SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS - Herkulessaal - Symphonieorchester des ...
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Samstag 3.7.2021 Konzert 1 18.00 – ca. 19.15 Uhr Konzert 2 20.30 – ca. 21.15 Uhr Herkulessaal 1 Programm
MITWIRKENDE Ludwig van Beethoven: Quintett für Klavier und Bläser RAMÓN ORTEGA QUERO Oboe CHRISTOPHER CORBETT Klarinette MARCO POSTINGHEL Fagott CARSTEN CAREY DUFFIN Horn IGOR LEVIT (Artist in Residence) Klavier Ferruccio Busoni: Violinsonate ANTON BARAKHOVSKY Violine IGOR LEVIT Klavier Max Reger: Klaviertrio THOMAS REIF Violine LIONEL COTTET Violoncello IGOR LEVIT Klavier 2 Mitwirkende
PROGRAMM Konzert um 18.00 Uhr: LUDWIG VAN BEETHOVEN Quintett für Klavier und Bläser Es-Dur, op. 16 • Grave – Allegro, ma non troppo • Andante cantabile • Rondo. Allegro, ma non troppo FERRUCCIO BUSONI Sonate für Violine und Klavier Nr. 2 e-Moll, op. 36a • Langsam – • Presto – • Andante, piùtosto grave – Andante con moto (Choral) – Alla marcia, vivace – Andante – Tranquillo assai – Allegro deciso, un poco maestoso – Più lento – Tempo del Tema Konzert um 20.30 Uhr: MAX REGER Klaviertrio e-Moll, op. 102 • Allegro moderato, ma con passione • Allegretto – Andante con moto • Largo – Quasi un poco più andante • Allegro con moto 3 Programm
NACH MOZARTS VORBILD Zu Ludwig van Beethovens Quintett für Klavier und Bläser Es-Dur, op. 16 Monika Lichtenfeld In den frühen Wiener Jah- Entstehungszeit 1796/1797 ren galt Beethovens schöp- Widmung ferisches Interesse primär der Klaviermusik und Joseph Johann Nepomuk den »anspruchsvollen« Gattungen der Kammer- Fürst von Schwarzenberg Uraufführung musik. Seine frühen Klaviersonaten von op. 2 bis Unbekannt, erste belegte op. 14, die Duosonaten op. 5 und op. 12, die Klavier- Aufführung im Rahmen trios op. 1 und die erste Streichquartettserie op. 18 eines Benefizkonzerts des Geigers Ignaz Schuppanzigh zeugten von höchster Kunstambition und richteten am 6. April 1797 im Saal sich an die Creme der Kenner und Liebhaber, in des »Hoftraiteurs« Ignaz deren Kreisen er seinerzeit vornehmlich verkehrte. Jahn in Wien Lebensdaten des Gleichwohl setzte Beethoven sich in diesen Jahren Komponisten auch mit der Gesellschaftsmusik traditionellen Gen- 17. Dezember 1770 res auseinander, mit Tänzen, Divertimenti und Se- (Taufdatum) in Bonn – 26. März 1827 in Wien renaden, die primär unterhalten, entspannen, erfreu- en sollten. Ausgehend von Mozarts späten Beiträgen zu dieser Gattung, die Leichtigkeit des Tons mit kunstvollster Satztechnik verbinden, versuchte auch Beethoven, ältere Typen der »Gebrauchsmusik« durch differenzierter durchgestaltete Strukturen zu nobilitieren, in »hohe Musik« zu verwandeln. Zur Gesellschafts- und Unterhaltungsmusik im besten Sinn des Wortes gehört auch die nicht sehr umfangreiche Gruppe seiner Bläserkammermu- siken, mit denen der junge Komponist schon am kurfürstlichen Hof in Bonn reüssiert hatte und spä- ter als freier Künstler in Wiener Adelskreisen größte Aufmerksamkeit erregte. Noch vor dem Septett Es-Dur op. 20 (1799), das als Höhe- und Schluss- punkt dieser Gattung in Beethovens Œuvre gilt, entstand das Quintett op. 16, ebenfalls in Es-Dur, für Klavier und vier Blasinstrumente – Oboe, Kla- rinette, Fagott und Horn. Eine präzise Datierung ist kaum möglich, da die Quellenlage ziemlich ver- worren erscheint und die Originalhandschriften verschollen sind. Erste Skizzen entstanden vermut- 4 Ludwig van Beethoven Quintett Es-Dur, op. 16
Ludwig van Beethoven, Gemälde von Christian Hornemann (1803) lich im Februar und März 1796 während einer Konzertreise Beethovens mit dem Fürsten Lichnowsky nach Prag, und vielleicht war das Stück ursprünglich für einen dortigen Auftraggeber bestimmt. Sicher ist jedenfalls, dass die Komposition größtenteils im Laufe des Jahres 1796 ausgearbeitet und Anfang 1797 in Wien vollendet wurde. Wie die meisten seiner Kammermusikwerke mit Klavier war auch dieses vor allem »zum eigenen Gebrauch bestimmt«, und so spielte Beethoven selbst den Klavierpart bei der ersten dokumentierten Aufführung am 6. April 1797 im Rahmen einer Akademie, die Ignaz Schuppanzigh im Saal des Wie- ner »Hoftraiteurs« Jahn veranstaltete. Nicht von ungefähr verzeichnete der Programmzettel »ein Quintett auf dem Fortepiano mit 4 blasenden Instru- menten akkompagnirt«, denn dem Klavier, als dem »Pionierinstrument« der Beethoven’schen Kunst, kam selbstverständlich der Vorrang als konzer- tierendes Instrument im Ensemble zu. Im Protokoll über eine weitere Auf- führung im April 1798 im Wiener Burgtheater wurde vermerkt, »H. van Beethoven [habe] ein Quintett produzirt, und sich dabey auf dem Pianoforte auch durchs fantasieren ausgezeichnet«. Auf diese von Beethoven offenbar häufig geübte Praxis bezieht sich auch ein Bericht seines Freundes Ferdi- nand Ries über eine Aufführung des Quintetts im Wiener Palais des Fürsten 5 Ludwig van Beethoven Quintett Es-Dur, op. 16
Das Palais des Fürsten Lobkowitz in Wien Lobkowitz im Dezember 1804: »Am nämlichen Abend spielte Beethoven sein Clavier-Quintett mit Blasinstrumenten; der berühmte Oboist Ram (Fried- rich Ramm) von München spielte auch und begleitete Beethoven im Quin- tett. – Im letzten Allegro ist einigemal ein Halt, ehe das Thema wieder an- fängt; bei einem derselben fing Beethoven auf einmal an zu fantasieren, nahm das Rondo als Thema, und unterhielt sich und die Anderen eine ge- raume Zeit, was jedoch bei den Begleitenden nicht der Fall war. Diese waren ungehalten und Herr Ram sogar sehr aufgebracht. Wirklich sah es posirlich aus, wenn diese Herren, die jeden Augenblick erwarteten, daß wieder an- gefangen werde, die Instrumente unauf hörlich an den Mund setzten, und dann ganz ruhig wieder abnahmen. Endlich war Beethoven befriedigt und fiel wieder ins Rondo ein. Die ganze Gesellschaft war entzückt.« Dass es Beethoven nicht primär auf den spezifischen Klangcharakter der vier Blasinstrumente ankam, geht auch daraus hervor, dass er das Stück schon bei der ersten Drucklegung zugleich in einer Quartettversion für Kla- vier, Violine, Viola und Violoncello herausbrachte. Die Originalausgabe beider Fassungen erschien im März 1801 im Wiener Verlag T. Mollo & Comp. mit einer Widmung an den Fürsten Joseph Johann Nepomuk von Schwarzenberg (1769–1833), einen passionierten Musikfreund und Mäzen, der in seinem Wiener Stadtpalais am Neuen Markt regelmäßig Konzerte veranstaltete. Dort fanden auch die ersten Aufführungen von Haydns Oratorien Die Schöp- fung und Die Jahreszeiten statt. 6 Ludwig van Beethoven Quintett Es-Dur, op. 16
Joseph Johann Nepomuk, Fürst von Schwarzenberg Widmungsträger von Beethovens Quintett op. 16 Bei der Komposition seines Quintetts op. 16 hatte Beethoven – worauf sein Biograph Wilhelm von Lenz zuerst aufmerksam machte – zweifellos ein berühmtes Vorbild vor Augen: Mozarts Quintett KV 452 von 1784. Darauf verweist nicht nur die Wahl derselben Grundtonart Es-Dur, sondern mehr noch die höchst ungewöhnliche Kombination eines konzertierenden Klaviers mit vier solistischen Blasinstrumenten der damals in Wien so beliebten »Har- moniemusik«. Dass er das zwölf Jahre ältere Modell gut gekannt haben muss, lässt sich auch an manchen Parallelen der harmonischen Struktur im Detail ablesen, zumal aber an der zyklischen Formanlage, die ein Sonaten-Allegro samt langsamer Einleitung mit einem kantablen Mittelsatz und einem Rondo- Finale kombiniert. Mozart-Anklänge finden sich besonders ausgeprägt im eröffnenden Allegro, ma non troppo, einem konzertanten Sonatensatz von ungewöhnlich breiten Dimensionen. Ihm voran steht eine majestätische Introduktion – bei Mozart ein Largo, hier ein zeremonielles Grave, das mit scharf punktierten Rhyth- men im kompakten fünfstimmigen Tuttisatz nach Art einer französischen Ouvertüre anhebt, sich im weiteren Verlauf jedoch bald in transparente Blä- serfarben auffächert. Mit quasi demonstrativem Hinweis auf seinen konzer- tanten Vorrang beginnt das Klavier allein die Exposition des Allegro-Haupt- satzes mit einem großzügig geschnittenen Kopfthema von eher lyrischem Charakter, das die Bläser im Nachsatz rasch aufgreifen und in solistischer Figuration weiterspinnen. Ähnlich angelegt ist der verhaltenere Seitensatz, 7 Ludwig van Beethoven Quintett Es-Dur, op. 16
wobei hier die thematischen Bläserpartien mitunter von subtilen Begleitfi- guren im Klavier anmutig umrankt werden. Einen weiteren, »dolce« into- nierten thematischen Gedanken stellt Beethoven in der Schlussgruppe vor, bevor nach abrupter harmonischer Rückung und heftigen Tutti-Akzenten die Durchführung einsetzt: Hier entfaltet sich, eher frei fantasierend als streng thematisch gebunden, ein kunstvoll imitatives Wechselspiel von Klavier und Bläserstimmen, das einmal – höchst überraschend – von einer Scheinreprise in As-Dur unterbrochen wird. Gleichsam als Pendant dazu erscheint dann, nach der schwungvoll angesetzten regulären Reprise, eine Reminiszenz der imitatorischen Partien nach kurzer Klavierkadenz in der Coda. Individueller und inniger formuliert wirkt dagegen das Andante cantabile im Zweivierteltakt, das in seiner lyrischen Poesie, seiner schwingenden Me- lodik, seinem schwärmerisch melancholischen Tonfall mitunter Schubert’- schen Gestus vorwegzunehmen scheint. Noch deutlicher als zuvor domi- niert hier das Klavier, das die kantable Bläserthematik mal mit filigranen Arabesken, mal mit üppig wogenden Passagen virtuos umspielt. Formal ist dieses Andante nicht wie üblich als Liedsatz, vielmehr als Rondo (nach dem Schema A-B-A'-C-A"-Coda) angelegt, mit zwei kontrastierenden Episoden, in denen auch die Bläser – zunächst Oboe, Fagott und Klarinette, dann das Horn in exponierter Lage – solistisch hervortreten dürfen. Das großzügig angelegte Finalrondo, ein Allegro, ma non troppo im heiter- beschwingten Sechsachteltakt, besticht durch ein prägnant formuliertes Ritor- nellthema von sprechendem Gestus, das wiederum zunächst vom Klavier allein vorgestellt wird. Echoartige thematische Phrasen der Bläser im Dia- log mit dem Klavier verleihen hier dem konzertanten Spiel einen besonderen Reiz. Vor dem Übergang zum zweiten Refrainabschnitt, der mit seiner kunst- vollen Verarbeitung des Themenkopfes fast durchführungsartigen Charakter annimmt, hat Beethoven eine Klavierkadenz eingeschaltet – eben an jener Stelle wohl, wo er seinerzeit das Publikum im Palais Lobkowitz mit seiner improvisatorischen Fantasie entzückte. 8 Ludwig van Beethoven Quintett Es-Dur, op. 16
IM HERZEN: BACH Zu Ferruccio Busonis Violinsonate Nr. 2 e-Moll, op. 36a Judith Kemp Die Gattung Violinsonate Entstehungszeit hat nur wenige Tonsetzer Mai 1898 Widmung zu formalen Experimenten inspiriert, wie sie etwa Ottokar Nováček, Geiger für die Klavierkomposition oder die symphonische und Komponist Literatur typisch sind. Eine interessante Ausnahme Uraufführung 30. September 1898 im bildet Ferruccio Busonis Zweite Violinsonate in Musikinstitut in Helsinki e-Moll op. 36a, über die der Musikwissenschaftler durch Victor Nováček und Oskar Fleischer (1856–1933) kurz nach ihrem Er- Ferruccio Busoni Lebensdaten des scheinen 1901 urteilte, »daß sie zu dem Besten ge- Komponisten hört was Busoni gesetzt und was überhaupt die 1. April 1866 in Empoli bei jüngste Sonaten-Komposition hervorgebracht hat.« Florenz – 27. Juli 1924 in Berlin Busoni selbst teilte diese überaus positive Ein- schätzung, wie aus einem Brief vom Mai 1898 her- vorgeht: »Die Sonate Nr. 2 ist fertig, und so gut gelungen, wie kaum etwas vorher.« Einige Jahre später hat er die Bedeutung dieses Werks noch ein- mal vehement unterstrichen, das ihn »im ideellen Sinne« zum eigentlichen Komponisten gemacht habe und das er daher auch als sein eigentliches »Opus eins« bezeichne. Der tatsächliche Beginn seiner kompositorischen Tätigkeiten lag da freilich schon lange zurück, denn der 1866 in Empoli bei Florenz geborene Sohn eines italienischen Klarinettisten und einer deutschen Pianistin zeichnete sich bereits früh durch seine Doppelbegabung als Pianist und Tonsetzer aus. Allerdings stand sein kompositorisches Schaffen stets im Schatten seines pianistischen Ausnahme- talents, das ihn zum wohl bedeutendsten Klavier- virtuosen nach Franz Liszt machte. So konnte der Musikkritiker Rudolf Louis (1870–1914) noch 1909 in seiner Publikation Die Deutsche Musik der Ge- genwart festhalten, dass der »Halbitaliener Ferruc- cio Busoni« sich »bis jetzt ohne Erfolg als Kom- ponist versucht« habe. Eine Behauptung, die in dieser Absolutheit keineswegs zutrifft, hatte es 9 Ferruccio Busoni Violinsonate Nr. 2 e-Moll
Ferruccio Busoni (1898) doch immer wieder erfolgreiche Aufführungen der Werke Busonis gegeben, nicht zuletzt seines Klavierkonzerts op. 39 durch die Berliner Philharmo- niker unter Karl Muck im November 1904. Auch die Violinsonate op. 36a wurde bei ersten Aufführungen im Winter 1898 von Zuhörern in London und Manchester begeistert aufgenommen, wie Busoni berichtet. Die Uraufführung wenige Monate zuvor, am 30. September 1898 im Musikinstitut in Helsinki, hatte Busoni gemeinsam mit Victor Nováček (1875–1914) bestritten, einem Bruder des Widmungsträgers, des Geigers und Komponisten Ottokar Nováček (1866–1900). Mit beiden war Busoni seit seiner Leipziger Zeit befreundet, jenen Jahren von 1885 bis 1888, mit denen sein unstetes Wanderleben mit Stationen in Helsinki, Moskau und Boston begann. Erst 1894 ließ er sich endgültig in Berlin nieder. In Leipzig hatte Busoni auch begonnen, sich intensiv mit Johann Sebastian Bach zu beschäftigen, dessen Œuvre ihm bereits seit frühester Kindheit be- kannt war, da sein Vater ihn »strengstens zum Studium Bachs« angehalten hatte. Mit ersten Transkriptionen Bach’scher Orgelwerke für Klavier legte Busoni den Grundstein für seine lebenslange Auseinandersetzung mit dem 10 Ferruccio Busoni Violinsonate Nr. 2 e-Moll
Ferruccio Busonis Geburtshaus in Empoli Komponisten, die in der siebenbändigen Bach-Busoni-Ausgabe mit »Bear- beitungen, Übertragungen, Studien und Kompositionen für Pianoforte nach Johann Sebastian Bach« (1916–1920) gipfelte und Busoni zu einem der tiefsten Kenner von Bachs Musik werden ließ. Ein Werk aus dem Notenbüchlein für Anna Magdalena Bach von 1725 ist es auch, das den Kern der Violinsonate op. 36a darstellt: der Choral Wie wohl ist mir, o Freund der Seelen. Der Choral erklingt fast genau in der Mitte der halbstündigen Sonate, wird dann in fünf Variationen ausgebreitet und bildet so das Zentrum und den Höhepunkt der Komposition. An dieser fällt zunächst die für eine Violinsonate eher untypische einsätzige Form auf, für die u. a. die h-Moll-Klaviersonate von Busonis großem Vorbild Franz Liszt ein Muster gewesen sein mag. Bei genauerer Betrachtung lässt sich allerdings eine Unterteilung in drei Sätze erkennen, die jedoch nicht un- mittelbar auszumachen ist, da die Sätze ohne Pause ineinander übergehen und sich so die Konturen verwischen: Dem Einleitungssatz mit diversen Tempowechseln folgt ein kurzer rascher zweiter Satz und schließlich ein breit angelegtes Variationen-Finale. Dieser Auf bau findet sich auch in der E-Dur- 11 Ferruccio Busoni Violinsonate Nr. 2 e-Moll
Klaviersonate op. 109 des von Busoni ebenfalls hoch verehrten Ludwig van Beethoven, zu der sich durch den Grundton ›e‹ eine weitere Parallele ergibt. Der ursprüngliche Titel der Komposition Sonata quasi una fantasia – auch diese eine Bezugnahme auf Beethoven – verweist auf deren freie Gestaltung, die an keiner Stelle konventionellen Strukturen wie etwa der Sonatensatz- form mit Exposition samt zugehörigem Haupt- und Seitenthema, Durchfüh- rung und Reprise folgt, sondern durch die Verknüpfung von Kurz- und Kleinst- motiven zusammengehalten wird. Ein solches steht gleich zu Beginn des ersten Satzes, den das Klavier mit vier getragenen Dreiklängen eröffnet. Der Musikwissenschaftler Albert Rieth- müller, der sich in seiner Habilitationsschrift mit Busonis op. 36a auseinan- dergesetzt hat, ist überzeugt, bereits in diesem vierstimmigen »Motto« einen Verweis auf den späteren Bach-Choral zu erkennen. Riethmüller argumen- tiert schlüssig, dass sich auch die anderen Miniaturmotive, die in den ersten beiden Sätzen aufscheinen, auf den Anfang des Chorals zurückführen las- sen: Wie dieser beginnen alle mit einer in Sekunden oder Terzen aufsteigen- den Figur aus drei oder vier Tönen. Der Bach-Choral Wie wohl ist mir, o Freund der Seelen in der Klavier- stimme der Violinsonate op. 36a, T. 358ff. Unterschwellig ist der Choral so bereits in der ganzen ersten Sonatenhälfte immer wieder präsent, ohne allerdings als solcher erkannt zu werden. Wer seinen Spuren nachgehen will, muss die Ohren spitzen. Eine erste Anspielung, die es sich zu merken gilt, erklingt in der ersten Kurzmelodie im Klavier, die gleich von der Geige aufgegriffen wird. Auch das Motiv der Geige bei ihrem zweiten Einsatz zählt zu den vom Choral abgeleiteten Miniaturthemen, die immer wieder aufscheinen. Dem getragenen Beginn des ersten Satzes schließt sich ein bewegterer Teil an, den die Geige mit einem sonoren viertönigen Kurzthema, begleitet von einer perlenden Klavierfigur, einleitet. Diesem schmachtenden Abschnitt folgt eine temperamentvolle variierte Dur-Wieder- holung des Beginns und dann der dritte Teil: Zum markanten punktierten Rhythmus des Klaviers erklingt in der Geige eine ruppige Figur aus drei auf- steigenden Tönen, die uns als das erste Thema des zweiten Satzes wieder- begegnen wird. 12 Ferruccio Busoni Violinsonate Nr. 2 e-Moll
Ferruccio Busonis Musikzimmer in seiner Wohnung am Viktoria-Luise-Platz in Berlin Diesen eröffnet das Klavier mit einem getupften e-Moll-Arpeggio, dann wird in der Geige das erwähnte Dreitonmotiv aus dem ersten Satz hörbar, das fortan wie ein Motor abwechselnd in Klavier und Geige durch den gan- zen Satz läuft. Mal gestaltet Busoni dieses Perpetuum mobile so lieblich, dass es an Schubert gemahnt, dann wieder wild und energisch wie eine Ta- rantella. Schroffe Akkorde beenden den zweiten Satz. Den dritten Satz leitet ein ruhiges Vorspiel ein, das zum Choral als dem Höhepunkt und Herzstück der Sonate hinführt. Dem von Klavier und Geige abwechselnd vorgetragenen Lied schließt sich eine Reihe von Variationen an: Einer ersten Variation mit weiten gesanglichen Melodiebögen in der Violine folgt die zweite, ein schmissiger Marsch, eine dritte, die in der Vio- linstimme wie eine Tonleiterübung anmutet, eine kantable Moll-Variation und schließlich eine Fugen-Variation, die die Violine mit dem nochmaligen majestätischen Vortrag des Choral-Themas abschließt. Die Coda greift den Beginn des Finales und verschiedene Motivzitate aus dem ersten Satz er- neut auf, ehe die Sonate mit der Wiederholung des Anfangsmottos verklingt. 13 Ferruccio Busoni Violinsonate Nr. 2 e-Moll
DAS VERGESSENE MEISTERWERK Zu Max Regers Klaviertrio e-Moll, op. 102 Matthias Corvin Er sei der »letzte Riese in Entstehungszeit der Musik«, sagte der Kom- 1908 Widmung ponist Paul Hindemith über seinen Kollegen Max Reinhold Anschütz Reger. Dabei spielte er nicht nur auf dessen be- Uraufführung achtliche Körpergröße von 1,90 Meter an, sondern 22. März 1908 im Leipziger Gewandhaus mit Max Reger meinte natürlich dessen künstlerischen Rang. Re- (Klavier), Edgar Wollgandt ger – dieser sensible und oft hektisch arbeitende (Violine) und Julius Klengel Mann mit der Nickelbrille – grenzte sich gerne (Violoncello) Lebensdaten des von »modischen« Programmmusikern wie Richard Komponisten Strauss ab und bevorzugte absolute Musik. Auch 19. März 1873 in Brand / die Vergangenheit bildete für Reger einen dauer- Oberpfalz – 11. Mai 1916 in Leipzig haften Bezugspunkt, denn er verstand sich als Teil einer von Johann Sebastian Bach herrührenden Traditionslinie. Zugleich war er von der chroma- tisch angereicherten Tonalität Richard Wagners begeistert, so blieb Reger ein Wanderer zwischen den Welten. Seine Partituren sind bis ins letzte Detail durchdacht. Jede Stimme ist ausgefeilt und mit oft sehr genauen Vortragsbezeichnungen ver- sehen, dabei ist alles äußerst dicht gearbeitet. Den- noch klingt Regers Musik warm und romantisch, verströmt eine große Sensualität. So ist es schwer zu verstehen, dass dieser so immens begabte deutsche Komponist im heutigen Konzertleben immer noch vernachlässigt wird. Reger stammte aus einem Lehrerhaushalt. Er wurde im oberpfälzischen Dorf Brand geboren und wuchs in der Kleinstadt Weiden auf. Sein beruflicher Wer- degang verlief stringent, wenn auch eher unauffäl- lig: Lange Jahre arbeitete er als Hochschullehrer, trat als Kammermusiker auf oder spielte Orgel. Berufliche Stationen waren Wiesbaden (Klavier- und Kompositionslehrer), München (Lehrer für Komposition und Orgel an der Königlichen Aka- demie der Tonkunst) sowie Leipzig (Universitäts- 14 Max Reger Klaviertrio e-Moll, op. 102
Max Reger (1907) musikdirektor, Leiter einer Kompositions-Meisterklasse). Erst später ent- deckte er das Dirigieren für sich und leitete 1911 bis 1914 die berühmte Meininger Hof kapelle. Hier entstanden die meisten seiner Orchesterwerke. Doch Reger wurde nur 43 Jahre alt. Am 11. Mai 1916 starb er nach einem Schwächeanfall in einem Hotelbett in Leipzig. Mit rund 70 Werken bildete die Kammermusik den Schwerpunkt seines Schaffens, sie begleitete sein ganzes Leben. So ist es kein Zufall, dass Reger seine erste und letzte Opus-Nummer an kammermusikalische Werke vergab: Opus 1 an die Violinsonate d-Moll (1890) und Opus 146 an das Klarinet- tenquintett (1916). Gerade über die Kammermusik mit Klavier kommt man dem Naturell des Künstlers am nächsten. Als hervorragender Pianist hat Reger diese Werke, die einen oft vollgriffigen Klavierpart aufweisen, immer wieder selbst gespielt. Außerdem hatte er in seiner Jugend das Violinspiel erlernt, was die große Anzahl seiner Violinsonaten (mit Klavier) und seine Werke für Violine solo erklärt. Schon zu Lebzeiten war er sich der Bedeu- tung seiner Kammermusik bewusst und prophezeite 1904 in einem Brief, dass »die Zukunft der Kammermusik lediglich allein von wenigen führenden Geistern« bestimmt werde, und mit einem dieser »Geister« meinte er natürlich sich selbst. 15 Max Reger Klaviertrio e-Moll, op. 102
Klaviertrio in Regers Musikzimmer in Leipzig 1910: Max Reger am Klavier, Konzertmeister Teichlein (Violine) und Professor K. Piening (Violoncello) Der Gattung Klaviertrio widmete sich Reger nur zwei Mal: in den Jahren 1891 und 1908. Da das erste Werk die von der Norm abweichende Beset- zung Klavier, Geige und Bratsche nutzt, kann nur das im heutigen Konzert aufgeführte e-Moll-Trio op. 102 als »klassisches« Klaviertrio bezeichnet werden. Ludwig van Beethoven und Franz Schubert hatten der Gattung im 19. Jahrhundert ihre endgültige Gestalt verliehen. Robert Schumann und Johannes Brahms schlossen sich daran an. Nun konzipierte auch Reger einen gewichtigen 40-minütigen Beitrag in vier Sätzen. Das Werk entstand im Winter 1907/1908 in relativ kurzer Zeit, die Idee dazu spukte dem Kom- ponisten jedoch schon längere Zeit im Kopf herum. Am 22. März 1908 wurde das Werk im Leipziger Gewandhaus uraufgeführt – in Regers An- trittskonzert als frisch ernannter Universitätsmusikdirektor und Komposi- tionslehrer des Leipziger Konservatoriums. Vor diesem Hintergrund ist auch die Widmung des Trios an Reinhold Anschütz zu verstehen: Anschütz war Justizrat, Vorstandsmitglied der Gewandhausgesellschaft und Vorsitzender des Leipziger Bach-Vereins. Bei der Uraufführung saß der Komponist am Klavier. Die Violine spielte Edgar Wollgandt, Erster Konzertmeister des Leipziger Gewandhausorches- ters, und den Cellopart übernahm Julius Klengel, Solo-Cellist ebendieses 16 Max Reger Klaviertrio e-Moll, op. 102
Klangkörpers und selbst Komponist. Musiziert wurde aus dem frischen Ma- nuskript, denn die Zeit zwischen Fertigstellung und Premiere reichte nicht für die Drucklegung. Wie der Kritiker Arthur Smolian in der Leipziger Zei- tung berichtete, war die Premiere ein Publikumserfolg, »nach jedem Satze wurde sehr lebhaft applaudiert«. Das Klaviertrio avancierte danach zu ei- nem der am häufigsten gespielten Werke des Komponisten, aufgeführt in vielen deutschen Städten. Wie schon der Leipziger Kritiker Smolian hervorhob, zeichnet dieses Kla- viertrio insbesondere die Annäherung an Johann Sebastian Bach aus, vor allem in den kontrapunktischen Passagen und durch den Kniff Regers, die gesamte Musik im Kopfsatz aus einem mottoartigen, chromatisch verschlun- genen Viertonmotiv (d-f-dis-e) aufzubauen. Auch ist der Mittelteil im zweiten Satz als Kanon zwischen Violine und Violoncello gestaltet. Dieser Fingerzeig auf den von Reger bewunderten Thomaskantor mag durch Leipzig als Ort der Uraufführung auf der Hand liegen. Aber nicht nur der Bezug zu Bach bestimmt den Ton der vier völlig unterschiedlichen Sätze des Werks. So folgt im breit angelegten Kopfsatz der leise fragenden Anfangsphase eine pathetische Fortführung. Die Musik ist geradezu orchestral erdacht, setzt auf opulente Farbenpracht und starke Kontraste, weist aber auch kantable Episo- den auf. Eine gewisse Moll-Schwermut liegt über diesem Allegro moderato, einem ausgefeilten Sonatensatz mit drei Themen, dessen Formteile raffiniert ineinander verschachtelt sind. Besonders ungewöhnlich ist der zweite Satz. Schon Reger bezeichnete ihn als »einen ganz verrückten ›Marcia‹ in ppp«. Tatsächlich ist das, was man hört, ein geisterhaft vorbeihuschender, sparsam gesetzter Marsch im gemä- ßigten Tempo. Mit seinen spieluhrartigen Diskant-Motiven im Klavier erin- nert er an russische Märchenmusik, etwa an Tschaikowskys Tanz der Zucker- fee aus dem Ballett Der Nussknacker. Dazu öffnet der Mittelteil mit dem bereits erwähnten Kanon von Violine und Cello eine ganz neue Klangwelt. Es bräuchte auch »Watte für die Ohren«, äußerte Reger einmal im Zusam- menhang mit dem Klaviertrio und dachte dabei vielleicht an diesen Abschnitt. Dagegen verströmt der dritte Satz eine religiöse Aura. Choralartig schreitet das erste Thema voran. Hier mag man an Anton Bruckner denken, doch Reger geht eigene Wege. Große Steigerungen hält dieses erneut pathetische Largo bereit, aber auch feinste Solopassagen der beiden Streichinstrumente. Der vierte Satz folgt der klassischen Rondoform. Das wiederum marschar- tige Hauptthema gibt sich trotzig und widerborstig, muss sich dazu aller- dings in immer neuen Anläufen aufraffen. Daneben bereichern lyrische und nachdenkliche Episoden das Finale dieses meisterhaften Klaviertrios, das Regers Musikästhetik um 1910 beispielhaft zusammenfasst. 17 Max Reger Klaviertrio e-Moll, op. 102
IGOR LEVIT Geboren 1987 in Nischni Nowgorod, übersiedelte Igor Levit im Alter von acht Jahren mit seiner Fa- milie nach Deutschland. Sein Klavierstudium an der Musikhochschule in Hannover – an der er seit 2019 selbst eine Professur hat – schloss er mit der höchsten je vergebenen Punktzahl ab. Längst hat sich Igor Levit den Ruf als einer der überragenden Pianisten unserer Zeit erworben. Seine 2019 von Sony veröffentlichte erste Gesamteinspielung der Beethoven-Klaviersonaten erhielt hervorragende Rezensionen und erreichte umgehend Platz 1 der offiziellen Klassik Charts. Zyklen aller Beethoven- Sonaten präsentierte Igor Levit u. a. bei den Salz- burger Festspielen, beim Lucerne Festival, beim Musikfest Berlin, in der Elbphilharmonie und in der Londoner Wigmore Hall. Er gastiert bei welt- weit führenden Orchestern, wie den Berliner und den Wiener Philharmonikern, dem Cleveland Or- chestra, dem Gewandhausorchester Leipzig und dem BRSO, dessen Artist in Residence er in der nun zu Ende gehenden Spielzeit war. Großen Zuspruch fand und findet sein Podcast 32 x Beethoven auf BR-KLASSIK, in dem er sich zusammen mit An- selm Cybinski pro Folge einer Klaviersonate wid- met. Im Oktober startet der neue Klavierpodcast mit Igor Levit und Anselm Cybinski: Variationen – Alles wird anders. Für seine CD-Einspielungen erhielt Igor Levit zahlreiche Auszeichnungen. 2019 wurde ihm für sein politisches Engagement der 5. Internationale Beethovenpreis 2019 verliehen. Im Januar 2020 folgte die Auszeichnung mit der »Statue B« des Internationalen Auschwitz Komi- tees anlässlich des 75. Jahrestages der Befreiung von Auschwitz. Igor Levit ist Künstlerischer Leiter der Kammermusikakademie und des Standpunkte Fes- tivals des Heidelberger Frühlings. In seiner Wahl- heimat Berlin spielt er auf einem Steinway D Kon- zertflügel – eine Schenkung der Stiftung »Inde- pendent Opera at Sadler’s Wells«. 18 Biographie Igor Levit
RAMÓN ORTEGA QUERO Der spanische Oboist Ramón Ortega Quero erhielt seine erste musikalische Ausbildung am Konser- vatorium seiner Heimatstadt Granada bei Miguel Quirós. Mit zwölf Jahren wurde er Mitglied im An- dalusischen Jugendorchester, 2003 nahm ihn Da- niel Barenboim in sein West-Eastern Divan Orche- stra auf, das für Ramón Ortega Quero eine wichtige Wirkungsstätte wurde. Weitere Studien führten ihn nach Deutschland zu Gregor Witt, dem Solo-Obo- isten der Berliner Staatskapelle. Internationale Auf- merksamkeit erregte er erstmals 2007, als er beim ARD-Musikwettbewerb in München den Ersten Preis gewann. Dieser Erfolg ebnete Ramón Ortega Quero den Weg als Solist zu vielen renommierten Orchestern, darunter das Konzerthausorchester Berlin, das MDR Sinfonieorchester, das Sinfonie- orchester Basel, die NDR Radiophilharmonie Han- nover, das Zürcher, Wiener und Münchener Kam- merorchester und das São Paulo Symphony Or- chestra. Auch als Kammermusikpartner von Künst- lern wie Elena Bashkirova, Kit Armstrong und Mitsuko Uchida ist er ein gefragter Gast auf wich- tigen Bühnen weltweit und bei internationalen Fes- tivals. In der Spielzeit 2010/2011 trat Ramón Ortega Quero als »Rising Star« der European Concert Hall Organisation in den großen Konzertsälen in Brüs- sel, Luxemburg, Wien, Salzburg, Hamburg und Amsterdam auf. Auch auf dem CD-Markt ist Ra- món Ortega Quero bereits vielfach vertreten. Er erhielt zweimal einen Echo Klassik, 2011 für seine Debüt-CD Shadows sowie 2012 für die Einspie- lung der Bläserquintette von Mozart und Beetho- ven. Weiterhin erschienen das Album The Roman- tic Oboist, Oboen-Sonaten von Johann Sebastian Bach sowie Konzerte von Haydn und Stamitz. Seit 2008 ist Ramón Ortega Quero Solo-Oboist im Sym- phonieorchester des Bayerischen Rundfunks. 19 Biographie Ramón Ortega Quero
CHRISTOPHER CORBETT Christopher Corbett stammt aus dem badischen Bühl und erhielt seinen ersten Klarinettenunter- richt im Alter von acht Jahren. Nach ersten Erfah- rungen in verschiedenen Jugendorchestern und Kammermusikensembles studierte er von 1998 bis zum Konzertexamen 2007 bei Wolf hard Pencz an der Musikhochschule Mannheim. Während seiner Ausbildung erhielt er verschiedene Preise und Sti- pendien, darunter den Leonberger Musikpreis 1998, ein Stipendium der Hans und Eugenia Jütting-Stif- tung in Stendal 1998 mit dem Trio d’anches und 2005 den Ersten Preis der Konzertgesellschaft Mün- chen. Nach einem Praktikum beim SWR Sinfonie- orchester Baden-Baden und Freiburg war Chris- topher Corbett als Solo-Klarinettist ab 2000 zu- nächst im Gürzenich-Orchester Köln und von 2002 bis 2005 im Deutschen Symphonie-Orchester Berlin engagiert. Seit September 2005 hat er dieselbe Po- sition beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks inne. 2014 nahm er am Conservatoire de Strasbourg zusätzlich ein Studium der Ondes Martenot auf. Dieses monophone elektronische Mu- sikinstrument wird vor allem in Olivier Messiaens Werken solistisch verwendet. Erste Engagements hierfür hatte Christopher Corbett bereits im Elsass und an der Oper in Frankfurt am Main. 20 Biographie Christopher Corbett
MARCO POSTINGHEL Der aus Bozen stammende Fagottist absolvierte seine musikalische Ausbildung zunächst in seiner Heimatstadt bei Romano Santi, später in Hannover bei Klaus Thunemann. Nach einer dreijährigen Lehr- tätigkeit am Conservatorio Benedetto Marcello in Venedig vervollkommnete er sein Spiel in der Ka- rajan-Akademie der Berliner Philharmoniker. Viel- fach preisgekrönt bei internationalen Wettbewer- ben, führte ihn seine Konzerttätigkeit anschließend quer durch Europa, die USA, Japan, Korea und Südamerika. Als Solist trat er mit Dirigenten wie Carlo Maria Giulini, Wolfgang Sawallisch, Lorin Maazel, Semyon Bychkov, Kent Nagano und Franz Welser-Möst auf. Nach vier Jahren als Solo-Fagot- tist beim Orchestre de Paris übernahm er 1994 dieselbe Position im Symphonieorchester des Baye- rischen Rundfunks. Marco Postinghel beschäftigt sich neben dem klassischen Repertoire mit der barocken Literatur auf historischem Instrumenta- rium und konzertiert mit Ensembles wie Concerto Italiano, den English Baroque Soloists, I Baroc- chisti und Musica Saeculorum. Der Fagottist tritt auch mit Orchestern auf, die sich vorrangig der zeitgenössischen Musik widmen, so u. a. mit dem Ensemble Ricerca Nuova und dem Ensemble Mo- dern, ebenso mit Kammerorchestern wie dem Cham- ber Orchestra of Europe, dem Mahler Chamber Orchestra und der Cappella Andrea Barca. Marco Postinghel ist Professor am Mozarteum in Salz- burg, unterrichtet an der Mahler-Akademie in Fer- rara und Bozen sowie an der Scuola di musica di Fiesole und ist Holzbläserdozent beim Gustav Mahler Jugendorchester. Er leitet Meisterkurse für Fagott und Kammermusik weltweit. Auch als Jury- Mitglied bei internationalen Wettbewerben ist Marco Postinghel in Erscheinung getreten, so z. B. beim ARD-Musikwettbewerb in München. 21 Biographie Marco Postinghel
CARSTEN CAREY DUFFIN 1987 in Detmold geboren, zählt Carsten Carey Duf- fin heute zu den führenden Hornisten seiner Ge- neration. Er erhielt bereits mit sechs Jahren ersten Hornunterricht bei Jörg Schulteß. 2001 wurde er Privatschüler bei Michael Höltzel in Hamburg und 2004 Jungstudent bei Christian Lampert an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Stuttgart, an der er im Herbst 2006 sein Vollstu- dium aufnahm. Carsten Carey Duffin war Mitglied in verschiedenen Landesjugendorchestern, so im Bundesjugendorchester sowie in der Jungen Deut- schen Philharmonie. Erste professionelle Orches- tererfahrungen sammelte er als 17-Jähriger im Kon- zerthausorchester Berlin unter Lothar Zagrosek, im Mahler Chamber Orchestra unter Pierre Boulez und Daniel Harding, im Deutschen Symphonie-Orches- ter Berlin unter Ingo Metzmacher, im Symphonie- orchester des Bayerischen Rundfunks und bei den Berliner Philharmonikern. 2007 wurde er Solo-Hor- nist an der Staatsoper Stuttgart. Im September 2010 wechselte Carsten Carey Duffin auf dieselbe Position zum Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, außerdem spielt er seit 2010 im Bay- reuther Festspielorchester. In der Saison 2017/2018 gastierte er als Solo-Hornist im Cleveland Orches- tra unter der Leitung von Franz Welser-Möst. Cars- ten Carey Duffin ist auch solistisch regelmäßig zu erleben, so u. a. mit dem Detmolder Kammeror- chester, der Kammerphilharmonie Amadé, den Bochumer Symphonikern und dem Symphonieor- chester des Bayerischen Rundfunks. Im Jahr 2019 folgte sein solistisches Debüt in Süd-Korea mit dem Gwangju Symphony Orchestra, und im Januar 2020 ist er als Solist mit der Südwestdeutschen Philharmonie in Konstanz aufgetreten. Seit 2012 ist Carsten Carey Duffin Lehrbeauftragter im Fach Horn an der Hochschule für Musik und darstel- lende Kunst Stuttgart sowie seit 2019 an der Hoch- schule für Musik und Theater München. 22 Biographie Carsten Carey Duffin
ANTON BARAKHOVSKY Bereits als Sechsjähriger trat Anton Barakhovsky, 1973 in Nowosibirsk geboren, als Solist mit dem Philharmonischen Orchester seiner Heimatstadt auf. Im Alter von 19 Jahren übersiedelte er nach Deutschland, wo er an der Musikhochschule Ham- burg bei Mark Lubotsky und Kolja Blacher stu- dierte. Nachdem er 1997 den Young-Concert-Ar- tist-Preis in New York gewonnen hatte, erhielt er ein Stipendium der Juilliard School of Music und wurde Schüler von Dorothy DeLay und Itzhak Perlman. Zu diesem Zeitpunkt hatte er bereits meh- rere wichtige Auszeichnungen erhalten, so beim Tschaikowsky-Wettbewerb in Moskau und beim Joseph Joachim Violinwettbewerb in Hannover. Der Geiger hat als Solist mit zahlreichen Orchestern konzertiert, wie den St. Petersburger Philharmoni- kern, dem Russischen Nationalorchester, den Ber- liner Symphonikern, dem NDR Sinfonieorchester und dem New York Chamber Orchestra. Mit den Hamburger Philharmonikern spielte Anton Bara- khovsky das Violinkonzert von Igor Strawinsky für eine Ballettchoreographie von George Balanchine an der Hamburgischen Staatsoper. Weitere Kon- zerte führten ihn in den Petersdom, ins Moskauer Konservatorium, die St. Petersburger Philharmo- nie, die Carnegie Hall in New York, die Londoner Wigmore Hall, nach Berlin, München, Dresden, Prag, Mailand, Genf, Paris, Mendoza, Mexico City, Sapporo und Peking. 1999 spielte er gemeinsam mit Vadim Repin die Sonate für zwei Violinen von Sergej Prokofjew auf CD ein. Von 2001 bis 2009 war Anton Barakhovsky Erster Konzertmeister des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg. Seit 2009 ist er Erster Konzertmeister des Symphonie- orchesters des Bayerischen Rundfunks, mit dem er auch als Solist auftrat, wie zuletzt mit dem Vio- linkonzert von Esa-Pekka Salonen unter der Lei- tung des Komponisten. 23 Biographie Anton Barakhovsky
THOMAS REIF Thomas Reif, 1991 in Rosenheim geboren, erhielt seine geigerische Ausbildung bei Harald Herzl am Salzburger Mozarteum, bei Tanja Becker-Bender an der Hochschule für Musik und Theater Ham- burg und bei Stephan Picard an der Hochschule für Musik »Hanns Eisler« Berlin. Zusätzlich prägten Midori, Igor Ozim, Ferenc Rados, Vadim Gluzman, Thomas Riebl, Eberhard Feltz und Christian Alten- burger seine künstlerische Entwicklung. Neben Preisen bei den Internationalen Mozart-Wettbe- werben in Salzburg und Augsburg, beim Interna- tionalen Königin-Elisabeth-Wettbewerb in Brüssel und beim Johannes-Brahms-Wettbewerb in Pört- schach wurde Thomas Reif 2012 in Salzburg mit dem »Ian Stoutzker Prize in Memory of Yehudi Menuhin« geehrt. Er war Mitglied des Bundesju- gendorchesters und als Konzertmeister bereits beim Münchener und Wiener Kammerorchester sowie beim Kurpfälzischen Kammerorchester Mannheim tätig. Seit November 2018 hat er diese Position beim BRSO inne. Seine solistischen Aktivitäten führten Thomas Reif u. a. zum Orchestre Royal de Chambre de Wallonie, zum Belgian National Or- chestra, zum Münchner Rundfunkorchester, zum Ensemble KNM Berlin, zum Kärntner Sinfonie- orchester und zu den Salzburg Chamber Soloists. Dabei arbeitete er mit Dirigenten wie Paul Meyer, Marin Alsop, Bruno Weil, Ulrich Windfuhr und Douglas Boyd. Als Kammermusiker musiziert er an der Seite von Herbert Schuch, Clemens und Lu- kas Hagen, Stephan Picard, Wen-Sinn Yang, László Kuti, Barbara Buntrock und Isang Enders. Zudem widmet sich Thomas Reif der frühen und unbe- kannteren Musik des 17. Jahrhunderts sowie als Mitglied des Cuarteto SolTango argentinischen Tan- gos der 1940er und 1950er Jahre. Er spielt auf einer Geige von Lorenzo Storioni von 1789 aus Cremona, einer privaten Leihgabe. 24 Biographie Thomas Reif
LIONEL COTTET Lionel Cottet wurde 1987 in Genf geboren. Er stu- dierte bei François Guye am Konservatorium seiner Heimatstadt, bei Clemens Hagen am Salzburger Mozarteum, bei Thomas Grossenbacher an der Zür- cher Hochschule der Künste sowie bei Joel Kros- nick, dem langjährigen Cellisten des Juilliard String Quartet, an der Juilliard School of Music in New York. Er war Preisträger zahlreicher Wettbewerbe, u. a. beim Witold Lutosławski Competition in War- schau, beim Johannes Brahms Wettbewerb in Pört- schach sowie beim Dotzauer-Wettbewerb für junge Cellisten in Dresden, und wurde 2011 mit dem Swiss Ambassador’s Award geehrt. Lionel Cottet gastiert auf den großen Konzertpodien der Welt: in der Londoner Wigmore Hall, der New Yorker Alice Tully Hall, der Berliner und der Warschauer Phil- harmonie sowie in der Tonhalle Zürich. Solistische Auftritte führten ihn zum Russischen Nationalor- chester, zur Academy of St Martin in the Fields, zum Orchestre de Chambre de Lausanne und zum Orchestra della Svizzera italiana. Zugleich wid- met er sich intensiv der Kammermusik und musi- ziert an der Seite von Künstlern wie Itzhak Perl- man, Mitsuko Uchida, Clemens Hagen, Arnold Steinhardt und Pierre Amoyal. Mit dem Pianisten Louis Schwizgebel bildet er ein festes Duo. Er ist Gast bei vielen wichtigen Festivals weltweit, so beim Marlboro Festival in den USA, beim Ver- bier Festival, beim Bergen Festival in Norwegen, beim Menuhin Festival Gstaad, beim Davos Fes- tival, beim Olympus Festival in St. Petersburg und beim Septembre Musical in Montreux. Für seine Weltersteinspielung des Cellokonzerts op. 3 von Bernhard Romberg erhielt er höchstes Lob. Lionel Cottet spielt ein Instrument von Jean-Baptiste Vuil- laume. Seit Februar 2016 ist er Solo-Cellist im Sym- phonieorchester des Bayerischen Rundfunks. 25 Biographie Lionel Cottet
LASSEN SIE UNS FREUNDE WERDEN! Freunde sind wichtig im Leben eines jeden von uns. Kontakt: Diese Überlegung machten sich musikbegeisterte Freunde des Symphonieorchesters und engagierte Menschen zu eigen und gründeten des Bayerischen Rundfunks e. V. den gemeinnützigen Verein »Freunde des Sympho- Geschäftsstelle: Ingrid Demel, Sabine Hauser nieorchesters des Bayerischen Rundfunks e. V.«. c/o Labor Becker und Kollegen Seine heute 1.400 Mitglieder fördern die herausra- Führichstraße 70 gende künstlerische Arbeit des Symphonieorchesters 81671 München und seiner Akademie nach Kräften. Der Verein trägt Telefon: 089 49 34 31 dazu bei, den Ruf dieses weltweit berühmten Orche- Fax: 089 450 91 75 60 sters weiterhin zu mehren. Mit der finanziellen Un- E-Mail: fso@freunde-brso.de terstützung der »Freunde« werden Instrumente finan- www.freunde-brso.de ziert, Kompositionsaufträge erteilt, Kammermusik- kurse abgehalten und jungen Talenten in der Akade- * Rechtsverbindliche Ansprüche bestehen jeweils nicht mie eine erstklassige Ausbildung an ihren Instrumen- ten ermöglicht. Den »Freunde«-Mitgliedern werden zahlreiche attraktive Vergünstigungen angeboten, von exklusiven Besuchen ausgewählter Proben über be- vorzugte Kartenbestellungen bis hin zu Reisen des Orchesters zu Sonderkonditionen.* Helfen Sie mit als Freund und lassen Sie sich in die Welt der klassischen Musik entführen!
SYMPHONIEORCHESTER DES BAYERISCHEN RUNDFUNKS SIR SIMON RATTLE TEXTNACHWEIS Designierter Chefdirigent Monika Lichtenfeld: aus den Programm- ULRICH HAUSCHILD heften des BRSO vom 14. März 2011; Orchestermanager Judith Kemp und Matthias Corvin: Original- (Nikolaus Pont in Elternzeit) beiträge für dieses Heft; Biographien: Archiv des Bayerischen Rundfunks. Bayerischer Rundfunk Rundfunkplatz 1 BILDNACHWEIS 80335 München Wikimedia Commons (Beethoven); H. C. Telefon: (089) 59 00 34 111 Robbins Landon: Beethoven. Sein Leben und seine Welt in zeitgenössischen Bildern IMPRESSUM und Texten, Zürich 1970 (Palais Lobkowitz, Herausgegeben vom Bayerischen Rundfunk Fürst von Schwarzenberg); Reinhard Programmbereich BR-KLASSIK Ermen: Ferruccio Busoni, Reinbek 1996 Publikationen Symphonieorchester (Busoni, Geburtshaus, Musikzimmer); und Chor des Bayerischen Rundfunks © picture-alliance / Mary Evans Picture Library (Reger); © akg-images (Klaviertrio REDAKTION in Regers Musikzimmer); © Felix Broede Dr. Renate Ulm (verantwortlich) (Levit); © Astrid Ackermann (Solisten des Dr. Vera Baur BRSO); Archiv des Bayerischen Rundfunks. GRAPHISCHES GESAMTKONZEPT Bureau Mirko Borsche AUFFÜHRUNGSMATERIAL UMSETZUNG © G. Henle Verlag, München (Beethoven) Antonia Schwarz, München © Breitkopf & Härtel, Wiesbaden (Busoni) © Bote & Bock, Berlin (Reger) br so.de
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