhaltliche Vergleichbar- Code: „Rentensystem“ keit der einzelnen Programme erzeugt wird. STUFE II: Richtung Grundsätzlich gilt, dass alle Textpassagen, die Textpassagen auf der zweiten Stufe geben eine einem der oben angeführten Themenblöcke eindeutige Richtung der Partei wieder. Im Gegen- zuzuweisen sind, unabhängig vom jeweiligen satz zu Stufe I geht aus diesem Code eine klare Informationsgehalt kodiert werden. Dem unter- Wertung bzw. Positionierung hervor. schiedlichen Informationsgehalt von Text- passagen wird mit einer dreistufigen Differen- Häufig befinden sich hier Textpassagen, in denen zierung Rechnung getragen. Daher gibt es drei die Parteien eher allgemein davon sprechen, analytische Ebenen bzw. Stufen im Kategorien- bestimmte Bereiche zu „stärken“, zu „fördern“ und system in MAXQDA, die die unterschiedlichen sich „dafür einzusetzen“. So ist zwar zu erkennen, Informationsgehalte von Textpassagen wider- für was und wen sich die Partei stark machen spiegeln. möchte, wie sie dies konkret umsetzen möchte, geht hierbei allerdings nicht oder nur ansatzweise STUFE I: Struktur hervor. Die erste Stufe dient lediglich der Strukturierung der Inhalte und kann aus mehreren Ebenen in Text: „In Zeiten von Rekordeinnahmen müssten MAXQDA bestehen – je nachdem, wie viele Ebe- Haushalte und soziale Sicherungssysteme für nen zur Strukturierung notwendig sind. Die Ebe- die Zukunft fit gemacht und die Bürger entlastet nen in dieser Stufe lassen noch keinen direkten werden.“ (FDP, S. 16) Rückschluss auf die Positionen der Parteien zu, Code: „Steuern für Bürger*innen senken“ d. h. aus der Beschreibung dieser Ebenen kann keine Wertung bzw. Positionierung der Parteien „Wir wollen daher die Verfassungsschutz- abgeleitet werden. behörden grundlegend reformieren.“ (Bündnis 90/Die Grünen, S. 141–142) Auf dieser Stufe befinden sich häufig Text- Code: „Verfassungsschutz reformieren“ passagen, in denen die Parteien einen neuen Themenblock einleiten, eigene Errungenschaften STUFE III: Maßnahme aus der Vergangenheit anpreisen, auf Prob- Auf der dritten Stufe werden konkrete Positio- leme hinweisen oder oberflächlich davon spre- nen bzw. Maßnahmen der Parteien kodiert. Diese chen, dass in diesem Bereich mehr getan werden Maßnahmen werden – textlich – in Form von kom- muss – ohne dass daraus aber eine bestimmte primierten Statements angegeben, d. h. sie werden Richtung (Stufe II) oder gar konkrete Maßnahme als konkrete Forderung oder Meinung formuliert. (Stufe III) abzuleiten wäre. Jedes komprimierte Statement (Stufe III) kann – Text: „Wir brauchen einen starken Staat, der idealerweise – einer Richtung (Stufe II) zugewiesen sich schützend vor seine Bürgerinnen und Bürger werden. stellt und auch die Schwächeren schützt. Rechts- freie Räume dulden wir nicht. Die Union ist und Text: „Wir werden die Zahl der Polizisten in Bund bleibt die Partei der inneren Sicherheit.“ und Ländern noch einmal um 15 000 erhöhen.“ (CDU/CSU, S. 59) (CDU/CSU, S. 61) Code: „Polizei und Sicherheitsbehörden“ Code: „Personelle Kapazitäten der Polizei erhöhen“ 10
Die Methodik Text: „Wir Freien Demokraten wollen bei der kodierte Passage ist damit automatisch auch in Grunderwerbsteuer einen Freibetrag von bis den übergeordneten Codes bzw. Stufen enthalten zu 500.000 Euro für natürliche Personen ein- und wird dort gezählt. führen.“ (FDP, S. 123) Code: „Entlastung der Mittelschicht bei der Darüber hinaus ist es aber auch möglich, dass Grunderwerbssteuer“ eine kodierte Textpassage ausschließlich in Stufe II oder Stufe I enthalten ist. Daher entspricht die Automatische Zählung der kodierten Summe der kodierten Textpassagen aus Stufe III Textpassagen in übergeordneten Stufen nicht zwangsläufig der Anzahl an Codes in Stufe II. Grundsätzlich ist zu beachten, dass eine kodierte Am Beispiel der Linken zeigt sich, dass drei Codes Textpassage auf der Stufe III auch automatisch auf auf Stufe III verortet sind, wobei acht Codes auf den beiden übergeordneten Stufen gezählt wird. Stufe II liegen. Dies bedeutet, dass neben den drei In der unten stehenden Tabelle ist bspw. Die Linke Codes auf Stufe III weitere fünf Codes auf Stufe II auf Stufe III in dem Code „Strikte Einhaltung des verortet sind. Nichteinmischungsgrundsatzes“ enthalten. Diese Die CDU/ Außenpolitik Linke Grüne SPD FDP CSU AfD Sicherheit 43 51 37 24 18 11 Auslandseinsätze der Bundeswehr 8 5 4 5 1 2 Befürwortung von Auslandseinsätzen 0 5 4 5 1 0 der Bundeswehr Parlamentarische Kontrolle/Prüfung 0 3 1 1 0 0 der Angemessenheit Im Rahmen legitimierter Missionen/Völkerrecht 0 1 1 2 0 0 Militärische Interventionen als Ultima Ratio 0 1 1 1 0 0 Stärkung regionaler Kräfte im Kampf gegen 0 0 0 1 0 0 Terrorismus Ablehnung von Auslandseinsätzen 8 0 0 0 0 2 der Bundeswehr Keine Ausbildung/Beratung fremder 2 0 0 0 0 0 Streitkräfte Strikte Einhaltung des Nicht 1 0 0 0 0 1 einmischungsgrundsatzes Kein Einsatz deutscher Streitkräfte für 0 0 0 0 0 1 fremde Interessen 11
Die Methodik Qualität der Kodierung Das Ziel ist es, dass möglichst alle Parteien in Um eine möglichst hohe Qualität der Kodierung einem Themenpunkt verortet werden können, um zu gewährleisten, sind folgende Schritte unter- dadurch eine umfassende Vergleichbarkeit der nommen worden. Programme herzustellen. Interkoderreliabilität Das Prinzip der Angemessenheit Die Kodierung in MAXQDA erfolgte durch zwei Mit- Das Kategoriensystem in MAXQDA soll – wie oben arbeiter, die in einem ersten Schritt unabhängig beschrieben – ein möglichst einheitliches Ras- voneinander die Strukturierung und Katego ter der sechs unterschiedlichen Wahlprogramme risierung der Wahlprogramme vorgenommen sein, um eine angemessene Vergleichbar- haben. Im zweiten Schritt erfolgte die Diskussion keit zu ermöglichen. Eine angemessene Kate- und Vereinheitlichung des Kategoriensystems. Die- gorisierung ist vor allem vor dem Hintergrund ses Verfahren der Interkoderreliabilität erhöht die der Berechnung der Kongruenzwerte – also der Objektivität der Textanalyse und die Reproduzier- Übereinstimmungen zwischen zwei Parteien – barkeit der Ergebnisse, d. h. dass die Kodierung wichtig. zu einem anderen Zeitpunkt und/oder von einem anderen Forscher zu ähnlichen bzw. annähernd Dabei gibt es zwei Verfahren, um die Ange- identischen Resultaten führen würde. messenheit der Kodierungen sicherzustellen: Mehrere Kodier-Phasen und ›› Hohe Ähnlichkeit bzw. nur geringfügige gezieltes Nachkodieren Abweichung: Partei A fordert 10.000 neue Das induktive, schrittweise Erstellen des Katego Stellen bei der Polizei. Partei B fordert 15.000 riensystems hat zur Folge, dass einzelne Aspekte neue Stellen bei der Polizei. Rein theoretisch im Verlauf der ersten Kodier-Phase unterschiedlich sind dies zwei unterschiedliche Maßnahmen detailliert kodiert werden. So können Aspekte, die (Stufe II). Im Kontext des Themenbereichs zu Beginn als sehr relevant erachtet worden sind, sowie vor dem Hintergrund der Angemessen- im weiteren Verlauf des Kodierens (wenn wei- heit werden beide Forderungen jedoch in tere Programme kodiert werden) an Relevanz im einem Code gefasst, so dass beide Parteien Gesamtkontext einbüßen. Andersrum ist es auch hierin übereinstimmen. möglich, dass Aspekte, die zu Beginn als wenig relevant erachtet worden sind, im Verlauf der ›› Hohe Detailtiefe bzw. zu spezifischer Fokus: Kodierung an Relevanz gewinnen. Partei A ist die einzige Partei, die sich extrem detailreich zu einem bestimmten Thema Um diesem Problem zu begegnen, werden die äußert – keine andere Partei geht auf diesen Wahlprogramme einer zweiten Kodier-Phase unter- Aspekt ein. Dieser Themenbereich scheint ein zogen. Mit Hilfe der Erkenntnisse aus der ersten exklusives „Steckenpferd-Thema“ zu sein. In Kodier-Phase (alle Wahlprogramme) werden alle diesem Fall wird der Aspekt nicht detailreich Kodierungen erneut überprüft und gegebenen- kodiert, sondern nur unter einem Code (bzw. falls weiter ausdifferenziert oder komprimiert. wenige Codes) subsumiert. Würde dieser Aspekt sehr detailliert kodiert werden, dann In der dritten Kodier-Phase werden einzelne Teil- würde sich der Übereinstimmungswert mit aspekte gezielt bearbeitet und nachkodiert. Falls anderen Parteien sehr deutlich und unan- eine oder mehrere Parteien in einem Teilaspekte gemessen verringern. noch nicht verortet sind, ist erneut eine gezielte Suche nach möglichen Aussagen zu diesem Methodik der Kongruenzwertanalyse Aspekt möglich. Manchmal verorten die Par- Der Kongruenzwert von zwei Parteien gibt den pro- teien bestimmte Positionen oder Informationen zentualen Anteil an programmatischen Überein- in Themenbereichen, die bis dahin nicht Gegen- stimmungen in ihren Wahlprogrammen an. stand der Analyse gewesen sind. 12
Die Methodik Berechnungsgrundlage gezogen. Diese Basis ergibt sich aus der Anzahl Zur Berechnung des Kongruenzwertes werden die an maximal möglichen Übereinstimmungen Kodierungen aus Stufe II und Stufe III des Katego zwischen diesen beiden Parteien, d. h. die Basis riensystems berücksichtigt – Kodierungen aus von zwei Parteien bildet die Anzahl an Codes (auf Stufe I bleiben unberücksichtigt, da diese keine Stufe II und III), die für Partei A und/oder Partei B politische Programmatik wiedergeben. vergeben worden sind. Dies bedeutet, dass der Kongruenzwert nicht aus- Die Anzahl an Übereinstimmungen bzw. Matches schließlich den prozentualen Anteil an programma- (M) zwischen zwei Parteien ergibt sich daraus, wie tischen Übereinstimmungen bei konkreten Maß- oft zwei Parteien im gleichen Code verortet wor- nahmen (Stufe III) wiedergibt, sondern auch die den sind, d. h. wie oft zwei Parteien die gleiche übergeordneten Richtungen miteinbezieht. So wer- Richtung (Stufe II) oder Maßnahme (Stufe III) in den auch gleiche Tendenzen zweier Parteien als ihrem Wahlprogramm haben. Übereinstimmung gewertet und nicht nur die dar- unter subsumierten konkreten Programmpunkte. Der Kongruenzwert ist folglich der Quotient von Dadurch ist der Kongruenzwert sehr sensibel für Matches (M) und Basis (B) und berechnet sich die programmatische Nähe zweier Parteien. daher wie folgt: KW = M / B. Berechnung des Kongruenzwerts Beispiel zur Berechnung des Kongruenzwertes Zur Berechnung des Kongruenzwerts (KW) zwi- In der folgenden Grafik sind die Übereinstimmun schen zwei Parteien wird pro Partei-Paar jeweils gen der Parteien exemplarisch für das Thema Aus- eine individuelle Basis (B) zur Berechnung heran- landseinsätze der Bundeswehr dargestellt. Die CDU/ Außenpolitik Linke Grüne SPD FDP CSU AfD Sicherheit 43 51 37 24 18 11 Stufe I Auslandseinsätze der Bundeswehr 8 5 4 5 1 2 Befürwortung von Auslandseinsätzen 0 5 4 5 1 0 Stufe II der Bundeswehr Parlamentarische Kontrolle/Prüfung 0 3 1 1 0 0 der Angemessenheit Im Rahmen legitimierter Missionen/ 0 1 1 2 0 0 Völkerrecht Stufe III Militärische Interventionen als 0 1 1 1 0 0 Ultima Ratio Stärkung regionaler Kräfte im Kampf 0 0 0 1 0 0 gegen Terrorismus Ablehnung von Auslandseinsätzen 8 0 0 0 0 2 Stufe II der Bundeswehr Keine Ausbildung/Beratung fremder 2 0 0 0 0 0 Streitkräfte Strikte Einhaltung des Nicht 1 0 0 0 0 1 Stufe III einmischungsgrundsatzes Kein Einsatz deutscher Streitkräfte 0 0 0 0 0 1 für fremde Interessen 13
Die Methodik Stufe I, also die bloße Thematisierung von Aus- bestimmten Thema formuliert, tendenziell gerin- landseinsätzen der Bundeswehr (ohne Wertung), gere Kongruenzwerte aufweist. wird – wie oben dargestellt – nicht zur Berechnung des Kongruenzwerts herangezogen. ›› Nicht-Thematisierung bedeutet Nicht-Übereinstimmung Auf Stufe II zeigen Grüne, SPD, FDP und CDU/CSU eine Übereinstimmung, indem sie grundsätzlich Bei der Berechnung der Matches (M) werden Auslandseinsätze der Bundeswehr befürworten. ausschließlich Übereinstimmungen zwischen Die Linke und AfD stimmen in ihrer grundsätzlich zwei Parteien gezählt, während sich die Basis ablehnenden Haltung (Stufe II) überein. bereits dadurch ergibt, dass lediglich eine Partei zum jeweiligen Aspekt eine Aussage trifft. Dies Darüber hinaus stimmen Grüne, SPD und FDP bedeutet, dass nicht nur gegenteilige Positionen in drei weiteren Aspekten auf Stufe III überein – den Kongruenzwert verringern, sondern auch die CDU/CSU äußert hierzu keine weiteren, genau- dass die Nicht-Thematisierung (bei gleichzeitiger eren Maßnahmen bzw. Bedingungen. Linke und Thematisierung durch die andere Partei) eines AfD stimmen in einer konkreten Maßnahme auf Themenfelds zur Reduktion des Kongruenzwerts Stufe III überein. führt. Der Kongruenzwert für SPD und Grüne beträgt Beispiel: Die SPD formuliert 100 Positionen zum bei diesem Teilaspekt (Auslandseinsätze der Thema Arbeitsmarkt. Die FDP formuliert 10 Posi- Bundeswehr) 100 Prozent. Die Basis (B) beider tionen zum Themenfeld Arbeitsmarkt. Alle 10 Parteien sind vier Codes, wobei sie in allen vier formulierten Positionen der FDP decken sich mit Codes übereinstimmen (M). denen der SPD – sprich: 10 der 100 Positionen der SPD entsprechen denen der FDP. Obwohl alle Der Kongruenzwert von der Linken und der AfD von der FDP formulierten Positionen mit der SPD beträgt in diesem Fall 50 Prozent: Von insgesamt übereinstimmen, ist der Kongruenzwert beider vier maximal möglichen Übereinstimmungen (B) Parteien 10 Prozent, da die FDP bei den anderen stimmen sie in zwei miteinander überein (M). Der 90 Positionen der SPD keine Angaben macht. Kongruenzwert von CDU/CSU und SPD beträgt in diesem Fall 25 Prozent: Von insgesamt vier maxi- ›› Keine Gewichtung einzelner Themen mal möglichen Übereinstimmungen (B) stimmen sie in einem Code miteinander überein (M). Die Kongruenzwerte zweier Parteien in den einzel- nen Themenfeldern müssen stets vor dem Hinter- Der Kongruenzwert von den Linken und den Grü- grund betrachtet werden, dass sich die einzel- nen beträgt 0 Prozent (Basis: 7, Matches: 0). nen Themenfelder aus zahlreichen Kodierungen und sehr detailreichen Teilaspekten zusammen- Einordnung und Verständnis setzen. Dies bedeutet vor allem, dass alle darin des Kongruenzwerts enthaltenen Teilaspekte per se als gleich relevant Zum Verständnis und zur Einordnung des erachtet werden und keine Gewichtung einzel- Kongruenzwerts gibt es einige Faktoren, die zu ner Aspekte vorgenommen worden ist. So ist beachten sind: zur Berechnung des Kongruenzwerts bspw. das Thema „Vermögenssteuer“ gleich relevant wie das ›› Der Umfang des Wahlprogramms beeinflusst Thema „Ehegattensplitting“ oder wie die „Hal- den Kongruenzwert tung zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr“ – auch wenn diese in der politischen Diskussion Der Kongruenzwert wird zudem dadurch beein- unterschiedlich relevant eingestuft werden. flusst, wie umfangreich sich eine Partei zu einem bestimmten Themenfeld äußert. Dies bedeutet, ›› Der Vergleich der Kongruenzwerte zueinander dass eine Partei, die nur wenig zu einem ist entscheidend 14
Die Methodik Der Kongruenzwert zwischen zwei Parteien sollte ›› Freunde: Werte zwischen 25 Prozent und daher weniger als absoluter Übereinstimmungs- 35 Prozent verdeutlichen eine klare program- wert betrachtet werden – seine Erklärungskraft matische Affinität der beiden Parteien, die ergibt sich verstärkt aus dem Vergleich zu ande- nicht nur auf Allgemeinposten begrenzt ist, ren Kongruenzwerten. Demnach sind die Unter- sondern auch im Detail zu erkennen ist. schiede zwischen einzelnen Kongruenzwerten von stärkerer analytischer Bedeutung. ›› Familie: Werte über 35 Prozent deuten darauf hin, dass beide Parteien eine fundamental ›› Spannweite und Einordnung der ähnliche Programmatik aufweisen und bei Kongruenzwerte wichtigen, großen Fragen an einem Strang ziehen. Um ein Gefühl für die Höhe der einzelnen Kongruenzwerte zu erhalten, lassen sich diese ansatzweise in einzelne Stufen einteilen. Dabei ist anzumerken, dass dies keine festen, statischen Schwellenwerte sind – die Skalierung basiert viel- mehr auf unseren Einschätzungen, die sich im Zuge der Kodierung und Auswertung der Wahl- programme ergeben haben. Die Spannweite der Kongruenzwerte beschränkt sich größtenteils auf ein Spektrum von ungefähr 5 Prozent bis 50 Prozent. ›› Gegner: Werte unterhalb von 10 Prozent kön- nen vernachlässigt werden, da hiermit nur punktuelle Gemeinsamkeiten zum Ausdruck kommen. ›› Bekannte: Werte zwischen 11 und 19 Prozent sind sehr niedrige Übereinstimmungswerte. Trotz einiger weniger Gemeinsamkeiten bedeuten Werte unter 20 Prozent, dass hier keine besondere, auffällige oder nennens- werte Nähe zwischen den Parteien existiert. Oft beziehen sich die Gemeinsamkeiten hier nur auf eher allgemeine Positionen, die wenig kontrovers sind. ›› Verwandte: Werte von 20 Prozent bis 25 Pro- zent können als moderate bzw. durchschnitt- liche Übereinstimmung bezeichnet werden. Diese Werte verdeutlichen, dass beide Par- teien sich in zentralen Richtungsfragen oft einig sind, es bei den konkreten Maßnahmen aber immer wieder klare Unterschiede gibt. 15
Die Analyse Auf Grundlage der in MAXQDA kodierten Wahl- Positionsvergleich und inhaltliche Tiefe programme können drei analytische Outputs erzeugt werden: Das in MAXQDA erstellte Kategoriensystem, wel- ches die Struktur aller Wahlprogramme wiedergibt, ›› Erstens, ein Positionsvergleich, bei dem die wird für den Positionsvergleich als Kreuztabelle Positionen der Parteien in den einzelnen ausgegeben und entlang der einzelnen Parteien Wahlprogrammen in tabellarischer Form (Untergruppen) dargestellt. Die Reihenfolge der gegenübergestellt werden. dargestellten Parteien orientiert sich grob am Links-Rechts-Kontinuum. Dies bietet die Möglich- ›› Zweitens, die Dokumentportraits, bei denen keit, die einzelnen Positionen der Parteien ver- der Umfang sowie die Verteilung der einzel- gleichend zu betrachten. nen Themenfelder innerhalb der Wahl- programme visualisiert werden. Darüber hinaus ist es dadurch möglich, die Rele- vanz einzelner Themen bzw. Aspekte näher zu ›› Drittens, die Kongruenzwertanalyse, bei der beleuchten: Die Werte in den jeweiligen Zellen die programmatischen Übereinstimmungen geben die Anzahl an kodierten Textpassagen wie- zwischen den Parteien aufgezeigt werden. der, die zu dem jeweiligen Statement kodiert wor- den sind. Diese Werte liefern daher einen gewissen Bei den Dokumentportraits sowie der Kongruenz- Anhaltspunkt dafür, wie stark bzw. oft ein Aspekt wertanalyse orientiert sich die Reihenfolge der bei einer Partei thematisiert worden ist. In der betrachteten Parteien am Bundestagswahl Tabelle zeigt sich bspw., dass der Aspekt Auslands- ergebnis 2013. einsätze der Bundeswehr (bzw. deren Ablehnung) bei der Partei Die Linke (n=8) einen höheren Stellen- wert einnimmt als (deren Befürwortung) im Wahl- programm von CDU/CSU (n=1). Die CDU/ Außenpolitik Linke Grüne SPD FDP CSU AfD Sicherheit 43 51 37 24 18 11 Auslandseinsätze der Bundeswehr 8 5 4 5 1 2 Befürwortung von Auslandseinsätzen 0 5 4 5 1 0 der Bundeswehr Parlamentarische Kontrolle/Prüfung 0 3 1 1 0 0 der Angemessenheit Im Rahmen legitimierter Missionen/Völkerrecht 0 1 1 2 0 0 Militärische Interventionen als Ultima Ratio 0 1 1 1 0 0 Stärkung regionaler Kräfte im Kampf gegen 0 0 0 1 0 0 Terrorismus Ablehnung von Auslandseinsätzen 8 0 0 0 0 2 der Bundeswehr Keine Ausbildung/Beratung fremder Streitkräfte 2 0 0 0 0 0 Strikte Einhaltung des Nichteinmischungs 1 0 0 0 0 1 grundsatzes Kein Einsatz deutscher Streitkräfte für 0 0 0 0 0 1 fremde Interessen 17
Die Analyse Dadurch lassen sich auch die thematischen Beim Themenfeld Migration und Asyl (42 Prozent) Schwerpunkte der Parteien ablesen sowie die äußern sich die Parteien insgesamt detailreich, inhaltliche Tiefe der Auseinandersetzung, also wobei neben SPD, Grünen und Die Linke auch die wie konkret sich eine Partei zu bestimmten AfD in diesem Themenfeld hervorsticht. Aspekten äußert. In der Tabelle zeigt sich bspw., dass die CDU/CSU Auslandseinsätze der Bundes- Inhaltliche Tiefe der Wahlprogramme wehr per se befürwortet. Grüne, SPD und FDP nach Themenfeld gehen hier jedoch mehr ins Detail und knüp- fen ihre Befürwortung noch an bestimmte Arbeitsmarkt Bedingungen. Dies verdeutlicht, dass die CDU/ und Rente (38 %) 60 % CSU diesen Aspekt – anders als ihre politischen 50 % 40 % Mitbewerber – eher „oberflächlich“ thematisiert. 30 % Außenpolitik 20 % Finanzen und Zur Berechnung der inhaltlichen Details eines (39 %) 10 % Steuern (37 %) Wahlprogramms werden alle Codes gezählt, in denen eine Partei enthalten ist. Als Basis dienen wiederum alle Codes des Kategoriensystems. Migration und Asyl Innere Sicherheit ›› Im obigen Beispiel gibt es insgesamt zehn (42 %) (35 %) Codes innerhalb des Aspekts „Auslandsein- sätze der Bundeswehr“ (Basis n=10), die sich Die Linke (45 %) FDP (37 %) auf drei Stufen verteilen. Die Grünen (46 %) CDU/CSU (28 %) ›› Die Partei Die Linke kann beim Thema „Aus- SPD (48 %) AfD (24 %) landseinsätze der Bundeswehr“ in vier Codes verortet worden. Dies bedeutet, dass die Hierbei ist zu beachten, dass gerade der Ver- inhaltliche Tiefe des Wahlprogrammes von gleich der Wahlprogramme von CDU/CSU und der Partei Die Linke bei dem Aspekt „Aus- AfD aufgrund der oft wenigen inhaltlichen Details landseinsätze der Bundeswehr“ bei 40 Pro- beider Programme bzw. wenigen Positionen zu zent liegt (4 von 10). Die CDU/CSU ist hier bestimmten Themen häufig nur bedingt möglich lediglich in zwei Codes verortet – die inhalt- ist bzw. ein verzerrtes Bild wiedergibt: Wenn bei liche Tiefe beträgt demnach nur 20 Prozent zwei Parteien nur wenige Positionen zum Ver- (2 von 10). gleich stehen, dann genügen meist nur wenige Übereinstimmungen um sehr hohe Kongruenz- In der folgenden Grafik ist die inhaltliche Tiefe der werte zu erhalten. Hohe Kongruenzwerte müssen einzelnen Wahlprogramme bei den fünf Themen- somit nicht zwangsläufig auf eine insgesamt hohe feldern dargestellt. Hier zeigt sich insgesamt, Übereinstimmung der Parteien hinweisen. In der fol- dass die Wahlprogramme von SPD (48 Prozent), genden Analyse wird an den betroffenen Stellen Grünen (46 Prozent) sowie Die Linke (45 Prozent) darauf hingewiesen. eine größere Detailvielfalt aufweisen als die Pro- gramme von FDP (37 Prozent), CDU/CSU (28 Pro- zent) sowie AfD (24 Prozent). 18
Die Analyse Dokumentportraits Das Themengebiet Arbeitsmarkt und Rente nimmt insgesamt in den Wahlprogrammen von den fünf Durch Dokumentportraits können die flächen- untersuchten Themen mit 12,3 Prozent den größ- mäßige Verteilung, die Positionierung sowie die ten Raum ein. Darauf folgen Außenpolitik (9,1 Pro- flächenmäßige Größe einzelner Themenblöcke zent) sowie Finanzen und Steuern (7,2 Prozent). in den Wahlprogrammen dargestellt werden, Am wenigsten ausführlich werden insgesamt die wodurch die Priorisierung bestimmter Themen- Themenfelder Innere Sicherheit (5,8 Prozent) sowie felder deutlich wird. Hierzu werden die einzelnen Migration und Asyl (5,0 Prozent) thematisiert. Themenblöcke mit unterschiedlichen Farben ver- sehen. In der grafischen Ausgabe werden dann die Verteilung sowie der Umfang des jeweiligen Themenfelds dargestellt. Gemessen an der Anzahl der Wörter haben die Grünen insgesamt das umfangreichste Wahl- programm – dicht gefolgt von der Linken. SPD und FDP teilen sich in etwa Rang drei. Die Wahl- programme von CDU/CSU und AfD sind am kürzesten gehalten. Die fünf hier analysierten Themenfelder decken im Schnitt rund 39 Prozent der Wahlprogramme ab. Anzahl Wörter (Anteil in %) Anteil der Themenfelder innerhalb der Wahlprogramme Gesamtzahl Wörter in Gesamt Arbeits- Wahl (fünf markt Finanzen und Innere Migration Außen- Partei programm Themen) und Rente Steuern Sicherheit und Asyl politik CDU/CSU 20.169 37,0 % 12,0 % 7,1 % 5,1 % 4,2 % 8,3 % SPD 36.733 41,0 % 14,0 % 6,1 % 5,6 % 5,2 % 10,4 % Die Linke 56.814 36,0 % 13,7 % 6,4 % 4,2 % 4,0 % 7,3 % Die Grünen 65.499 33,0 % 7,8 % 3,4 % 5,1 % 6,6 % 9,8 % FDP 34.937 48,0 % 17,8 % 10,8 % 6,6 % 4,1 % 8,8 % AfD 16.809 42,0 % 8,2 % 9,4 % 8,4 % 6,2 % 9,7 % Durchschnitt- 38.494 39,4 % 12,3 % 7,2 % 5,8 % 5,0 % 9,1 % licher Anteil 19
Die Analyse Dokumentportrait: CDU/CSU Dokumentportrait: SPD In der folgenden Grafik ist das Dokumentportrait Ein ähnliches Bild zeigt sich beim Wahlprogramm des Wahlprogramms der CDU/CSU dargestellt. der SPD, wobei die SPD zu Beginn etwas ausführ- Es zeigt sich, dass der Themenblock Arbeitsmarkt licher den Bereich Arbeitsmarkt und Rente (14 Pro- und Rente (12 Prozent) größtenteils zu Beginn zent) thematisiert. Aber auch bei der SPD folgt des Programms thematisiert wird. Finanzen und daraufhin das Themenfeld Finanzen und Steuern Steuern (7 Prozent) werden eher im mittleren Teil (6 Prozent). In etwa der Mitte des Wahlprogramms angesprochen. Außenpolitik (8 Prozent), Innere äußert sich die SPD zu Fragen der Inneren Sicher- Sicherheit (5 Prozent) sowie Migration und Asyl heit (6 Prozent) sowie – direkt im Anschluss – (4 Prozent) sind hingegen eher am Ende des Pro- zu Migration und Asyl (5 Prozent). gramms verortet. Außenpolitik (10 Prozent) wird deutlich separierter, Verteilung und Umfang der Themenfelder jedoch auch etwas ausführlicher als bei der Union im Wahlprogramm von CDU/CSU am Ende des Wahlprogramms aufgegriffen. Verteilung und Umfang der Themenfelder im Wahlprogramm der SPD Arbeitsmarkt und Rente (12 %) Finanzen und Steuern (7 %) Innere Sicherheit (5 %) Migration und Asyl (4 %) Arbeitsmarkt und Rente (14 %) Außenpolitik (8 %) Finanzen und Steuern (6 %) Innere Sicherheit (6 %) Migration und Asyl (5 %) Außenpolitik (10 %) 20
Die Analyse Dokumentportrait: Die Grünen Verteilung und Umfang der Themenfelder Im Vergleich zu CDU/CSU und SPD ist das Wahl- im Wahlprogramm der Grünen programm der Grünen anders aufgebaut – die einzelnen Bereiche werden fast spiegelbildlich thematisiert. So wird der Bereich Außenpolitik (10 Prozent) vergleichsweise ausführlich zu Beginn des Programms abgehandelt. Dies ver- wundert nicht, da die Grünen ihren Wahlkampf stark auf europapolitische Fragen ausgerichtet haben. Migration und Asyl (7 Prozent) wird bei den Grü- nen am ausführlichsten unter allen Parteien sowie in der ersten Hälfte des Programms in Augenschein genommen. In etwa der Mitte des Wahlprogramms werden Fragen zur Inneren Sicherheit (5 Prozent) geklärt. Erst gegen Ende des Wahlprogramms äußern sich die Grünen zu den Themenbereichen Arbeitsmarkt und Rente (8 Prozent) sowie Finanzen und Steuern (3 Prozent). Im Vergleich zu den anderen Parteien haben diese beiden Themenfelder den geringsten Umfang im Wahlprogramm. Arbeitsmarkt und Rente (8 %) Finanzen und Steuern (3 %) Innere Sicherheit (5 %) Migration und Asyl (7 %) Außenpolitik (10 %) 21
Die Analyse Dokumentportrait: FDP Dokumentportrait: Die Linke Das Wahlprogramm der FDP zeigt ein eigenes Das Wahlprogramm der Linken beginnt wenig Muster, das nicht mit den anderen Parteien überraschend direkt und umfangreich mit dem vergleichbar ist. Der Themenbereich Arbeitsmarkt Themenfeld Arbeitsmarkt und Rente (14 Prozent). und Rente (18 Prozent) wird bei der FDP am aus- Im weiteren Verlauf tauchen die in dieser Stu- führlichsten sowie zu Beginn des Programms die relevanten Themenfelder nur noch flecken- besprochen. Daraufhin folgen Programmpunkte haft auf, wobei der Bereich Finanzen und Steuern zur Inneren Sicherheit (7 Prozent) sowie – etwas (6 Prozent) noch am prominentesten vertreten ist. verstreut – zu Migration und Asyl (4 Prozent). In der Auch der Themenbereich Migration und Asyl (4 Pro- zweiten Hälfte des Programms werden außen- zent) wird hier – eher mittig im Wahlprogramm – politische Themen (9 Prozent) angesprochen. Das etwas häufiger adressiert. Im letzten Drittel des Themenfeld Finanzen und Steuern (11 Prozent) Wahlprogramms verortet Die Linke zunächst ihre wird zwar ausführlich thematisiert, ist jedoch erst außenpolitischen Vorstellungen (7 Prozent). Zum am Ende des Programms positioniert. Ende werden auch die Innere Sicherheit (4 Prozent) und erneut Migration und Asyl angesprochen. Verteilung und Umfang der Themenfelder im Wahlprogramm der FDP Verteilung und Umfang der Themenfelder im Wahlprogramm von Die Linke Arbeitsmarkt und Rente (18 %) Finanzen und Steuern (11 %) Arbeitsmarkt und Rente (14 %) Innere Sicherheit (7 %) Finanzen und Steuern (6 %) Migration und Asyl (4 %) Innere Sicherheit (4 %) Außenpolitik (9 %) Migration und Asyl (4 %) Außenpolitik (7 %) 22
Die Analyse Dokumentportrait: AfD Kongruenzwertanalyse Das Wahlprogramm der AfD beginnt relativ aus- führlich mit Inhalten zur Außenpolitik (10 Prozent) – Die Kongruenzwertanalyse ist das Herzstück was angesichts der europakritischen Wurzeln der der Wahlprogrammanalyse mit MAXQDA. Der Partei nicht überrascht. Aber auch der Bereich Kongruenzwert von zwei Parteien gibt den pro- Finanzen und Steuern (9 Prozent) wird größten- zentualen Anteil an programmatischen Überein- teils gleich zu Beginn abgehandelt. Ebenfalls in stimmungen in ihren Wahlprogrammen wieder. der ersten Hälfte des Wahlprogramms werden die Im Folgenden werden – zur besseren Visualisie- Bereiche Innere Sicherheit (8 Prozent) sowie Migra- rung – stets die bekannten farblichen Kennungen tion und Asyl (6 Prozent) thematisiert. Gegen Ende der Parteien verwendet, die auch in den Medien des Programms geht die AfD auf Arbeitsmarkt und bzw. der breiten Öffentlichkeit verwendet werden. Rente (8 Prozent) sowie – erneut – auf den Bereich Finanzen und Steuern ein. Eine Betrachtung der Kongruenzwerte der Par- teien über alle fünf Themenfelder hinweg zeigt, Verteilung und Umfang der Themenfelder dass die Parteien des sogenannten linken Lagers im Wahlprogramm der AfD insgesamt die meisten Übereinstimmungen untereinander aufweisen, d. h. homogenere Wahl- programme haben: Die Wahlprogramme von SPD und Grünen (40 Prozent) haben demnach die meisten Übereinstimmungen – gefolgt von Linken und Grünen (33 Prozent). Würden die pro- grammatischen Unterschiede in einem Ranking angeordnet, nähmen SPD, Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke die ersten drei Plätze ein. AfD 50 % 40 % 30 % CDU/CSU Die Linke 20 % 10 % FDP Die Grünen SPD Arbeitsmarkt und Rente (8 %) Die Linke FDP Finanzen und Steuern (9 %) Die Grünen CDU/CSU Innere Sicherheit (8 %) SPD AfD Migration und Asyl (6 %) Außenpolitik (10 %) 23
Die Analyse 27 % 33 % 12 % 12 % 40 % 33 % 23 % 18 % 40 % 23 % 7% 26 % 27 % 26 % 8% 23 % 11 % 25 % 12 % 25 % 13 % 23 % 18 % 12 % 13 % 18 % 18 % 7% 8% 11 % Die Linke Die Grünen SPD FDP CDU/CSU AfD Die Linke SPD CDU/CSU Die Grünen FDP AfD Darüber hinaus ist zu erkennen, dass sich die keine konkreten Aussagen – beispielsweise in der Übereinstimmungswerte der „etablierten“ bzw. Rentenpolitik – enthält. AfD und Die Linke weisen „gemäßigten“ Parteien, d. h. von CDU/CSU, SPD, mit 7 Prozent insgesamt die geringste program- Grünen und FDP, eher „gleichmäßig“ verteilen. matische Übereinstimmung auf. Die Union und die FDP kommen im Vergleich zu den Werten innerhalb des linken Lagers lediglich Selbst unter der Berücksichtigung, dass in die auf einen moderaten Übereinstimmungswert von Kongruenzwertanalyse auch programmati- 25 Prozent. Ähnlich ist der Wert zwischen SPD und sche Tendenzen einfließen, erreichen die Über FDP (26 Prozent). Auch mit Bündnis 90/Die Grü- einstimmungen zwischen den Parteien keine nen stimmt die FDP in den untersuchten Themen- Werte von mehr als 40 Prozent in der Gesamt- feldern in 23 Prozent der Aussagen überein. betrachtung. Eine fundamentale Überein- stimmung gibt es folglich nicht. Die Linke positioniert sich sehr stark in Abgrenzung zu den bürgerlichen Parteien. Die AfD positioniert sich in starker Abgrenzung zu fast allen Parteien. Dies hängt nicht nur damit zusammen, dass die AfD versucht, sich konträr zu den anderen Parteien aufzustellen, sondern auch weil das Wahlprogramm der AfD überwiegend 24
Die Analyse Kongruenzwerte der CDU/CSU CDU/CSU: Arbeitsmarkt und Rente Insgesamt zeigt die CDU/CSU bei den Themen- Im Themenfeld Arbeitsmarkt und Rente zeigen sich feldern Arbeitsmarkt und Rente, Finanzen und insgesamt die geringsten Schnittmengen mit den Steuern sowie Außenpolitik die höchsten Überein- anderen Parteien, wobei die FDP (24 Prozent) die stimmungen mit ihrem „klassischen Koalitions- Ausnahme ist. Seltener sind die Schnittmengen mit partner“ FDP. Bei den Themenfeldern Innere der SPD (20 Prozent) und den Grünen (18 Prozent), Sicherheit sowie Migration und Asyl vertritt die FDP am geringsten mit der Linken (12 Prozent) und der hingegen deutlich andere Positionen. AfD (9 Prozent). Bei den Themenfeldern Innere Sicherheit sowie Innerhalb des Themenfelds Arbeitsmarkt und Migration und Asyl hat die CDU/CSU hingegen Rente lohnt sich auch ein Vergleich der beiden die meisten Übereinstimmungen mit der AfD. Unterkategorien Arbeitsmarktpolitik und Renten- Auch im Themenfeld Finanzen und Steuern über- politik, da es zwischen den beiden Unterkatego schneiden sich die Positionen der CDU/CSU mit rien erhebliche Diskrepanzen gibt: Die CDU/CSU denen der AfD etwas häufiger. Demgegenüber zeigt arbeitsmarktpolitisch die größten Schnitt- sind die Überschneidungen mit der AfD in den mengen mit der FDP (29 Prozent), rentenpolitisch Themenfeldern Arbeitsmarkt und Rente sowie jedoch die geringsten (9 Prozent). Außenpolitik am geringsten. Dies ist insoweit interessant, weil dieses Muster Der Vergleich zwischen CDU/CSU und SPD zeigt bei fast allen anderen Parteien in umgedrehter ein homogeneres Bild: Mit der SPD hat die Union Weise zu erkennen ist: So sind die Übereinstim in allen fünf Themenfeldern stets die zweitmeis- mungen der CDU/CSU in der Rentenpolitik vor ten Übereinstimmungen, wobei dies stärker allem mit der SPD und den Grünen stets größer für Außenpolitik sowie Finanzpolitik (28 Prozent) als in der Arbeitsmarktpolitik. und etwas seltener für Asylpolitik (23 Prozent), Innere Sicherheit (22 Prozent) sowie Arbeitsmarkt Mit der Linken sind die Übereinstimmungen in und Rente (20 Prozent) gilt. Auch zwischen CDU/ beiden Unterkategorien verschwindend gering. CSU und Grünen zeigt sich ein ähnliches Bild – wenn auch auf einem stets geringeren Niveau. CDU/CSU + AfD 50 % 40 % Die Linke ist programmatisch in fast allen 30 % Themenfeldern am weitesten vom Wahl- 20 % programm der Union entfernt. CDU/CSU + CDU/CSU + Die Linke 10 % FDP Arbeitsmarkt und Rente 50 % 40 % 30 % Außenpolitik 20 % Finanzen CDU/CSU + CDU/CSU + 10 % und Steuern Die Grünen SPD Arbeitsmarkt und Rente Arbeitsmarktpolitik Rentenpolitik Migration und Asyl Innere Sicherheit CDU/CSU + Die Linke Somit positioniert sich die CDU/CSU arbeits- CDU/CSU + Die Grünen marktpolitisch deutlich in Abgrenzung zu den CDU/CSU + SPD Parteien des „linken Lagers“. Bei einer genauen CDU/CSU + FDP Betrachtung des Themenfelds zeigt sich, dass CDU/CSU + AfD CDU/CSU und FDP eher am Erhalt bestehender 25
Die Analyse Bedingungen interessiert sind, wohingegen die Lediglich bei der SPD gibt es hier kaum einen SPD stärker arbeitsmarktpolitische Regelungen Unterschied, was vor allem daran liegt, dass reformieren möchte. Während Union und FDP CDU/CSU und SPD bei Fragen der Internationalen am gesetzlichen Mindestlohn festhalten und hier Steuer- und Finanzpolitik mit 29 Prozent viele bzw. insbesondere Nachbesserungen in der Entbüro- die meisten Schnittmengen aufweisen. kratisierung fordern, plädieren SPD, Bündnis 90/ Die Grünen und Die Linke für die Anhebung des CDU/CSU + AfD Mindestlohnniveaus und die Abschaffung von 50 % Ausnahmeregelungen. Auch rentenpolitisch hält 40 % die Union an dem bestehenden System bis 2030 30 % 20 % fest und steht den Forderungen von Reforman- CDU/CSU + CDU/CSU + Die Linke 10 % FDP sätzen der FDP derzeit konträr gegenüber. Da aber auch die meisten anderen Parteien das heikle Thema Rentenreform eher meiden, sind hier die Übereinstimmungswerte zu allen anderen Par- teien auf einem moderaten Niveau. CDU/CSU + CDU/CSU + Die Grünen SPD CDU/CSU: Finanzen und Steuern Im Themenfeld Finanzen und Steuern zeigen sich Finanzen und Steuern insgesamt die größten Schnittmengen mit den Nationale Steuer- und Haushaltspolitik anderen Parteien, wobei dies vor allem gegenüber Internationale Finanz- und Steuerpolitik FDP (31 Prozent) und SPD (28 Prozent) gilt. Etwas weniger Übereinstimmungen gibt es mit den Grü- nen (24 Prozent), der AfD (23 Prozent) und vor allem der Linken (17 Prozent). Der Kongruenzwert der Union mit der FDP (31 Prozent) liegt in diesem Themenfeld damit knapp im Bereich der „über- durchschnittlichen“ Übereinstimmung (Wert > 30). In diesem Themenfeld kann zwischen den Unter- kategorien Nationale Steuer- und Haushaltspolitik sowie Internationale Finanz- und Steuerpolitik unterschieden werden. Allerdings zeigen sich hier Unterschiede nur in Nuancen: So sind die Schnittmengen mit den anderen Parteien in der Nationalen Steuer- und Haushaltspolitik – außer mit der SPD – meist etwas größer als in der Inter- nationalen Finanz- und Steuerpolitik, wobei dieser Unterschied vor allem im Vergleich zur FDP zum Tragen kommt. 26
Die Analyse CDU/CSU: Migration und Asyl CDU/CSU: Innere Sicherheit Im Themenfeld Migration und Asyl zeigt sich ein Die Kongruenzwerte im Themenfeld Innere Sicher- kontrastreicheres Bild: Während die Schnitt- heit, zu dem auch Fragen zum Verfassungsschutz mengen mit AfD (28 Prozent) und SPD (23 Pro- sowie zu Aufbau und Ausstattung der Sicherheits- zent) hier vergleichsweise hoch ausfallen, sind behörden gehören, sind mit den Werten zu Migra- diese mit der FDP (17 Prozent), den Grünen tion und Asyl vergleichbar bzw. zeigen ein ähnli- (15 Prozent) sowie der Linken (11 Prozent) ver- ches Muster. gleichsweise gering. Einerseits sind die Übereinstimmungen zwischen Auch entlang der beiden Unterkategorien gibt es CDU/CSU und FDP auch beim Thema Innere Sicher- einige Unterschiede: Bezüglich der Integrations- heit (19 Prozent), welches starke gesellschafts- politik – hierzu gehören u. a. Fragen zu einem Ein- politische Komponenten beinhaltet (Freiheit vs. wanderungsgesetz, der Integration in den Arbeits- Sicherheit), geringer als in den anderen Themen- markt und ins Bildungssystem – zeigt die CDU/ feldern. Zudem sind die Schnittmengen mit den CSU ein eher ausgeglichenes Bild. Sie weist mit Grünen (15 Prozent) und der Linken (7 Prozent) allen Parteien sehr ähnliche, moderate Überein- hier besonders gering. stimmungswerte auf, die von 17 Prozent mit den Linken bis zu 23 Prozent mit der SPD reichen. Andererseits ist in diesem Themenfeld eine pro- grammatische Nähe zur AfD (25 Prozent) erkenn- Demgegenüber sind bei Fragen zur Asyl- bzw. bar, was in ganz besonderem Maß auf die Unter- Flüchtlingspolitik die Schnittmengen mit der AfD kategorie Strafverfolgungsmethoden (47 Prozent) (34 Prozent) am größten, mit der SPD (23 Pro- zutrifft. Allerdings sind diese hohen Überein- zent) auf einem moderaten Niveau und mit FDP stimmungswerte darauf zurückzuführen, dass (15 Prozent), Grünen (12 Prozent) sowie Linken die gemeinsame Basis von CDU/CSU und AfD (5 Prozent) verschwindend gering. bei diesem Aspekt sehr klein ist, d. h. beide Par- teien haben hierzu insgesamt nur wenige Aus- Die im Vergleich zu den meisten anderen Themen- sagen formuliert. Daher können auch wenige feldern geringen Schnittmengen mit der FDP sind Übereinstimmungen ausreichen, um einen hohen nicht überraschend, zeigt die FDP im Sinne des Kongruenzwert zu erhalten. In diesem Fall hat die gesellschaftspolitischen Liberalismus bei derar AfD lediglich drei Aspekte thematisiert – wobei tigen Themen stets eher Überschneidungen mit sie in allen drei mit der CDU/CSU übereinstimmt.1 den Parteien des „linken Lagers“. Daher sollte dieser Wert nicht überinterpretiert werden. Die Übereinstimmung mit der SPD fällt CDU/CSU + AfD im Themenfeld Innere Sicherheit mit 22 Prozent 50 % fast ähnlich aus. 40 % 30 % Darüber hinaus fällt auf, dass die CDU/CSU mit der 20 % CDU/CSU + CDU/CSU + SPD in der Unterkategorie Polizei und Justizwesen Die Linke 10 % FDP (40 Prozent) auffällig viele Schnittmengen aufweist. Die Kongruenzwerte der Unterkategorie Kriminali- tätsformen ergeben sich primär daraus, welche Kriminalitätsformen von den Parteien überhaupt CDU/CSU + CDU/CSU + thematisiert werden (Prioritäten). Die Union geht Die Grünen SPD hier am stärksten auf Cyberkriminalität, Alltags- Migration und Asyl kriminalität, Terrorismus, Ausländerkriminali- Asylpolitik und Flüchtlinge tät sowie Drogenkriminalität ein. In der Tendenz Einwanderung und Integration neigt die Union bei den Kriminalitätsformen eher 27
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