Strategie Kanton Aargau energieAARGAU - Departement Bau, Verkehr und Umwelt

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Strategie Kanton Aargau energieAARGAU - Departement Bau, Verkehr und Umwelt
Strategie Kanton Aargau
     energieAARGAU
     Beschlossen vom Grossen Rat am 2. Juni 2015

     Departement
     Bau, Verkehr und Umwelt
1                                                 Kolumnentitel
Strategie Kanton Aargau energieAARGAU - Departement Bau, Verkehr und Umwelt
Vorwort

                  Vorwort

                  Gutes Klima für den Aargau

                  Der Name Energiekanton ist Auftrag und Ruf
                  zugleich. Seit rund hundert Jahren produziert der
                  Aargau mit seinen Flusskraftwerken an Rhein,
                  Aare, Reuss und Limmat das wertvolle Gut Strom.
                  Während für die Generation unserer Eltern und
                  Grosseltern die ausreichende Energieversorgung im
                  Zentrum des Interesses stand, geht es heute viel-
Stephan Attiger   mehr um Aspekte, die den Schutz der Umwelt, des
Regierungsrat     Lebens und der natürlichen Ressourcen betreffen.
                  So stellen sich für die Politik, die Wissenschaft und
                  die Gesellschaft ganz neue Aufgaben.

                  Sorgen bereiten die Abhängigkeit von fossilen
                  Energieträgern und damit verbunden die Erwärmung
                  der Erdatmosphäre sowie die steigende Nachfrage
                  nach Energie. Kaum ein anderes Thema hat derzeit
                  das Potenzial, so einschneidende politische Verände-
                  rungen hervorzubringen wie die nachhaltige Energie-
                  versorgung unserer Gesellschaft. Auch die Kantone
                  stehen in der Pflicht, in der Schweiz nachhaltige
                  Veränderungen herbeizuführen. Sie sind neben
                  dem Bund die Schlüsselakteure beim Erreichen der
                  klima- und energiepolitischen Ziele.

                  Für die Sicherung und Weiterentwicklung unseres
                  Energiesystems sind neue Technologien und
                  Lösungen gefragt. Als Energiekanton trägt der Aargau
                  dabei besondere Verantwortung. Jedoch wäre es
                  zu einseitig, das Etikett «Energiekanton» bloss der
                  Stromproduktion zuzuschreiben, nimmt doch der
                  Aargau seit jeher eine starke Stellung in der Elektro-
                  und Elektronikindustrie ein. Diese Position wollen
                  wir im Rahmen des Programms Hightech Aargau
                  weiter ausbauen.

                  Wie jede Strategie weist auch die vorliegende
                  kantonale Energiestrategie in die Zukunft. Mit ihr
                  stellen wir die Weichen für die bevorstehenden
                  Veränderungen.

                  Stephan Attiger
                  Regierungsrat

                                                                                3
Inhalt

Inhalt

                                                                    Seite

      Vorwort	                                                         3

      Zusammenfassung	                                                 7

1     Einleitung	                                                      8

1.1   Ausgangslage	                                                    8
1.2   Rahmenbedingungen	                                               9
1.3   Energiestatistik und Potenziale   	                             13
1.4   Ziele des Bundes 	                                              16
1.5   Handlungsbedarf	                                                17

2     Leitlinien und Hauptziele der Aargauer Energiepolitik	          18
2.1   Die drei kantonalen Leitlinien	                                 18
2.2   Die vier kantonalen Hauptziele	                                 20

3     Handlungsfelder und Strategien	                                 24
3.1   Handlungsfeld: Wasserkraft (erneuerbare Energien)	              25
3.2   Handlungsfeld: Neue erneuerbare Energien	                       30
3.3   Handlungsfeld: Nicht erneuerbare Energien                       37
3.4   Handlungsfeld: Gebäude                                          43
3.5   Handlungsfeld: Prozesse                                         49
3.6   Handlungsfeld: Mobilität                                        53
3.7   Handlungsfeld: Versorgungssicherheit und Energiespeicherung     57
3.8   Handlungsfeld: Querschnittsaufgaben                             64

4     Umsetzung	                                                      67
4.1   Gestalterische Freiräume der Kantone                            67
4.2   Zusammenarbeit mit Dritten                                      67
4.3   Auswirkungen auf das Energiegesetz                              68

      Abbildungsverzeichnis und Anhang	                               70

                                                                                 4
Zusammenfassung

Zusammenfassung

Die vorliegende Energiestrategie energieAARGAU            Der modulare Aufbau in Form von acht Handlungs-
zeigt die Stossrichtung der kantonalen Energiepolitik     feldern – welche grösstenteils der energetischen
für einen Zeithorizont von zehn Jahren auf. Sie ersetzt   Wertschöpfungskette folgen – soll die zukünftige
den Planungsbericht aus dem Jahr 2006.                    Planung und Beratung im Parlament erleichtern.
                                                          Jedes Handlungsfeld ist möglichst selbsterklärend
Bei der Überarbeitung der Strategie wurden der Ent-       und eigenständig dargestellt und enthält – neben
scheid von Bundesrat und Parlament zum Ausstieg           den bereits erwähnten Strategien – jeweils Ziele und
aus der Kernenergie, die Energiestrategie 2050 des        Zielpfade sowie Massnahmen. Dadurch können
Bundes, die Entwicklungen der Energie- und CO2 -          einzelne Massnahmen in mehreren Handlungsfeldern
Märkte und weitere nationale und internationale           vorkommen.
Entwicklungen berücksichtigt. Die Strategie ist
abgestimmt mit den übrigen kantonalen Strategien          Die aufgeführten Massnahmen zeigen auf, wie der
und Konzepten in den Gebieten der Raumplanung,            Kanton Aargau in Zukunft die ihm übertragenen
der Mobilität und der Umwelt.                             Aufgaben angehen wird. Die Unterscheidung von
                                                          bereits laufenden bzw. von weiterführenden Mass-
Die Energiepolitik wird in wesentlichen Teilen vom        nahmen soll verdeutlichen, in welchen Bereichen
Bund bestimmt. Der Kanton Aargau will aber in             der Kanton Aargau bereits aktiv ist und wo es noch
seinen Kompetenzbereichen die Möglichkeiten nutzen,       Potenziale gibt, um die Ziele einer nachhaltigen
die übergeordneten Zielsetzungen des Bundes               Gesellschaft zu erreichen.
zu unterstützen. Im Zentrum stehen die Steigerung
der Energieeffizienz und der Ausbau der erneuer-
baren Energien mit einem Schwerpunkt im Gebäude-
bereich. Aus diesem Grund orientiert sich die
Aargauer Energiepolitik an Leitlinien, welche auf den
drei Dimensionen der Nachhaltigkeit basieren und
auf den Erhalt der Versorgungssicherheit abzielen,
aber auch auf die Stärkung des Energiekantons.
18 Strategien in den Bereichen Strom- und Wärme-
erzeugung, Energieverbrauch sowie übergreifende
Aufgaben bilden hierfür die Grundlage.

Die in Kapitel 2 präsentierten Leitlinien definieren
den Rahmen für die vier übergeordneten kantonalen
Ziele, welche auf den Zielen der Energiestrategie
2050 des Bundes basieren. Im Kapitel 3 werden die
18 Strategien – eingebettet in acht Handlungsfelder –
vorgestellt und erläutert.

                                                                                                               5
Einleitung

1 Einleitung

1.1 Ausgangslage                                                        zusammengefasst, sodass eine koordinierte Beratung
                                                                        durch den Grossen Rat vereinfacht wird. Das
Die Energiestrategie energieAARGAU als Planungs-                        Energiegesetz sieht eine Überprüfung und allfällige
bericht gemäss § 8 GAF 1 zeigt die Stossrichtung                        Anpassung der kantonalen Ziele und Massnahmen
der kantonalen Energiepolitik für einen Zeithorizont                    mindestens alle fünf Jahre vor.
von zehn Jahren auf. Sie basiert auf dem kantonalen
Entwicklungsleitbild 2013 – 2022 und ersetzt energie-                   Kompetenzbereich der Kantone
AARGAU aus dem Jahr 2006. Gleichzeitig erfüllt                          Die Kantone verfügen in der Energiepolitik über einen
sie den Auftrag von § 13 des Energiegesetzes, wonach                    beschränkten Handlungsspielraum, da sie in wesent-
der Regierungsrat eine kantonale Energieplanung                         lichen Teilen vom Bund bestimmt wird. Der Kanton
auszuarbeiten hat. Obwohl im Energiebereich gegen-                      Aargau will aber die ihm zustehenden Kompetenzen –
wärtig noch zahlreiche politische Fragen offen                          insbesondere im Gebäudebereich, bei der Wasserkraft,
sind, soll mit der Erstellung einer kantonalen Energie-                 der Energieversorgung und -nutzung und im Bereich
planung nicht länger zugewartet werden.                                 der Information und Kommunikation – nutzen. Er unter-
                                                                        stützt damit auch die Zielsetzungen des Bundes. Im
Die Strategie aus dem Jahr 2006 hat in ihrer Grund-                     Rahmen seines Kompetenzbereichs kann der Kanton
ausrichtung nach wie vor Gültigkeit. Wichtige                           direkt im Sinne der kantonalen Energiestrategie
Rahmenbedingungen haben sich jedoch mit der Ener-                       Einfluss nehmen. Wo der Kanton über keine direkten
giestrategie 2050 des Bundes und dem Entscheid                          Kompetenzen verfügt, kann er mit Stellungnahmen
zum Ausstieg aus der Kernenergie geändert, sodass                       versuchen, seinen Einfluss geltend zu machen.
eine Aktualisierung der Energiestrategie des Kantons
Aargau angebracht ist.                                                  Zielpublikum
                                                                        Der Grosse Rat bestimmt mit diesem Planungsbericht
Die Energiestrategie und die kantonale Energie-                         die strategische Ausrichtung im Energiebereich
planung sind als Planungsbericht in einem Dokument                      (§ 8 Abs. 1 GAF). Er legt damit die mittelfristigen Ziele

    Abbildung 1: Zeithorizont Energiestrategie

    2010                           2020                            2030                        2040                      2050

      Energiestrategie Bund 2050

      Erstes Massnahmenpaket Bund 2035

      Kantonales Entwicklungsleitbild 2013 – 2022

      Kantonale Energiestrategie
                                      10 Jahre
      (energieAARGAU)
                                       Überprüfung der Zielerreichung (kantonale Energieplanung) 5 Jahre
      Aufgaben- und Finanzplanung (AFP)
      1 + 3 Jahre fortlaufend

1
    612.300 – Gesetz über die wirkungsorientierte Steuerung von Aufgaben und Finanzen (GAF).

6
Einleitung

in Anlehnung an die Vorgaben des Bundes fest und         Er fördert die Entwicklung von Energietechniken,
zeigt auf, mit welchen Massnahmen der Kanton die         insbesondere in den Bereichen der Energieeffi-
Ziele im Aufgabenbereich AB 615 (Energie) erreichen      zienz und der erneuerbaren Energien. Die Kantone
will (§§ 2 Abs. 2 und 13 EnergieG).                      sind vor allem für den Gebäudebereich zuständig.

Die kantonale Energiestrategie richtet sich aber auch
an die Gemeinden, die Bevölkerung, die Wirtschaft        1.2.1 Verbindung mit bestehenden Konzepten
und Organisationen, die alle von einer sicheren, wirt-
schaftlichen und nachhaltigen Energieversorgung          Entwicklungsleitbild
abhängig sind.                                           Mit dem Entwicklungsleitbild 2013 – 2022 hat der
                                                         Regierungsrat ein übergeordnetes Planungs-
Energiekanton Aargau                                     instrument geschaffen. Darin ist das Ziel verankert,
Der Kanton Aargau ist in der Schweiz als Energie-        die Energiepolitik nachhaltig zu gestalten. Die
kanton bekannt. Als Pionier der Wasserkraftnutzung       überarbeitete Energiestrategie richtet sich daher nach
und Gründungsmitglied der heutigen Axpo kann er          wie vor in sämtlichen Themen nach den Prinzipien
auf eine mehr als 100-jährige Geschichte im              der Nachhaltigkeit. Die Strategien versuchen jeweils
Energiebereich zurückblicken. Seit dem Einstieg der      eine Balance zwischen wirtschaftlichen, gesell-
Schweiz in die Kernenergie 1969 wurden drei der          schaftlichen und ökologischen Interessen zu finden.
fünf Kernkraftwerke auf dem Kantonsgebiet gebaut.
Diese decken rund 35 % des gesamtschweize-               Frühere kantonale Konzepte
rischen Strombedarfs. So überrascht es nicht, dass       Das erste Energiekonzept des Kantons Aargau von
sich der Aargau zu einem einzigartigen Standort          1975 /76 wurde parallel zur Energiekonzeption
mit Energieforschungsinstituten, Fachhochschule,         des Bundes erarbeitet. Als Folge der Erdölkrise 1973
Energie- und Elektrotechnik-Unternehmen und              sollte die einseitige Abhängigkeit der Schweiz
zahlreichen innovativen KMU entwickelt hat. Damit        vom Erdöl (damals basierten 80 % des Endenergie-
besitzt der Kanton Aargau gute Voraussetzungen,          verbrauchs auf Erdölprodukten) reduziert werden.
einen wesentlichen Beitrag zur Energiestrategie 2050     Ein weiterer Eckpfeiler bestand darin, eine wirtschaft-
des Bundes zu leisten.                                   liche und sichere Energieversorgung zu gewährleisten.

                                                         Das Energiekonzept von 1987 wurde im Hinblick
                                                         auf einen zweiten Anlauf zu einem kantonalen
1.2 Rahmenbedingungen                                    Energiegesetz in Auftrag gegeben. Mit dem Ziel, die
                                                         Akzeptanz für ein überarbeitetes Energiegesetz zu
Die Kompetenzen von Bund und Kantonen in                 verbessern, wurde das Konzept im Wesentlichen auf
Energiefragen werden in Artikel 89 der Bundes-           der ersten Ausgabe von 1975 /76 aufgebaut.
verfassung beschrieben: Bund und Kantone
setzen sich im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für          Mit der Energiestrategie energieAARGAU aus
eine sichere, breit gefächerte, wirtschaftliche          dem Jahr 2006 wurde die Energiepolitik dann an die
und umweltverträgliche Energieversorgung sowie           Entwicklungen im Bereich der Strommarktlibera-
für einen sparsamen und rationellen Energie-             lisierung und der Klimapolitik angepasst. Basierend
verbrauch ein. Der Bund legt dabei die Grundsätze        auf dem Prinzip der Nachhaltigkeit wurden strate-
fest und erlässt Vorschriften für den Energie-           gische Schwerpunkte und Umsetzungsmöglich-
verbrauch von Anlagen, Fahrzeugen und Geräten.           keiten für die aargauische Energiepolitik festgelegt.

                                                                                                               7
Einleitung

Energiestrategie 2050 Bund                                              welche ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen
Am 28. September 2012 hat der Bund im Rahmen der                        Folgen durch die Umsetzung entstehen. Die vorliegen-
Energiestrategie 2050 ein erstes Massnahmenpaket                        de Energiestrategie des Kantons Aargau nimmt die
für den schrittweisen Umbau der schweizerischen                         Resultate und Erkenntnisse des Energie Trialogs auf.
Energieversorgung in die Vernehmlassung geschickt.
Der Bundesrat will damit den Energieverbrauch                           Hightech Aargau
pro Person senken, den Anteil fossiler Energie redu-                    Hightech Aargau ist ein breit abgestütztes Programm
zieren und die nukleare Stromproduktion durch                           zur Unterstützung des Wirtschaftsstandorts Aargau.
Effizienzgewinne und den Zubau erneuerbarer Energie                     Es fördert in erster Linie den Austausch und die
ersetzen. Die Energieforschung soll verstärkt, und                      Zusammenarbeit zwischen KMU, international aus-
mögliche Stromlücken sollen vorübergehend durch                         gerichteten Unternehmen, Hochschulen sowie For-
Gaskraftwerke und Stromimporte gedeckt werden.                          schungseinrichtungen mit dem Ziel, den Unternehmen
                                                                        einen optimalen Zugang zu den besten verfügbaren
Für die Zeit nach 2020 plant der Bundesrat eine                         Technologien zu ermöglichen. Mit gesteigerter Inno-
weitere Etappe, in der die Klima- und die Energie-                      vation soll die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit
politik gemeinsam neu ausgerichtet werden sollen.                       der Aargauer Wirtschaft erhöht werden.
Mit einer ökologischen Steuerreform soll das Förder-
system kontinuierlich in Richtung eines Lenkungs-                       Die kantonale Energiestrategie gibt mit den strate-
systems entwickelt werden. Steuerliche Instrumente                      gischen Zielen vor, wie der Kanton Aargau die
sollen einen Anreiz schaffen, die Energieeffizienz                      zukünftige Energieversorgung nachhaltig gestalten
zu verbessern und den Energieverbrauch zu senken.                       will. In sämtlichen Bereichen, insbesondere im
                                                                        Bereich der erneuerbaren Energien und der Energie-
Energie Trialog «Neue Energiepolitik»                                   effizienz, sind beträchtliche Herausforderungen
Der Kanton Aargau, economiesuisse und der                               zu meistern. Neue Märkte entstehen, bestehende
WWF Schweiz haben in den Jahren 2012 / 2013 einen                       werden umgestaltet. Dazu werden im Bereich der
zweiten Energie Trialog 2 durchgeführt und rund                         Energietechnologie dringend innovative Produkte
15 Verbände und NGOs zu einem fachlichen Austausch                      und Dienstleistungen benötigt. Mit Hightech Aargau
zur bundesrätlichen Energiestrategie eingeladen.                        soll der Kanton Aargau diese Herausforderung als
Ziel war es, auf Basis der Energiestrategie 2050                        wirtschaftliche Chance nutzen können.
einen breit abgestützten, sachlichen Beitrag zur
politischen Meinungsbildung und Entscheidungs-
findung in Parlament und Gesellschaft zu erarbeiten.                    1.2.2 Internationale Entwicklungen

Der Schlussbericht vom 23. August 2013 enthält                          Die Schweizer Energieversorgung ist heute zu rund
die gemeinsam erarbeiteten Erkenntnisse, die                            80 % von Importen aus dem Ausland abhängig.
Einschätzungen der teilnehmenden Verbände und                           Daher ist die Schweiz eng mit den internationalen
benennt offene Fragen zuhanden des Bundes.                              Energiemärkten verflochten und stark von deren
Es zeigte sich, dass die Energiestrategie 2050 von                      Entwicklung abhängig. Die Schweizer Energiepolitik
allen Beteiligten grundsätzlich als technisch mach-                     ist somit vor grosse internationale Herausforderungen
bar betrachtet wird. Eine erfolgreiche Umsetzung                        gestellt. Für die Aufrechterhaltung der Schweizer
ist aber in hohem Mass von noch zu treffenden                           Versorgungssicherheit und das Erreichen der Nach-
politischen Entscheiden und deren Akzeptanz in der                      haltigkeitsziele ist daher eine enge Zusammenarbeit
Bevölkerung abhängig. Noch wird nicht aufgezeigt,                       mit dem Ausland unabdingbar.

2
    Der erste Energie Trialog wurde 2009 durchgeführt. Vgl. www.energiestrategie.ch

8
Einleitung

Globale Nachfrageentwicklung                                           Globale Preisentwicklung
Der globale Verbrauch an Primärenergie hat sich                        Die Preise für die Energierohstoffe Rohöl, Kohle
zwischen 1973 und 2012 mehr als verdoppelt                             und Erdgas unterliegen unterschiedlich starken
und beträgt heute etwa 12 476 Millionen Tonnen                         Schwankungen und haben sich in den vergangenen
Öläquivalente (Mtoe) 3. Der weltweit wichtigste                        Jahren verschieden entwickelt. Während beim
Energieträger ist nach wie vor Erdöl (33 %), gefolgt                   Erdöl seit Langem steigende Preise zu beobachten
von Kohle (30 %) und Erdgas (24 %). Die Kern-                          sind, führen beim Erdgas neue Fördertechniken
energie (4 %) spielt global eine untergeordnete Rolle.                 und neu entdeckte Ressourcen vor allem in Nord-
Erneuerbare Energien decken weltweit 8,6 % des                         amerika in den letzten Jahren zu tieferen Preisen.
Verbrauchs 3. Während der Primärenergieverbrauch                       Als Folge davon ist auch der Preis für Kohle unter
der OECD-Staaten, zu denen auch die Schweiz zählt,                     Druck geraten.
leicht rückläufig war, nahm er in den Nicht-OECD-
Staaten in den letzten 10 Jahren um etwa 4,5 % zu.                     In Europa hat sich in den vergangenen Jahren ein
Der gesamtschweizerische Anteil am globalen Primär-                    funktionierender Erdgasmarkt entwickelt, dessen
energiebedarf beträgt mit 14,2 Mtoe rund 0,1%.                         Preisbildung von globalem Angebot und Nachfrage
                                                                       nach Erdgas beeinflusst wird. In der Folge hat sich
Trotz aller Bemühungen in den Industrieländern, über                   dadurch die klassische Preisbindung von Erdgas an
Effizienzverbesserungen und Energiesparprogramme                       das Erdöl gelockert. Importe von billiger Kohle nach
den Energieverbrauch zu senken, wird erwartet, dass                    Europa beeinflussen zudem die aktuelle Strompreis-
der globale Energieverbrauch durch den Nachhol-                        entwicklung.
bedarf, die wirtschaftliche Entwicklung und den hohen
Bevölkerungsanstieg in den Schwellenländern bis                        Rohstoffreserven
2035 drastisch steigen wird. Nach Schätzungen der                      Vor dem Hintergrund des rasanten Anstiegs des
internationalen Energieagentur (IEA) könnte er bis                     Weltenergiebedarfs und dem damit verbundenen
2035 um mehr als ein Drittel ansteigen 4. Etwa 60 %                    Preisanstieg für Energierohstoffe stellt sich die
dieser Zunahme entfallen dabei auf China, Indien                       Frage nach den noch gewinnbaren Vorräten. Dabei
und den Nahen Osten (siehe Abbildung 2).                               ist es sinnvoll, zwischen Reserven und Ressourcen

    Abbildung 2: Erwarteter Anstieg des globalen Primärenergiebedarfs bis 2035 5

    Mtoe
    4500                                                                                     China
    4000                                                                                     Indien
    3500                                                                                     sonstiges Asien
    3000                                                                                     Russland
    2500                                                                                     Naher Osten
    2000                                                                                     übrige Welt
    1500                                                                                     OECD
    1000
     500
       0
           2000        2010         2015        2020           2025   2030        2035

3
     Vgl. «BP Statistical Review of World Energy» Juni 2013.
4
   	 Vgl. IEA World Energy Outlook 2012.
5
   	 Vgl. IEA World Energy Outlook 2011.

                                                                                                                              9
Einleitung

zu unterscheiden. Als Reserven gelten nachgewie-                            sogenannten «20-20-20-Ziele», die bis zum Jahr
sene Vorkommen, die unter den aktuellen Rahmen-                             2020 Folgendes anstreben:
bedingungen wirtschaftlich gefördert werden
können. Ressourcen hingegen basieren vorwiegend                             – eine Reduktion der Treibhausgasemissionen um
auf Schätzungen und können gegenwärtig noch                                   mindestens 20 % gegenüber 1990
nicht wirtschaftlich gefördert werden.                                      – eine Steigerung der Energieeffizienz um rund 20 %
                                                                            – sowie einen Anteil der erneuerbaren Energien am
Aufgrund der vorhandenen Reserven, Ressourcen                                 Gesamtenergieverbrauch von 20 %
und Infrastrukturen sollte die Versorgung mit fossilen
Rohstoffen für die nächsten Jahre gesichert sein.                           Mit ihrer Energiestrategie stützt sich die EU seit 2010
Politische Instabilitäten in den Förderländern, eine                        weiterhin auf die Schwerpunkte Energieeffizienz,
Unterbrechung der Transportwege und eine zu                                 Energiebinnenmarkt, Verbraucherschutz, Forschung
starke Abhängigkeit von den Förderländern können                            und Entwicklung sowie die Stärkung der Energie-
jedoch zu einem rasanten Preisanstieg oder einer                            aussenbeziehungen der EU.
temporären Verknappung führen.
                                                                            Der Schaffung und Vollendung eines europaweiten
Entwicklungen in Europa                                                     Energiemarkts kommt auf allen Ebenen eine wesent-
Die EU-Mitgliedstaaten verabschiedeten 2007 die                             liche Rolle zu. Damit der Binnenmarkt für Strom

     Abbildung 3: Gesamtpotenzial der Energierohstoffe 2012 6

                                                                                             7902 3102
                                                                     2083
                                                              1418
                  8151 4884
                                                                       17379
                                                                                                         98 175

                                 194 653

                                                                                 2247 4249                10 666   3152

                                                                        1223         7632
                                                                2204
                                                                             7473
                                           854
                                  1936
                                                                                                       187 670
                                               8097

                                                              Reserven (39 910 EJ)
                                                              kumulierte Förderung 2012 (508,5 EJ)
                                                              Ressourcen (521 521 EJ)

6
    1 Exajoule [EJ] = 1000 Petajoule [PJ] = 1018 Joule [J].

10
Einleitung

und Gas funktioniert und der notwendige grenzüber-            Gesprächen mit der EU die Absicherung ihrer
schreitende Netzausbau und die Integration der                Stellung im europäischen Energiemarkt im Vorder-
Ländernetze gefördert werden, wurden auf europä-              grund. Seit 2007 verhandelt die Schweiz mit der
ischer Ebene entsprechende Rahmenbedingungen                  EU über ein Stromabkommen. Fernziel der Verhand-
geschaffen.                                                   lungen ist ein umfassendes Energieabkommen mit
                                                              der EU, welches neben Elektrizität auch Themen
Schweiz / EU                                                  wie Energieinfrastruktur, Energieeffizienz und Erdgas
Durch die Verflechtung der Energiemärkte ist die              umfassen soll.
Schweiz von der europäischen Entwicklung im
Energiebereich (Europäischer Energiebinnenmarkt)
unmittelbar betroffen. Der Grundsatzentscheid des
Bundesrates vom 25. Mai 2011 zum schrittweisen                1.3 Energiestatistik und
Ausstieg aus der Kernenergie bedingt eine Neuaus-
richtung der Schweizer Energieversorgung. Dem
                                                                  Potenziale
Stromaustausch mit den Nachbarländern wird
dabei eine noch bedeutsamere Rolle zukommen.                  1.3.1 Entwicklung von Produktion
Die Schweiz hat daher grosses Interesse an einer                    und Verbrauch
Abstimmung zwischen den schweizerischen und den
europäischen Energiemärkten. Die Themen der                   Nationale Ebene
Zusammenarbeit reichen dabei von der Sicherung                Mit Ausnahme von Wasserkraft und Energieholz
der Versorgung in Europa über die Förderung                   verfügt die Schweiz über geringe Vorkommen an
erneuerbarer Energien bis hin zu Fragen der Energie-          klassischen Energierohstoffen. Sie ist damit zu 80 %
effizienz und der Forschungszusammenarbeit.                   auf Importe angewiesen. Importiert werden Erdöl
                                                              (Rohöl, Brenn- und Treibstoffe), Erdgas, Kohle und
Da die Schweiz ihrerseits als Stromdrehscheibe und            Kohleprodukte, nukleare Brennelemente und im
Transitland im europäischen Energiemarkt bereits              Winterhalbjahr Elektrizität. Der gesamtschweizeri-
seit Jahren eine Schlüsselrolle spielt, steht bei den         sche Energieverbrauch hat sich seit den 1950er

     Abbildung 4: Endenergieverbrauch nach Energieträgern 7

     Endverbrauch nach Energieträgern [TJ]
    1 000 000                                                                       Übrige erneuerbare Energien
                                                                                    Fernwärme
     800 000
                                                                                    Elektrizität
                                                                                    Gas
     600 000
                                                                                    Erdöltreibstoffe
                                                                                    Erdölbrennstoffe
     400 000
                                                                                    Müll und Industrieabfälle

     200 000                                                                        Kohle und Koks
                                                                                    Holz und Holzkohle
           0
                1910 1920 1930 1940 1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010

7
 	 Quelle: BFE, Schweizerische Gesamtenergiestatistik 2012.

                                                                                                                       11
Einleitung

Jahren mehr als verfünffacht (vgl. Abbildung 4). Im            Kantonale Ebene
Jahr 2012 lag der Endverbrauch bei rund 874 PJ                 Die vollständige Importabhängigkeit bei den fossilen
(243 TWh), wovon die elektrische Energie knapp ein             Energieträgern und den Kernbrennstoffen gilt
Viertel ausmacht (rund 60 TWh).                                auch für den Kanton Aargau. Die drei Kernkraftwerke
                                                               Beznau I und II sowie Leibstadt erzeugten in den
Rund 20 % des schweizerischen Endenergieverbrauchs             letzten Jahren rund 15 TWh elektrische Energie pro
sind erneuerbar, wobei die Wasserkraft dominiert.              Jahr, während die Stromproduktion aus der Wasser-
Demgegenüber stammten im Jahr 2012 rund 700 PJ                 kraft im Kanton ca. 3 TWh pro Jahr betrug. Damit
der nationalen Endenergienutzung aus nicht erneuer-            trägt der Kanton Aargau gut ein Viertel zur gesamt-
baren Quellen.                                                 schweizerisch produzierten Elektrizität bei. Mit dem
                                                               Entscheid des Bundesrates, schrittweise aus der
Die Aufteilung des Endverbrauchs nach Verbraucher-             Kernenergie auszusteigen, nimmt die Bedeutung der
gruppen hat sich in der Schweiz seit über 30 Jahren            erneuerbaren Stromproduktion künftig erheblich zu.
kaum verändert: Die Sektoren Industrie / Dienstleistung,       Die Stromproduktion aus erneuerbarer Wasserkraft
Verkehr und private Haushalte verbrauchen jeweils              deckt den aktuellen kantonalen Stromverbrauch zu
etwa ein Drittel der nachgefragten Energiemenge.               rund 60 %. Mit dem Wegfall der Kernenergie wird

     Abbildung 5: Anteil erneuerbarer Energien am schweizerischen Endenergieverbrauch 8

                                          Nicht erneuerbarer
                                          Endverbrauch 79 %
                                                                  Erneuerbarer
                                                                  Endverbrauch 21 %

     Abbildung 6: Stromerzeugung und -verbrauch im Kanton Aargau

     Elektrische Energie [TWh]
     20                                                                                Strom aus Kernkraftwerken
     18                                                                                Strom aus Wasserkraftwerken
     16                                                                                Stromverbrauch Aargau
     14
     12
     10
      8
      6
      4
      2
      0
          2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010 2011 2012

8
 	 Quelle: BFE, Schweizerische Gesamtenergiestatistik 2012.

12
Einleitung

der Kanton damit zu einem Stromimporteur. Um die                          Energien noch von einem deutlich grösseren Aus-
Lücke zu schliessen, hat auch der Kanton Aargau ein                       baupotenzial ausgegangen. Mit über 10 TWh weist
starkes Interesse an der Steigerung der Stromeffi-                        die Photovoltaik das grösste Zubaupotenzial auf.
zienz und am Ausbau der erneuerbaren Energien.                            Dasjenige von Geothermie und Windenergie liegt
                                                                          jeweils bei etwa 4 TWh. Abwasserreinigungs- (ARA)
                                                                          und Kehrichtverbrennungsanlagen (KVA) 9 sowie
1.3.2 Potenziale im Energiebereich                                        Biomasse-Anlagen weisen ein wesentlich geringeres
                                                                          Zubaupotenzial auf.
Der Fokus im Rahmen der Energiestrategie des
Bundes auf den Ausbau der Strom- und Wärme-                               Potenziale im Kanton Aargau
produktion aus erneuerbaren Energien bedeutet                             Die Produktion von Strom aus Wasserkraft ist im
für ein rohstoffarmes Land wie die Schweiz mehr                           Kanton Aargau bereits stark ausgebaut. Die Zubau-
Unabhängigkeit von Importen als auch die Chance,                          potenziale sind unter den gesetzlichen Rahmen-
sich mit innovativen Technologien für die Zukunft                         bedingungen marginal.
neu zu positionieren.
                                                                          Der Kanton Aargau hat eine Solarpotenzialanalyse
Stromproduktionspotenziale in der Schweiz                                 erstellt, welche die Sonneneinstrahlung auf die
                                                                          Gebäudedachflächen im Kantonsgebiet berechnet.
     Stromproduktionspotenzial                         Erwartet           Die Analyse zeigt, dass allein auf den gut geeigneten
     der erneuerbaren Energien                         in 2050            Dachflächen (jene mit «hoher» bis «sehr hoher»
     Wasserkraft                                       39,0 TWh           Sonneneinstrahlung) jährlich über 2,3 TWh elektrische
                                                                          Energie 10 erzeugt werden könnten.
     Photovoltaik                                      10,4 TWh

     Windenergie                                         4,0 TWh          Im Richtplan sind fünf mögliche Standorte für Gross-
     Geothermie                                          4,4 TWh          windkraftanlagen ausgewiesen. An diesen Standorten
                                                                          liessen sich jährlich rund 50 GWh elektrische Energie
     Biomasse (Holz)                                     1,1 TWh
                                                                          produzieren.
     Biogas                                              1,4 TWh
                                                                          Das Biomassepotenzial wird im Kanton Aargau
     ARA + KVA                                           2,1 TWh
                                                                          mit den bestehenden Anlagen bereits gut genutzt.
                                                                          Bei den Abwasserreinigungsanlagen verfügen von
Im Juni 2012 veröffentlichte der Bund eine Studie                         49 kantonalen Anlagen 30 über eine Biogasnutzung.
zur «Abschätzung des Ausbaupotenzials der Wasser-                         Die übrigen, kleineren Anlagen sollen gemäss kanto-
kraftnutzung im Rahmen der Energiestrategie 2050»                         nalem Umweltkonzept Abwasserreinigung vom
für die Stromproduktion. Darin rechnet der Bund,                          Juni 2014 zusammengeschlossen oder aufgehoben
dass unter optimierten Nutzungsbedingungen –                              werden. Potenzial besteht noch bei der energe-
ohne Lockerung der Umwelt- und Gewässerschutz-                            tischen Nutzung von Holz und Hofdünger. Eine erste
bestimmungen, aber mit verbesserten wirtschaftli-                         Potenzialabschätzung geht davon aus, dass damit
chen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen –                           jährlich etwas über 100 GWh elektrische Energie
die Jahresproduktion der Wasserkraft bis 2050                             produziert werden könnten.
um 3,2 TWh auf 39 TWh erhöht werden kann. In den
Grundlagen für die Energiestrategie des Bundes                            Das theoretische Potenzial der Tiefengeothermie ist
(vom Mai 2011) wird bei den neuen erneuerbaren                            sehr gross. Zurzeit befindet sich die Tiefengeo-

9
     Bei der Kehrichtverbrennung wird nur der erneuerbare Anteil der Stromproduktion (50 % biogen) berücksichtigt.
10
     Die zur Wärmeproduktion benötigte Dachfläche wurde mit 2 m2 pro Person berücksichtigt.

                                                                                                                             13
Einleitung

thermie jedoch noch in der Forschungs- und Ent-            darin in erster Linie auf eine konsequente Erschliessung
wicklungsphase. Zudem ist die Wirtschaftlichkeit           der vorhandenen Energieeffizienzpotenziale und in
der Tiefengeothermie in der Schweiz zurzeit noch           zweiter Linie auf eine ausgewogene Ausschöpfung
fraglich und die Realisierung von Projekten mit            der vorhandenen Potenziale der Wasserkraft und der
finanziellen Risiken verbunden. Eine grössere Strom-       neuen erneuerbaren Energien. In einer zweiten
produktion ist in den nächsten zehn Jahren                 Etappe der Energiestrategie 2050 will der Bundesrat
(Betrachtungshorizont) deshalb kaum zu erwarten.           das bestehende Fördersystem durch ein Lenkungs-
                                                           system ablösen.
Im Aargau ist mindestens ein grosser Permo-
Karbon-Trog mit Kohlevorkommen nachgewiesen.               Der durchschnittliche Energieverbrauch pro Person
Zudem werden im Mittelland Schiefergasvor-                 und Jahr soll gegenüber dem Referenzjahr 2000 bis
kommen vermutet, deren Förderungsmethode                   2020 um 16 % und bis 2035 um 43 % gesenkt werden.
(Fracking) jedoch umstritten ist. Auch Erdgas-             Im selben Zeitraum ist vorgesehen, dass der durch-
vorkommen werden auf dem Kantonsgebiet ver-                schnittliche Stromverbrauch pro Person und Jahr
mutet. Für genauere Potenzialabschätzungen                 gegenüber dem Referenzjahr 2000 um 3 % (bis 2020)
sind jedoch Voruntersuchungen notwendig. Diese             respektive um 13 % (bis 2035) gesenkt wird.
unterstehen der Bewilligungspflicht nach dem
Gesetz über die Nutzung des tiefen Untergrunds             Die Stromproduktion aus neuen erneuerbaren
und die Gewinnung von Bodenschätzen (GNB).                 Energien soll bis 2020 mindestens 4,4 TWh betragen,
                                                           bis 2035 sollen es mindestens 14,5 TWh sein.
                                                           2013 lag der Anteil der neuen erneuerbaren Energien
                                                           an der Netto-Elektrizitätsproduktion bei insgesamt
1.4 Ziele des Bundes                                       3,4 % oder rund 2,25 TWh. Bei der Produktion
                                                           von Elektrizität aus Wasserkraft wird ein Ausbau
Bundesrat und Parlament haben im Jahr 2011 einen           der durchschnittlichen inländischen Produktion
Grundsatzentscheid für einen schrittweisen Ausstieg        auf mindestens 37,4 TWh im Jahr 2035 angestrebt.
aus der Kernenergie gefällt: Die bestehenden fünf
Kernkraftwerke sollen am Ende ihrer sicherheitstech-       Diese Ziele sind noch nicht durch das Bundespar-
nischen Betriebsdauer nicht durch neue Kernkraft-          lament verabschiedet worden, bilden aber dennoch
werke ersetzt werden. Der Bundesrat hat als Folge          die Grundlage der vorliegenden Energiestrategie.
davon die Energiestrategie 2050 erarbeitet. Er setzt       Die Ziele des Bundes werden vom Energie Trialog

     Im Gesetzesentwurf zur Energiestrategie 2050 sind folgende Ziele aufgeführt:

     Stromproduktionsziele des Bundes                                               2020            2035

     Elektrizität aus neuen erneuerbaren Energien                                   4,4 TWh         14,5 TWh

     Elektrizität aus Wasserkraft                                                   –               37,4 TWh

     Energieverbrauchsziele des Bundes

     Reduktion des jährlichen Pro-Kopf-Energieverbrauchs                            16 %            43 %

     Reduktion des jährlichen Pro-Kopf-Elektrizitätsverbrauchs                          3%          13 %

14
Einleitung

Schweiz grundsätzlich als technisch machbar betrach-                      Die dafür entscheidenden Entwicklungen finden
tet. Eine erfolgreiche Umsetzung ist aber in hohem                        weder im Kanton Aargau noch in der Schweiz statt. 11
Mass von noch zu treffenden politischen Entscheiden
und deren Akzeptanz in der Bevölkerung abhängig.                          Spezifische Herausforderungen
                                                                          im Kanton Aargau
                                                                          Mit gutem Vorbild voranzugehen und mit den
                                                                          passenden Innovationen Lösungen für die Zukunft
1.5 Handlungsbedarf                                                       zu entwickeln ist eine der grössten Herausforde-
                                                                          rungen. Die Umsetzung zukünftiger Energie- und
Zwischen der Energie- und der Klimapolitik bestehen                       Klimastrategien soll dabei den Wirtschaftsstandort
grosse Synergien. Mit der Weiterverfolgung der                            und die Innovationskraft des Kantons Aargau
klimapolitischen Ziele und der Berücksichtigung des                       stärken. Aufbauend auf den beschriebenen allge-
gesamten Energiesystems sollen diese Synergien                            meinen Herausforderungen ergeben sich für
in der Aargauer Energiepolitik genutzt werden.                            den Kanton Aargau folgende spezifische Aufgaben:
energieAARGAU konzentriert sich mit seinen Zielen
und Massnahmen zwar primär auf den Bereich                                – Sicherstellung der Versorgungssicherheit
Energie. Mit den Zielen in den Bereichen Energie-                           (Erhalt und Weiterentwicklung der Energienetze,
effizienz und erneuerbare Energien kann jedoch                              Integration neuer erneuerbarer Energien)
gleichzeitig der Anteil der fossilen Energieträger                        – Integration dezentraler Produktionsanlagen in
vermindert werden. Zudem unterstützt der Kanton                             die bestehende Netzinfrastruktur
Aargau die aktive Klimapolitik des Bundes, welche                         – Schrittweise Dekarbonisierung der Mobilität
auf die Einhaltung des international anerkannten                            sowie der Wärmebereitstellung in Gebäuden und
2-Grad-Zieles des Weltklimarates IPCC zielt.                                Prozessen (Treib- und Brennstoffe). Speziell bei
                                                                            der Mobilität soll dies in Abstimmung mit dem
Allgemeine Herausforderungen                                                Bund geschehen.
Damit eine nachhaltige Energieversorgung auf                              – Schaffung stabiler Rahmenbedingungen für die
Basis der heutigen Klimaziele erreicht werden kann,                         langfristige Gewährleistung der Investitions-
sind eine Reihe allgemeiner Herausforderungen zu                            sicherheit (Gebäude, Energienetze, erneuerbare
meistern. Zum Beispiel:                                                     Energieproduktion)
                                                                          – Kompetenzen-Regelung zwischen Bund, Kantonen
– Entkoppelung des Energiebedarfs vom Brutto-                               und Gemeinden
  inlandprodukt (BIP) und Stabilisierung                                  – Optimaler Mix der einzusetzenden energie-
  beziehungsweise Senkung des Energieverbrauchs                             politischen Instrumente (regulative, finanzielle,
– Abstimmung von Energie- und Klimapolitik                                  persuasive, strukturelle)
– Abstimmung der Tätigkeiten mit der EU
– Umgestaltung der Energiemärkte (Nachhaltigkeit,
  Wirtschaftlichkeit und Konkurrenzfähigkeit,
  Systemwechsel von Fördermassnahmen hin zu
  Lenkungsmassnahmen)

Dabei muss berücksichtigt werden, dass die grössten
energiewirtschaftlichen Herausforderungen nicht von
der Energiewirtschaft allein gelöst werden können.

11
     vgl. Abbildung 2: Erwarteter Anstieg des globalen Primärenergiebedarfs 2035.

                                                                                                                             15
Leitlinien und Hauptziele der Aargauer Energiepolitik

2 Leitlinien und Hauptziele der
  Aargauer Energiepolitik

2.1 Die drei kantonalen Leitlinien                              erneuerbaren Energien unter Einhaltung
                                                                der Klimaziele richten sich nach folgenden
Die Klimaproblematik und die Endlichkeit der fossilen           Leitlinien:
Ressourcen erfordern eine nachhaltige Energie-
versorgung, wie sie unter anderem in der Vision der             – Nachhaltige Entwicklung
2000-Watt-Gesellschaft angestrebt wird. Mit der                 – Stärkung des Energiekantons
Umsetzung der Energiestrategie 2050 des Bundes                  – Erhaltung der Versorgungssicherheit
werden die Ziele der 2000-Watt-Gesellschaft noch
nicht erreicht, sie führt jedoch in diese Richtung.
Die aargauische Energiepolitik leistet mit einer ratio-         2.1.1 Leitlinie Nachhaltige Entwicklung
nellen Energienutzung und der Förderung von
erneuerbaren Energien ihren Beitrag dazu.                       Der Kanton Aargau hält im Rahmen der Revision der
                                                                kantonalen Energiestrategie an den Klimazielen
Bei der Erreichung der Ziele sind die Wettbewerbs-              fest und verfolgt das Ziel der langfristigen Substitution
vorteile des Aargaus konsequent zu nutzen. Der                  der fossilen Brenn- und Treibstoffe.
Aargau ist Standortkanton einer schweizweit einzig-
artigen Kombination aus Energieforschung,                       Die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen
Fachhochschule, Energie- und Elektrotechnik-Unter-              auch für die kommenden Generationen kann nur
nehmen, energieintensiver Industrie (Kunststoff-,               gelingen, wenn alle Nutzer von natürlichen Ressourcen
Maschinen- und Metallindustrie) und vieler innova-              ihren Beitrag leisten. Dazu gehört ein effizienter
tiver KMU. Diese einmalige Konstellation soll genutzt           Umgang mit Ressourcen sowie die Schliessung von
werden, um eine Vorreiterrolle einzunehmen, Themen              Stoffkreisläufen. Die Aufgabe des Kantons muss es
aktiv vorzugeben und «intelligente» Lösungen für                sein, private Haushalte, die Wirtschaft, aber auch die
die Zukunft zu entwickeln, welche die Umsetzung                 Gemeinden frühzeitig in den Prozess einzubinden.
der Energiestrategie 2050 ermöglichen.                          Die Rahmenbedingungen sind so zu gestalten, dass
                                                                die ambitionierten Ziele von allen partizipierenden
Die Strategien der kantonalen Energieplanung zur                Interessengruppen erreicht werden können.
Steigerung der Energieeffizienz und zum Ausbau der              Im Rahmen einer nachhaltigen Energiepolitik sind

     Abbildung 7: Verflechtung und Zusammenhänge der Leitlinien

                                           Erhaltung der          Nachhaltige
                                           Versorgungs-           Entwicklung
                                           sicherheit
     Steigerung Energieeffizienz und                    Energie-                   Erreichen der Klimaziele
                                                        strategie
     Ausbau erneuerbarer Energien

                                                        Stärkung des
                                                        Energiekantons

16
Leitlinien und Hauptziele der Aargauer Energiepolitik

dabei die sozialen, ökonomischen und ökologischen                              Entwicklung und Schaffung von Technologiegütern,
Aspekte zu berücksichtigen. Dies beinhaltet eine                               Verfahren und Dienstleistungen bis zur Produktion,
vermehrte Betrachtung über den gesamten Lebens-                                Speicherung, Übertragung, Verteilung und Nutzung
zyklus: von der Herstellung bis hin zur Entsorgung                             von Energie. Aufgabe des Kantons ist es, diesen
respektive zum Recycling oder Rückbau. Dabei ist es                            Unternehmen günstige Rahmenbedingungen zu
z. B. wichtig, das Produktdesign für das Recycling zu                          bieten. Dazu gehört neben Massnahmen wie der
optimieren, sodass die ökonomischen, ökologischen                              Schaffung des Programms «Hightech Aargau» oder
und sozialen Auswirkungen möglichst gering sind.                               des Innovationsparks «PARK innovAARE» auch die
                                                                               Sicherstellung des Fachkräfteangebots, v. a. durch
                                                                               entsprechende Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten.
2.1.2 Leitlinie Stärkung des Energiekantons
                                                                               Die hoch spezialisierten Unternehmen im Bereich der
Durch die grosse Bedeutung der Energie stellt die                              Energie- und Elektrotechnologie sind im Kanton
Neuausrichtung der Energiepolitik eine grosse                                  Aargau wirtschaftlich besonders stark vertreten und
Herausforderung für den Energiekanton Aargau dar.                              werden mit guten künftigen Entwicklungschancen
Der Ausstieg aus der Kernenergie betrifft langfristig                          bewertet, weil dieser Wirtschaftssektor weltweit ein
zahlreiche hoch qualifizierte Arbeitsplätze. Er bietet                         grosses Marktpotenzial aufweist.
aber auch neue Chancen. Auf dem Gebiet des
Kantons sind bedeutende Einrichtungen aus dem                                  Mit einem Standortquotienten 13 von 4,4 sind die
gesamten Energieumfeld angesiedelt. Neben Unter-                               Hersteller von elektrischer Ausrüstung im Kanton
nehmen aus den Bereichen Energie- und Elektro-                                 Aargau viermal stärker vertreten als im Schweizer
technik, dem Anlagen- und Maschinenbau zählen                                  Durchschnitt. Dabei verfügen die im Aargau und
hierzu auch schweizweit führende Forschungsinsti-                              in den Nachbarregionen angesiedelten Unternehmen
tute. Mit dieser überaus bedeutsamen (Energietech-                             dieses Sektors über erfolgreiche Positionen im
nologie-)Branche kann der Kanton von der Trans-                                internationalen Markt.
formation im Energiesektor überdurchschnittlich
profitieren. Der Tätigkeitsbereich der Unternehmen                             In Zukunft soll der Energiekanton nicht nur mit der
und Institutionen in dieser Branche reicht von der                             Elektrizitätserzeugung verbunden werden. Vielmehr

     Abbildung 8: Chancen-Risiken-Profil Aargau 12

                                                                 Grosshandel           Elektrotechnik
      hoch                            Gesundheitswesen
                                                                           Detailhandel
                              Öffentliche Verwaltung                        Maschinenbau
          Branchenbewertung

                                                                          Autogewerbe                       Dienstleistungen
                                       Unterrichtswesen
                                                                          Metallerzeugnisse                 Land- und Forstwirtschaft
                                                       Heime
                                                                                                            Bau und Industrie
                                            Landwirtschaft                Ausbaugewerbe
                                                                                                            Öffentlicher Sektor

                                             –1,4 %    – 0,4 %    0,6 %        1,6 %      2,6 %         3,6 %
     niedrig
                                         Beschäftigung: Abweichung vom Landesdurchschnitt

12
     Bundesamt für Statistik, Credit Suisse Economic Research.
13
     Der Standortquotient ist der Branchenanteil Region zum Branchenanteil Schweiz. Ein Quotient von über 1 zeigt eine grössere Bedeutung
     der Branche in der Region im Vergleich zur Schweiz.

                                                                                                                                            17
Leitlinien und Hauptziele der Aargauer Energiepolitik

müssen die exportstarke Energie- und Elektrotech-                              Versorgungssicherheit ist zusammen mit der Wirt­
nologiebranche, die Bedeutung als Transitkanton bei                            schaftlichkeit und der Umweltverträglichkeit der
leitungsgebundenen Energieträgern sowie die                                    Energieversorgung eines der zentralen energiepoli-
Bereiche Forschung und Entwicklung in den Vorder-                              tischen Ziele des Bundes. Dem Kanton fallen lediglich
grund gestellt werden. Der Kanton Aargau nimmt                                 unterstützende Aufgaben zu.
dabei seine Vermittlungs-, Vernetzungs- und Koordi-
nationsfunktion (unter anderem mit dem Hightech                                Die kantonale Energiepolitik verfolgt das Ziel einer
Zentrum) wahr.                                                                 umfassenden, sicheren und wirtschaftlich tragbaren
                                                                               Energieversorgung mit leitungsgebundener Energie –
                                                                               insbesondere Elektrizität, aber auch Erdgas. Der
2.1.3 Leitlinie Erhaltung der                                                  Kanton Aargau unterstützt den Bund und die Energie-
      Versorgungssicherheit                                                    wirtschaft bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und setzt
                                                                               sich für eine geordnete Integration der erneuerbaren
Die Versorgungssicherheit ist ein umfangreiches und                            Energien und eine abgestimmte Gestaltung der
komplexes Thema. Eine ausschliesslich regionale                                zukünftigen Energiemärkte ein.
Betrachtung auf kantonaler oder nationaler Ebene
führt bei der heutigen, stark importabhängigen und
vernetzten Energieversorgung kaum zu befriedi-
genden Resultaten. Wie die Vergangenheit gezeigt                               2.2 Die vier kantonalen
hat, kann bereits eine einfache lokale Störung rasch                               Hauptziele
zu einer grossräumigen, gar länderübergreifenden
Unterbrechung der Energieversorgung führen 14.                                 Aus den energiepolitischen Zielen des Bundes werden
Besondere Aufmerksamkeit ist dabei auf die Strom-                              für den Kanton Aargau zwei Effizienzziele, ein
versorgung zu richten. Die beträchtliche Abhängig-                             Produktions- und ein Versorgungssicherheitsziel als
keit unserer Gesellschaft von einer funktionierenden                           kantonale Hauptziele übernommen respektive
Stromversorgung sowie die limitierte Speichermög-                              abgeleitet. Die Reihenfolge orientiert sich an der
lichkeit machen dieses System besonders anfällig.                              Beeinflussbarkeit der kantonalen Energiepolitik. Eine

     Abbildung 9: Energiekanton Aargau

                                                                                     Energieintensive
                                             Innovative KMU
                                                                                        Industrien

                                                                  Unternehmen
                        Energieforschung                           Energie- und                            Hochschulen
                                                                  Elektrotechnik

                                            PARK innovAARE                          Hightech Zentrum

14
     28. September 2003: Ein Lichtbogen zwischen Leitung und Baum an der Lukmanierleitung führt während der frühen Morgenstunden zu einem
     Stromausfall in Italien und der Südschweiz. 22. Juni 2005: Das SBB-Netz fällt infolge mangelhaften Leistungsmanagements während der
     Hauptverkehrszeit für drei Stunden aus. 4. November 2006: In Teilen von Deutschland, Frankreich, Belgien, Italien, Österreich, Spanien fällt für
     zwei Stunden der Strom aus. Auslöser war die geplante Abschaltung einer Übertragungsleitung für die Ausschiffung eines Kreuzfahrtschiffes.
18
Leitlinien und Hauptziele der Aargauer Energiepolitik

Wertung hinsichtlich der Bedeutung der einzelnen                Der Energieverbrauch pro Kopf hat im Aargau seit
Ziele ist damit nicht verbunden.                                1990 bereits um rund 7 % abgenommen. 2012 betrug
                                                                er 26 201 kWh (dies entspricht dem Energieinhalt von
                                                                rund 3000 Liter Erdöl). Mit einem Pro-Kopf-Ziel ist
2.2.1 Hauptziel 1 Energieeffizienz:                             die Zielerreichung nicht von der Bevölkerungs-
      Energieverbrauch pro Kopf senken                          entwicklung abhängig.

Die Reduktionsziele des Bundes im Energiebereich
sind spezifisch pro Person definiert und können                 2.2.2 Hauptziel 2 Stromeffizienz:
durch den Kanton Aargau direkt übernommen                             Stromverbrauch pro Kopf senken
werden. Der durchschnittliche Endenergieverbrauch
pro Person und Jahr soll gegenüber dem Referenz-                Elektrizität als Energieform nimmt eine Schlüsselrolle
jahr 2000 bis 2020 um 16 % und bis 2035 um 43 %                 ein. Mit dem schrittweisen Ausstieg aus der Kern-
gesenkt werden.                                                 energie kommt der Steigerung der Stromeffizienz

  Abbildung 10: Endenergieverbrauch pro Kopf im Kanton Aargau

   kWh
  35 000                                                                     erhobene Daten

  30 000                                                                     Prognose
              29 072
                       27 700
  25 000                        26 201
                                         24 400
  20 000

  15 000                                            16 500
                                                             Mittel                                          Mittel
  10 000
                                                     g

                                                                                                      g
                                                                      Ho

                                                                                                                      Ho
                                                      in

                                                                                                       in
                                                  Ger

                                                                                                   Ger
                                                                        ch

                                                                                                                        ch
   5 000

         0                                           Steuerbarkeit                                     Steuerbarkeit
              2000     2010     2012     2020       2035

  Abbildung 11: Stromverbrauch pro Kopf im Kanton Aargau

  kWh
  9000                                                                   erhobene Daten
  8000                                                                   Prognose
             7970      7982
                                7722     7700
  7000
                                                    6900
  6000
  5000
  4000
                                                             Mittel                                          Mittel
  3000
                                                      g

                                                                                                       g
                                                                      Ho

                                                                                                                      Ho
                                                      in

                                                                                                        in

  2000
                                                  Ger

                                                                                                    Ger
                                                                        ch

                                                                                                                        ch

  1000
                                                       Steuerbarkeit                                    Steuerbarkeit
     0
             2000      2010     2012     2020      2035

                                                                                                                             19
Leitlinien und Hauptziele der Aargauer Energiepolitik

eine noch grössere Bedeutung zu. Das Effizienz-                    Energien zu leisten. Die Wasserkraft ist im Aargau
potenzial beim Strom ist zwar ebenfalls gross,                     bereits weitgehend ausgebaut. Verbleibende Poten-
es muss aber berücksichtigt werden, dass der                       ziale sollen jedoch konsequent genutzt werden.
zunehmende Ersatz fossiler Energieträger                           Der Bund hat für den Ausbau der neuen erneuerbaren
durch Elektrizität (zum Beispiel beim Ersatz von                   Stromproduktion die kostendeckende Einspeise-
Ölheizungen durch Wärmepumpen) zu einer                            vergütung (KEV) eingeführt. Im Kanton Aargau sollen
Zunahme des Stromverbrauchs führen wird.                           die vom Bund gesetzten Ziele für den Ausbau der
Entsprechend sind die Einsparziele beim Strom,                     neuen erneuerbaren Stromproduktion proportional
verglichen mit den Einsparzielen des Gesamt-                       zur Bevölkerung übernommen werden. Die Strom-
energieverbrauchs, kleiner.                                        produktion aus neuen erneuerbaren Energien soll
                                                                   bis 2020 mindestens 340 GWh betragen, bis 2035
Der durchschnittliche Stromverbrauch pro Kopf                      sollen es mindestens 1130 GWh sein.
und Jahr soll gegenüber dem Referenzjahr 2000 bis
2020 um 3 % und bis 2035 um 13 % gesenkt werden.
                                                                   2.2.4 Hauptziel 4 Versorgungssicherheit:
                                                                         Sichere Energieversorgung beibehalten
2.2.3 Hauptziel 3 erneuerbare Stromproduktion:
      Erneuerbare Stromproduktion ausbauen                         Eine sichere Energiever-
                                                                   sorgung ist von grosser              Mittel
Der Kanton Aargau ist dank seiner Wasserkraft,                     Bedeutung für Gesell-                   g

                                                                                                                          Ho
                                                                                                            in
                                                                                                        Ger

                                                                                                                            ch

                                                                                                                                 Ge
vor allem aber aufgrund der drei Kernkraftwerke in                 schaft und Wirtschaft,
Beznau I, Beznau II und Leibstadt, der grösste                     denn bei einem Ausfall           Steuerbarkeit
Stromproduzent in der Schweiz. Mit dem schritt-                    stehen die grund-
weisen Ausstieg aus der Kernenergie wird er                        legendsten und unent-
diese Position nicht halten können. Das vorhandene                 behrlichsten Errungenschaften unserer Gesellschaft
Potenzial im Kanton soll aber genutzt werden, um                   nicht mehr zur Verfügung. Die Versorgungssicherheit
einen Beitrag zum Ausbau der neuen erneuerbaren                    hat daher oberste Priorität.

     Abbildung 12: Stromproduktionsziele aus erneuerbaren Energien im Kanton Aargau

     GWh
     3500                                                                   Wasserkraft

     3000                                                                   Neue erneuerbare Energien
              3000            3005              3025

     2500

     2000

     1500
                                                                 Mittel                                          Mittel
     1000                                                1130
                                                           g

                                                                                                           g
                                                                          Ho

                                                                                                                          Ho
                                                            in

                                                                                                            in
                                                        Ger

                                                                                                        Ger
                                                                            ch

                                                                                                                            ch

      500
                                                                                                                                 G

                     156
                                      340
        0                                                   Steuerbarkeit                                   Steuerbarkeit
                 2012             2020              2035

20
Leitlinien und Hauptziele der Aargauer Energiepolitik

Sie ist primär Aufgabe der Energiewirtschaft und
subsidiär Aufgabe des Bundes. Ist die Versorgungs-
sicherheit gefährdet, übernimmt der Bund die
entsprechenden Massnahmen, um sie wieder herzu-
stellen. Derzeit wird die Versorgungssicherheit mit
Strom jedoch noch nicht umfassend erhoben oder
überwacht. Die Eidgenössische Elektrizitätskom-
mission (ElCom) erhebt periodisch Daten bei Verteil-
netzbetreibern und Stromproduzenten und konzen-
trierte sich damit in der Vergangenheit vorwiegend
auf die technische Versorgungssicherheit 15 und
die Überwachung der Stromtarife. Der im Juni 2014
veröffentlichte Bericht zur Stromversorgungssicher-
heit beinhaltet erstmals Beobachtungsgrössen wie
zum Beispiel Netzengpässe, regionale Ausgewogen-
heit, Mehrjahresplanungen und die Auswirkungen
des EU-Rechts auf die Schweizer Stromversorgung.
Ein Echtzeit-Monitoring mit Berücksichtigung
voreilender geopolitischer Beobachtungsgrössen
befindet sich beim Bundesamt für wirtschaftliche
Landesversorgung im Aufbau.

Der Kanton Aargau kann die Energiewirtschaft
und den Bund in der Erfüllung ihrer Aufgaben in den
Gebieten Energieeffizienz, erneuerbare Strom-
produktion und Netzverstärkung aktiv unterstützen
und setzt sich für die Aufrechterhaltung der
energetischen Versorgungssicherheit ein. Strom hat
dabei eine Schlüsselrolle 16. Die übrigen leitungs-
gebundenen Netze sind aber im Gesamtsystem
ausreichend zu berücksichtigen. Insbesondere der
Ausbau der erneuerbaren Stromversorgung und
die dezentrale Stromproduktion stellen das Strom-
netz vor grosse Herausforderungen. Bei deren
Lösung können Erdgas-, Wärme- und Kommunika-
tionsnetze einen wichtigen Beitrag leisten.

15
     Die durchschnittliche Unterbrechungsdauer pro Endverbraucher lag im Jahr 2013 bei 25 Minuten und erreichte den tiefsten Wert
     der vergangenen vier Jahre.
16
     siehe Kapitel 2.1.3, Leitlinie Erhaltung der Versorgungssicherheit.

                                                                                                                                      21
Handlungsfelder und Strategien

3 Handlungsfelder und Strategien

Ausgehend von den energiepolitischen Leitlinien und             erleichtern und eine allfällige Überarbeitung (in fünf
den vier kantonalen Hauptzielen gemäss Kapitel 2                Jahren) vereinfachen. Jedes Handlungsfeld ist
ergeben sich für den Kanton in folgenden Bereichen              möglichst selbsterklärend und eigenständig darge-
Handlungsfelder und Strategien:                                 stellt. Nach einer einführenden Erläuterung der
                                                                Ausgangslage folgen die dem jeweiligen Handlungs-
– Strom- und Wärmeerzeugung (Kapitel 3.1 bis 3.3)               feld zugeordneten Strategien (vgl. Abbildung 13).
– Energieverbrauch (Kapitel 3.4 bis 3.6)                        Anschliessend werden Ziele / Zielpfad, Massnahmen
– Übergreifende Aufgaben (Kapitel 3.7 bis 3.8)                  sowie weiterführende Massnahmen dargelegt.
                                                                Letztere sind Ideen respektive Möglichkeiten, wie
Aufbau der Handlungsfelder                                      die bereits durchgeführten Massnahmen bei Nicht-
Der modulare Aufbau mit acht Handlungsfeldern soll              erreichen der Ziele / Zielpfad ergänzt werden
die zukünftige Planung und Beratung im Parlament                könnten. Da jedes Handlungsfeld wie oben erwähnt

     Abbildung 13: Übersicht der Strategien und Handlungsfelder

             Strom- und Wärmeerzeugung                                          Energieverbrauch

             Handlungsfeld:                                                      Handlungsfeld:
             Wasserkraft (erneuerbare Energien)                                  Gebäude

             Strategie: Wasserkraft          a) Grosswasserkraftwerke            Strategie: Gebäude
                                             b) Kleinwasserkraftwerke

             Handlungsfeld:                                                      Handlungsfeld:
             Neue erneuerbare Energien                                           Prozesse

             Strategie: Sonnenenergie        Strategie: Holz                     Strategie: Prozesse / Energie-
             Strategie: Windkraft            Strategie: Biomasse                             anwendung

             Strategie: Geothermie                                               Strategie: Abwärmenutzung

             Handlungsfeld:                                                      Handlungsfeld:
             Nicht erneuerbare Energien                                          Mobilität

             Strategie: Erdgas               Strategie: Kernenergie              Strategie: Mobilität
             Strategie: Erdöl
             Strategie: Wärmekraftkopplung

             Übergreifende Aufgaben

             Handlungsfeld:                                        Handlungsfeld:
             Versorgungssicherheit und Energiespeicherung          Querschnittsaufgaben

             Strategie: Versorgungssicherheit Strom                Strategie: Information und Beratung
             Strategie: Versorgungssicherheit Erdgas               Strategie: Vorbildfunktion

22
Handlungsfelder und Strategien

in sich abgeschlossen ist, kann es vorkommen, dass                    monate infolge der geringeren Wasserführung
einige Massnahmen in mehreren Handlungsfeldern                        kleiner. Kleinwasserkraftwerke (Anlagen bis zu einer
genannt werden.                                                       Leistung von 10 MW) werden vom Bund finanziell
                                                                      gefördert. Anlagen kleiner 1 MW sind zusätzlich vom
                                                                      Wasserzins befreit (Artikel 49 des Wasserrechts-
                                                                      gesetzes). Das Bundesparlament prüft zurzeit auch
3.1 Handlungsfeld: Wasserkraft                                        eine Förderung für Grosswasserkraftwerke (Anlagen
    (erneuerbare Energien)                                            mit einer Leistung mehr als 10 MW).

                                                                      Ziele des Bundes
3.1.1 Ausgangslage                                                    Mit der Umsetzung der Energiestrategie 2050 des
                                                                      Bundes gewinnt die erneuerbare Wasserkraft
Wasserkraft als wichtigster Teil                                      zusätzlich an Bedeutung. Die Wasserkraft soll auch
der erneuerbaren Energien                                             in Zukunft wesentlich zur Stromversorgung der
Die Schweiz bietet dank ihrer Topographie und der                     Schweiz beitragen. Das Bundesamt für Energie
beträchtlichen Niederschlagsmengen ideale Bedin-                      veröffentlichte im Juni 2012 eine Studie zum Aus-
gungen für die Wasserkraftnutzung. Die derzeit über                   baupotenzial bis 2050. Diese weist unter heutigen
550 Schweizer Wasserkraftwerke produzieren pro                        Nutzungsbedingungen ein Ausbaupotenzial für
Jahr durchschnittlich 36 TWh Strom (Abbildung 14).                    die Wasserkraft von rund 1,5 TWh aus. Unter opti-
Davon werden rund 45 % in Laufwasserkraftwerken                       mierten Nutzungsbedingungen – ohne Lockerung
und die restlichen 55 % in Speicherkraftwerken                        der Umwelt- und Gewässerschutzbestimmungen,
erzeugt. Etwa zwei Drittel dieser Energie stammen                     aber mit verbesserten wirtschaftlichen und gesell-
aus den Bergkantonen Uri, Graubünden, Tessin und                      schaftlichen Rahmenbedingungen – kann die jähr-
Wallis. Beachtliche Beiträge liefern aber auch die                    liche Stromproduktion aus Wasserkraft bis 2050
Kantone Aargau und Bern. Laufwasserkraftwerke                         um 3,2 TWh ausgebaut werden. Im Entwurf des
produzieren Bandenergie zur Deckung der Grundlast                     neuen Energiegesetzes des Bundes (EnG) werden als
und lassen sich nur sehr beschränkt regeln. Die                       quantitatives Produktionsziel bis 2035 insgesamt
produzierte Energiemenge ist während der Winter-                      37,4 TWh/a angegeben.

     Abbildung 14: Stromproduktion Schweiz nach Erzeuger 17

     GWh
     80 000                                                                                  Landesverbrauch
     70 000                                                                                  Speicherkraftwerke
                                                                                             Laufkraftwerke
     60 000
                                                                                             Kernkraftwerke
     50 000
                                                                                             Konventionell thermische
     40 000                                                                                  und andere Kraftwerke
     30 000
     20 000
     10 000
            0
                1950        1960         1970           1980   1990   2000      2010

17
     Vgl. Schweizerische Elektrizitätsstatistik 2013.

                                                                                                                         23
Handlungsfelder und Strategien

Situation Aargau                                                               Der Anteil des Kantons Aargau an den Ausbauzielen
Die Wasserkraft wird im Energiekanton Aargau                                   des Bundes bei der Wasserkraft ist deshalb
bereits seit Beginn der Elektrifizierung Ende des                              bescheiden. Dieses Potenzial besteht vorwiegend
19. Jahrhunderts für die Stromerzeugung genutzt.                               beim Ausbau der bereits realisierten kleineren
Mit insgesamt 26 Gross- und Kleinwasserkraft-                                  Flusskraftwerke und bei den projektierten neuen
werken an den Flüssen und 24 Kleinwasserkraft-                                 Kraftwerken an der Suhre. Am Aabach, der Wigger
werken an den Bächen ist die Wasserkraft bereits                               inklusive Tych, am Rotkanal sowie am Unterlauf der
weitgehend ausgebaut und das vorhandene Ausbau-                                Suhre (ab Schöftland) sind die Erneuerung bestehen-
potenzial mehrheitlich ausgeschöpft. Mit einer                                 der Anlagen sowie Neubauten für Kleinkraftwerke
installierten Leistung von ca. 560 MW werden rund                              nur unter der Voraussetzung zulässig, dass dadurch
3 TWh erneuerbare Energie pro Jahr produziert 18.                              die Vernetzung der Flussläufe verbessert wird.
                                                                               Produktionssteigerungen sind an den Flüssen im
Die wenigen noch freien Fliessstrecken an Rhein und                            Rahmen von Effizienzmassnahmen und der Optimie-
Reuss sind ökologisch wertvoll und sollen erhalten                             rung von Ausbauwassermengen möglich.
bleiben. Wichtige Abschnitte gehören zum Auen-
schutzpark und sind mit gewässerbezogenen Schutz-                              Vergabe von Konzessionen
zielen belegt. Eine umfassende energetische Nutzung                            In Form von Wasserzinsen, Gebühren und Heimfall-
dieser Fliessstrecken ist damit praktisch ausgeschlos-                         verzichtsentschädigungen fliessen dem Kanton
sen. Die Nutzungs- und Schutzstrategie der Ober-                               Aargau bedeutende Geldmittel zu. Die finanziellen
flächengewässer ist im Richtplan Kapitel E verankert.                          Interessen des Kantons sollen auch in Zukunft

     Abbildung 15: Übersicht Wasserkraftwerke Aargau 19

                                                                                                Erneuerung bestehender Anlagen und
                                                                                                Neubauten von Kleinwasserkraftwerken
                                                                                                gemäss Wassernutzungsgesetz (WnG)
                                                                                                und Wassernutzungsverordnung (WnV)
                                                                                                zulässig, sofern die Vernetzung der
                                                                                                Flussläufe ver­bessert wird.
                                                                                                Wasserkraftwerke an Flüssen
                                                                                                Dotierkraftwerke an Flüssen
                                                                                                Wasserkraftwerke an Bächen
                                                                                                Kraftwerke mit mechanischer Nutzung
                                                                                                der Wasserkraft
                                                                                                Stillgelegte Wasserkraftwerke
                                                                                                Gewässer

18
     Die Zahlen entsprechen dem kantonalen Anteil an der Wasserhoheit. Ausserkantonale oder ausländische Anteile sind in den Angaben nicht berücksichtigt.
19
     Vgl. Richtplan Kanton Aargau, Kapitel E 1.2, Wasserkraftwerke.

24
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