Spielraum individueller Arbeitszeitgestaltung und Potentiale zur Arbeitszeitverkürzung - Bettina Stadler, Franz Astleithner

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Spielraum individueller Arbeitszeitgestaltung und Potentiale zur Arbeitszeitverkürzung - Bettina Stadler, Franz Astleithner
Spielraum individueller Arbeitszeitgestaltung
und Potentiale zur Arbeitszeitverkürzung

Bettina Stadler, Franz Astleithner
Spielraum individueller Arbeitszeitgestaltung und Potentiale zur Arbeitszeitverkürzung - Bettina Stadler, Franz Astleithner
Inhalt
− Warum Arbeitszeitverkürzung (im Betrieb)?
− Statistische Eckdaten zu Arbeitszeit
− Betriebliche Potentiale zur Arbeitszeitverkürzung: Fallstudien in 5 Branchen
 • Produktion bzw. Vertrieb
 • Sozialwirtschaft
 • IT-Wirtschaft
 • Einzelhandel
 • Mineralölwirtschaft
− Synthese

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Spielraum individueller Arbeitszeitgestaltung und Potentiale zur Arbeitszeitverkürzung - Bettina Stadler, Franz Astleithner
Warum Arbeitszeitverkürzung (im Betrieb)
− Arbeitszeitverkürzung als Lösung für fast alles…
 • Arbeitslosigkeit
 • Gesundheit
 • Geschlechterunterschiede
 • Ökologische Transformation
 • Zeit für Weiterbildung, politische Engagement, Ehrenamt und ganz allgemein für ein besseres
 Leben
− Seit den 1980ern in ganz Europa nur mehr vereinzelt kollektive
 Arbeitszeitverkürzung, aber
 • Eine Dezentralisierung der industrielen Beziehungen
 • Heterogenisierung der Arbeitszeiten
 • Größere Dynamik innerhalb der Kollektivverträge und Betriebe

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Statistische Eckdaten zu Arbeitszeit: Länge

 Statistik Austria Mikrozensus Ad-hoc-Modul 2019, eigene Berechnungen 4
Statistische Eckdaten zu Arbeitszeit:
Wunschstundenlücken

 Statistik Austria Mikrozensus Ad-hoc-Modul 2019, eigene Berechnungen. Wunschstundenlücke: Wunscharbeitszeit minus normale Arbeitszeit von
 (Erst- und Zweittätigkeit). 5
Arbeitszeitwünsche im Detail – die
Sichtweise in Betrieben

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Analyse der Arbeitszeitverkürzung auf betrieblicher Ebene -
Methode
Studie im Auftrag der AK Wien
Leitfadeninterviews
− Jeweils 4 – 5 Interviews mit Betriebsrat, Beschäftigten und Management
− Zeitraum: Oktober 2020 bis April 2021
− Die Interviews wurden anschließend vollständig transkribiert und mit Hilfe einer
 Inhaltsanalyse ausgewertet

Interviews mit Expert:innen
− aus dem Bereich der Arbeitsforschung
− Vertreter:innen von Gewerkschaften
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Naturprodukte GmbH 
Unternehmen und Umfeld Arbeitszeitpraxis

• Sitz in einer ländlichen Region Österreichs • Die vertraglichen Arbeitszeiten sind sehr
 heterogen und an die Bedürfnisse der
• Produktion von kurz- und langlebigen Beschäftigten angepasst
 Konsumgütern und Handel mit diesen
 Gütern (Einzelhandel) • Es gibt kaum formale Regelungen (z.B.
 keine Betriebsvereinbarung)
• Der Großteil der Beschäftigten sind Frauen,
 viele in Teilzeit • Häufig lange Teilzeit
• Das Unternehmen bezahlt 10% über dem • Gründe für Teilzeit sind Kinderbetreuung,
 Kollektivvertrag, Mindestlohn 1.900 Euro aber auch z.B. zeitintensive Hobbies
 brutto • Längere Auszeiten, z.B. für große Reisen,
• Unterschiedliche Arbeitszeiten je nach sind ebenfalls möglich
 Unternehmensbereichen (Produktion,
 Verkauf, Verwaltung,..)
Sozialwerke GmbH ⚕ 
Unternehmen und Umfeld Arbeitszeitpraxis

• Sitz in zwei Bundesländern Österreichs • Arbeitszeitorganisation und Planung erfolgt
 innerhalb von Teams ein bis zwei Monate im
• Versorgt Menschen mit psychischen Voraus
 Erkrankungen mit Betreuung und Beratung
 • Über- und Mehrstunden sollen möglichst
• Meist hochqualifizierte Mitarbeiter:innen mit vermieden werden
 entsprechend höheren Einkommen
 • Dienste können kurzfristig getauscht
• Hoher Teilzeitanteil, Männer und Frauen, werden, wenn der Betrieb sichergestellt ist
 nur 15% Vollzeit
 • Längere Auszeiten, z.B. Sabbaticals, werden
• Häufig arbeiten sie noch in freier Praxis/bei befürwortet
 anderen Arbeitgebern
 • Auch von der Leitung in Anspruch
• Arbeitszeitpraxis ist mit Betriebsverein- genommen
 barungen abgesichert (z.B. zusätzliche freie
 Tage) • Die Arbeitnehmer:innen wünschen sich
 noch mehr Flexibilität (kurzfristige Wechsel,
 temporäre Auszeiten)
IT-Lösungen AG 
Unternehmen und Umfeld Arbeitszeitpraxis

• Teil eines internationaler börsennotierten • All-In-Beschäftigte haben häufig
 Konzerns überbordende Arbeitszeiten
• Das Unternehmen bietet angepasste • Arbeit über 12 Stunden und am
 Software-Lösungen Wochenende kommt vor, wird aber nicht
 geschrieben (ev. an einem anderen Tag)
• Die Belegschaft schrumpft
 • Das Management sieht die Verantwortung
• Der Frauenanteil liegt bei ca. 20% dafür bei den Beschäftigten
• Normalarbeitszeit 38,5 Stunden/pro Woche, • Mitarbeiter:innen wünschen sich Arbeit
 • ca. 50% der Beschäftigten (ab mittlerer Qualifikation) innerhalb des Rahmens der
 haben All-In-Verträge
 Normalarbeitszeit, erscheint aber nicht
• Hohe Gehälter auf Basis vieler erreichbar
 Arbeitsstunden
 • Die bis zu 9 zusätzlichen freien Tage werden
• Betriebsvereinbarung sehr geschätzt
 • Für All-In-Beschäftigte sind alle Fenstertage und die
 Zeit zwischen Weihnachten und Neujahr frei sind (bis
 zu 9 Tage/Jahr)
Einzelhandel GmbH
 
Unternehmen und Umfeld Arbeitszeitpraxis
• Vertreibt in großen Filialen Lebensmittel und • Dienstpläne werden zentral erstellt, sehr wenig
 andere Gegenstände des täglichen Flexibilität der Mitarbeiter:innen
 Gebrauchs • Diensttausch ist nur mit Zustimmung der
• Im Unternehmen arbeiten 80% Frauen, Vorgesetzen möglich
 Vollzeit gibt es nur für Filialleitungen und • Für Arbeit am Abend und am Samstag Nachmittag
 Mitarbeiter:innen in der Verwaltung gibt es Zeit- bzw. Geldzuschläge
• Die Mitarbeiter:innen werden in • Viele Mitarbeiter:innen möchten gerne mehr Geld,
 wechselnden Dienstplänen eingeteilt das Unternehmen gewährt nur Zeitausgleich
 • Zentrales Ziel: lange Öffnungszeiten • Ein Teil der Beschäftigten würde gerne die
 abdecken (Abend/Samstag)
 Stunden aufstocken, das Unternehmen stellt
• Die Löhne im Einzelhandel sind niedrig lieber weitere Teilzeitmitarbeiter:innen ein
Mineralöle AG ⛽
Unternehmen und Umfeld Arbeitszeitpraxis

• Im Unternehmen werden zentrale • Die neue Betriebsvereinbarung hat viele
 Dienstleistungen für ein großes Verbesserungen (z.B. mehr Zeitausgleich in
 Mineralölunternehmen erbracht ganzen Tagen) gebracht
• Viele Mitarbeiter:innen sind höher • Zum Teil wünschen sich die Mitarbeiter:innen
 qualifiziert noch mehr Flexibilität, fallweise jenseits
 gesetzl. Grenzen
• Vergleichsweise hohe Gehälter in der
 Branche und im Unternehmen • Teilzeit ist nur innerhalb von
 Elternteilzeitvereinbarungen (und Altersteilzeit)
• Zunehmend mehr Mitarbeiter:innen haben möglich
 einen All-In-Vertrag
 • Längerfristige Teilzeitarbeit wird nicht gewährt
• Seit 2020 gibt es eine neue
 Betriebsvereinbarung zur Gleitzeit • Nach Auszeiten (Karenz, Sabbatical) werden
 die Mitarbeiter:innen einem neuen Arbeitsplatz
 zugeteilt
 • Dies macht Auszeiten wenig attraktiv
Synthese
− Sehr große Heterogenität zwischen und innerhalb der Betriebe
− Unternehmenskultur ist wandelbar
 • Oft mangelt es nur am Glauben, dass etwas möglich ist
 • Bereitschaft und Einsicht der Führungskräfte ist prägend
 • Sind gewisse Praktiken einmal etabliert, verfestigen sie sich schnell
− Betriebsräte als Akteure der betrieblichen Arbeitszeitgestaltung
 • Betriebsvereinbarungen als Rückgrat betrieblicher Arbeitszeitpraxis
 • Bewusstseinsbildung für arbeitszeitbezogene Fragen im Betrieb

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Ansatzpunkte für kürzere Arbeitszeiten
− Lohnerhöhungen für Beschäftigte in Niedriglohnbranchen
 • Auch um Spielraum für Arbeitszeitverkürzung zu schaffen
 • Andernfalls droht auch bei der Arbeitszeitverkürzung eine „Zeit-Klassen-Gesellschaft“
− Förderung von Modellen der Arbeitszeitverkürzung, sei es gesetzlich, in
 Kollektivverträgen oder auf Betriebsebene
 • Experimente können den Weg für neue Modelle weisen
− Anerkennung von Teilzeitarbeit als Arbeitszeitverkürzung
 • Besonders auch Teilzeitarbeit, die von Frauen und aufgrund von Betreuung geleistet wird
− Lehren aus der Corona-Pandemie?

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Publikationen (Auswahl)
− Astleithner, Franz/Stadler, Bettina (2021). Möglichkeiten der Arbeitszeitverkürzung: Beispiele aus der
 Praxis, in: WISO, Vol. 3, 53–80 https://www.isw-linz.at/wiso/hefte/wiso-detail/magazin-detail/32021
− Stadler, Bettina (2021). Arbeitszeitverkürzung in österreichischen Kollektivverträgen. Status quo und
 Perspektiven, in: Müller, Martin/Reiff, Charlotte (Hrsg.): Arbeitszeit, Wien: Verlag des Österreichischen
 Gewerkschaftsbundes, 71–91
− Stadler, Bettina (2020). Intensivierung und Flexibilisierung von Arbeitszeiten: Wirkungen auf Gesundheit
 und Zufriedenheit, in: Griesbacher, Martin/Hödl, Josef/Muckenhuber, Johanna/Scaria-Braunstein, Karin
 (Hrsg.): Intensivierung der Arbeit: Perspektiven auf Arbeitszeit und technologischen Wandel, Wien: new
 academic press, 60–72
− Stadler, Bettina/Schönauer, Annika/Arlinghaus, Anna/Saupe, Bernhard/et al. (2020). Das Leben ist
 Synchronisation – Möglichkeiten und Formen sozialer Teilhabe vor dem Hintergrund atypischer
 Arbeitszeiten, in: sozialpolitik.ch, Vol. 2020(3), abrufbar unter:
 http://www.sozialpolitik.ch/article/content/480/show/167/
− Astleithner, Franz/Stadler, Bettina (2019). Arbeitszeitlänge im Kontext von Autonomie: Zeiterfassung als
 Instrument gegen interessierte Selbstgefährdung?, in: Zeitschrift für Arbeitswissenschaft, Vol. 73(4), 355–
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FORSCHUNGS- UND BERATUNGSSTELLE
ARBEITSWELT

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