Ursachen und Folgen der Trockenheit in Deutschland und Europa ab Juni 2019 - DWD
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Abteilungen Klimaüberwachung, Agrar- und Hydrometeorologie Ursachen und Folgen der Trockenheit in Deutsch- land und Europa ab Juni 2019 Autoren: Torben Meinert, Andreas Becker, Peter Bissolli, Jan Daßler, Jan Nicolas Breidenbach, Markus Ziese Stand: 12.07.2019 Nachdem das Jahr 2018 mit einem Niederschlagsdefizit von rund 200 mm im Deutschlandmittel zu Ende gegangen ist, brachten überdurchschnittliche Nieder- schläge im Januar und März 2019 eine leichte Entspannung. Diese konnten aber den für die Forst- und Landwirtschaft sowie Flusspegeln relevanten Wasserspeicher in tieferen Schichten nicht bedeutend auffüllen. Durch die seit Frühjahr 2018 unter- durchschnittliche Niederschlagsmengen entstand in einigen Regionen Deutsch- lands eine Trockensituation, die durch eine Hitzeperiode Ende Juni 2019 noch ver- schärft wurde. Abbildung 1: Ranking der für den Zeitraum 01.-08.07.2019 simulierten Bodenfeuchte für Winterweizen (0- 60 cm) auf leichtem Boden bzgl. der klimatologischen Zeitreihe seit 1961. Rang 1 bedeutet trockenster Wert in der Zeitreihe, Rang 2 zweittrockenster Wert in der Zeitreihe usw. 1
Ausgangslage Das Jahr 2018 war im Deutschlandmittel das wärmste Jahr seit Beginn der regelmäßigen Temperaturaufzeichnungen. Gleichzeitig war es ungewöhnlich trocken. Im Mittel lag das Nie- derschlagsdefizit 2018 bei rund 200 mm. Erst die normalen oder leicht überdurchschnittlichen Niederschläge in den Monaten Januar und März 2019 führten zu einer Auffüllung der Boden- wasservorräte. Das Niederschlagsdefizit aus dem Vorjahr wurde dabei allerdings kaum unter 150 mm reduziert. Während des Frühjahres 2019 wechselten sich zunächst trockene Witte- rungsperioden mit Schauer- und Gewitterlagen ab. Bis in den Juni wurden die vieljährigen monatlichen Minima der Bodenfeuchte trotz des vorbenannten Niederschlagsdefizits nur lokal unterschritten. Im Juni 2019 verschärfte sich allerdings die Situation. Der Juni 2019 war nicht nur der wärmste Juni seit Beginn der Aufzeichnungen, sondern auch vielerorts deutlich trockener als im viel- jährigen Mittel [4]. Die hohen Temperaturen führten zu hohen Raten bei der potentiellen Ver- dunstung. In Kombination mit den teilweise unterdurchschnittlichen Niederschlagsmengen führte dies dazu, dass die klimatische Wasserbilanz großräumig deutlich negativ war. Der oben beschriebene Witterungsverlauf führte Anfang Juli in weiten Teilen Deutschlands zu - für den Zeitpunkt im Jahr – ungewöhnlich niedrigen Bodenfeuchtewerten. In Nordrhein-West- falen, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen werden regional die niedrigsten Bodenfeuchten (Winterweizen / leichter Boden) seit 1961 erreicht (Abbildung 1). Die Pegelstände von Elbe, Oder, Spree, Aller sowie den Mit- telläufen von Weser und Ems unterschreiten bereits das mittlere Niedrigwasser [5]. Der Bericht beleuchtet den aktuellen Stand der Bodenfeuchte, die aktuellen und potentiellen Auswirkungen der damit verbundenen Trockenheit auf die Landwirtschaft entlang der wich- tigsten Anbaukulturen, die Waldbrandgefahr und die Befahrbarkeit der Bundeswasserstraßen. Landwirtschaftliche Auswirkungen: Die Auswirkungen der ab Mitte Juni 2019 herrschenden Trockenheit für die unterschiedli- chen landwirtschaftlichen Kulturen werden folgendermaßen bewertet: Leicht: Kaum betroffen sind Wintergerste und Winterraps, da sie die für die Ertrags- bildung wesentlichen Entwicklungsphasen während der wechselhaften Witterung im Frühjahr, also vor Einsetzen der aktuellen Trockenheit, durchschreiten konnten. Da die Abreife zu Beginn der Hitzewelle bereits erfolgt war, sind normale (Winterraps) bis gute (Wintergerste) Erträge zu erwarten. Erste Angaben für Wintergerste gehen laut Julius Kühn-Institut an einem Standort in Brandenburg von über 60 dt/ha aus, wäh- rend dort 2018 nur 40 dt/ha geerntet wurden. Mittel: Bei Winterweizen und -roggen war dagegen während der extremen Hitze die Kornausbildung bereits deutlich eingeschränkt. Der Mengenertrag wird hierdurch 2
deutlich reduziert und aufgrund eines schwachen Mehlkörpers nur eine unterdurch- schnittliche Backqualität erreicht. Schwer: Am stärksten betroffen sind diejenigen Pflanzen, die mit ihrer momentan vor- handenen grünen Blattmasse stark und je nach Wurzeltiefe auch aus tieferen Boden- schichten heraus verdunsten. Sie haben bis zur Ernte noch einen erheblichen Was- serbedarf, welcher aus dem aktuellen Bodenwasservorräten vielerorts nicht gedeckt werden kann. Eine Bewässerung der Kulturen kann besonders auf leichten Böden die Ertragsverluste mildern. Dies betrifft vor allem Zuckerrüben, Kartoffeln und Mais. In letzterem Fall setzt aktuell das Längenwachstum ein, sodass in einem Zeitintervall von etwa 10 Tagen der Wasserbedarf besonders hoch ist. Mit dem ersten Grünlandschnitt konnten hohe Erträge erreicht werden. Beim zweiten Schnitt lagen die Mengen in den von Trockenheit betroffenen Gebieten 30 % unter dem übli- chen Ertragsverlauf. Neben der Trockenheit waren die frisch geschnittenen Gräser Ende Juni hohen Temperaturen und einer sehr hohen Globalstrahlung ausgesetzt, daher sind für den dritten Schnitt Ertragseinbußen aufgrund von Vergilbung zu erwarten. Bedingt durch die Mindererträge aus dem letzten Jahr wurde vielfach die Grassilage aus dem ersten Schnitt bereits als Viehfutter für das laufende Jahr angebrochen. Sofern in den nächsten Tagen und Wochen keine Entlastung der Trockenheit durch länger anhaltende und ergiebige Niederschläge erfolgt, ist eine Zuspitzung der landwirtschaftlichen Situation bei den noch nicht geernteten Kulturen zu erwarten. Darüber hinaus wären Dünge- maßnahmen nur eingeschränkt erfolgreich, weil die Nährstoffe wegen fehlendem Nieder- schläge nicht an die Pflanzenwurzeln transportiert werden können. Hydrologische Auswirkungen: Je länger eine Trockenheit anhält desto stärker erstrecken sich seine Auswirkungen auch auf den hydrologischen Bereich und hier insbesondere auf Einschränkungen der Schiffbarkeit der Bundeswasserstraßen aufgrund von Niedrigwasserständen. So unterschreiten am 08.07.2019 die Pegel von Elbe, Saale, Oder, Spree, Aller und Untermain bereits das mittlere Niedrigwasser (Abbildung 2) [5]. Es kommt besonders auf der Elbe zu Behinderungen der Binnenschifffahrt. Um die Öffentlichkeit über potentielle Niedrigwassersituationen frühzeitig zu informieren, haben DWD und BfG für das Deutsche Geoportal die Karte des Monats Juli entwickelt und implementiert1. Sie zeigt in täglicher Aktualisierung den Zusammenhang zwi- schen den Pegelständen an den Bundeswasserstraßen und den 4-Wochensummen des Nie- derschlages basierend auf dem RADOLAN Verfahren des Deutschen Wetterdienstes auf. 1 https://www.geoportal.de/DE/Geoportal/Karten/karten.html?lang=de&wmcid=177 3
Abbildung 2: Wasserstände an den WSV Pegeln der Bundeswasserstraßen am 08.07.2019 und 4-Wochen Summen des Niederschlags, erhoben mit RADOLAN Verfahren des DWD (W4-Produkt). Waldbrände: Während der Hitzeperiode im Juni 2019 stieg der Waldbrandgefahrenindex gemäß Abbil- dung 3 besonders in den nördlichen und östlichen Teilen des Bundesgebietes auf die höchste Indexstufe 5 an. Am 30.06.2019 brach auf dem Truppenübungsplatz Lübtheen (Mecklenburg-Vorpommern) aufgrund von Brandstiftung ein Waldbrand aus, der zur Ausru- fung des Katastrophenalarms und zur Evakuierung umliegender Dörfer führte. Weitere Waldbrände entstanden um den 06.07.2019 in Brandenburg und Sachsen, unter anderem in der Lieberoser Heide. 4
Abbildung 3: Waldbrandgefahrenindex (WBI) am 30.06.2019. Die Waldbrandgefahr nimmt mit steigendem Index zu. Statistische Betrachtung: Das Niederschlagsdefizit im Bundesgebiet kann durch den Standardized Precipitation Index (SPI) statistisch eingeordnet werden. In Abbildung 4 ist der SPI für April bis Juni 2019 bzgl. des Referenzzeitraumes 1961-1990 dargestellt. Negative Werte des Index bedeuten ein Nie- derschlagsdefizit, positive Werte entsprechend ein Niederschlagsüberschuss. Der SPI zeigt, dass die deutlichsten negativen Abweichungen des Niederschlags einerseits in einem Gebiet von Nordrhein-Westfalen bis ins zentrale Niedersachsen, andererseits in Teilen Branden- burgs, Sachsens und Ostbayerns konzentriert sind. In diesen Bereichen kann laut Definition des SPI von einer extremen Trockenheit gesprochen werden. 5
Abbildung 4: Standardized Precipitation Index (SPI) für Deutschland für den Zeitraum vom 01.04.2019 bis 30.06.2019. In Abbildung 5 ist die Bodenfeuchte in der Einheit nutzbare Feldkapazität (nFK) der oberen Bodenschicht bis 60 cm Tiefe als Mittelwert über den Zeitraum vom 01.07.2019 bis 08.07.2019 dargestellt. Eine nutzbare Feldkapazität von 0 % nFK sagt aus, dass kein pflan- zenverfügbares Wasser mehr im Boden vorhanden ist. Der allgemein als für das Pflanzen- wachstum kritisch angesehene Wert von 40 % nFK wurde außer Teilen Bayerns im betrach- teten Zeitraum deutschlandweit unterschritten. 6
Abbildung 5: Bodenfeuchte für Winterweizen auf leichtem Boden (Mittelwert 01. bis 08.07.2019, 0-60 cm). Das räumliche Muster des SPI spiegelt sich auch beim Ranking der Bodenfeuchte bzgl. der langjährigen Zeitreihe seit 1961 wider (Abbildung 1). In den Regionen, die die stärksten ne- gativen Werte des SPI aufweisen, werden neue Minima dieses Parameters erreicht. An- schaulich bedeutet dies, dass selbst die außergewöhnlich geringen Bodenfeuchtewerte aus 2018 aktuell gebietsweise noch einmal unterschritten wurden. Trockenheit auch in anderen Ländern Europas Der Juni 2019 ging nicht nur in Deutschland, sondern auch in weiten Teilen Europas mit ei- nem Niederschlagsdefizit zu Ende, das sich von Spanien über Mitteleuropa bis hin zum Balti- kum/Südfinnland und Osteuropa erstreckte. Teilweise war das Defizit prozentual noch weit höher als in Deutschland, vor allem in Polen und im Baltikum (Abbildung 6). Dementsprechend ist in unseren Nachbarländern die Trockenheit dieses Jahr wieder ein Thema. In Frankreich wurden bereits in über 40 Departements Einschränkungen im Wasser- verbrauch angeordnet. Auch aus den Niederlanden, Polen und Tschechien berichten Medien über Wasserdefizite. Litauen hatte den Notstand ausgerufen. In Norditalien hatte der Po Niedrigwasser. 7
Abbildung 6: Monatliche Niederschlagssummen in Europa für den Juni 2019 in mm (links) und in Prozent vom Klimamittel 1981-2010 (rechts). Quelle: DWD, Weltzentrum für Niederschlagsklimatologie. Klimatologische Einordnung Auf Basis der im April 2017 vom Weltzentrum für Niederschalgsklimatologie (WZN) veröffentlichten monatlichen homogenisierten Niederschlagsanalyse für Europa (HOMPRA2) kann bereits jetzt für die Sommermonate (Juni, Juli, August) in Zentraleuropa ein leichter Trend zur Abnahme der Niederschlagssummen um bis zu 1,5 mm pro Jahr im Zeitraum von 1951-2005 festgestellt werden. Dieser Trend ist aber nicht signifikant, weil Niederschläge räumlich sehr variabel sind, insbesondere im Sommer. Aufgrund der globalen Erwärmung und der damit verstärkten Verdunstung muss aber von einer noch stärkeren Saisonalität der klimatischen Wasserbilanz ausgegangen werden. Trockene und heiße Perioden wie 2018 oder im Juni 2019 passen in dieses Szenario, allerdings ist die Attribution von Trockenheiten und Dürren (d.h. die Bestimmung des Einflus- ses des Klimawandels auf das häufigere Auftreten solcher Ereignisse) noch Gegenstand der Forschung und noch nicht so durchführbar wie bei temperaturgesteuerten Ereignissen. Hier ist die Bestimmung geänderter Eintrittswahrscheinlichkeiten, z.B. für das Auftreten von Hitzewellen wie im Sommer 2003 oder Juni 2019, bereits heute möglich. Wie trocken aber die Atmosphäre großräumig ist, kann aus Daten der bodennahen relativen Luftfeuchtigkeit ersehen werden, die aus Modellanalysen berechnet werden (Abbildung 7). Im Europamittel ist die Atmosphäre seit 1979 im Verhältnis zu dem, was sie an Wasserdampf aufnehmen kann, trockener geworden. Im laufenden Jahr war die Luft besonders im März, April und Juni sehr trocken. Eine Unterbrechung gab es im Mai, der in weiten Teilen Europas auch relativ kühl ausgefallen war. Der Juni 2019 war im Europamittel der trockenste Juni in Bezug auf die relative Luftfeuchtigkeit, noch weitaus trockener als der 2 https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/aktuelles/170426_hompra_wzn.html 8
Juni 2018. Ursache war vor allem die häufige Zufuhr trockener und sehr warmer subtropischer Luft von Süden her. Der Juni 2019 war nach den außergewöhnlichen großräumigen Hitzewellen Ende des Monats auch bei weitem der wärmste Juni in Europa in diesem Zeitraum. Eine ähnliche Tendenz wie die relative Luftfeuchte zeigen auch Daten der Bodenfeuchte in den obersten 7 cm Tiefe (Daten nach Copernicus). Die Klimaänderung begünstigt also nicht nur höhere Temperaturen, sondern langfristig auch eine insgesamt größere Trockenheit in Europa in der Luft wie im Erdboden, auch wenn gleichzeitig in einzelnen Gebieten Auftreten und Intensität von Starkregen zunehmen. Abbildung 7: Monatliche Abweichung der relativen Luftfeuchtigkeit vom Klimamittel 1981-2010 in Prozent für Januar 1979 – Juni 2019. Die schwarzen Balken sind die Juniwerte. Quelle: Copernicus C3S. Literatur: [1] DWD, Abteilung Klimaüberwachung: Rückblick auf das Jahr 2018 – das bisher wärmste Jahr in Deutschland, https://www.dwd.de/DE/leistungen/besondereereignisse/tempera- tur/20190102_waermstes_jahr_in_deutschland_2018.pdf?__blob=publicationFile&v=2 [2] DWD, Abteilung Agrarmeteorologie: Die Trockenheit in Deutschland 2018 aus agrarme- teorologischer Sicht, https://www.dwd.de/DE/leistungen/besondereereignisse/du- erre/20180705_trockenheit_in_deutschland_2018.pdf?__blob=publicationFile&v=5 [3] DWD, Abteilung Klimaüberwachung: 2018 wärmster Sommer im Norden und Osten Deutschlands, https://www.dwd.de/DE/leistungen/besondereereignisse/tempera- tur/20180906_waermstersommer_nordenosten2018.pdf?__blob=publicationFile&v=7 [4] DWD, Abteilung Klimaüberwachung: Neuer Rekord der mittleren Junitemperatur für Deutschland und intensive Hitzewelle in Europa [5] Mittel- und Ostdeutschland: Früh im Jahr bereits sehr niedrige Wasserstände (03.07.2019), https://www.bafg.de/DE/07_Nachrichten/20190703_nw.html 9
Quellen: DWD, Klimamonitoring Europa: https://www.dwd.de/DE/klimaumwelt/klimaueberwachung/eu- ropa/europa_node.html DWD, Weltzentrum für Niederschlagsklimatologie: http://gpcc.dwd.de Geoportal: https://www.geoportal.de/SharedDocs/Karten/DE/Themenkarte_PegelonlineNie- derschlagsanalyse.html Copernicus: https://climate.copernicus.eu/precipitation-relative-humidity-and-soil-moisture- june-2019 Soweit nicht anders angegeben: DWD Hinweis: Die im Bericht aufgeführten Daten geben den Stand der Niederschrift wieder. 10
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