TIBET360 - Nach der Wahl: Exilregierung als Partner Europas sehen 17-Punkte-Abkommen

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TIBET360 - Nach der Wahl: Exilregierung als Partner Europas sehen 17-Punkte-Abkommen
TIBET360°
INFORMATIONEN | MEINUNGEN | ANALYSEN            AUSGABE 2 | 2021

                        Nach der Wahl: Exilregierung als
                        Partner Europas sehen
                                                           2
                4
                                               17-Punkte-

                                          3
                       Rinchen Tsultrim
                                               Abkommen
                       verurteilt
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                                                           EXILREGIERUNG
                                                           ALS PARTNER
                                                           EUROPAS SEHEN

                                                      2                                 Kommentar

                                                                                           Am 27. Mai wurde der neue „Sikyong“, tibetisch „politi-
                                                                                        scher Anführer“, der tibetischen Exilregierung in sein Amt
                                                                                        eingeführt. Der 55-jährige Penpa Tsering übernimmt das
                                                                                        Amt von Lobsang Sangay, der nach zwei vollen Amtsperi-
                                                                                        oden qua tibetischer Exilverfassung nicht wieder antreten
                                                                                        durfte. Tsering vereint rund 34.000 Stimmen auf sich, wäh-
                                                                                        rend sein Mitbewerber Kelsang Aukatsang ca. 28.500
                                                                                                                                                      Regierungen gemieden.
                                                                                                                                                         2018 hat die Europäische Union, in Reaktion auf die
                                                                                                                                                      „Belt and Road“ Initiative Xi Jinpings, die EU-Asien-Kon-
                                                                                                                                                      nektivitätsstrategie ausgerufen. Das Konzept sieht den
                                                                                                                                                      Aufbau von Verkehrsverbindungen, Energie- und Digital-
                                                                                                                                                      netzen, Konnektivitätspartnerschaften und die Förderung
                                                                                                                                                      einer nachhaltigen Finanzierung vor. Von Demokratie und
                                                                                        Stimmen erhielt.                                              Rechtsstaatlichkeit ist jedoch nicht die Rede, und das in
                                                                                           Die tibetische Demokratie im Exil braucht Unterstüt-       einer Welt, in der vor allem in Asien Autokratie und Demo-
                                                                                        zung, denn sie muss unter äußerst schwierigen Bedingun-       kratiefeinde auf dem Vormarsch sind. Die Tibeter wären
                                                           Kai Müller,                  gen zahlreichen Herausforderungen bestehen. Zum einen         ideale Partner einer Konnektivitätsstrategie, die auch
                                                           ICT-Geschäftsführer          müssen Wahlen ohne große Finanzmittel in mehr als 20          Demokratie und Werte fördern will. Europäische Regierun-
                                                                   Foto: Yan Revazov
                                                                                        Ländern teilweise ehrenamtlich organisiert werden. Die        gen sollten deshalb aktiv auf die Tibeter im Exil zugehen.
                                                                                        tibetische Zentralverwaltung, so der offizielle Name der      Dazu gehört auch, in einen direkten Dialog mit Penpa
                                                                                        Exilregierung, kann keine Steuern erheben und ist ange-       Tsering zu treten.
                                                                                        wiesen auf Entwicklungshilfe oder auf freiwillige Zuwen-         Trotz aller Widrigkeiten ist es der tibetischen Exilge-
                                                                                        dungen von Exil-Tibeterinnen und -Tibetern. Auf der ande-     meinschaft in den letzten 60 Jahren gelungen, eine funkti-
                                                                                        ren Seite versucht die KP Chinas, die Autorität und Arbeit    onierende Demokratie im Exil aufzubauen. Die internatio-
                                                                                        der tibetischen Exilregierung zu untergraben, wo immer        nale Gemeinschaft und der Westen müssen das
                                                                                        sie kann. Immer noch werden Vertreterinnen und Vertreter      Bekenntnis der Tibeter zur Demokratie stärker unterstüt-
                                                                                        der Tibeter im Exil, obgleich sie aus freien und demokrati-   zen und die Tibeter als Partner in einer zunehmend auto-
                                                                                        schen Wahlen hervorgegangen sind, von europäischen            kratischen und unsicheren Welt sehen.

                                                           UNO-HOCHKOMMISSARIN - FORDERUNGEN AN GEPLANTE CHINA-REISE
                                                                                        Noch immer gibt es keine Informationen über Einzelhei-        ihren Oral Updates vor dem UNO-Menschenrechtsrat
                                                                                        ten oder gar das Datum für die Reise der UNO-Hoch-            mit Nachdruck die Menschenrechtslage in Xinjiang,
                                                                                        kommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, in         Tibet und Hongkong thematisieren und die Forderung
                                                                                        die Volksrepublik China. Die International Campaign for       von 50 unabhängigen UNO-Menschenrechtsexperten
Foto: ICT; Foto: hbieser, pixabay.de, Quelle: phayul.com

                                                                                        Tibet (ICT) befürchtet, dass sich die Hochkommissarin         aus dem Juni 2020 unterstützen. Diese hatten die Ein-
                                                                                        während ihres Besuches weder frei bewegen, noch               richtung eines unabhängigen Beobachtermechanismus
                                                                                        ohne Sorge vor Repressalien mit Betroffenen von Men-          in Bezug auf die Menschenrechtslage in der Volksrepu-
                                                                                        schenrechtsverletzungen zusammenkommen können                 blik im UNO-Menschenrechtsrat gefordert. Der OHCHR
                                                                                        wird. Die unnachgiebige Position der KP Chinas in Bezug       könne überdies auch eigene Untersuchungen der mitt-
                                                                                        auf Xinjiang und zuletzt auch wieder mit Blick auf Tibet      lerweile zahlreichen Berichte über Menschenrechtsver-
Fotos Cover im Uhrzeigersinn:

                                                                                        lassen darauf schließen, dass Peking zu keinerlei Zuge-       letzungen u.a. in Xinjiang und Tibet einleiten.
                                                                                        ständnissen gegenüber der obersten Menschenrechts-
                                                                                        vertreterin der Vereinten Nationen bereit sein wird.
                                                                                        In einem Schreiben an Bachelet hat ICT bereits auf die                Mehr Informationen:
                                                                                        Gefahr der Instrumentalisierung durch die chinesischen          Forderung der UNO-Menschenrechtsexperten:
                                                                                        Behörden hingewiesen. Die Hochkommissarin sollte in             https://bit.ly/3dmUVvW
TIBET360 - Nach der Wahl: Exilregierung als Partner Europas sehen 17-Punkte-Abkommen
AUSGABE 2 | 2021

              17-PUNKTE-
              ABKOMMEN

    MENSCHENRECHTSAUSSCHUSS
     VERABSCHIEDET ERKLÄRUNG
    Der Menschenrechtsausschuss im Deutschen Bundes-
tag hat am 19. Mai 2021 mit den Stimmen von CDU/CSU,
                                                             „White Paper“ oder „Weißbuch“ der chinesischen Regie-
                                                             rung, unter dem englischsprachigen Titel „Tibet Since
                                                             1951: Liberation, Development and Prosperity“. Das Papier
                                                             ist die mittlerweile dreizehnte Abhandlung seiner Art über
                                                             Tibet und folgt einem ähnlichen Papier aus dem Juli 2011,
                                                             das zum 60. Jahrestag des 17. Punkte-Abkommens veröf-
                                                             fentlicht wurde. Merkmal dieser Papiere sind Argumenta-
                                                                                                                           3
SPD, FDP und Bündnis 90 / Die Grünen eine „Erklärung         tionsmuster, die die völkerrechtliche Zugehörigkeit Tibets
zur Unterzeichnung des 17-Punkte-Abkommens zwischen          zu China „seit dem Altertum“ belegen sollen, aber durch
der Regierung der Volksrepublik China und Vertretern der     historische Fakten nicht unterstützt werden. So war Tibet
damaligen tibetischen Regierung vor 70 Jahren“ verab-        jedenfalls bis zur Invasion Chinas, beginnend 1949 und
schiedet. Dies ist die dritte Erklärung des Ausschusses      der Annexion in 1950/1951, außerhalb des Einflussberei-
zur politischen und menschenrechtlichen Lage in Tibet.       ches Pekings und de facto unabhängig. Ein weiterer Blick
Zuvor hatte der Ausschuss 2019 zum 60. Jahrestag des         in die Geschichte Tibets und Chinas gibt indes noch zu
Aufstandes in Tibet von 1959 und 2013 zu den Selbstver-      weiteren Zweifeln an der Position der KP Anlass. Auch
brennungen in Tibet mit Erklärungen öffentlich Stellung      sind viele Tibeterinnen und Tibeter ganz offensichtlich
zur Lage auf vom China 1949 besetzen „Dach der Welt“         nicht überzeugt vom Weg sogenannter „Modernisierung“,
genommen. Letztere „Gemeinsame Erklärung“ war indes          die für viele Entrechtung und Diskriminierung, und nicht
noch mit Stimmen der Linkspartei zustande gekommen.          selten soziale und kulturelle Entwurzelung gebracht hat.
    „Am 23. Mai 1951 beendete die Unterzeichnung des             Schlichtweg falsch sind die Unterstellungen des Weiß-
umstrittenen 17-Punkte-Abkommens die De-facto Unab-          buches in Bezug auf den „Mittleren Weg“ des Dalai Lama,
hängigkeit Tibets. Die Unterzeichnung des Abkommens          den seine Repräsentanten im Rahmen eines Memorand-
wurde auch unter dem Druck des chinesischen Militärs         ums im Jahre 2008 detailliert dargelegt haben. Weder
erzwungen, das Tibet in den Jahren zuvor, beginnend          schlägt der Dalai Lama die Schaffung eines „Groß-Tibets“
1949, besetzt hatte“, beginnt die Erklärung und führt wei-   vor, noch sieht der Vorschlag die „Vertreibung“ anderer
ter aus: „Die chinesische KP setzt seither und im Wider-     Volksgruppen aus Tibet vor. Auch will es keinen Sonder-
spruch zum Inhalt des 17-Punkte-Akommens ihre Strate-        status für Tibet einfordern, der über die schon bestehen-
gie der Assimilierung und Sinisierung fort, gegenüber        den Garantien chinesischer Gesetze hinausgeht. Der
Tibetern ebenso wie in anderen Regionen der Volksrepu-       „Mittlere Weg“ will stattdessen „echte Autonomie“ unter
blik Chinas gegenüber anderen Minderheiten. Der Ver-         Wahrung der Rechte der Tibeter und keine Zusagen auf
trag sah u. a. die Autonomie Tibets im Hinblick auf den      Papier, die mit der Realität nichts zu tun haben. Die Posi-
Erhalt seines politischen Systems sowie eine Garantie für    tion der chinesischen Regierung ist eine vertane Chance,
den Status, die Funktionen und Befugnisse des Dalai          nachhaltig Frieden auf dem Dach der Welt zu schaffen.
Lama vor. Darüber hinaus gewährleistete das Abkommen         Der „Mittlere Weg“ des Dalai Lama verdient aber gerade
den Schutz des religiösen Glaubens, der Sitten und           deswegen Unterstützung – wie es die Erklärung des Men-
Gebräuche des tibetischen Volkes. Heute sind Kultur, tra-    schenrechtsausschusses zum Ausdruck bringt.
ditionelle Lebensweise, Sprache, Identität und Religion
der Tibeter bedroht. Das politische System Tibets ist ent-
gegen dem Vertrag völlig abgeschafft worden. Das                     Mehr Informationen:
17-Punkte-Abkommen diente nur der Ausdehnung der               Memorandum on Genuine Autonomy:
Macht der chinesischen KP, nicht dem friedlichen und           https://bit.ly/2WvB0Uy
gleichberechtigen Zusammenleben.“                              Erklärung des Ausschusses im Original:
    Im scharfen Kontrast zur Ausschusserklärung steht das      https://bit.ly/2W6tz7k
nur zwei Tage später, am 21. Mai 2021, veröffentliche
TIBET360 - Nach der Wahl: Exilregierung als Partner Europas sehen 17-Punkte-Abkommen
TIBET360°                                                                                                           AUSGABE 2 | 2022

                                                                                                         +++newsTICKER+++

RINCHEN
TSULTRIM
VERURTEILT                                                                                               Interview mit dem neuen Präsidenten der

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                                                                                                         tibetischen Exilregierung, Penpa Tsering
                                                                                                         https://bit.ly/2Yz6prM

   Die International Campaign for Tibet (ICT)    wurde. Bis heute wartet seine Familie von
fordert weiterhin die sofortige Freilassung      Rinchen Tsultrim vergeblich auf ein offizielles
von Rinchen Tsultrim. Der tibetische Mönch       Dokument oder eine Erklärung zu dem Fall.
wurde Quellen aus dem Exil zufolge zu einer          Rinchen Tsultrim war 2018 zweimal auf-
Haftstrafe von vier Jahren und sechs Mona-       grund seiner Aktivitäten auf WeChat verwarnt            Internationaler Tag der Pressefreiheit:
ten verurteilt, nachdem er sich bereits seit     worden. Bereits vor 2016 sperrten die chine-            Kooperation mit Staatsmedien Chinas
mehr als einem Jahr in Isolationshaft befand.    sischen Sicherheitsbehörden mehrfach sein               beenden
Grund für seine Verhaftung war vermutlich,       WeChat-Konto und seine Beiträge wurden                  https://bit.ly/2yxYf8q
dass er seine Meinung auf der chinesischen       zensiert. Unter anderem setzte sich der
Social Media-Plattform WeChat geäußert           29-jährige Mönch besonders für den Erhalt
hatte. ICT geht davon aus, dass Rinchen          der tibetischen Sprache und der buddhisti-              ICT: „Internationale Gemeinschaft darf
Tsultrim „Aufwiegelung zum Separatismus“         schen Kultur ein. Auch seine persönliche                nicht aufhören die Freilassung des
und „Gefährdung der nationalen Sicherheit“       Webseite mit dem Titel „Zweifel an Tibet“               Panchen Lama zu fordern“
vorgeworfen werden. Der 29-jährige Mönch         („Scepticism on Tibet“) wurde abgeschaltet.             https://bit.ly/2yvxf9C
wurde gemeinsam mit zwei weiteren Tibetern           Dass Rinchen Tsultrim offenbar nur des-
am 1. August 2019 in der osttibetischen          halb verhaftet und verurteilt wurde, weil er
Region von Ngaba, 1965 als sog. tibetisch-au-    friedlich sein Recht auf Meinungsfreiheit aus-          Chinesische Behörden verbieten alle
tonome Präfektur der Provinz Sichuan zuge-       geübt hat, gibt Anlass zur Sorge. Die interna-          buddhistischen Symbole an tibetischen
schlagen, verhaftet, nachdem er sich auf         tionale Gemeinschaft sollte sich bei der chi-           Schulen
WeChat zur politischen, sozialen und kulturel-   nesischen Regierung für seine sofortige                 https://bit.ly/2Yz6prM
len Situation der Tibeter geäußert hatte. Die    Freilassung einsetzen. Ebenso müssen seine
genauen Umstände seiner Verurteilung, die        Familie und die Öffentlichkeit über seinen
Urteilsbegründung und das Datum seiner           genauen Aufenthaltsort informiert werden.               Newsletter
Gerichtsverhandlung blieben bisher im Dun-       Seinen Anwälten und seiner Familie muss                 Die International Campaign for Tibet
keln. Über seinen weiteren Verbleib war mehr     ermöglicht werden, ihn in der Haft zu besu-             versendet regelmäßig per E-Mail aktu-
als anderthalb Jahre ebenfalls nichts bekannt.   chen und er muss angemessen medizinisch                 elle Informationen über Tibet und die
                                                 versorgt werden, falls dies notwendig ist.              Arbeit der ICT.

                                                                                                         https://savetibet.de/newsletteranmeldung/
   VERGEBLICHES WARTEN
    AUF EINE ERKLÄRUNG                                    Mehr Informationen:
                                                    ICT-Meldung: https://bit.ly/2SGoDUF
   Am 26. März 2021 teilten die chinesischen
Sicherheitsbehörden in Ngaba der Familie         Impressum                 TIBET360°
von Rinchen Tsultrim lediglich mündlich mit,
                                                 Herausgeber:                         V. i. S. d. P.: Kai Müller
dass er zu einer Haftstrafe von vier Jahren      International Campaign for Tibet
und sechs Monaten verurteilt worden sei und      Deutschland e. V.                    Stand: 7. Juni 2021
sich in einem Gefängnis in Chengdu befinde.      Schönhauser Allee 163
Die Familie des inhaftierten Mönches wurde       10435 Berlin                         Druck: Arnold Group, Großbeeren
daraufhin aufgefordert, ihn im Gefängnis zu
                                                 Tel.: +49 (0) 30 / 2787 9086
besuchen, obwohl der genaue Standort der         Fax: +49 (0) 30 / 2787 9087
Haftanstalt nicht von der Behörde mitgeteilt     info@savetibet.de
                                                 www.savetibet.de
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