PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau - Domenico Angelone, Florian Keller & Martin Verner
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Forschungsgemeinschaft PISA Deutschschweiz PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau Domenico Angelone, Florian Keller & Martin Verner
Forschungsgemeinschaft PISA Deutschschweiz PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau Domenico Angelone, Florian Keller & Martin Verner
Herausgeber Forschungsgemeinschaft PISA Deutschschweiz, ein Zusammenschluss der folgenden Institutionen: Kantone • Aargau • Bern • Solothurn • St.Gallen • Wallis Forschungsinstitutionen • Institut für Forschung, Entwicklung und Evaluation, Pädagogische Hochschule Bern (PHBern): Catherine Bauer, Erich Ramseier, Daniela Blum • Institut Professionsforschung und Kompetenz- entwicklung, Pädagogische Hochschule St.Gallen (PHSG): Christian Brühwiler, Grazia Buccheri, Andrea Erzinger, Jan Hochweber • Institut für Bildungsevaluation (IBE), Assoziiertes Institut der Universität Zürich: Domenico Angelone, Florian Keller, Martin Verner • Pädagogische Hochschule Wallis; DBS – Dienststelle für tertiäre Bildung (Bereich Forschung und Entwicklung): Edmund Steiner, Ursula Maria Stalder, Paul Ruppen Layout und Grafik Grafik Monika Walpen, 9200 Gossau Copyright © Institut für Bildungsevaluation (IBE), Assoziiertes Institut der Universität Zürich
Inhalt VORWORT 5 1 DAS WICHTIGSTE IN KÜRZE 7 2 PISA 2012: NATIONALE ERGEBNISSE UND VORGEHEN 10 3 FACHLICHE LEISTUNGEN 14 4 SOZIALER UND KULTURELLER KONTEXT 22 5 SCHULSTRUKTUR UND LEISTUNG 27 6 UNTERRICHTSZEIT UND LEISTUNG 32 7 KOMPONENTEN DES SCHULISCHEN ENGAGEMENTS: ZUGEHÖRIGKEITS- GEFÜHL UND SCHULABSENTISMUS 36 8 EMOTIONALE UND MOTIVATIONALE ORIENTIERUNGEN IN MATHEMATIK 41 9 MATHEMATIKUNTERRICHT – EINSCHÄTZUNGEN AUS DEM BLICK- WINKEL DER SCHÜLERINNEN UND SCHÜLER 45 10 LEISTUNGSVERÄNDERUNGEN IM KANTON AARGAU SEIT PISA 2003 51 PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau 3
Vorwort Im Jahr 2012 hat die OECD im Rahmen von PISA Stärken und Schwächen des jeweiligen Schulsystems zum fünften Mal die schulischen Leistungen von 15- werden in diversen Berichten dargelegt: Für die Kan- Jährigen am Ende der obligatorischen Schulbildung tone Aargau, Bern, Solothurn, St.Gallen, Tessin und erhoben und verglichen. Weltweit wurden die Kom- Wallis wurde je ein Bericht in Form eines kantonalen petenzen in den Bereichen Lesen, Mathematik und Porträts verfasst. Für die französischsprachigen Kan- Naturwissenschaften von rund 510’000 Jugend- tone wurde ein regionaler Bericht verfasst. lichen getestet. In der Schweiz haben über 11’000 Die kantonalen Porträts beruhen auf der Arbeit Schülerinnen und Schüler am Programm teilgenom- einer Forschungsgemeinschaft, die für die Analyse men. Die Ergebnisse des internationalen Vergleichs der PISA-Daten 2012 gebildet wurde. In einem kan- PISA 2012 wurden im Dezember 2013 veröffent- tonalen Porträt sind die Ergebnisse der Analysen licht. Der erste Bericht widmete sich dem Vergleich jeweils nach den Interessen des Kantons zusammen- der Schweiz mit anderen Ländern sowie bestimmten gestellt und aus dessen Optik beschrieben. Fragestellungen auf nationaler Ebene.1 Das vorliegende Porträt für den Kanton Aargau Um Aussagen auf kantonaler Ebene treffen zu wurde vom Institut für Bildungsevaluation, assoziier- können, nahmen zahlreiche Kantone der Schweiz tes Institut der Universität Zürich, verfasst. mit einer repräsentativen Stichprobe von Schülerin- nen und Schülern der 9. Klasse an PISA 2012 teil. Ver- Domenico Angelone, Florian Keller & Martin Verner gleiche zwischen den Kantonen sowie Hinweise auf Zürich, Anfang September 2014 1 Konsortium PISA.ch (2013). Bericht PISA 2012: Schülerinnen und Schüler der Schweiz im internationalen Vergleich – Erste Ergebnisse. Bern und Neuchâtel: SBFI/EDK und Konsortium PISA.ch. PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau 5
1 Das Wichtigste in Kürze PISA im Kanton Aargau – PISA 2012 wurde in allen Mathematik 14 Prozent und im Lesen 18 Prozent Kantonen der Schweiz durchgeführt. Der Kanton und ist dementsprechend vergleichsweise hoch. Aargau nahm im Jahr 2012 zum vierten Mal mit einer Diese Schülerinnen und Schüler werden auch als Risi- repräsentativen Stichprobe, bestehend aus Schülerin- kogruppe bezeichnet, weil ihre Leistungen im Lesen nen und Schülern der 9. Klasse, an PISA teil. Diese und in der Mathematik kaum für einen reibungs- Stichprobe umfasst 447 Mädchen und 445 Knaben losen Übertritt in die Berufsbildung oder in weiter- aus 27 Schulen der Oberstufe der aargauischen führende Schulen der Sekundarstufe II ausreichen. Volksschule. Die erhobenen Daten ermöglichen eine Für 14 Prozent der Schülerinnen und Schüler des Standortbestimmung aufgrund einer alltagsbezoge- Kantons Aargau reichen die naturwissenschaftlichen nen Grundbildung im Lesen, in der Mathematik und Leistungen nicht aus, um Ausbildungs- oder Berufs- in den Naturwissenschaften. In PISA 2012 bildete die laufbahnen einzuschlagen, die ein naturwissen- Mathematik den Schwerpunkt und wurde besonders schaftliches Verständnis verlangen. umfassend erhoben. Die mit PISA erfasste Grundbil- Anteil leistungsstarker Schülerinnen und Schüler – dung hat sich als bedeutsam für den reibungslosen Jeder fünfte Jugendliche des Kantons Aargau kann Übertritt in den Arbeitsmarkt und eine aktive Teilnah- im Kompetenzbereich Mathematik als leistungsstark me am gesellschaftlichen Leben erwiesen. bezeichnet werden. Dieser Anteil ist mit denjenigen Leistungen im nationalen Vergleich – Im Kompe- der Gesamtschweiz sowie der Deutschschweiz ver- tenzbereich Mathematik liegen die Leistungswerte gleichbar. Im Lesen beträgt der Anteil leistungs- der Schülerinnen und Schüler des Kantons Aargau starker Schülerinnen und Schüler im Kanton Aargau im Mittelfeld der untersuchten Kantone und unter- 7 Prozent und liegt damit ebenfalls nahe am Schwei- scheiden sich nicht vom nationalen Mittelwert. Im zer und Deutschschweizer Mittelwert. Mit 8 Prozent Vergleich zum Durchschnitt sämtlicher Kantone der leistungsstarken Schülerinnen und Schülern in den Deutschschweiz sind die Mathematikleistungen ge- Naturwissenschaften unterscheidet sich der Kanton ringfügig, jedoch statistisch signifikant tiefer. Die Aargau auch in diesem Bereich nicht statistisch sig- Leseleistungen im Kanton Aargau liegen sowohl nifikant von der Deutschschweiz oder der Gesamt- unter dem nationalen als auch unter dem Deutsch- schweiz. schweizerischen Mittelwert. Auch hierbei handelt es Sozialer und kultureller Kontext – 8 Prozent der sich um statistisch signifikante Unterschiede, die Schülerinnen und Schüler im Kanton Aargau haben jedoch als klein beurteilt werden können. Bei der einen Migrationshintergrund und unterhalten sich Leistung im Fachbereich Naturwissenschaften sind zu Hause auf Deutsch. Weitere 15 Prozent der Schü- im Kanton Aargau weder im nationalen noch im lerinnen und Schüler haben einen Migrationshinter- Deutschschweizerischen Vergleich bedeutsame Ab- grund und sprechen zu Hause eine Fremdsprache. weichungen vom Mittelwert zu erkennen. Beide Schülergruppen weisen gegenüber einheimi- Anteil leistungsschwacher Schülerinnen und schen Schülerinnen und Schülern einen deutlichen Schüler – Der Anteil leistungsschwacher Schülerin- Leistungsrückstand auf. Dieser Rückstand ist bei nen und Schüler variiert in den Deutschschweizer fremdsprachigen Schülerinnen und Schülern mit Kantonen in der Mathematik zwischen 7 und 14 Pro- Migrationshintergrund tendenziell grösser als bei zent, im Lesen zwischen 12 und 18 Prozent und in deutschsprachigen Schülerinnen und Schüler mit den Naturwissenschaften zwischen 9 und 16 Pro- Migrationshintergrund. Die Leistungsrückstände der zent. Im Kanton Aargau beträgt dieser Anteil in der Jugendlichen mit Migrationshintergrund gegenüber PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau 7
ihren einheimischen Mitschülern und Mitschülerin- kommen und Schwänzen kommen im Kanton Aar- nen unterscheiden sich im Kanton Aargau nicht sta- gau gleich häufig vor wie in der Deutschschweiz oder tistisch signifikant von jenen in der Deutschschweiz der Gesamtschweiz. Dabei scheinen die Schülerinnen beziehungsweise in der Gesamtschweiz. und Schüler der Realschulen öfter zu spät zum Unter- Schulstruktur und Leistung – Der enge Zusam- richt zu erscheinen und deutlich häufiger zu schwän- menhang zwischen sozialer Herkunft und Leistung zen als Schülerinnen und Schüler der Sekundar- und zeigt sich bei der Darstellung der Ergebnisse nach Bezirksschulen. Schultyp: Je anspruchsvoller der Schultyp ist, desto Emotionale und motivationale Schülerorientie- privilegierter ist die soziale Zusammensetzung der rungen – Im Rahmen von PISA 2012 wurden diver- Schulen und desto höher sind die durchschnittlichen se emotionale und motivationale Orientierungen der Leistungen der Schulen. Die Leistungsunterschiede Schülerinnen und Schüler in Mathematik erfasst. zwischen den drei Schultypen des Kantons Aargau Sowohl in der Gesamtschweiz als auch im Kanton sind erwartungsgemäss gross; die Bezirksschulen Aargau weisen männliche Jugendliche generell die erreichen klar die höchsten Mittelwerte, die Real- vorteilhafteren Orientierungen in Mathematik auf schulen die tiefsten. Weniger eindeutig lassen sich als weibliche Jugendliche. Die emotionalen und moti- einzelne Schülerinnen und Schüler aufgrund der vationalen Orientierungen unterscheiden sich nicht erbrachten Leistungen einem Schultyp zuordnen. Die zwischen den Jugendlichen der drei Aargauer Schul- Überlappungen der Schulleistungen in den verschie- typen. den anspruchsvollen Schultypen machen deutlich, Unterrichtsmerkmale aus Sicht der Schülerinnen wie problematisch es ist, die Fähigkeiten der Schü- und Schüler – In PISA 2012 hatten die Schülerinnen lerinnen und Schüler einzig aufgrund des besuchten und Schüler auch die Möglichkeit, diverse Unter- Schultyps zu beurteilen. richtsmerkmale, das didaktische Handeln der Lehr- Unterrichtszeit – Die Daten aus PISA 2012 deu- person und die Häufigkeit verschiedener Aufgaben- ten auf einen mittleren Zusammenhang zwischen arten im Kompetenzbereich Mathematik zu beur- der Unterrichtszeit und den Leistungen in Mathema- teilen. Dabei wird beispielsweise ersichtlich, dass die tik hin. Dies trifft nur beschränkt auf den Kanton Schülerinnen und Schüler des Kantons Aargau öfter Aargau zu: Obwohl im Kanton Aargau mehr Unter- unterschiedliche Aufgaben ihren individuellen Vor- richtsstunden in Mathematik investiert werden als in aussetzungen entsprechend erhalten, projektorien- den meisten Deutschschweizer Kantonen, liegen die tierter arbeiten und häufiger in die Unterrichts- Mathematikleistungen der Schülerschaft aus dem planung einbezogen werden als Schülerinnen und Kanton Aargau unter der durchschnittlichen Leis- Schüler der Gesamtschweiz. Innerhalb des Kantons tung der Deutschschweizer Schülerinnen und Schü- Aargau hat diese Schülerorientierung an Realschulen ler. die höchste Ausprägung. Ähnlich verhält es sich bei Komponenten des schulischen Engagements – individuellen Rückmeldungen der Lehrperson im Diverse Studien weisen darauf hin, dass Schulenga- Mathematikunterricht: In den Realschulen wird deut- gement mit Schulerfolg, dem Bildungs- und Berufs- lich mehr Feedback gegeben als in den Schulen mit erfolg sowie dem Wohlbefinden im Erwachsenenal- höherem Anforderungsniveau. Ausserdem zeigt sich, ter zusammenhängt. Im Rahmen von PISA 2012 dass im Kanton Aargau Realschüler und Realschüle- wurde der Fokus auf zwei Komponenten des schu- rinnen stärker von den Lehrpersonen kognitiv akti- lischen Engagements gelegt: Das Zugehörigkeits- viert werden als dies in Sekundar- und Bezirksschu- gefühl zur Schule und den Schulabsentismus. Die len der Fall ist. Schliesslich wird in den drei Typen eine Aargauer Schülerinnen und Schüler berichten ein ähnlich hohe Disziplin im Mathematikunterricht statistisch signifikant tieferes Zugehörigkeitsgefühl berichtet. zu ihren Schulen als Schülerinnen und Schüler der Leistungsveränderungen im Kanton Aargau seit Deutschschweiz. Im Gegensatz zu anderen Kantonen 2003 – Weil der Kanton Aargau bereits zum vierten sind jedoch innerhalb des Kantons Aargau keine Mal am PISA-Programm teilgenommen hat, war es bedeutsamen Unterschiede im Zugehörigkeitsgefühl möglich, Leistungsveränderungen über einen Zeit- zwischen den drei Schultypen feststellbar. Zuspät- raum von neun Jahren (2003–2012) zu berechnen. 8 PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau
Dabei sind statistisch signifikante Leistungsab- nahmen in den Kompetenzbereichen Mathematik und Lesen erkennbar. Besonders deutlich zeigt sich dieser Trend bei Schülerinnen und Schülern ohne Migrationshintergrund, die den Anteilen besonders tiefen oder besonders hohen Kompetenzniveaus zugehören. PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau 9
2 PISA 2012: Nationale Ergebnisse und Vorgehen Die Schweiz hat im Jahr 2012 zum fünften Mal am aber auch Finnland (545) und die beiden Nachbar- internationalen Schulleistungsvergleich PISA (Pro- länder Liechtenstein (525) und Deutschland (524). gramme for International Student Assessment) teil- Unter den Ländern, die einen tieferen Mittelwert als genommen. Mit ihr haben sich 34 Länder der OECD die Schweiz aufweisen, sind auch die Nachbarländer sowie 31 Partnerländer an der Erhebung beteiligt Österreich (506), Frankreich (499) und Italien (494). und einer repräsentativen Stichprobe von 15-Jähri- Im Lesen liegt der Mittelwert der Schweizer 15- gen die PISA-Tests vorgelegt. Wie sind die Ergebnis- Jährigen bei 501 Punkten, der OECD-Mittelwert bei se der Jugendlichen ausgefallen? Was wird mit den 496 Punkten. Elf Länder erreichen einen höheren Mit- PISA-Tests gemessen? Worin unterscheiden sich der telwert als die Schweiz. Es sind dies insbesondere die internationale und der nationale Vergleich? Was ist chinesischen Provinzen Shanghai-China (570) und bei der Interpretation der Ergebnisse zu beachten? Hong Kong-China (545) sowie Singapur (542), Japan (538) und Korea (536), aber auch Finnland (524). Sehr gut in Mathematik, gut in Natur- Die Mittelwerte der drei Nachbarländer Liechtenstein wissenschaften und im Lesen (516), Deutschland (508) und Frankreich (505) unter- scheiden sich nicht statistisch signifikant vom Mittel- Wie bereits in der PISA-Erhebung von 2009 sind die wert der Schweiz. Die beiden Nachbarländer Italien Ergebnisse der Schweiz auch in PISA 2012 als gut bis (490) und Österreich (490) erzielen jedoch statistisch sehr gut zu bewerten. In der Mathematik gehört die signifikant tiefere Leseleistungen als die Schweiz. Schweiz zu den besten Ländern. In den Naturwissen- schaften und im Lesen liegt sie über dem OECD- INFO 1: Die PISA-Skala Mittelwert. Die Ergebnisse im PISA-Test werden auf einer In der Mathematik liegt der Mittelwert der international normierten Skala dargestellt. Ent- Schweizer 15-Jährigen bei 531 Punkten auf der sprechend den inhaltlichen Schwerpunkten PISA-Skala (vgl. INFO 1), der OECD-Mittelwert bei wurde bei PISA 2000 die Skala für die Lese- 494 Punkten. Bessere Mathematikleistungen als die kompetenzen so normiert, dass der Mittelwert Schweiz erreichen einzig die drei chinesischen Pro- der OECD-Länder bei 500 Punkten und die vinzen Shanghai-China (613), Hong Kong-China Standardabweichung bei 100 Punkten liegen. (561) und Macao-China (538) sowie Singapur (573), Dadurch erreichten bei der ersten Erhebung Chinesisch Taipeh (560) und Korea (554). Von den rund zwei Drittel der Schülerinnen und Schü- Nachbarländern unterscheidet sich einzig der Mittel- ler ein Testergebnis, das zwischen 400 und 600 wert von Liechtenstein (535) nicht statistisch signi- Punkten beträgt, 95 Prozent erreichten ein fikant von der Schweiz. Die übrigen Nachbarländer Testergebnis, das zwischen 300 und 700 Punk- Deutschland (514), Österreich (506), Frankreich ten liegt, und nahezu alle Testergebnisse liegen (495) und Italien (485) erzielen deutlich schlechtere zwischen 200 und 800 Punkten. Mit dem glei- Mathematikleistungen als die Schweiz. chen Vorgehen wurden bei PISA 2003 die Skala In den Naturwissenschaften liegt der Mittelwert für die Darstellung mathematischer Kompe- der Schweiz mit 515 Punkten über dem OECD- tenzen und bei PISA 2006 die Skala für die Mittelwert (501). Unter den 13 Ländern, die einen Darstellung der naturwissenschaftlichen Kom- höheren Mittelwert als die Schweiz erreichen, befin- petenzen normiert. den sich der Spitzenreiter Shanghai-China (580), 10 PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau
Seit Beginn von PISA im Jahr 2000 ist für die Denkweisen anwenden) sowie Interpretieren (d. h. Schweiz in PISA 2012 im Kompetenzbereich Lesen mathematische Ergebnisse interpretieren und über- erstmals ein positiver Trend feststellbar. Zwischen prüfen) ab. PISA 2000 und PISA 2012 sind die mittleren Leseleis- Die Ergebnisse aus PISA 2012 zeigen, dass die tungen der 15-Jährigen in der Schweiz um durch- 15-Jährigen der Schweiz im Bereich Raum und Form schnittlich rund 1 Punkt pro Jahr gestiegen. Der po- eine relative Stärke und im Bereich Wahrscheinlich- sitive Trend zeigt sich vor allem beim Anteil lese- keit und Statistik eine relative Schwäche aufweisen. schwacher Schülerinnen und Schüler (Kompetenz- Bei den Subskalen zu den mathematischen Prozes- niveau 1 und tiefer), der von der OECD als Risiko- sen kann für die Schweiz einzig im Bereich Formu- gruppe bezeichnet wird. In der Schweiz ist dieser lieren eine relative Stärke nachgewiesen werden. Für Anteil zwischen PISA 2000 und PISA 2012 von 20 die anderen Bereiche sind die Abweichungen vom auf 14 Prozent deutlich zurückgegangen. Die Ergeb- Gesamtmittelwert gering und ohne Bedeutung. nisse der Schweizer 15-Jährigen in den beiden Kom- petenzbereichen Mathematik und Naturwissenschaf- PISA-Grundbildung ten hingegen sind über die Zeit stabil geblieben. PISA orientiert sich am Konzept der Grundbildung Die Mathematik im Fokus (Literacy). Damit ist jene Bildung gemeint, die es den Jugendlichen ermöglicht, ihr Wissen und Können in In jeder PISA-Erhebung bildet ein Kompetenzbereich einem neuen Umfeld anzuwenden, bei einer Pro- den Schwerpunkt und wird besonders umfassend blemstellung eine Vielzahl von Situationen zu analy- getestet. In PISA 2000 war der Schwerpunktbereich sieren, logisch zu denken und in effektiver Weise zu das Lesen, in PISA 2003 die Mathematik, in PISA kommunizieren. Mit PISA wird somit nicht unter- 2006 die Naturwissenschaften und in PISA 2009 wie- sucht, wie gut curriculare Vorgaben und Inhalte derum das Lesen. Mit PISA 2012 wurde nun zum erreicht werden. Von Interesse ist vielmehr, inwieweit zweiten Mal die Mathematik umfassend getestet. die Jugendlichen über Kompetenzen verfügen, die es Dadurch ist erstmals ein detaillierter Vergleich der ihnen erlauben, den beruflichen und schulischen Mathematikleistungen zwischen PISA 2003 und PISA Herausforderungen erfolgreich zu begegnen und 2012 möglich. aktiv am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Da bei der Erhebung 2012 die Mathematik den Mathematik – Die mathematische Kompetenz Schwerpunkt bildete, können die Ergebnisse nach wird in PISA definiert als «die Fähigkeit einer Person, Subskalen zu den mathematischen Inhalten und zu Mathematik in einer Vielzahl von Kontexten zu for- den mathematischen Prozessen dargestellt werden. mulieren, anzuwenden und zu interpretieren. Sie um- Letztere beschreiben, welche Arbeitsschritte die fasst das mathematische Denken und den Einsatz Schülerinnen und Schüler beim Lösen der Mathe- mathematischer Konzepte, Verfahren, Fakten und matikaufgaben durchlaufen müssen. Abweichungen Instrumente, um Phänomene zu beschreiben, zu er- der Ergebnisse in den Subskalen zum globalen Mit- klären und vorherzusagen. Sie hilft dem Einzelnen telwert in der Mathematik ermöglichen die Beurtei- dabei, die Rolle zu erkennen, die Mathematik in der lung relativer Stärken bzw. Schwächen in verschie- Welt spielt, und fundierte Urteile und Entscheidun- denen Teilbereichen der Mathematik. gen zu treffen, wie sie von konstruktiven, engagier- Bei den Subskalen zu den mathematischen Inhal- ten und reflektierenden Bürgern erwartet werden».2 ten werden die vier Bereiche Veränderung und funk- Naturwissenschaften – Die naturwissenschaftliche tionale Abhängigkeiten, Raum und Form, Quantita- Kompetenz wird in PISA definiert als «das naturwis- tives Denken sowie Wahrscheinlichkeit und Statis- senschaftliche Wissen einer Person und deren Fähig- tik unterschieden; die Subskalen zu den mathema- keit, dieses Wissen anzuwenden, um Fragestellungen tischen Prozessen bilden die drei Bereiche Formu- zu identifizieren, neue Erkenntnisse zu erwerben, lieren (d. h. mathematische Situationen beschreiben), naturwissenschaftliche Phänomene zu erklären und Anwenden (d. h. mathematische Konzepte und auf Beweisen basierende Schlüsse über naturwissen- 2 OECD (2013a). PISA 2012 Ergebnisse: Was Schülerinnen und Schüler wissen und können: Schülerleistungen in Lesekompetenz, Mathe- matik und Naturwissenschaften (Band 1). Bielefeld: Bertelsmann. PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau 11
INFO 2: Statistische Signifikanz und prak- schaftliche Sachverhalte zu ziehen. Dies umfasst das tische Bedeutsamkeit von Unterschieden Verständnis der charakteristischen Eigenschaften der Weil jeweils nicht alle 15-Jährigen eines Lan- Naturwissenschaften als eine Form menschlichen des (Population), sondern nur Stichproben an Wissens und Forschens, die Fähigkeit zu erkennen, PISA teilnehmen, werden die Ergebnisse der wie Naturwissenschaften und Technologie unsere Länder aufgrund von Stichproben geschätzt. materielle, intellektuelle und kulturelle Umgebung Die Schätzung der Ergebnisse – beispielsweise prägen, sowie die Bereitschaft, sich mit naturwissen- eines Mittelwerts – ist deshalb immer mit schaftlichen Themen und Ideen als reflektierender einem Stichprobenfehler behaftet. Je nach Bürger auseinanderzusetzen».3 Genauigkeit der Stichprobe streuen die Ergeb- Lesen – Die Lesekompetenz wird in PISA definiert nisse in einem grösseren oder kleineren Bereich als «die Fähigkeit einer Person, geschriebene Texte um den wahren Wert einer Population. zu verstehen, zu nutzen und über sie zu reflektieren Bei der Prüfung der Ergebnisse auf statis- und sich mit ihnen auseinanderzusetzen, um eigene tisch gesicherte Unterschiede zwischen Län- Ziele zu erreichen, das eigene Wissen und Potenzial dern werden die Stichprobenfehler einer Schät- weiterzuentwickeln und aktiv am gesellschaftlichen zung berücksichtigt. Ein Unterschied zwischen Leben teilzunehmen».4 zwei Ländern (Populationen) wird dann als statistisch signifikant bezeichnet, wenn er Testdurchführung durch ein statistisches Testverfahren überprüft und bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von Die Schülerinnen und Schüler lösen an einem Mor- 5 Prozent für gültig befunden wurde. Anhand gen während zwei Stunden PISA-Testaufgaben und des 95-Prozent-Vertrauensintervalls kann zu- füllen während 45 Minuten einen Fragebogen zum dem angegeben werden, in welchem Bereich persönlichen Hintergrund, zu Interessen und Moti- der Wert der Population – beispielsweise der vationen, zu Lerngewohnheiten und zu ihrer Wahr- Mittelwert eines Landes – mit einer 95-prozen- nehmung der Lernumgebung aus. Zudem werden tigen Wahrscheinlichkeit liegt. die Schulleitungen über die Ressourcen und die Qua- Statistisch signifikante Unterschiede sind lität der Lernumgebung in der Schule befragt. Die nicht in jedem Fall von praktischer Bedeutung. Tests an den Schulen werden durch externe Perso- Als Faustregel werden Unterschiede von 20 nen nach standardisierten Vorgaben durchgeführt. Punkten auf der PISA-Skala als bedeutsam, Diese Personen sind auch dafür verantwortlich, dass aber klein beurteilt. Unterschiede von 50 Punk- die Aufgaben an den Schulen vertraulich behandelt ten werden als mittelgross und Unterschiede werden, weil ein Teil der Aufgaben für den Nachweis von 80 Punkten als sehr gross bezeichnet. Als von Trends bei späteren Zyklen wieder eingesetzt weitere Referenzgrösse kann der Leistungs- wird. unterschied zwischen zwei PISA-Kompetenz- niveaus herangezogen werden. Ein Unter- Internationaler Vergleich – schied von einem Kompetenzniveau wird in nationaler Vergleich PISA als grosser Unterschied betrachtet. Ein Kompetenzniveau umfasst für das Lesen 73 Für den internationalen Vergleich wählt jedes Land Punkte auf der PISA-Skala, für die Mathema- mindestens 4’500 15-Jährige aus mindestens 150 tik 62 Punkte und für die Naturwissenschaften Schulen zufällig aus. Die internationale Stichprobe 75 Punkte. wird über das Alter der Schülerinnen und Schüler definiert und repräsentiert 15-jährige Schülerinnen und Schüler, die mindestens sechs Jahre formale Aus- bildung abgeschlossen haben. Weltweit haben an PISA 2012 rund 510’000 15-jährige Schülerinnen 3 OECD (2013a). 4 OECD (2013a). 12 PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau
und Schüler teilgenommen. In der Schweiz haben INFO 3: Berichterstattung 11’229 15-Jährige aus 411 Schulen am internationa- Ausführliche Informationen zu PISA 2012 sind len Vergleich teilgenommen. den folgenden Quellen zu entnehmen: Für den nationalen Vergleich wurde in der Schweiz eine zusätzliche repräsentative Stichprobe PISA 2012: Kantonale Porträts von Schülerinnen und Schülern der 9. Klasse gezo- Für die Deutschschweizer Kantone Aargau, gen, wodurch der Vergleich der drei Sprachregionen Bern, Solothurn, St.Gallen und Wallis wurden am Ende der obligatorischen Schulzeit möglich wird. auf einer gemeinsamen Grundlage jeweils Die nationale Stichprobe wird über das Schuljahr der eigene Porträts erstellt. Schülerinnen und Schüler definiert und repräsentiert Konsortium PISA.ch (2013). PISA 2012: Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse. Sämtliche Erste Ergebnisse zu PISA 2012. Bern und Neu- Kantone der französischsprachigen Schweiz, der châtel: BBT/EDK und Konsortium PISA.ch. Kanton Tessin sowie die Kantone Aargau, Bern Konsortium PISA.ch (2014). PISA 2012: (deutschsprachiger Teil), Solothurn, St.Gallen und Vertiefende Analysen zu bildungspolitischen Wallis (deutschsprachiger Teil) nutzten PISA 2012 Fragen. Bern und Neuchâtel: SBFI/EDK und für eine repräsentative kantonale Zusatzstichprobe. Konsortium PISA.ch. Insgesamt wurden in der Schweiz 14’625 Schülerin- OECD (2013). PISA 2012 Ergebnisse: Was nen und Schüler der 9. Klasse aus 356 Schulen getes- Schülerinnen und Schüler wissen und können: tet. Auf dieser Stichprobe beruhen die im vorliegen- Schülerleistungen in Lesekompetenz, Mathe- den Porträt berichteten Ergebnisse. matik und Naturwissenschaften (Band 1). Die Unterschiede zwischen den Mittelwerten der Bielefeld: Bertelsmann. 15-Jährigen und der Schülerinnen und Schüler der www.pisa.oecd.org 9. Klasse sind in allen drei Kompetenzbereichen www.edk.ch statistisch nicht signifikant. In der Mathematik er- www.pisa2012.ch reichen sowohl die Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse als auch die 15-Jährigen 531 Punkte. In den Naturwissenschaften erreichen die Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse 513 Punkte und die 15-Jährigen 515 Punkte. Im Lesen erreichen die Schülerinnen und Schüler der 9. Klasse 507 Punkte und die 15-Jäh- rigen 509 Punkte. Zur Interpretation der Ergebnisse PISA führt zu einer Standortbestimmung im interna- tionalen Kontext und informiert die teilnehmenden Länder über Stärken und Schwächen bezüglich dreier wichtiger Kompetenzen, die in der Schule ver- mittelt werden. Es ist deshalb naheliegend, die Ursa- chen für die PISA-Ergebnisse bei den Merkmalen des jeweiligen Bildungssystems zu vermuten. Allerdings geht diese Ursachenforschung kaum über Vermu- tungen hinaus, weil sich die Ergebnisse von PISA wissenschaftlich nicht schlüssig auf einzelne Merk- male des Bildungssystems wie die Schulstruktur oder das Schuleintrittsalter zurückführen lassen. PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau 13
3 Fachliche Leistungen Wie sind die Ergebnisse des Kantons Aargau im Punkte. Damit liegt der Kanton Aargau im Vergleich nationalen Vergleich zu beurteilen? Wie gross ist mit den anderen Kantonen im Mittelfeld. Die Unter- der Anteil an Jugendlichen, deren Grundbildung am schiede zwischen den Kantonen sind jedoch generell Ende der obligatorischen Schulzeit ungenügend ist? klein. Im Vergleich zur gesamten Deutschschweiz Gibt es Leistungsunterscheide zwischen Mädchen (534 Punkte) sind die Mathematikleistungen im Kan- und Knaben? Zeigen sich besondere Stärken oder ton Aargau statistisch signifikant tiefer. Der Unter- Schwächen in den einzelnen Aspekten der Mathe- schied ist mit 10 Punkten allerdings gering. Der matikkompetenz? Rückstand des Kantons Aargau zum Mittelwert der gesamten Schweiz (531 Punkte) ist statistisch nicht Leistungen im Lesen, in der Mathematik signifikant. und in den Naturwissenschaften Im Lesen erreichen die Schülerinnen und Schüler des Kantons Aargau durchschnittlich 495 Punkte. An PISA 2012 haben die Kantone Aargau, Solothurn, Die Leseleistungen im Kanton Aargau liegen somit 12 Bern, St.Gallen, Tessin sowie alle Kantone der fran- Punkte unter dem nationalen und dem Deutsch- zösischsprachigen Schweiz mit einer repräsentativen schweizerischen Mittelwert. Dieser Rückstand ist sta- Stichprobe teilgenommen. Dies ermöglicht, die Leis- tistisch zwar signifikant, kann aber als klein beurteilt tungen der Schülerinnen und Schüler dieser Kanto- werden. Allerdings ist – wie die Gesamtlänge des ne miteinander zu vergleichen sowie die einzelnen Balkens zeigt – die Spannweite zwischen den Leis- Kantone mit den durchschnittlichen Leistungswerten tungen der besten und der schlechtesten Schülerin- der Gesamtschweiz und der drei Sprachregionen. nen und Schüler im Kanton Aargau mit 334 Punkten Die Abbildungen 3.1, 3.2 und 3.3 zeigen die Er- im nationalen Vergleich sehr gross. gebnisse des Kantons Aargau für die Mathematik, In den Naturwissenschaften liegen die durch- das Lesen und die Naturwissenschaften im nationa- schnittlichen Leistungen der Schülerinnen und Schü- len Vergleich. Links sind die Abkürzung für den Kan- ler des Kantons Aargau mit 511 Punkten geringfü- ton sowie der entsprechende Mittelwert auf der gig unter dem gesamtschweizerischen Mittelwert. PISA-Skala aufgeführt. Rechts davon sind die Leis- Dieser Rückstand ist statistisch nicht signifikant. Der tungen in Form eines Balkens dargestellt. Die Ge- Rückstand zum Deutschschweizerischen Mittelwert samtlänge des Balkens gibt den Bereich an, in dem ist jedoch mit 9 Punkten statistisch signifikant. die mittleren 90 Prozent der Schülerleistungen eines Kantons liegen. Die Länge des Balkens ist ein Mass Leistungsschwache und leistungsstarke für die Spannweite zwischen den besten und den Schülerinnen und Schüler schlechtesten Schülerinnen und Schülern. Der hell- blaue Balken umfasst die 50 Prozent der mittleren PISA teilt die Schülerleistungen in sogenannte Kom- Schülerleistungen. Der kleine schwarze Balken stellt petenzniveaus ein. Die Kompetenzniveaus beschrei- jenen Bereich dar, in dem der Mittelwert mit einer ben, was die Schülerinnen und Schüler innerhalb Wahrscheinlichkeit von 95 Prozent liegt. Je kürzer eines Leistungsbereichs wissen und können. Die Leis- der schwarze Balken, desto zuverlässiger ist die tungen der Schülerinnen und Schüler lassen sich auf- Schätzung des Mittelwerts. grund dieser Beschreibungen inhaltlich interpretie- In der Mathematik erreichen die Schülerinnen und ren. Für alle drei Kompetenzbereiche werden sechs Schüler des Kantons Aargau durchschnittlich 524 Niveaus unterschieden. 14 PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau
Abbildung 3.1: Mathematikleistungen des Kantons Aargau im nationalen Vergleich Kanton Mittelwert CH 531 CH (d) 534 CH (f) 523 CH (i) 514 AG 524 BE (d) 529 BE (f) 516 FR (f) 550 GE 502 JU 526 NE 508 SG 552 SO 524 TI 515 VD 524 VS (d) 535 VS (f) 539 300 350 400 450 500 550 600 650 700 Mathematikleistung 5. Perzentil 25. Perzentil 75. Perzentil 95. Perzentil Mittelwert +/- 2 SE Abbildung 3.2: Leseleistungen des Kantons Aargau im nationalen Vergleich Kanton Mittelwert CH 507 CH (d) 507 CH (f) 509 CH (i) 484 AG 495 BE (d) 505 BE (f) 496 FR (f) 520 GE 501 JU 501 NE 487 SG 514 SO 497 TI 485 VD 512 VS (d) 501 VS (f) 527 300 350 400 450 500 550 600 650 700 Leseleistung 5. Perzentil 25. Perzentil 75. Perzentil 95. Perzentil Mittelwert +/- 2 SE PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau 15
Abbildung 3.3: Leistungen in den Naturwissenschaften des Kantons Aargau im nationalen Vergleich Kanton Mittelwert CH 513 CH (d) 520 CH (f) 500 CH (i) 490 AG 511 BE (d) 518 BE (f) 493 FR (f) 518 GE 489 JU 500 NE 485 SG 531 SO 510 TI 490 VD 498 VS (d) 510 VS (f) 517 300 350 400 450 500 550 600 650 700 Leistungen in den Naturwissenschaften 5. Perzentil 25. Perzentil 75. Perzentil 95. Perzentil Mittelwert +/- 2 SE Im Fokus steht vor allem jener Anteil Schülerinnen nierten Textausschnittes zu erarbeiten. Sie haben und Schüler, die in der Mathematik und im Lesen das aber Schwierigkeiten, verschiedene Informationen in Kompetenzniveau 2 nicht erreichen. PISA bezeichnet diese Schülerinnen und Schüler als Risikogruppe, weil INFO 4: Risikogruppe ihre schulischen Leistungen für einen reibungslosen Zur Risikogruppe gehören Schülerinnen und Übergang in die Berufsbildung oder in weiterfüh- Schüler, deren Leistungen in der Mathematik rende Schulen der Sekundarstufe II nicht genügen und im Lesen dem Kompetenzniveau 1 oder (vgl. INFO 4). tiefer entsprechen. Für diese Schülerinnen und Schülerinnen und Schüler, die in der Mathematik Schüler besteht die Gefahr, dass sie beim Über- das Kompetenzniveau 1 und tiefer erreichen, sind gang von der Schule ins Arbeitsleben erheb- zwar fähig, vertraute mathematische Aufgaben zu lichen Problemen gegenüberstehen und in lösen, die alle relevanten Informationen zur Lösung ihrem späteren Leben Möglichkeiten für Fort- enthalten. Sie sind auch fähig, einfache Routinever- und Weiterbildung nicht nutzen können. Für fahren gemäss direkten Instruktionen in unmittelbar die Naturwissenschaften wird der Begriff der zugänglichen Situationen anzuwenden. Sobald sich Risikogruppe nicht verwendet, weil die beruf- das mathematische Problem jedoch in einem unbe- liche und gesellschaftliche Integration weniger kannten Kontext stellt, tauchen Schwierigkeiten auf. stringent auf naturwissenschaftliche Leistun- Die mathematischen Kompetenzen reichen nicht aus, gen zurückgeführt werden kann. Jugendliche, um alltagsbezogene Probleme zu lösen. die nicht mindestens Kompetenzniveau 2 errei- Schülerinnen und Schüler, die im Lesen das Kom- chen, haben aber ungünstige Voraussetzun- petenzniveau 1 oder tiefer erreichen, sind zwar in der gen, sich in ihrer Berufsbildung mit naturwis- Lage, einfache Texte zu lesen, einzelne Informatio- senschaftlichen Themen zu beschäftigen. nen im Text zu finden oder die Bedeutung eines defi- 16 PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau
Abbildung 3.4: Anteil Schülerinnen und Schüler nach Kompetenzniveau CH 11% 68% 20% CH (d) 11% 66% 22% CH (f) 11% 73% 16% CH (i) 11% 76% 13% AG 14% 65% 20% BE (d) 12% 67% 21% Mathematik BE (f) 14% 72% 14% FR (f) 5% 71% 24% GE 16% 74% 10% JU 10% 74% 16% NE 14% 74% 12% SG 8% 63% 29% SO 13% 67% 19% TI 11% 76% 13% VD 12% 71% 17% VS (d) 7% 74% 19% VS (f) 5% 77% 18% CH 13% 79% 8% CH (d) 13% 79% 8% CH (f) 12% 81% 8% CH (i) 18% 77% 5% AG 18% 75% 7% BE (d) 13% 79% 8% BE (f) 16% 77% 7% Lesen FR (f) 7% 85% 8% GE 14% 81% 6% JU 12% 82% 6% NE 17% 79% 4% SG 12% 78% 10% SO 17% 75% 8% TI 18% 77% 5% VD 12% 79% 9% VS (d) 13% 82% 5% VS (f) 5% 87% 8% CH 12% 80% 8% CH (d) 11% 80% 9% CH (f) 14% 81% 5% CH (i) 15% 81% 4% Naturwissenschaften AG 14% 78% 8% BE (d) 10% 81% 8% BE (f) 16% 80% 4% FR (f) 7% 87% 5% GE 16% 81% 3% JU 11% 85% 4% NE 18% 79% 3% SG 9% 80% 11% SO 13% 80% 6% TI 15% 82% 4% VD 16% 79% 5% VS (d) 9% 88% 4% VS (f) 9% 84% 7% 20% 0% 20% 40% 60% 80% 100% Risiko (< Niveau 2) mittel (Niveau 2/3/4) sehr hoch (Niveau 5/6) PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau 17
einem Text miteinander in Beziehung zu setzen. Auf- damit statistisch signifikant mehr Schülerinnen und grund ihrer Lesekompetenzen können sie nur sehr Schüler zu den Leseschwachen gezählt werden als in einfache Leseaufgaben lösen, die sich auf klar loka- der Schweiz insgesamt. Der Anteil leistungsstarker lisierte Textstellen beziehen. Dies reicht nicht aus, Schülerinnen und Schüler beträgt 7 Prozent und ist um Leseaufgaben zu bewältigen, die sich im Alltag somit mit dem gesamtschweizerischen und dem und in Ausbildungssituationen stellen. Schwache Deutschschweizerischen Anteil vergleichbar. Leserinnen und Leser können somit vom Bildungs- In den Naturwissenschaften beträgt der Anteil angebot nicht in gewünschter Weise profitieren. leistungsschwacher Schülerinnen und Schüler 14 Pro- Auch haben diese Jugendlichen geringe Chancen auf zent. Dieser Anteil ist tendenziell höher als in der eine erfolgreiche Bildungs- und Berufslaufbahn. Gesamtschweiz oder der Deutschschweiz, wobei es Schülerinnen und Schüler, die in den Naturwissen- sich hier jedoch um statistisch nicht signifikante schaften das Kompetenzniveau 1 oder tiefer errei- Unterschiede handelt. Ähnlich wie in den anderen chen, verfügen zwar über beschränktes naturwis- Fachbereichen unterscheidet sich der Anteil leistungs- senschaftliches Wissen, das sie auf wenige, vertrau- starker Aargauer Schülerinnen und Schüler in den te Situationen anwenden können. Ihre Fähigkeiten Naturwissenschaften (8 Prozent) nicht von den Antei- reichen aber nicht aus, eine Ausbildungs- und Berufs- len der Gesamtschweiz oder der Deutschschweiz. laufbahn einzuschlagen, die ein naturwissenschaft- liches Verständnis verlangt. Auch im Alltag wird es Leistungsunterschiede zwischen ihnen kaum möglich sein, einfache technische oder weiblichen und männlichen Jugendlichen naturwissenschaftliche Probleme zu verstehen. Für die Naturwissenschaften wird der Begriff der Risiko- Abbildung 3.5 zeigt die Leistungsunterschiede zwi- gruppe nicht verwendet, weil die berufliche und schen Schülerinnen und Schülern. In der Abbildung gesellschaftliche Integration weniger stringent auf ist für jeden Kompetenzbereich die Differenz zwi- naturwissenschaftliche Leistungen zurückgeführt schen der durchschnittlichen Leistung der weiblichen werden kann. und männlichen Jugendlichen dargestellt. Dunkel- Abbildung 3.4 zeigt, wie sich die Schülerinnen blaue Balken weisen auf statistisch signifikante, hell- und Schüler auf die Kompetenzniveaus verteilen. Die blaue Balken auf statistisch nicht signifikante Unter- Prozentanteile leistungsschwacher Schülerinnen und schiede hin. Schüler variieren je nach Kompetenzbereich. In der In der Mathematik unterscheiden sich die Leistun- Mathematik erreichen 14 Prozent der Schülerinnen gen der beiden Geschlechter im Kanton Aargau nicht und Schüler aus dem Kanton Aargau das Kompe- statistisch signifikant voneinander. In der Schweiz tenzniveau 2 nicht. Im Vergleich zur gesamten und in der Deutschschweiz ist bei den Mathematik- Schweiz unterscheidet sich der Anteil leistungs- leistungen der Mittelwert der Schüler höher als der- schwacher Schülerinnen und Schüler statistisch sig- jenige der Schülerinnen. Die Differenz beträgt in der nifikant. Der Anteil leistungsstarker Schülerinnen und Schweiz 15 Punkte, in der Deutschschweiz 14 Punk- Schüler ist in der Mathematik besonders gross. In te. Deutlichere Geschlechtsunterschiede sind im Kan- diesem Kompetenzbereich erreichen im Kanton ton Aargau bei der Verteilung auf die Kompetenz- Aargau wie auch in der Schweiz insgesamt jede niveaus erkennbar. In der Mathematik erreichen fünfte Schülerin und jeder fünfte Schüler das Kom- 23 Prozent der männlichen Jugendlichen sehr hohe petenzniveau 5 oder 6. Zwischen den Deutsch- Kompetenzen. Der Anteil leistungsstarker Schüler schweizer Kantonen unterscheidet sich der Anteil der ist in der Mathematik damit statistisch signifikant Schülerinnen und Schüler mit sehr hohen mathema- grösser als der Anteil leistungsstarker Schülerinnen tischen Kompetenzen kaum. (18 Prozent). Als leistungsschwach können im Kan- Im Lesen ist der Anteil Schülerinnen und Schüler ton Aargau 13 Prozent der Schülerinnen und 16 Pro- der Risikogruppe im Kanton Aargau grösser als in den zent der Schüler bezeichnet werden. Der Anteil leis- meisten anderen Kantonen und höher als der tungsschwacher männlicher Jugendlicher ist somit gesamtschweizerische Mittelwert. Mit 18 Prozent signifikant höher als der Schweizerische Mittelwert müssen im Kanton Aargau rund 1,4-mal mehr und (10 Prozent). 18 PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau
Abbildung 3.5: Geschlechtsunterschiede in den durchschnittlichen Leistungen (Differenz Schülerinnen – Schüler) Knaben Geschlechterunterschied zugunsten Mädchen Mathematik AG 2 CH 15 CH (d) 14 Lesen AG 51 CH 38 CH (d) 39 Naturwissenschaften AG 7 CH 6 CH (d) 5 60 40 20 0 20 40 60 statistisch signifikante Unterschiede Punkte auf der Leistungsskala statistisch nicht signifikante Unterschiede Im Lesen erreichen Schülerinnen im Kanton Aar- höher als die Leistungen der Schülerinnen. Mit 16 gau im Mittelwert 51 Punkte mehr als Schüler. Die- Prozent müssen mehr männliche als weibliche (11 ser Leistungsunterschied ist beträchtlich, aber nicht Prozent) Jugendliche dem Kompetenzniveau 1 oder statistisch signifikant grösser als die Geschlechtsun- tiefer zugeordnet werden. Dieser Unterschied zwi- terschiede in der Leseleistung in der Schweiz (38 schen den Geschlechtern ist jedoch nicht statistisch Punkte) oder in der Deutschschweiz (39 Punkte). signifikant. Im Vergleich mit dem durchschnittlichen Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede wider- Anteil männlicher Jugendlicher in der Schweiz (12 spiegeln sich auch in der Verteilung auf die Kompe- Prozent), welche dem Kompetenzniveau 1 oder tie- tenzniveaus. Im Lesen erreichen mit 10 Prozent sta- fer zugeordnet werden, ist jedoch der Anteil im Kan- tistisch signifikant mehr Schülerinnen als Schüler sehr ton Aargau signifikant höher. Die Anteile leistungs- hohe Kompetenzen (5 Prozent). Diese Aufteilung starker Schülerinnen (5 Prozent) und Schüler (8 Pro- entspricht derjenigen des gesamtschweizerischen zent) in Naturwissenschaften unterscheiden sich im Mittelwerts. 10 Prozent der Schülerinnen im Kanton Kanton Aargau nicht statistisch signifikant voneinan- Aargau und 25 Prozent der Schüler erreichen das der und sind mit den durchschnittlichen Anteilen der Kompetenzniveau 2 im Lesen nicht. Das heisst, im Schweizer Schülerinnen und Schüler vergleichbar. Kanton Aargau muss jeder vierte männliche Jugend- liche im Lesen zur Risikogruppe gezählt werden, die Mathematikleistungen nicht in der Lage ist, Leseaufgaben zu bewältigen, nach mathematischen Inhalten welche sich im Alltag und in der Ausbildung stellen. Dieser Anteil ist statistisch signifikant höher als in Da der Kompetenzbereich Mathematik den thema- der Gesamtschweiz. tischen Schwerpunkt von PISA 2012 bildet, ist es In den Naturwissenschaften bestehen im Kanton möglich, die Mathematikleistung nach weiteren Leis- Aargau keine statistisch signifikanten Leistungsunter- tungsfacetten zu differenzieren. So ordnet PISA die schiede zwischen weiblichen und männlichen Ju- Aufgaben in vier Bereiche mathematischer Inhalte, gendlichen. In der Schweiz sind die Leistungen der die jeweils unterschiedliche mathematische Kenntnis- Schüler 6 Punkte und damit statistisch signifikant se und Denkweisen voraussetzen: PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau 19
• Die Aufgaben des Inhaltsbereichs Veränderung weise dazu aufgefordert, Diagramme zu interpre- und funktionale Abhängigkeiten fokussieren auf tieren oder die Wahrscheinlichkeit bestimmter funktionale Beziehungen zwischen Objekten und Ereignisse zu berechnen. den mathematischen Prozessen, die sich aus Im Folgenden werden die Leistungen in diesen In- Änderungen dieser Beziehungen ergeben. Typisch haltsbereichen für den Kanton Aargau, die Deutsch- für diese Kategorie sind z. B. Textaufgaben, in schweiz sowie die Schweiz mit der Gesamtleistung in welchen Reisezeiten basierend auf Angaben zu der Mathematik (Gesamtmittelwert) verglichen. Da Distanzen und Durchschnittsgeschwindigkeiten die Leistungen der vier Inhaltsbereiche jeweils im berechnet werden müssen. Vergleich zum Gesamtmittelwert berechnet werden, • Aufgaben zum Quantitativen Denken umfassen können relative Schwächen und Stärken im Rahmen Vergleiche und Berechnungen beruhend auf der Mathematikleistung eruiert werden. Tabelle 3.1 quantitativen Beziehungen und numerischen zeigt, wie stark die Ergebnisse in den vier Inhaltsbe- Eigenschaften von Objekten und Ereignissen. reichen vom Gesamtmittelwert der Mathematikleis- Dieser Inhaltsbereich liegt am nächsten bei der tung abweichen. Bedeutende relative Schwächen Arithmetik und bezieht sich auf Aufgaben, in wel- (Abweichungen von mehr als –10 Punkten) sind rot, chen zum Beispiel Masseinheiten geordnet oder bedeutende relative Stärken (Abweichungen von Anteile berechnet werden müssen. mehr als +10 Punkten) sind blau eingefärbt. • Aufgaben zum Inhaltsbereich Raum und Form Die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler beinhalten räumliche Beziehungen zwischen Ob- des Kantons Aargau weichen in keinem Inhaltsbe- jekten, Messergebnissen und weitere geometri- reich statistisch signifikant vom Gesamtmittelwert in sche Aspekte des räumlichen Denkens. Dieser der Mathematik ab. Tendenziell zeigen sich für den Inhaltsbereich entspricht am ehesten dem Lehr- Kanton Aargau relative Stärken in den Bereichen Ver- planbereich Geometrie und beinhaltet Aufgaben, änderung und funktionale Abhängigkeiten und in welchen beispielsweise dreidimensionale Ob- Raum und Form sowie eine relative Schwäche im jekte aus einer anderen Perspektive gezeichnet Bereich Wahrscheinlichkeit und Statistik. beziehungsweise wiedererkannt werden müssen Das gleiche Stärken-Schwächen-Profil wie im (mentale Rotation). Kanton Aargau zeigt sich, wenn auch verstärkt, für • Der Inhaltsbereich Wahrscheinlichkeit und Statis- die Deutschschweiz beziehungsweise die Gesamt- tik bezieht sich auf die Interpretation und das schweiz. In der Schweiz erzielen die Schülerinnen Auseinandersetzen mit Daten bzw. mit verschie- und Schüler im Inhaltsbereich Raum und Form ein denen Arten der Datendarstellung. Diese Katego- im Vergleich zum Gesamtmittelwert markant besse- rie beinhaltet Aufgaben, in welchen mehrheitlich res Ergebnis (+15 Punkte). Eine bedeutende relative stochastisches Denken vorausgesetzt wird. So Schwäche lässt sich hingegen im Bereich Wahr- werden die Schülerinnen und Schüler beispiels- scheinlichkeit und Statistik feststellen (–10 Punkte). Tabelle 3.1: Abweichungen der Ergebnisse in den vier Inhaltsbereichen der Mathematik vom Gesamtmittelwert der Mathematikleistung Gesamtmittelwert Abweichungen in Punkten Mathematik Veränderung Quantitatives Raum und Wahrschein- und funktionale Denken Form lichkeit Abhängigkeiten und Statistik AG 524 5 0 6 –8 CH 531 –1 –1 15 –10 CH (d) 534 1 1 14 –10 20 PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau
Tabelle 3.2: Abweichungen der Ergebnisse in den drei Prozessen vom Gesamtmittelwert der Mathematikleistung Gesamtmittelwert Abweichungen in Punkten Mathematik Formulieren Anwenden Interpretieren AG 524 6 –3 –2 CH 531 8 –2 –3 CH (d) 534 10 –3 –4 Mathematikleistungen nach mathematischen Prozessen Eine weitere Differenzierung der Mathematikkompe- tenzen lässt sich aufgrund mathematischer Aktivi- täten beziehungsweise mathematischer Prozesse vornehmen. Folgende drei Prozesse werden unter- schieden: • Formulieren bedeutet, eine Situation in mathema- tische Strukturen und Repräsentationen zu über- tragen. Dazu gehört beispielsweise das Erkennen von Gesetzmässigkeiten und Mustern oder das Übertragen von alltäglichen Situationen in mathe- matische Formeln. • Anwenden heisst Lösungsstrategien einsetzen, um mathematische Fragestellungen erfolgreich zu bearbeiten. Dazu gehört beispielsweise das Lösen einer Gleichung oder das Entnehmen mathema- tischer Informationen aus Tabellen oder Abbil- dungen. • Interpretieren meint, mathematische Ergebnisse beurteilen, reflektieren und anwenden. Dazu ge- hört beispielsweise das Bewerten der Lösung einer mathematischen Problemstellung. Gleich wie bei den Inhaltsbereichen lassen sich wie- derum relative Stärken und Schwächen ermitteln. Tabelle 3.2 zeigt, wie stark die Ergebnisse in den drei Prozessen vom Gesamtmittelwert der Mathematik- leistung abweichen. Bei den mathematischen Prozessen können für den Kanton Aargau keine bedeutenden Stärken oder Schwächen festgestellt werden. Tendenziell sind die Schülerinnen und Schüler des Kantons Aargau im Formulieren stärker als im Anwenden und Interpre- tieren von mathematischen Lösungen. PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau 21
4 Sozialer und kultureller Kontext Ein grosser Teil der Leistungsunterschiede am Ende rinnen und Schüler, die zu Hause Deutsch sprechen. der obligatorischen Schulbildung lässt sich durch Die zweite Gruppe umfasst die einheimischen Schü- individuelle Merkmale der Schülerinnen und Schü- lerinnen und Schüler, die zu Hause – weil sie z. B. aus ler, insbesondere durch den Migrationshintergrund, der Romandie oder dem Tessin zugezogen sind – die Kenntnis der Schulsprache und der sozialen Her- eine andere Sprache als Deutsch sprechen. Die drit- kunft erklären. Welche Leistungen erbringen Schüle- te Gruppe umfasst die Schülerinnen und Schüler mit rinnen und Schüler mit unterschiedlichen Herkunfts- Migrationshintergrund, die zu Hause die Schulspra- merkmalen im Kanton Aargau? Wie gut gelingt es che Deutsch sprechen und die vierte Gruppe die dem Kanton Aargau Schülerinnen und Schüler mit fremdsprachigen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund zu fördern? Migrationshintergrund. Im Kanton Aargau gehören 73 Prozent der Ju- Leistungen in Mathematik und im Lesen gendlichen zur Gruppe der deutschsprachigen Ein- nach Herkunftsmerkmalen heimischen. 4 Prozent der Schülerinnen und Schüler zählen zur Gruppe der fremdsprachigen Einheimi- In der Schweiz hat der Anteil an Schülerinnen und schen. 8 Prozent der Schülerinnen und Schüler im Schülern mit Migrationshintergrund in den letzten Kanton Aargau haben einen Migrationshintergrund Jahrzehnten – wie in den meisten OECD-Ländern – und sprechen zu Hause die Schulsprache Deutsch. 15 zugenommen. 2012 sind in der Schweiz 24 Prozent Prozent der Jugendlichen haben einen Migrations- der Schülerinnen und Schüler im Ausland geboren hintergrund und sprechen zu Hause nicht die Schul- oder haben Eltern, die im Ausland geboren wurden. sprache Deutsch. Die Schülerinnen und Schüler mit Migrationshinter- In Abbildung 4.1 sind die Leistungsunterschiede grund verfügen oft über ungenügende Kenntnisse zwischen drei dieser Schülergruppen in Mathematik der Schulsprache und sie stammen überproportional dargestellt. Zu Gunsten der Übersichtlichkeit wurden häufig aus sozioökonomisch benachteiligten Fami- in den folgenden Berechnungen die einheimischen lien. Diese Kumulation von Herkunftseffekten er- Schülerinnen und Schüler, die sich zu Hause in einer schwert für viele Schülerinnen und Schülern mit Fremdsprache unterhalten (4%), aus der Analyse Migrationshintergrund den Bildungserfolg. Dement- entfernt. Der Begriff einheimische Schülerinnen und sprechend ist es ein zentrales Anliegen, den Bedürf- Schüler bezieht sich folglich stets auf Jugendliche, die nissen einer heterogenen Schülerschaft gerecht zu zu Hause die jeweilige Schulsprache sprechen. Die werden und die Leistungsunterschiede zwischen Balken zeigen, wie sich die Mathematikleistungen Schülerinnen und Schülern unterschiedlicher kultu- zwischen den einheimischen Schülerinnen und Schü- reller und sozialer Herkunft möglichst gering zu lern und den Schülerinnen und Schülern mit Migra- halten.5 tionshintergrund im Kanton Aargau, in der Deutsch- Um zu zeigen, wie gut es dem Kanton Aargau schweiz sowie in der Gesamtschweiz unterscheiden. gelingt, Schülerinnen und Schüler mit unterschiedli- Der jeweils erste blaue Balken zeigt die Leistungs- cher kultureller und sozialer Herkunft zu fördern, unterschiede zwischen den einheimischen Schülerin- werden die Jugendlichen in vier Gruppen eingeteilt. nen und Schülern und den Schülerinnen und Schü- Die erste Gruppe umfasst die einheimischen Schüle- lern mit Migrationshintergrund, die sich zu Hause in 5 OECD (2013b). PISA 2012 Results: Excellence Through Equity. Giving Every Student the Chance to Succeed (Volume II). PISA, OECD Publishing. 22 PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau
INFO 5: Migrationshintergrund, Kenntnis Soziale Herkunft der Schulsprache, Index der sozialen Herkunft Aufgrund der Angaben der Schülerinnen und Schüler im Fragebogen wird in der PISA-Studie Migrationshintergrund ein Index des wirtschaftlichen, sozialen und kul- Für die Bestimmung des Migrationshintergrunds turellen Status (ESCS) gebildet, im Folgenden kurz nutzt PISA den Geburtsort. Zu den Schülerinnen Index der sozialen Herkunft genannt. Der Index und Schülern mit Migrationshintergrund gehö- setzt sich aus der höchsten beruflichen Stellung ren jene Schülerinnen und Schüler, die wie ihre der Eltern, dem höchsten Bildungsabschluss der Eltern im Ausland geboren sind (erste Generation) Eltern und den im Elternhaus vorhandenen Besitz- sowie Schülerinnen und Schüler, die in der tümern zusammen. Die Skala wurde so normiert, Schweiz geboren sind, deren Eltern jedoch im dass der Mittelwert der OECD-Länder M = 0 und Ausland geboren sind (zweite Generation). Alle die Standardabweichung SD = 1 beträgt. Somit anderen Schülerinnen und Schüler werden als ein- erreichen innerhalb der OECD rund zwei Drittel heimische Schülerinnen und Schüler bezeichnet. der Schülerinnen und Schüler Indexpunkte zwischen –1 und +1, 95 Prozent Indexpunkte Sprache zu Hause zwischen –2 und +2 und nahezu alle Schülerinnen Als Indikator für die Kenntnis der Schulsprache und Schüler Indexpunkte zwischen –3 und +3. wurde die zu Hause gesprochene Sprache erfasst. Ein negativer Wert bedeutet nicht zwingend, dass Schülerinnen und Schüler, die sich zu Hause vor- die Fragen negativ beziehungsweise verneinend wiegend in der Schulsprache unterhalten, wer- beantwortet wurden, sondern lediglich, dass im den als deutschsprachig bezeichnet; Schülerinnen Vergleich zum OECD-Mittelwert weniger stark und Schüler, die sich zu Hause vorwiegend in einer zugestimmt wurde. Umgekehrt verweisen positive anderen Sprache als der Schulsprache unterhalten, Werte darauf, dass die Zustimmung stärker ist als werden als fremdsprachig bezeichnet. im OECD-Mittelwert. der Schulsprache unterhalten. Der Unterschied in nen und Schülern. Die durchschnittlichen Mathema- den Mathematikleistungen zwischen den einheimi- tikleistungen der fremdsprachigen Schülerinnen und schen Schülerinnen und Schülern und den fremd- Schüler liegen 60 Punkte unter den Leistungen der sprachigen Schülerinnen und Schülern mit Migra- einheimischen Schülerinnen und Schüler. Dieser Leis- tionshintergrund wird mit dem jeweils zweiten tungsrückstand ist als gross zu beurteilen. blauen Balken illustriert. Nach statistischer Kontrolle der sozialen Herkunft Um zu beurteilen, inwieweit die Leistungen der werden die Leistungsrückstände der Schülerinnen Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund und Schüler mit Migrationshintergrund geringer. auf die soziale Herkunft zurückzuführen sind, wurde Diese Verringerung ist sowohl in der Schweiz als auch zudem die Bedeutung des soziökonomischen Hinter- im Kanton Aargau bei fremdsprachigen Schülerinnen grunds statistisch kontrolliert. Dementsprechend und Schülern statistisch signifikant. Bei gleicher zeigen die grauen Balken den Leistungsrückstand in sozialer Herkunft reduziert sich ihre Leistungsdiffe- Mathematik für die beiden Gruppen mit Migrations- renz zu den einheimischen Schülerinnen und Schü- hintergrund, wobei jeweils der Einfluss der sozialen lern im Kanton Aargau auf 34 Punkte. Trotzdem blei- Herkunft statistisch kontrolliert bzw. herausgerech- ben bedeutsame und statistisch signifikante Unter- net wurde. schiede bestehen, die nicht mit der sozioökonomi- Im Kanton Aargau beträgt der Leistungsunter- schen Herkunft, beispielsweise durch die fehlende schied zwischen den einheimischen Jugendlichen Unterstützung durch die Familie, erklärt werden kön- und den deutschsprachigen Jugendlichen mit Migra- nen. Auch die deutschsprachigen Schülerinnen und tionshintergrund 35 Punkte. Deutlich grösser ist der Schüler mit Migrationshintergrund erreichen bei glei- Leistungsrückstand der fremdsprachigen Schülerin- cher sozialer Herkunft statistisch signifikant tiefere PISA 2012: Porträt des Kantons Aargau 23
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