PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau - Domenico Angelone, Florian Keller & Martin Verner

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PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau - Domenico Angelone, Florian Keller & Martin Verner
Forschungsgemeinschaft PISA Deutschschweiz

PISA 2012:
Porträt des Kantons Aargau
Domenico Angelone, Florian Keller & Martin Verner
Forschungsgemeinschaft PISA Deutschschweiz

PISA 2012:
Porträt des Kantons Aargau
Domenico Angelone, Florian Keller & Martin Verner
Herausgeber
Forschungsgemeinschaft PISA Deutschschweiz,
ein Zusammenschluss der folgenden Institutionen:

Kantone
• Aargau
• Bern
• Solothurn
• St.Gallen
• Wallis

Forschungsinstitutionen
• Institut für Forschung, Entwicklung und
  Evaluation, Pädagogische Hochschule Bern
  (PHBern): Catherine Bauer, Erich Ramseier,
  Daniela Blum
• Institut Professionsforschung und Kompetenz-
  entwicklung, Pädagogische Hochschule
  St.Gallen (PHSG): Christian Brühwiler,
  Grazia Buccheri, Andrea Erzinger,
  Jan Hochweber
• Institut für Bildungsevaluation (IBE),
  Assoziiertes Institut der Universität Zürich:
  Domenico Angelone, Florian Keller,
  Martin Verner
• Pädagogische Hochschule Wallis;
  DBS – Dienststelle für tertiäre Bildung
  (Bereich Forschung und Entwicklung):
  Edmund Steiner, Ursula Maria Stalder,
  Paul Ruppen

Layout und Grafik
Grafik Monika Walpen, 9200 Gossau

Copyright
© Institut für Bildungsevaluation (IBE),
  Assoziiertes Institut der Universität Zürich
Inhalt

      VORWORT                            5

1     DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE            7

2     PISA 2012: NATIONALE ERGEBNISSE
      UND VORGEHEN                      10

3     FACHLICHE LEISTUNGEN              14

4     SOZIALER UND KULTURELLER KONTEXT 22

5     SCHULSTRUKTUR UND LEISTUNG        27

6     UNTERRICHTSZEIT UND LEISTUNG      32

7     KOMPONENTEN DES SCHULISCHEN
      ENGAGEMENTS: ZUGEHÖRIGKEITS-
      GEFÜHL UND SCHULABSENTISMUS       36

8     EMOTIONALE UND MOTIVATIONALE
      ORIENTIERUNGEN IN MATHEMATIK      41

9     MATHEMATIKUNTERRICHT –
      EINSCHÄTZUNGEN AUS DEM BLICK-
      WINKEL DER SCHÜLERINNEN
      UND SCHÜLER                       45

10    LEISTUNGSVERÄNDERUNGEN
      IM KANTON AARGAU SEIT PISA 2003   51

PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau        3
Vorwort

Im Jahr 2012 hat die OECD im Rahmen von PISA                           Stärken und Schwächen des jeweiligen Schulsystems
zum fünften Mal die schulischen Leistungen von 15-                     werden in diversen Berichten dargelegt: Für die Kan-
Jährigen am Ende der obligatorischen Schulbildung                      tone Aargau, Bern, Solothurn, St.Gallen, Tessin und
erhoben und verglichen. Weltweit wurden die Kom-                       Wallis wurde je ein Bericht in Form eines kantonalen
petenzen in den Bereichen Lesen, Mathematik und                        Porträts verfasst. Für die französischsprachigen Kan-
Naturwissenschaften von rund 510’000 Jugend-                           tone wurde ein regionaler Bericht verfasst.
lichen getestet. In der Schweiz haben über 11’000                         Die kantonalen Porträts beruhen auf der Arbeit
Schülerinnen und Schüler am Programm teilgenom-                        einer Forschungsgemeinschaft, die für die Analyse
men. Die Ergebnisse des internationalen Vergleichs                     der PISA-Daten 2012 gebildet wurde. In einem kan-
PISA 2012 wurden im Dezember 2013 veröffent-                           tonalen Porträt sind die Ergebnisse der Analysen
licht. Der erste Bericht widmete sich dem Vergleich                    jeweils nach den Interessen des Kantons zusammen-
der Schweiz mit anderen Ländern sowie bestimmten                       gestellt und aus dessen Optik beschrieben.
Fragestellungen auf nationaler Ebene.1                                    Das vorliegende Porträt für den Kanton Aargau
    Um Aussagen auf kantonaler Ebene treffen zu                        wurde vom Institut für Bildungsevaluation, assoziier-
können, nahmen zahlreiche Kantone der Schweiz                          tes Institut der Universität Zürich, verfasst.
mit einer repräsentativen Stichprobe von Schülerin-
nen und Schülern der 9. Klasse an PISA 2012 teil. Ver-                 Domenico Angelone, Florian Keller & Martin Verner
gleiche zwischen den Kantonen sowie Hinweise auf                       Zürich, Anfang September 2014

1   Konsortium PISA.ch (2013). Bericht PISA 2012: Schülerinnen und Schüler der Schweiz im internationalen Vergleich – Erste Ergebnisse.
    Bern und Neuchâtel: SBFI/EDK und Konsortium PISA.ch.

PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau                                                                                                5
1          Das Wichtigste in Kürze

PISA im Kanton Aargau – PISA 2012 wurde in allen         Mathematik 14 Prozent und im Lesen 18 Prozent
Kantonen der Schweiz durchgeführt. Der Kanton            und ist dementsprechend vergleichsweise hoch.
Aargau nahm im Jahr 2012 zum vierten Mal mit einer       Diese Schülerinnen und Schüler werden auch als Risi-
repräsentativen Stichprobe, bestehend aus Schülerin-     kogruppe bezeichnet, weil ihre Leistungen im Lesen
nen und Schülern der 9. Klasse, an PISA teil. Diese      und in der Mathematik kaum für einen reibungs-
Stichprobe umfasst 447 Mädchen und 445 Knaben            losen Übertritt in die Berufsbildung oder in weiter-
aus 27 Schulen der Oberstufe der aargauischen            führende Schulen der Sekundarstufe II ausreichen.
Volksschule. Die erhobenen Daten ermöglichen eine        Für 14 Prozent der Schülerinnen und Schüler des
Standortbestimmung aufgrund einer alltagsbezoge-         Kantons Aargau reichen die naturwissenschaftlichen
nen Grundbildung im Lesen, in der Mathematik und         Leistungen nicht aus, um Ausbildungs- oder Berufs-
in den Naturwissenschaften. In PISA 2012 bildete die     laufbahnen einzuschlagen, die ein naturwissen-
Mathematik den Schwerpunkt und wurde besonders           schaftliches Verständnis verlangen.
umfassend erhoben. Die mit PISA erfasste Grundbil-         Anteil leistungsstarker Schülerinnen und Schüler –
dung hat sich als bedeutsam für den reibungslosen        Jeder fünfte Jugendliche des Kantons Aargau kann
Übertritt in den Arbeitsmarkt und eine aktive Teilnah-   im Kompetenzbereich Mathematik als leistungsstark
me am gesellschaftlichen Leben erwiesen.                 bezeichnet werden. Dieser Anteil ist mit denjenigen
   Leistungen im nationalen Vergleich – Im Kompe-        der Gesamtschweiz sowie der Deutschschweiz ver-
tenzbereich Mathematik liegen die Leistungswerte         gleichbar. Im Lesen beträgt der Anteil leistungs-
der Schülerinnen und Schüler des Kantons Aargau          starker Schülerinnen und Schüler im Kanton Aargau
im Mittelfeld der untersuchten Kantone und unter-        7 Prozent und liegt damit ebenfalls nahe am Schwei-
scheiden sich nicht vom nationalen Mittelwert. Im        zer und Deutschschweizer Mittelwert. Mit 8 Prozent
Vergleich zum Durchschnitt sämtlicher Kantone der        leistungsstarken Schülerinnen und Schülern in den
Deutschschweiz sind die Mathematikleistungen ge-         Naturwissenschaften unterscheidet sich der Kanton
ringfügig, jedoch statistisch signifikant tiefer. Die    Aargau auch in diesem Bereich nicht statistisch sig-
Leseleistungen im Kanton Aargau liegen sowohl            nifikant von der Deutschschweiz oder der Gesamt-
unter dem nationalen als auch unter dem Deutsch-         schweiz.
schweizerischen Mittelwert. Auch hierbei handelt es        Sozialer und kultureller Kontext – 8 Prozent der
sich um statistisch signifikante Unterschiede, die       Schülerinnen und Schüler im Kanton Aargau haben
jedoch als klein beurteilt werden können. Bei der        einen Migrationshintergrund und unterhalten sich
Leistung im Fachbereich Naturwissenschaften sind         zu Hause auf Deutsch. Weitere 15 Prozent der Schü-
im Kanton Aargau weder im nationalen noch im             lerinnen und Schüler haben einen Migrationshinter-
Deutschschweizerischen Vergleich bedeutsame Ab-          grund und sprechen zu Hause eine Fremdsprache.
weichungen vom Mittelwert zu erkennen.                   Beide Schülergruppen weisen gegenüber einheimi-
   Anteil leistungsschwacher Schülerinnen und            schen Schülerinnen und Schülern einen deutlichen
Schüler – Der Anteil leistungsschwacher Schülerin-       Leistungsrückstand auf. Dieser Rückstand ist bei
nen und Schüler variiert in den Deutschschweizer         fremdsprachigen Schülerinnen und Schülern mit
Kantonen in der Mathematik zwischen 7 und 14 Pro-        Migrationshintergrund tendenziell grösser als bei
zent, im Lesen zwischen 12 und 18 Prozent und in         deutschsprachigen Schülerinnen und Schüler mit
den Naturwissenschaften zwischen 9 und 16 Pro-           Migrationshintergrund. Die Leistungsrückstände der
zent. Im Kanton Aargau beträgt dieser Anteil in der      Jugendlichen mit Migrationshintergrund gegenüber

PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau                                                                      7
ihren einheimischen Mitschülern und Mitschülerin-       kommen und Schwänzen kommen im Kanton Aar-
nen unterscheiden sich im Kanton Aargau nicht sta-      gau gleich häufig vor wie in der Deutschschweiz oder
tistisch signifikant von jenen in der Deutschschweiz    der Gesamtschweiz. Dabei scheinen die Schülerinnen
beziehungsweise in der Gesamtschweiz.                   und Schüler der Realschulen öfter zu spät zum Unter-
    Schulstruktur und Leistung – Der enge Zusam-        richt zu erscheinen und deutlich häufiger zu schwän-
menhang zwischen sozialer Herkunft und Leistung         zen als Schülerinnen und Schüler der Sekundar- und
zeigt sich bei der Darstellung der Ergebnisse nach      Bezirksschulen.
Schultyp: Je anspruchsvoller der Schultyp ist, desto       Emotionale und motivationale Schülerorientie-
privilegierter ist die soziale Zusammensetzung der      rungen – Im Rahmen von PISA 2012 wurden diver-
Schulen und desto höher sind die durchschnittlichen     se emotionale und motivationale Orientierungen der
Leistungen der Schulen. Die Leistungsunterschiede       Schülerinnen und Schüler in Mathematik erfasst.
zwischen den drei Schultypen des Kantons Aargau         Sowohl in der Gesamtschweiz als auch im Kanton
sind erwartungsgemäss gross; die Bezirksschulen         Aargau weisen männliche Jugendliche generell die
erreichen klar die höchsten Mittelwerte, die Real-      vorteilhafteren Orientierungen in Mathematik auf
schulen die tiefsten. Weniger eindeutig lassen sich     als weibliche Jugendliche. Die emotionalen und moti-
einzelne Schülerinnen und Schüler aufgrund der          vationalen Orientierungen unterscheiden sich nicht
erbrachten Leistungen einem Schultyp zuordnen. Die      zwischen den Jugendlichen der drei Aargauer Schul-
Überlappungen der Schulleistungen in den verschie-      typen.
den anspruchsvollen Schultypen machen deutlich,            Unterrichtsmerkmale aus Sicht der Schülerinnen
wie problematisch es ist, die Fähigkeiten der Schü-     und Schüler – In PISA 2012 hatten die Schülerinnen
lerinnen und Schüler einzig aufgrund des besuchten      und Schüler auch die Möglichkeit, diverse Unter-
Schultyps zu beurteilen.                                richtsmerkmale, das didaktische Handeln der Lehr-
    Unterrichtszeit – Die Daten aus PISA 2012 deu-      person und die Häufigkeit verschiedener Aufgaben-
ten auf einen mittleren Zusammenhang zwischen           arten im Kompetenzbereich Mathematik zu beur-
der Unterrichtszeit und den Leistungen in Mathema-      teilen. Dabei wird beispielsweise ersichtlich, dass die
tik hin. Dies trifft nur beschränkt auf den Kanton      Schülerinnen und Schüler des Kantons Aargau öfter
Aargau zu: Obwohl im Kanton Aargau mehr Unter-          unterschiedliche Aufgaben ihren individuellen Vor-
richtsstunden in Mathematik investiert werden als in    aussetzungen entsprechend erhalten, projektorien-
den meisten Deutschschweizer Kantonen, liegen die       tierter arbeiten und häufiger in die Unterrichts-
Mathematikleistungen der Schülerschaft aus dem          planung einbezogen werden als Schülerinnen und
Kanton Aargau unter der durchschnittlichen Leis-        Schüler der Gesamtschweiz. Innerhalb des Kantons
tung der Deutschschweizer Schülerinnen und Schü-        Aargau hat diese Schülerorientierung an Realschulen
ler.                                                    die höchste Ausprägung. Ähnlich verhält es sich bei
    Komponenten des schulischen Engagements –           individuellen Rückmeldungen der Lehrperson im
Diverse Studien weisen darauf hin, dass Schulenga-      Mathematikunterricht: In den Realschulen wird deut-
gement mit Schulerfolg, dem Bildungs- und Berufs-       lich mehr Feedback gegeben als in den Schulen mit
erfolg sowie dem Wohlbefinden im Erwachsenenal-         höherem Anforderungsniveau. Ausserdem zeigt sich,
ter zusammenhängt. Im Rahmen von PISA 2012              dass im Kanton Aargau Realschüler und Realschüle-
wurde der Fokus auf zwei Komponenten des schu-          rinnen stärker von den Lehrpersonen kognitiv akti-
lischen Engagements gelegt: Das Zugehörigkeits-         viert werden als dies in Sekundar- und Bezirksschu-
gefühl zur Schule und den Schulabsentismus. Die         len der Fall ist. Schliesslich wird in den drei Typen eine
Aargauer Schülerinnen und Schüler berichten ein         ähnlich hohe Disziplin im Mathematikunterricht
statistisch signifikant tieferes Zugehörigkeitsgefühl   berichtet.
zu ihren Schulen als Schülerinnen und Schüler der          Leistungsveränderungen im Kanton Aargau seit
Deutschschweiz. Im Gegensatz zu anderen Kantonen        2003 – Weil der Kanton Aargau bereits zum vierten
sind jedoch innerhalb des Kantons Aargau keine          Mal am PISA-Programm teilgenommen hat, war es
bedeutsamen Unterschiede im Zugehörigkeitsgefühl        möglich, Leistungsveränderungen über einen Zeit-
zwischen den drei Schultypen feststellbar. Zuspät-      raum von neun Jahren (2003–2012) zu berechnen.

8                                                                         PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau
Dabei sind statistisch signifikante Leistungsab-
nahmen in den Kompetenzbereichen Mathematik
und Lesen erkennbar. Besonders deutlich zeigt sich
dieser Trend bei Schülerinnen und Schülern ohne
Migrationshintergrund, die den Anteilen besonders
tiefen oder besonders hohen Kompetenzniveaus
zugehören.

PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau                9
2           PISA 2012: Nationale Ergebnisse
            und Vorgehen

Die Schweiz hat im Jahr 2012 zum fünften Mal am         aber auch Finnland (545) und die beiden Nachbar-
internationalen Schulleistungsvergleich PISA (Pro-      länder Liechtenstein (525) und Deutschland (524).
gramme for International Student Assessment) teil-      Unter den Ländern, die einen tieferen Mittelwert als
genommen. Mit ihr haben sich 34 Länder der OECD         die Schweiz aufweisen, sind auch die Nachbarländer
sowie 31 Partnerländer an der Erhebung beteiligt        Österreich (506), Frankreich (499) und Italien (494).
und einer repräsentativen Stichprobe von 15-Jähri-         Im Lesen liegt der Mittelwert der Schweizer 15-
gen die PISA-Tests vorgelegt. Wie sind die Ergebnis-    Jährigen bei 501 Punkten, der OECD-Mittelwert bei
se der Jugendlichen ausgefallen? Was wird mit den       496 Punkten. Elf Länder erreichen einen höheren Mit-
PISA-Tests gemessen? Worin unterscheiden sich der       telwert als die Schweiz. Es sind dies insbesondere die
internationale und der nationale Vergleich? Was ist     chinesischen Provinzen Shanghai-China (570) und
bei der Interpretation der Ergebnisse zu beachten?      Hong Kong-China (545) sowie Singapur (542), Japan
                                                        (538) und Korea (536), aber auch Finnland (524).
Sehr gut in Mathematik, gut in Natur-                   Die Mittelwerte der drei Nachbarländer Liechtenstein
wissenschaften und im Lesen                             (516), Deutschland (508) und Frankreich (505) unter-
                                                        scheiden sich nicht statistisch signifikant vom Mittel-
Wie bereits in der PISA-Erhebung von 2009 sind die      wert der Schweiz. Die beiden Nachbarländer Italien
Ergebnisse der Schweiz auch in PISA 2012 als gut bis    (490) und Österreich (490) erzielen jedoch statistisch
sehr gut zu bewerten. In der Mathematik gehört die      signifikant tiefere Leseleistungen als die Schweiz.
Schweiz zu den besten Ländern. In den Naturwissen-
schaften und im Lesen liegt sie über dem OECD-             INFO 1: Die PISA-Skala
Mittelwert.                                                Die Ergebnisse im PISA-Test werden auf einer
     In der Mathematik liegt der Mittelwert der            international normierten Skala dargestellt. Ent-
Schweizer 15-Jährigen bei 531 Punkten auf der              sprechend den inhaltlichen Schwerpunkten
PISA-Skala (vgl. INFO 1), der OECD-Mittelwert bei          wurde bei PISA 2000 die Skala für die Lese-
494 Punkten. Bessere Mathematikleistungen als die          kompetenzen so normiert, dass der Mittelwert
Schweiz erreichen einzig die drei chinesischen Pro-        der OECD-Länder bei 500 Punkten und die
vinzen Shanghai-China (613), Hong Kong-China               Standardabweichung bei 100 Punkten liegen.
(561) und Macao-China (538) sowie Singapur (573),          Dadurch erreichten bei der ersten Erhebung
Chinesisch Taipeh (560) und Korea (554). Von den           rund zwei Drittel der Schülerinnen und Schü-
Nachbarländern unterscheidet sich einzig der Mittel-       ler ein Testergebnis, das zwischen 400 und 600
wert von Liechtenstein (535) nicht statistisch signi-      Punkten beträgt, 95 Prozent erreichten ein
fikant von der Schweiz. Die übrigen Nachbarländer          Testergebnis, das zwischen 300 und 700 Punk-
Deutschland (514), Österreich (506), Frankreich            ten liegt, und nahezu alle Testergebnisse liegen
(495) und Italien (485) erzielen deutlich schlechtere      zwischen 200 und 800 Punkten. Mit dem glei-
Mathematikleistungen als die Schweiz.                      chen Vorgehen wurden bei PISA 2003 die Skala
     In den Naturwissenschaften liegt der Mittelwert       für die Darstellung mathematischer Kompe-
der Schweiz mit 515 Punkten über dem OECD-                 tenzen und bei PISA 2006 die Skala für die
Mittelwert (501). Unter den 13 Ländern, die einen          Darstellung der naturwissenschaftlichen Kom-
höheren Mittelwert als die Schweiz erreichen, befin-       petenzen normiert.
den sich der Spitzenreiter Shanghai-China (580),

10                                                                       PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau
Seit Beginn von PISA im Jahr 2000 ist für die                   Denkweisen anwenden) sowie Interpretieren (d. h.
Schweiz in PISA 2012 im Kompetenzbereich Lesen                      mathematische Ergebnisse interpretieren und über-
erstmals ein positiver Trend feststellbar. Zwischen                 prüfen) ab.
PISA 2000 und PISA 2012 sind die mittleren Leseleis-                    Die Ergebnisse aus PISA 2012 zeigen, dass die
tungen der 15-Jährigen in der Schweiz um durch-                     15-Jährigen der Schweiz im Bereich Raum und Form
schnittlich rund 1 Punkt pro Jahr gestiegen. Der po-                eine relative Stärke und im Bereich Wahrscheinlich-
sitive Trend zeigt sich vor allem beim Anteil lese-                 keit und Statistik eine relative Schwäche aufweisen.
schwacher Schülerinnen und Schüler (Kompetenz-                      Bei den Subskalen zu den mathematischen Prozes-
niveau 1 und tiefer), der von der OECD als Risiko-                  sen kann für die Schweiz einzig im Bereich Formu-
gruppe bezeichnet wird. In der Schweiz ist dieser                   lieren eine relative Stärke nachgewiesen werden. Für
Anteil zwischen PISA 2000 und PISA 2012 von 20                      die anderen Bereiche sind die Abweichungen vom
auf 14 Prozent deutlich zurückgegangen. Die Ergeb-                  Gesamtmittelwert gering und ohne Bedeutung.
nisse der Schweizer 15-Jährigen in den beiden Kom-
petenzbereichen Mathematik und Naturwissenschaf-                    PISA-Grundbildung
ten hingegen sind über die Zeit stabil geblieben.
                                                                    PISA orientiert sich am Konzept der Grundbildung
Die Mathematik im Fokus                                             (Literacy). Damit ist jene Bildung gemeint, die es den
                                                                    Jugendlichen ermöglicht, ihr Wissen und Können in
In jeder PISA-Erhebung bildet ein Kompetenzbereich                  einem neuen Umfeld anzuwenden, bei einer Pro-
den Schwerpunkt und wird besonders umfassend                        blemstellung eine Vielzahl von Situationen zu analy-
getestet. In PISA 2000 war der Schwerpunktbereich                   sieren, logisch zu denken und in effektiver Weise zu
das Lesen, in PISA 2003 die Mathematik, in PISA                     kommunizieren. Mit PISA wird somit nicht unter-
2006 die Naturwissenschaften und in PISA 2009 wie-                  sucht, wie gut curriculare Vorgaben und Inhalte
derum das Lesen. Mit PISA 2012 wurde nun zum                        erreicht werden. Von Interesse ist vielmehr, inwieweit
zweiten Mal die Mathematik umfassend getestet.                      die Jugendlichen über Kompetenzen verfügen, die es
Dadurch ist erstmals ein detaillierter Vergleich der                ihnen erlauben, den beruflichen und schulischen
Mathematikleistungen zwischen PISA 2003 und PISA                    Herausforderungen erfolgreich zu begegnen und
2012 möglich.                                                       aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.
    Da bei der Erhebung 2012 die Mathematik den                         Mathematik – Die mathematische Kompetenz
Schwerpunkt bildete, können die Ergebnisse nach                     wird in PISA definiert als «die Fähigkeit einer Person,
Subskalen zu den mathematischen Inhalten und zu                     Mathematik in einer Vielzahl von Kontexten zu for-
den mathematischen Prozessen dargestellt werden.                    mulieren, anzuwenden und zu interpretieren. Sie um-
Letztere beschreiben, welche Arbeitsschritte die                    fasst das mathematische Denken und den Einsatz
Schülerinnen und Schüler beim Lösen der Mathe-                      mathematischer Konzepte, Verfahren, Fakten und
matikaufgaben durchlaufen müssen. Abweichungen                      Instrumente, um Phänomene zu beschreiben, zu er-
der Ergebnisse in den Subskalen zum globalen Mit-                   klären und vorherzusagen. Sie hilft dem Einzelnen
telwert in der Mathematik ermöglichen die Beurtei-                  dabei, die Rolle zu erkennen, die Mathematik in der
lung relativer Stärken bzw. Schwächen in verschie-                  Welt spielt, und fundierte Urteile und Entscheidun-
denen Teilbereichen der Mathematik.                                 gen zu treffen, wie sie von konstruktiven, engagier-
    Bei den Subskalen zu den mathematischen Inhal-                  ten und reflektierenden Bürgern erwartet werden».2
ten werden die vier Bereiche Veränderung und funk-                      Naturwissenschaften – Die naturwissenschaftliche
tionale Abhängigkeiten, Raum und Form, Quantita-                    Kompetenz wird in PISA definiert als «das naturwis-
tives Denken sowie Wahrscheinlichkeit und Statis-                   senschaftliche Wissen einer Person und deren Fähig-
tik unterschieden; die Subskalen zu den mathema-                    keit, dieses Wissen anzuwenden, um Fragestellungen
tischen Prozessen bilden die drei Bereiche Formu-                   zu identifizieren, neue Erkenntnisse zu erwerben,
lieren (d. h. mathematische Situationen beschreiben),               naturwissenschaftliche Phänomene zu erklären und
Anwenden (d. h. mathematische Konzepte und                          auf Beweisen basierende Schlüsse über naturwissen-

2
    OECD (2013a). PISA 2012 Ergebnisse: Was Schülerinnen und Schüler wissen und können: Schülerleistungen in Lesekompetenz, Mathe-
    matik und Naturwissenschaften (Band 1). Bielefeld: Bertelsmann.

PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau                                                                                          11
INFO 2: Statistische Signifikanz und prak-        schaftliche Sachverhalte zu ziehen. Dies umfasst das
     tische Bedeutsamkeit von Unterschieden            Verständnis der charakteristischen Eigenschaften der
     Weil jeweils nicht alle 15-Jährigen eines Lan-    Naturwissenschaften als eine Form menschlichen
     des (Population), sondern nur Stichproben an      Wissens und Forschens, die Fähigkeit zu erkennen,
     PISA teilnehmen, werden die Ergebnisse der        wie Naturwissenschaften und Technologie unsere
     Länder aufgrund von Stichproben geschätzt.        materielle, intellektuelle und kulturelle Umgebung
     Die Schätzung der Ergebnisse – beispielsweise     prägen, sowie die Bereitschaft, sich mit naturwissen-
     eines Mittelwerts – ist deshalb immer mit         schaftlichen Themen und Ideen als reflektierender
     einem Stichprobenfehler behaftet. Je nach         Bürger auseinanderzusetzen».3
     Genauigkeit der Stichprobe streuen die Ergeb-       Lesen – Die Lesekompetenz wird in PISA definiert
     nisse in einem grösseren oder kleineren Bereich   als «die Fähigkeit einer Person, geschriebene Texte
     um den wahren Wert einer Population.              zu verstehen, zu nutzen und über sie zu reflektieren
       Bei der Prüfung der Ergebnisse auf statis-      und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, um eigene
     tisch gesicherte Unterschiede zwischen Län-       Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Potenzial
     dern werden die Stichprobenfehler einer Schät-    weiterzuentwickeln und aktiv am gesellschaftlichen
     zung berücksichtigt. Ein Unterschied zwischen     Leben teilzunehmen».4
     zwei Ländern (Populationen) wird dann als
     statistisch signifikant bezeichnet, wenn er       Testdurchführung
     durch ein statistisches Testverfahren überprüft
     und bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von       Die Schülerinnen und Schüler lösen an einem Mor-
     5 Prozent für gültig befunden wurde. Anhand       gen während zwei Stunden PISA-Testaufgaben und
     des 95-Prozent-Vertrauensintervalls kann zu-      füllen während 45 Minuten einen Fragebogen zum
     dem angegeben werden, in welchem Bereich          persönlichen Hintergrund, zu Interessen und Moti-
     der Wert der Population – beispielsweise der      vationen, zu Lerngewohnheiten und zu ihrer Wahr-
     Mittelwert eines Landes – mit einer 95-prozen-    nehmung der Lernumgebung aus. Zudem werden
     tigen Wahrscheinlichkeit liegt.                   die Schulleitungen über die Ressourcen und die Qua-
       Statistisch signifikante Unterschiede sind      lität der Lernumgebung in der Schule befragt. Die
     nicht in jedem Fall von praktischer Bedeutung.    Tests an den Schulen werden durch externe Perso-
     Als Faustregel werden Unterschiede von 20         nen nach standardisierten Vorgaben durchgeführt.
     Punkten auf der PISA-Skala als bedeutsam,         Diese Personen sind auch dafür verantwortlich, dass
     aber klein beurteilt. Unterschiede von 50 Punk-   die Aufgaben an den Schulen vertraulich behandelt
     ten werden als mittelgross und Unterschiede       werden, weil ein Teil der Aufgaben für den Nachweis
     von 80 Punkten als sehr gross bezeichnet. Als     von Trends bei späteren Zyklen wieder eingesetzt
     weitere Referenzgrösse kann der Leistungs-        wird.
     unterschied zwischen zwei PISA-Kompetenz-
     niveaus herangezogen werden. Ein Unter-           Internationaler Vergleich –
     schied von einem Kompetenzniveau wird in          nationaler Vergleich
     PISA als grosser Unterschied betrachtet. Ein
     Kompetenzniveau umfasst für das Lesen 73          Für den internationalen Vergleich wählt jedes Land
     Punkte auf der PISA-Skala, für die Mathema-       mindestens 4’500 15-Jährige aus mindestens 150
     tik 62 Punkte und für die Naturwissenschaften     Schulen zufällig aus. Die internationale Stichprobe
     75 Punkte.                                        wird über das Alter der Schülerinnen und Schüler
                                                       definiert und repräsentiert 15-jährige Schülerinnen
                                                       und Schüler, die mindestens sechs Jahre formale Aus-
                                                       bildung abgeschlossen haben. Weltweit haben an
                                                       PISA 2012 rund 510’000 15-jährige Schülerinnen

3   OECD (2013a).
4   OECD (2013a).

12                                                                     PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau
und Schüler teilgenommen. In der Schweiz haben          INFO 3: Berichterstattung
11’229 15-Jährige aus 411 Schulen am internationa-      Ausführliche Informationen zu PISA 2012 sind
len Vergleich teilgenommen.                             den folgenden Quellen zu entnehmen:
   Für den nationalen Vergleich wurde in der
Schweiz eine zusätzliche repräsentative Stichprobe      PISA 2012: Kantonale Porträts
von Schülerinnen und Schülern der 9. Klasse gezo-       Für die Deutschschweizer Kantone Aargau,
gen, wodurch der Vergleich der drei Sprachregionen      Bern, Solothurn, St.Gallen und Wallis wurden
am Ende der obligatorischen Schulzeit möglich wird.     auf einer gemeinsamen Grundlage jeweils
Die nationale Stichprobe wird über das Schuljahr der    eigene Porträts erstellt.
Schülerinnen und Schüler definiert und repräsentiert       Konsortium PISA.ch (2013). PISA 2012:
Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse. Sämtliche       Erste Ergebnisse zu PISA 2012. Bern und Neu-
Kantone der französischsprachigen Schweiz, der          châtel: BBT/EDK und Konsortium PISA.ch.
Kanton Tessin sowie die Kantone Aargau, Bern               Konsortium PISA.ch (2014). PISA 2012:
(deutschsprachiger Teil), Solothurn, St.Gallen und      Vertiefende Analysen zu bildungspolitischen
Wallis (deutschsprachiger Teil) nutzten PISA 2012       Fragen. Bern und Neuchâtel: SBFI/EDK und
für eine repräsentative kantonale Zusatzstichprobe.     Konsortium PISA.ch.
Insgesamt wurden in der Schweiz 14’625 Schülerin-          OECD (2013). PISA 2012 Ergebnisse: Was
nen und Schüler der 9. Klasse aus 356 Schulen getes-    Schülerinnen und Schüler wissen und können:
tet. Auf dieser Stichprobe beruhen die im vorliegen-    Schülerleistungen in Lesekompetenz, Mathe-
den Porträt berichteten Ergebnisse.                     matik und Naturwissenschaften (Band 1).
   Die Unterschiede zwischen den Mittelwerten der       Bielefeld: Bertelsmann.
15-Jährigen und der Schülerinnen und Schüler der           www.pisa.oecd.org
9. Klasse sind in allen drei Kompetenzbereichen            www.edk.ch
statistisch nicht signifikant. In der Mathematik er-       www.pisa2012.ch
reichen sowohl die Schülerinnen und Schüler der
9. Klasse als auch die 15-Jährigen 531 Punkte. In den
Naturwissenschaften erreichen die Schülerinnen und
Schüler der 9. Klasse 513 Punkte und die 15-Jährigen
515 Punkte. Im Lesen erreichen die Schülerinnen
und Schüler der 9. Klasse 507 Punkte und die 15-Jäh-
rigen 509 Punkte.

Zur Interpretation der Ergebnisse

PISA führt zu einer Standortbestimmung im interna-
tionalen Kontext und informiert die teilnehmenden
Länder über Stärken und Schwächen bezüglich
dreier wichtiger Kompetenzen, die in der Schule ver-
mittelt werden. Es ist deshalb naheliegend, die Ursa-
chen für die PISA-Ergebnisse bei den Merkmalen des
jeweiligen Bildungssystems zu vermuten. Allerdings
geht diese Ursachenforschung kaum über Vermu-
tungen hinaus, weil sich die Ergebnisse von PISA
wissenschaftlich nicht schlüssig auf einzelne Merk-
male des Bildungssystems wie die Schulstruktur oder
das Schuleintrittsalter zurückführen lassen.

PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau                                                                  13
3           Fachliche Leistungen

Wie sind die Ergebnisse des Kantons Aargau im           Punkte. Damit liegt der Kanton Aargau im Vergleich
nationalen Vergleich zu beurteilen? Wie gross ist       mit den anderen Kantonen im Mittelfeld. Die Unter-
der Anteil an Jugendlichen, deren Grundbildung am       schiede zwischen den Kantonen sind jedoch generell
Ende der obligatorischen Schulzeit ungenügend ist?      klein. Im Vergleich zur gesamten Deutschschweiz
Gibt es Leistungsunterscheide zwischen Mädchen          (534 Punkte) sind die Mathematikleistungen im Kan-
und Knaben? Zeigen sich besondere Stärken oder          ton Aargau statistisch signifikant tiefer. Der Unter-
Schwächen in den einzelnen Aspekten der Mathe-          schied ist mit 10 Punkten allerdings gering. Der
matikkompetenz?                                         Rückstand des Kantons Aargau zum Mittelwert der
                                                        gesamten Schweiz (531 Punkte) ist statistisch nicht
Leistungen im Lesen, in der Mathematik                  signifikant.
und in den Naturwissenschaften                             Im Lesen erreichen die Schülerinnen und Schüler
                                                        des Kantons Aargau durchschnittlich 495 Punkte.
An PISA 2012 haben die Kantone Aargau, Solothurn,       Die Leseleistungen im Kanton Aargau liegen somit 12
Bern, St.Gallen, Tessin sowie alle Kantone der fran-    Punkte unter dem nationalen und dem Deutsch-
zösischsprachigen Schweiz mit einer repräsentativen     schweizerischen Mittelwert. Dieser Rückstand ist sta-
Stichprobe teilgenommen. Dies ermöglicht, die Leis-     tistisch zwar signifikant, kann aber als klein beurteilt
tungen der Schülerinnen und Schüler dieser Kanto-       werden. Allerdings ist – wie die Gesamtlänge des
ne miteinander zu vergleichen sowie die einzelnen       Balkens zeigt – die Spannweite zwischen den Leis-
Kantone mit den durchschnittlichen Leistungswerten      tungen der besten und der schlechtesten Schülerin-
der Gesamtschweiz und der drei Sprachregionen.          nen und Schüler im Kanton Aargau mit 334 Punkten
     Die Abbildungen 3.1, 3.2 und 3.3 zeigen die Er-    im nationalen Vergleich sehr gross.
gebnisse des Kantons Aargau für die Mathematik,            In den Naturwissenschaften liegen die durch-
das Lesen und die Naturwissenschaften im nationa-       schnittlichen Leistungen der Schülerinnen und Schü-
len Vergleich. Links sind die Abkürzung für den Kan-    ler des Kantons Aargau mit 511 Punkten geringfü-
ton sowie der entsprechende Mittelwert auf der          gig unter dem gesamtschweizerischen Mittelwert.
PISA-Skala aufgeführt. Rechts davon sind die Leis-      Dieser Rückstand ist statistisch nicht signifikant. Der
tungen in Form eines Balkens dargestellt. Die Ge-       Rückstand zum Deutschschweizerischen Mittelwert
samtlänge des Balkens gibt den Bereich an, in dem       ist jedoch mit 9 Punkten statistisch signifikant.
die mittleren 90 Prozent der Schülerleistungen eines
Kantons liegen. Die Länge des Balkens ist ein Mass      Leistungsschwache und leistungsstarke
für die Spannweite zwischen den besten und den          Schülerinnen und Schüler
schlechtesten Schülerinnen und Schülern. Der hell-
blaue Balken umfasst die 50 Prozent der mittleren       PISA teilt die Schülerleistungen in sogenannte Kom-
Schülerleistungen. Der kleine schwarze Balken stellt    petenzniveaus ein. Die Kompetenzniveaus beschrei-
jenen Bereich dar, in dem der Mittelwert mit einer      ben, was die Schülerinnen und Schüler innerhalb
Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent liegt. Je kürzer      eines Leistungsbereichs wissen und können. Die Leis-
der schwarze Balken, desto zuverlässiger ist die        tungen der Schülerinnen und Schüler lassen sich auf-
Schätzung des Mittelwerts.                              grund dieser Beschreibungen inhaltlich interpretie-
     In der Mathematik erreichen die Schülerinnen und   ren. Für alle drei Kompetenzbereiche werden sechs
Schüler des Kantons Aargau durchschnittlich 524         Niveaus unterschieden.

14                                                                       PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau
Abbildung 3.1: Mathematikleistungen des Kantons Aargau im nationalen Vergleich

     Kanton            Mittelwert
     CH                   531
     CH (d)               534
     CH (f)               523
     CH (i)               514

     AG                      524
     BE (d)                  529
     BE (f)                  516
     FR (f)                  550
     GE                      502
     JU                      526
     NE                      508
     SG                      552
     SO                      524
     TI                      515
     VD                      524
     VS (d)                  535
     VS (f)                  539
                                         300             350     400   450        500       550   600   650   700
                                                                         Mathematikleistung

  5. Perzentil   25. Perzentil     75. Perzentil 95. Perzentil

                            Mittelwert
                            +/- 2 SE

Abbildung 3.2: Leseleistungen des Kantons Aargau im nationalen Vergleich

     Kanton           Mittelwert
     CH                 507
     CH (d)             507
     CH (f)             509
     CH (i)             484

     AG                    495
     BE (d)                505
     BE (f)                496
     FR (f)                520
     GE                    501
     JU                    501
     NE                    487
     SG                    514
     SO                    497
     TI                    485
     VD                    512
     VS (d)                501
     VS (f)                527
                                         300             350     400   450       500        550   600   650   700
                                                                             Leseleistung

  5. Perzentil   25. Perzentil     75. Perzentil 95. Perzentil

                            Mittelwert
                            +/- 2 SE

PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau                                                                               15
Abbildung 3.3: Leistungen in den Naturwissenschaften des Kantons Aargau im nationalen Vergleich

       Kanton           Mittelwert
       CH                  513
       CH (d)              520
       CH (f)              500
       CH (i)              490

       AG                    511
       BE (d)                518
       BE (f)                493
       FR (f)                518
       GE                    489
       JU                    500
       NE                    485
       SG                    531
       SO                    510
       TI                    490
       VD                    498
       VS (d)                510
       VS (f)                517
                                            300            350      400         450         500      550          600    650        700
                                                                          Leistungen in den Naturwissenschaften

     5. Perzentil   25. Perzentil     75. Perzentil 95. Perzentil

                               Mittelwert
                               +/- 2 SE

     Im Fokus steht vor allem jener Anteil Schülerinnen                               nierten Textausschnittes zu erarbeiten. Sie haben
und Schüler, die in der Mathematik und im Lesen das                                   aber Schwierigkeiten, verschiedene Informationen in
Kompetenzniveau 2 nicht erreichen. PISA bezeichnet
diese Schülerinnen und Schüler als Risikogruppe, weil                                   INFO 4: Risikogruppe
ihre schulischen Leistungen für einen reibungslosen                                     Zur Risikogruppe gehören Schülerinnen und
Übergang in die Berufsbildung oder in weiterfüh-                                        Schüler, deren Leistungen in der Mathematik
rende Schulen der Sekundarstufe II nicht genügen                                        und im Lesen dem Kompetenzniveau 1 oder
(vgl. INFO 4).                                                                          tiefer entsprechen. Für diese Schülerinnen und
     Schülerinnen und Schüler, die in der Mathematik                                    Schüler besteht die Gefahr, dass sie beim Über-
das Kompetenzniveau 1 und tiefer erreichen, sind                                        gang von der Schule ins Arbeitsleben erheb-
zwar fähig, vertraute mathematische Aufgaben zu                                         lichen Problemen gegenüberstehen und in
lösen, die alle relevanten Informationen zur Lösung                                     ihrem späteren Leben Möglichkeiten für Fort-
enthalten. Sie sind auch fähig, einfache Routinever-                                    und Weiterbildung nicht nutzen können. Für
fahren gemäss direkten Instruktionen in unmittelbar                                     die Naturwissenschaften wird der Begriff der
zugänglichen Situationen anzuwenden. Sobald sich                                        Risikogruppe nicht verwendet, weil die beruf-
das mathematische Problem jedoch in einem unbe-                                         liche und gesellschaftliche Integration weniger
kannten Kontext stellt, tauchen Schwierigkeiten auf.                                    stringent auf naturwissenschaftliche Leistun-
Die mathematischen Kompetenzen reichen nicht aus,                                       gen zurückgeführt werden kann. Jugendliche,
um alltagsbezogene Probleme zu lösen.                                                   die nicht mindestens Kompetenzniveau 2 errei-
     Schülerinnen und Schüler, die im Lesen das Kom-                                    chen, haben aber ungünstige Voraussetzun-
petenzniveau 1 oder tiefer erreichen, sind zwar in der                                  gen, sich in ihrer Berufsbildung mit naturwis-
Lage, einfache Texte zu lesen, einzelne Informatio-                                     senschaftlichen Themen zu beschäftigen.
nen im Text zu finden oder die Bedeutung eines defi-

16                                                                                                    PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau
Abbildung 3.4: Anteil Schülerinnen und Schüler nach Kompetenzniveau

                         CH                      11%                                 68%                                  20%
                       CH (d)                    11%                                 66%                                  22%
                       CH (f)                    11%                                 73%                                  16%
                       CH (i)                    11%                                 76%                                   13%

                          AG                     14%                                 65%                             20%
                       BE (d)                    12%                                 67%                                  21%
 Mathematik

                        BE (f)                   14%                                 72%                              14%
                       FR (f)                     5%                                 71%                                            24%
                          GE                     16%                                 74%                            10%
                           JU                    10%                                 74%                                      16%
                          NE                     14%                                 74%                                 12%
                          SG                      8%                                 63%                                       29%
                          SO                     13%                                 67%                                 19%
                            TI                   11%                                 76%                                   13%
                          VD                     12%                                 71%                                  17%
                       VS (d)                     7%                                 74%                                        19%
                       VS (f)                     5%                                 77%                                            18%

                         CH                      13%                                 79%                                  8%
                       CH (d)                    13%                                 79%                                  8%
                       CH (f)                    12%                                 81%                                   8%
                       CH (i)                    18%                                 77%                            5%

                          AG                     18%                                 75%                            7%
                       BE (d)                    13%                                 79%                                  8%
                        BE (f)                   16%                                 77%                             7%
 Lesen

                       FR (f)                     7%                                 85%                                            8%
                          GE                     14%                                 81%                                  6%
                           JU                    12%                                 82%                                   6%
                          NE                     17%                                 79%                            4%
                          SG                     12%                                 78%                                  10%
                          SO                     17%                                 75%                            8%
                            TI                   18%                                 77%                            5%
                          VD                     12%                                 79%                                  9%
                       VS (d)                    13%                                 82%                                  5%
                       VS (f)                     5%                                 87%                                             8%

                         CH                      12%                                 80%                                   8%
                       CH (d)                    11%                                 80%                                       9%
                       CH (f)                    14%                                 81%                                 5%
                       CH (i)                    15%                                 81%                                 4%
 Naturwissenschaften

                          AG                     14%                                 78%                                  8%
                       BE (d)                    10%                                 81%                                       8%
                        BE (f)                   16%                                 80%                             4%
                       FR (f)                     7%                                 87%                                            5%
                          GE                     16%                                 81%                             3%
                           JU                    11%                                 85%                                      4%
                          NE                     18%                                 79%                            3%
                          SG                      9%                                 80%                                       11%
                          SO                     13%                                 80%                                  6%
                            TI                   15%                                 82%                                 4%
                          VD                     16%                                 79%                             5%
                       VS (d)                     9%                                 88%                                        4%
                       VS (f)                     9%                                 84%                                        7%

                                 20%                0%             20%                 40%                  60%     80%                   100%

                                       Risiko (< Niveau 2)   mittel (Niveau 2/3/4)         sehr hoch (Niveau 5/6)

PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau                                                                                                        17
einem Text miteinander in Beziehung zu setzen. Auf-      damit statistisch signifikant mehr Schülerinnen und
grund ihrer Lesekompetenzen können sie nur sehr          Schüler zu den Leseschwachen gezählt werden als in
einfache Leseaufgaben lösen, die sich auf klar loka-     der Schweiz insgesamt. Der Anteil leistungsstarker
lisierte Textstellen beziehen. Dies reicht nicht aus,    Schülerinnen und Schüler beträgt 7 Prozent und ist
um Leseaufgaben zu bewältigen, die sich im Alltag        somit mit dem gesamtschweizerischen und dem
und in Ausbildungssituationen stellen. Schwache          Deutschschweizerischen Anteil vergleichbar.
Leserinnen und Leser können somit vom Bildungs-             In den Naturwissenschaften beträgt der Anteil
angebot nicht in gewünschter Weise profitieren.          leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler 14 Pro-
Auch haben diese Jugendlichen geringe Chancen auf        zent. Dieser Anteil ist tendenziell höher als in der
eine erfolgreiche Bildungs- und Berufslaufbahn.          Gesamtschweiz oder der Deutschschweiz, wobei es
     Schülerinnen und Schüler, die in den Naturwissen-   sich hier jedoch um statistisch nicht signifikante
schaften das Kompetenzniveau 1 oder tiefer errei-        Unterschiede handelt. Ähnlich wie in den anderen
chen, verfügen zwar über beschränktes naturwis-          Fachbereichen unterscheidet sich der Anteil leistungs-
senschaftliches Wissen, das sie auf wenige, vertrau-     starker Aargauer Schülerinnen und Schüler in den
te Situationen anwenden können. Ihre Fähigkeiten         Naturwissenschaften (8 Prozent) nicht von den Antei-
reichen aber nicht aus, eine Ausbildungs- und Berufs-    len der Gesamtschweiz oder der Deutschschweiz.
laufbahn einzuschlagen, die ein naturwissenschaft-
liches Verständnis verlangt. Auch im Alltag wird es      Leistungsunterschiede zwischen
ihnen kaum möglich sein, einfache technische oder        weiblichen und männlichen Jugendlichen
naturwissenschaftliche Probleme zu verstehen. Für
die Naturwissenschaften wird der Begriff der Risiko-     Abbildung 3.5 zeigt die Leistungsunterschiede zwi-
gruppe nicht verwendet, weil die berufliche und          schen Schülerinnen und Schülern. In der Abbildung
gesellschaftliche Integration weniger stringent auf      ist für jeden Kompetenzbereich die Differenz zwi-
naturwissenschaftliche Leistungen zurückgeführt          schen der durchschnittlichen Leistung der weiblichen
werden kann.                                             und männlichen Jugendlichen dargestellt. Dunkel-
     Abbildung 3.4 zeigt, wie sich die Schülerinnen      blaue Balken weisen auf statistisch signifikante, hell-
und Schüler auf die Kompetenzniveaus verteilen. Die      blaue Balken auf statistisch nicht signifikante Unter-
Prozentanteile leistungsschwacher Schülerinnen und       schiede hin.
Schüler variieren je nach Kompetenzbereich. In der          In der Mathematik unterscheiden sich die Leistun-
Mathematik erreichen 14 Prozent der Schülerinnen         gen der beiden Geschlechter im Kanton Aargau nicht
und Schüler aus dem Kanton Aargau das Kompe-             statistisch signifikant voneinander. In der Schweiz
tenzniveau 2 nicht. Im Vergleich zur gesamten            und in der Deutschschweiz ist bei den Mathematik-
Schweiz unterscheidet sich der Anteil leistungs-         leistungen der Mittelwert der Schüler höher als der-
schwacher Schülerinnen und Schüler statistisch sig-      jenige der Schülerinnen. Die Differenz beträgt in der
nifikant. Der Anteil leistungsstarker Schülerinnen und   Schweiz 15 Punkte, in der Deutschschweiz 14 Punk-
Schüler ist in der Mathematik besonders gross. In        te. Deutlichere Geschlechtsunterschiede sind im Kan-
diesem Kompetenzbereich erreichen im Kanton              ton Aargau bei der Verteilung auf die Kompetenz-
Aargau wie auch in der Schweiz insgesamt jede            niveaus erkennbar. In der Mathematik erreichen
fünfte Schülerin und jeder fünfte Schüler das Kom-       23 Prozent der männlichen Jugendlichen sehr hohe
petenzniveau 5 oder 6. Zwischen den Deutsch-             Kompetenzen. Der Anteil leistungsstarker Schüler
schweizer Kantonen unterscheidet sich der Anteil der     ist in der Mathematik damit statistisch signifikant
Schülerinnen und Schüler mit sehr hohen mathema-         grösser als der Anteil leistungsstarker Schülerinnen
tischen Kompetenzen kaum.                                (18 Prozent). Als leistungsschwach können im Kan-
     Im Lesen ist der Anteil Schülerinnen und Schüler    ton Aargau 13 Prozent der Schülerinnen und 16 Pro-
der Risikogruppe im Kanton Aargau grösser als in den     zent der Schüler bezeichnet werden. Der Anteil leis-
meisten anderen Kantonen und höher als der               tungsschwacher männlicher Jugendlicher ist somit
gesamtschweizerische Mittelwert. Mit 18 Prozent          signifikant höher als der Schweizerische Mittelwert
müssen im Kanton Aargau rund 1,4-mal mehr und            (10 Prozent).

18                                                                        PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau
Abbildung 3.5: Geschlechtsunterschiede in den durchschnittlichen Leistungen
                    (Differenz Schülerinnen – Schüler)

                                  Knaben                 Geschlechterunterschied zugunsten                 Mädchen

   Mathematik            AG                                               2

                         CH                                15

                         CH (d)                                14

   Lesen                 AG                                                                                  51

                         CH                                                                         38

                         CH (d)                                                                      39

   Naturwissenschaften AG                                                          7

                         CH                                           6

                         CH (d)                                       5

                                  60            40        20                  0            20       40            60

           statistisch signifikante Unterschiede               Punkte auf der Leistungsskala
           statistisch nicht signifikante Unterschiede

   Im Lesen erreichen Schülerinnen im Kanton Aar-                höher als die Leistungen der Schülerinnen. Mit 16
gau im Mittelwert 51 Punkte mehr als Schüler. Die-               Prozent müssen mehr männliche als weibliche (11
ser Leistungsunterschied ist beträchtlich, aber nicht            Prozent) Jugendliche dem Kompetenzniveau 1 oder
statistisch signifikant grösser als die Geschlechtsun-           tiefer zugeordnet werden. Dieser Unterschied zwi-
terschiede in der Leseleistung in der Schweiz (38                schen den Geschlechtern ist jedoch nicht statistisch
Punkte) oder in der Deutschschweiz (39 Punkte).                  signifikant. Im Vergleich mit dem durchschnittlichen
Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede wider-                Anteil männlicher Jugendlicher in der Schweiz (12
spiegeln sich auch in der Verteilung auf die Kompe-              Prozent), welche dem Kompetenzniveau 1 oder tie-
tenzniveaus. Im Lesen erreichen mit 10 Prozent sta-              fer zugeordnet werden, ist jedoch der Anteil im Kan-
tistisch signifikant mehr Schülerinnen als Schüler sehr          ton Aargau signifikant höher. Die Anteile leistungs-
hohe Kompetenzen (5 Prozent). Diese Aufteilung                   starker Schülerinnen (5 Prozent) und Schüler (8 Pro-
entspricht derjenigen des gesamtschweizerischen                  zent) in Naturwissenschaften unterscheiden sich im
Mittelwerts. 10 Prozent der Schülerinnen im Kanton               Kanton Aargau nicht statistisch signifikant voneinan-
Aargau und 25 Prozent der Schüler erreichen das                  der und sind mit den durchschnittlichen Anteilen der
Kompetenzniveau 2 im Lesen nicht. Das heisst, im                 Schweizer Schülerinnen und Schüler vergleichbar.
Kanton Aargau muss jeder vierte männliche Jugend-
liche im Lesen zur Risikogruppe gezählt werden, die              Mathematikleistungen
nicht in der Lage ist, Leseaufgaben zu bewältigen,               nach mathematischen Inhalten
welche sich im Alltag und in der Ausbildung stellen.
Dieser Anteil ist statistisch signifikant höher als in           Da der Kompetenzbereich Mathematik den thema-
der Gesamtschweiz.                                               tischen Schwerpunkt von PISA 2012 bildet, ist es
   In den Naturwissenschaften bestehen im Kanton                 möglich, die Mathematikleistung nach weiteren Leis-
Aargau keine statistisch signifikanten Leistungsunter-           tungsfacetten zu differenzieren. So ordnet PISA die
schiede zwischen weiblichen und männlichen Ju-                   Aufgaben in vier Bereiche mathematischer Inhalte,
gendlichen. In der Schweiz sind die Leistungen der               die jeweils unterschiedliche mathematische Kenntnis-
Schüler 6 Punkte und damit statistisch signifikant               se und Denkweisen voraussetzen:

PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau                                                                                  19
• Die Aufgaben des Inhaltsbereichs Veränderung              weise dazu aufgefordert, Diagramme zu interpre-
     und funktionale Abhängigkeiten fokussieren auf         tieren oder die Wahrscheinlichkeit bestimmter
     funktionale Beziehungen zwischen Objekten und          Ereignisse zu berechnen.
     den mathematischen Prozessen, die sich aus          Im Folgenden werden die Leistungen in diesen In-
     Änderungen dieser Beziehungen ergeben. Typisch      haltsbereichen für den Kanton Aargau, die Deutsch-
     für diese Kategorie sind z. B. Textaufgaben, in     schweiz sowie die Schweiz mit der Gesamtleistung in
     welchen Reisezeiten basierend auf Angaben zu        der Mathematik (Gesamtmittelwert) verglichen. Da
     Distanzen und Durchschnittsgeschwindigkeiten        die Leistungen der vier Inhaltsbereiche jeweils im
     berechnet werden müssen.                            Vergleich zum Gesamtmittelwert berechnet werden,
• Aufgaben zum Quantitativen Denken umfassen             können relative Schwächen und Stärken im Rahmen
     Vergleiche und Berechnungen beruhend auf            der Mathematikleistung eruiert werden. Tabelle 3.1
     quantitativen Beziehungen und numerischen           zeigt, wie stark die Ergebnisse in den vier Inhaltsbe-
     Eigenschaften von Objekten und Ereignissen.         reichen vom Gesamtmittelwert der Mathematikleis-
     Dieser Inhaltsbereich liegt am nächsten bei der     tung abweichen. Bedeutende relative Schwächen
     Arithmetik und bezieht sich auf Aufgaben, in wel-   (Abweichungen von mehr als –10 Punkten) sind rot,
     chen zum Beispiel Masseinheiten geordnet oder       bedeutende relative Stärken (Abweichungen von
     Anteile berechnet werden müssen.                    mehr als +10 Punkten) sind blau eingefärbt.
• Aufgaben zum Inhaltsbereich Raum und Form                 Die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler
     beinhalten räumliche Beziehungen zwischen Ob-       des Kantons Aargau weichen in keinem Inhaltsbe-
     jekten, Messergebnissen und weitere geometri-       reich statistisch signifikant vom Gesamtmittelwert in
     sche Aspekte des räumlichen Denkens. Dieser         der Mathematik ab. Tendenziell zeigen sich für den
     Inhaltsbereich entspricht am ehesten dem Lehr-      Kanton Aargau relative Stärken in den Bereichen Ver-
     planbereich Geometrie und beinhaltet Aufgaben,      änderung und funktionale Abhängigkeiten und
     in welchen beispielsweise dreidimensionale Ob-      Raum und Form sowie eine relative Schwäche im
     jekte aus einer anderen Perspektive gezeichnet      Bereich Wahrscheinlichkeit und Statistik.
     beziehungsweise wiedererkannt werden müssen            Das gleiche Stärken-Schwächen-Profil wie im
     (mentale Rotation).                                 Kanton Aargau zeigt sich, wenn auch verstärkt, für
• Der Inhaltsbereich Wahrscheinlichkeit und Statis-      die Deutschschweiz beziehungsweise die Gesamt-
     tik bezieht sich auf die Interpretation und das     schweiz. In der Schweiz erzielen die Schülerinnen
     Auseinandersetzen mit Daten bzw. mit verschie-      und Schüler im Inhaltsbereich Raum und Form ein
     denen Arten der Datendarstellung. Diese Katego-     im Vergleich zum Gesamtmittelwert markant besse-
     rie beinhaltet Aufgaben, in welchen mehrheitlich    res Ergebnis (+15 Punkte). Eine bedeutende relative
     stochastisches Denken vorausgesetzt wird. So        Schwäche lässt sich hingegen im Bereich Wahr-
     werden die Schülerinnen und Schüler beispiels-      scheinlichkeit und Statistik feststellen (–10 Punkte).

Tabelle 3.1:       Abweichungen der Ergebnisse in den vier Inhaltsbereichen der Mathematik
                   vom Gesamtmittelwert der Mathematikleistung

                 Gesamtmittelwert                        Abweichungen in Punkten
                       Mathematik         Veränderung    Quantitatives         Raum und        Wahrschein-
                                       und funktionale         Denken                Form            lichkeit
                                       Abhängigkeiten                                          und Statistik
AG                             524                   5                0                  6                –8
CH                             531                  –1              –1                 15               –10
CH (d)                         534                   1                1                14               –10

20                                                                        PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau
Tabelle 3.2:      Abweichungen der Ergebnisse in den drei Prozessen vom Gesamtmittelwert
                  der Mathematikleistung

                         Gesamtmittelwert                      Abweichungen in Punkten
                               Mathematik             Formulieren        Anwenden        Interpretieren
AG                                      524                    6                –3                  –2
CH                                      531                    8                –2                  –3
CH (d)                                  534                   10                –3                  –4

Mathematikleistungen
nach mathematischen Prozessen

Eine weitere Differenzierung der Mathematikkompe-
tenzen lässt sich aufgrund mathematischer Aktivi-
täten beziehungsweise mathematischer Prozesse
vornehmen. Folgende drei Prozesse werden unter-
schieden:
• Formulieren bedeutet, eine Situation in mathema-
   tische Strukturen und Repräsentationen zu über-
   tragen. Dazu gehört beispielsweise das Erkennen
   von Gesetzmässigkeiten und Mustern oder das
   Übertragen von alltäglichen Situationen in mathe-
   matische Formeln.
• Anwenden heisst Lösungsstrategien einsetzen,
   um mathematische Fragestellungen erfolgreich zu
   bearbeiten. Dazu gehört beispielsweise das Lösen
   einer Gleichung oder das Entnehmen mathema-
   tischer Informationen aus Tabellen oder Abbil-
   dungen.
• Interpretieren meint, mathematische Ergebnisse
   beurteilen, reflektieren und anwenden. Dazu ge-
   hört beispielsweise das Bewerten der Lösung einer
   mathematischen Problemstellung.
Gleich wie bei den Inhaltsbereichen lassen sich wie-
derum relative Stärken und Schwächen ermitteln.
Tabelle 3.2 zeigt, wie stark die Ergebnisse in den drei
Prozessen vom Gesamtmittelwert der Mathematik-
leistung abweichen.
   Bei den mathematischen Prozessen können für
den Kanton Aargau keine bedeutenden Stärken oder
Schwächen festgestellt werden. Tendenziell sind die
Schülerinnen und Schüler des Kantons Aargau im
Formulieren stärker als im Anwenden und Interpre-
tieren von mathematischen Lösungen.

PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau                                                                 21
4             Sozialer und kultureller Kontext

Ein grosser Teil der Leistungsunterschiede am Ende                   rinnen und Schüler, die zu Hause Deutsch sprechen.
der obligatorischen Schulbildung lässt sich durch                    Die zweite Gruppe umfasst die einheimischen Schü-
individuelle Merkmale der Schülerinnen und Schü-                     lerinnen und Schüler, die zu Hause – weil sie z. B. aus
ler, insbesondere durch den Migrationshintergrund,                   der Romandie oder dem Tessin zugezogen sind –
die Kenntnis der Schulsprache und der sozialen Her-                  eine andere Sprache als Deutsch sprechen. Die drit-
kunft erklären. Welche Leistungen erbringen Schüle-                  te Gruppe umfasst die Schülerinnen und Schüler mit
rinnen und Schüler mit unterschiedlichen Herkunfts-                  Migrationshintergrund, die zu Hause die Schulspra-
merkmalen im Kanton Aargau? Wie gut gelingt es                       che Deutsch sprechen und die vierte Gruppe die
dem Kanton Aargau Schülerinnen und Schüler mit                       fremdsprachigen Schülerinnen und Schüler mit
Migrationshintergrund zu fördern?                                    Migrationshintergrund.
                                                                         Im Kanton Aargau gehören 73 Prozent der Ju-
Leistungen in Mathematik und im Lesen                                gendlichen zur Gruppe der deutschsprachigen Ein-
nach Herkunftsmerkmalen                                              heimischen. 4 Prozent der Schülerinnen und Schüler
                                                                     zählen zur Gruppe der fremdsprachigen Einheimi-
In der Schweiz hat der Anteil an Schülerinnen und                    schen. 8 Prozent der Schülerinnen und Schüler im
Schülern mit Migrationshintergrund in den letzten                    Kanton Aargau haben einen Migrationshintergrund
Jahrzehnten – wie in den meisten OECD-Ländern –                      und sprechen zu Hause die Schulsprache Deutsch. 15
zugenommen. 2012 sind in der Schweiz 24 Prozent                      Prozent der Jugendlichen haben einen Migrations-
der Schülerinnen und Schüler im Ausland geboren                      hintergrund und sprechen zu Hause nicht die Schul-
oder haben Eltern, die im Ausland geboren wurden.                    sprache Deutsch.
Die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshinter-                       In Abbildung 4.1 sind die Leistungsunterschiede
grund verfügen oft über ungenügende Kenntnisse                       zwischen drei dieser Schülergruppen in Mathematik
der Schulsprache und sie stammen überproportional                    dargestellt. Zu Gunsten der Übersichtlichkeit wurden
häufig aus sozioökonomisch benachteiligten Fami-                     in den folgenden Berechnungen die einheimischen
lien. Diese Kumulation von Herkunftseffekten er-                     Schülerinnen und Schüler, die sich zu Hause in einer
schwert für viele Schülerinnen und Schülern mit                      Fremdsprache unterhalten (4%), aus der Analyse
Migrationshintergrund den Bildungserfolg. Dement-                    entfernt. Der Begriff einheimische Schülerinnen und
sprechend ist es ein zentrales Anliegen, den Bedürf-                 Schüler bezieht sich folglich stets auf Jugendliche, die
nissen einer heterogenen Schülerschaft gerecht zu                    zu Hause die jeweilige Schulsprache sprechen. Die
werden und die Leistungsunterschiede zwischen                        Balken zeigen, wie sich die Mathematikleistungen
Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher kultu-                   zwischen den einheimischen Schülerinnen und Schü-
reller und sozialer Herkunft möglichst gering zu                     lern und den Schülerinnen und Schülern mit Migra-
halten.5                                                             tionshintergrund im Kanton Aargau, in der Deutsch-
     Um zu zeigen, wie gut es dem Kanton Aargau                      schweiz sowie in der Gesamtschweiz unterscheiden.
gelingt, Schülerinnen und Schüler mit unterschiedli-                     Der jeweils erste blaue Balken zeigt die Leistungs-
cher kultureller und sozialer Herkunft zu fördern,                   unterschiede zwischen den einheimischen Schülerin-
werden die Jugendlichen in vier Gruppen eingeteilt.                  nen und Schülern und den Schülerinnen und Schü-
Die erste Gruppe umfasst die einheimischen Schüle-                   lern mit Migrationshintergrund, die sich zu Hause in

5
    OECD (2013b). PISA 2012 Results: Excellence Through Equity. Giving Every Student the Chance to Succeed (Volume II). PISA, OECD
    Publishing.

22                                                                                       PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau
INFO 5: Migrationshintergrund, Kenntnis              Soziale Herkunft
   der Schulsprache, Index der sozialen Herkunft        Aufgrund der Angaben der Schülerinnen und
                                                        Schüler im Fragebogen wird in der PISA-Studie
   Migrationshintergrund                                ein Index des wirtschaftlichen, sozialen und kul-
   Für die Bestimmung des Migrationshintergrunds        turellen Status (ESCS) gebildet, im Folgenden kurz
   nutzt PISA den Geburtsort. Zu den Schülerinnen       Index der sozialen Herkunft genannt. Der Index
   und Schülern mit Migrationshintergrund gehö-         setzt sich aus der höchsten beruflichen Stellung
   ren jene Schülerinnen und Schüler, die wie ihre      der Eltern, dem höchsten Bildungsabschluss der
   Eltern im Ausland geboren sind (erste Generation)    Eltern und den im Elternhaus vorhandenen Besitz-
   sowie Schülerinnen und Schüler, die in der           tümern zusammen. Die Skala wurde so normiert,
   Schweiz geboren sind, deren Eltern jedoch im         dass der Mittelwert der OECD-Länder M = 0 und
   Ausland geboren sind (zweite Generation). Alle       die Standardabweichung SD = 1 beträgt. Somit
   anderen Schülerinnen und Schüler werden als ein-     erreichen innerhalb der OECD rund zwei Drittel
   heimische Schülerinnen und Schüler bezeichnet.       der Schülerinnen und Schüler Indexpunkte
                                                        zwischen –1 und +1, 95 Prozent Indexpunkte
   Sprache zu Hause                                     zwischen –2 und +2 und nahezu alle Schülerinnen
   Als Indikator für die Kenntnis der Schulsprache      und Schüler Indexpunkte zwischen –3 und +3.
   wurde die zu Hause gesprochene Sprache erfasst.      Ein negativer Wert bedeutet nicht zwingend, dass
   Schülerinnen und Schüler, die sich zu Hause vor-     die Fragen negativ beziehungsweise verneinend
   wiegend in der Schulsprache unterhalten, wer-        beantwortet wurden, sondern lediglich, dass im
   den als deutschsprachig bezeichnet; Schülerinnen     Vergleich zum OECD-Mittelwert weniger stark
   und Schüler, die sich zu Hause vorwiegend in einer   zugestimmt wurde. Umgekehrt verweisen positive
   anderen Sprache als der Schulsprache unterhalten,    Werte darauf, dass die Zustimmung stärker ist als
   werden als fremdsprachig bezeichnet.                 im OECD-Mittelwert.

der Schulsprache unterhalten. Der Unterschied in        nen und Schülern. Die durchschnittlichen Mathema-
den Mathematikleistungen zwischen den einheimi-         tikleistungen der fremdsprachigen Schülerinnen und
schen Schülerinnen und Schülern und den fremd-          Schüler liegen 60 Punkte unter den Leistungen der
sprachigen Schülerinnen und Schülern mit Migra-         einheimischen Schülerinnen und Schüler. Dieser Leis-
tionshintergrund wird mit dem jeweils zweiten           tungsrückstand ist als gross zu beurteilen.
blauen Balken illustriert.                                 Nach statistischer Kontrolle der sozialen Herkunft
   Um zu beurteilen, inwieweit die Leistungen der       werden die Leistungsrückstände der Schülerinnen
Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund      und Schüler mit Migrationshintergrund geringer.
auf die soziale Herkunft zurückzuführen sind, wurde     Diese Verringerung ist sowohl in der Schweiz als auch
zudem die Bedeutung des soziökonomischen Hinter-        im Kanton Aargau bei fremdsprachigen Schülerinnen
grunds statistisch kontrolliert. Dementsprechend        und Schülern statistisch signifikant. Bei gleicher
zeigen die grauen Balken den Leistungsrückstand in      sozialer Herkunft reduziert sich ihre Leistungsdiffe-
Mathematik für die beiden Gruppen mit Migrations-       renz zu den einheimischen Schülerinnen und Schü-
hintergrund, wobei jeweils der Einfluss der sozialen    lern im Kanton Aargau auf 34 Punkte. Trotzdem blei-
Herkunft statistisch kontrolliert bzw. herausgerech-    ben bedeutsame und statistisch signifikante Unter-
net wurde.                                              schiede bestehen, die nicht mit der sozioökonomi-
   Im Kanton Aargau beträgt der Leistungsunter-         schen Herkunft, beispielsweise durch die fehlende
schied zwischen den einheimischen Jugendlichen          Unterstützung durch die Familie, erklärt werden kön-
und den deutschsprachigen Jugendlichen mit Migra-       nen. Auch die deutschsprachigen Schülerinnen und
tionshintergrund 35 Punkte. Deutlich grösser ist der    Schüler mit Migrationshintergrund erreichen bei glei-
Leistungsrückstand der fremdsprachigen Schülerin-       cher sozialer Herkunft statistisch signifikant tiefere

PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau                                                                        23
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