- Was ist linke Bildungspolitik heute? Diskussion eröffnet: vpod-bildungspolitik

Die Seite wird erstellt Holger Schindler
 
WEITER LESEN
- Was ist linke Bildungspolitik heute? Diskussion eröffnet: vpod-bildungspolitik
für SCHULE und KINDERGARTEN   Nr. 125/126, März 02

Diskussion eröffnet:
Was ist linke
Bildungspolitik
heute?

            2 5
- Was ist linke Bildungspolitik heute? Diskussion eröffnet: vpod-bildungspolitik
inhalt

 jubiläum                                                       THEMA                                         50 «Sprachposter»
                                                                                                                 «Sag, wie sagt man...?»
 4    25 Jahre Magazin                                          26 Linke Bildungspolitik heute?               51 Zweitsprache für Berufslehren
      Vom Sektionsmitteilungsblatt zum                             mit Beiträgen von                             Chance für zweisprachigen Unterricht
      bildungspolitischen Magazin                               27 Philipp Gonon                              53 Pilotprojekt «bi.li»
      Porträts                                                  28 Silvia Grossenbacher                       54 Schulerfolg für alle Kinder
 8    Jan Gunz                                                  29 Josef Martin Niederberger                     Wirksamkeit familienergänzender
 10   Peter Moor                                                   Regula Rytz                                   Massnahmen
 12   Hans Stutz                                                30 Elisabeth Joris                            56 Zentrales Forschungs- und
 14   Ruedi Christen                                            31 Peter Sigerist                                Handlungsfeld:
                                                                32 Ruth Gurny                                    Interkulturalität, Identitäten und soziale
                                                                33 Christiane Perregaux                          Ungleichheit
                                                                   Hans-Ulrich Grunder

                                                                                                              international
                                                                                                              60 Indien
                                                                                                                 Reise für Geschichtsunterricht
 aktuell                                                                                                      63 Tansania
                                                                                                                 Schulreform braucht Unterstützung
 17 Sprachengesetz
    Vernehmlassung des vpod
 18 Hochschulgesetz
    Reform im Zeichen der Liberalisierung
 21 VSS, nationale Studierendenvertretung                                                                     RUBRIKEN
 22 Berner Volksschulgesetz
    Ausschluss-Artikel wird vor Bundesge-                       interkulturell                                      lesen
    richt angefochten                                                                                         36    Muslime in der Schweiz
 24 Fonds gegen Rassismus                                       46 Projekt interkulturelle Bildung            40    «Wendepunkt» – ein neues Angebot
    Gelder für Schulprojekte                                       vpod macht weiter                          41    Denk-Landschaften
                                                                48 Portugiesische Kinder
                                                                   In der Schweizer Schule benachteiligt            film
                                                                                                              43    Fachstelle «Filme für eine Welt»
                                                                                                              44    DVD «Kinderwelt – Weltkinder»

                                                                                                                    was wo
                                                                                                              65    Ohren auf!
                                                                                                              68    «Neve Shalom – Wahat al Salam»

       IMPRESSUM                                                                                                    gewerkschaft
                                                                                                              70    MOVENDO – das neue Bildungsinstitut
       Erscheint 5 x jährlich
       Redaktionsschluss Nr. 127: 13. Mai 2002
                                                                                                                    der Gewerkschaften
       Koordinationsstelle: Lachen 769, 9428 Lachen AR                                                        71    Grundsatzpapiere des vpod
       Tel 071 888 3 888; Fax 071 888 08 51; mail: vpod-magazin@bluewin.ch
       Herausgeberin: Verein VPOD-Magazin, Zürich
       Einzelabonnement: Fr. 35.– pro Jahr (5 Nummern)                                                        58    Adressen der VPOD-Lehrberufsgruppen
       Einzelheft: Fr. 8.–
                                                                                                              68    Bestelltalon
       Kollektivabonnement: Sektion ZH Lehrberufe; Lehrberufsgruppen AG, BL, BE (ohne Biel), LU, SG.
       Satz: erfasst auf Macintosh
       Gestaltung und Layout: Sarah Maria Lang, New York
       Druck: Ropress, Zürich
       Auflage Heft 125/126: 3’800 Exemplare                                                                  WERBEBEILAGEN
       Zahlungen: PC 80 - 69140 - 0, VPOD-Magazin, Zürich
       Inserate: Gemäss Tarif 1998; die Redaktion kann die Aufnahme eines Inserates ablehnen.                 edition Heuwinkel / Anja Verlag
       Redaktion: Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Ruedi Tobler
                                                                                                              JugendSolarProjekt (Greenpeace)
       Redaktionsgruppe: C. Bohnet, M. Briner, M. Holenstein, M. Keller, R. Lambert (Zeichnungen),
                                                                                                              Kinderwelt – Weltkinder (Filme für eine Welt)
       U. Loppacher, T. Ragni
       Beteiligt an Heft 125: C. Allemann-Ghionda, Y.H. Bajwa, R. Christen, J.R. Coelho, D. Coulin,
                                                                                                              Lehrmittelverlag des Kantons Zürich
       D. Gassmann, P. Gonon, S. Grossenbacher, H.-U. Grunder, J. Gunz, R. Gurny, R. Helbling, E. Joris, B.   Wendepunkt
       Mazzocco-Bürgi, P. Moor, W. Nabholz, J.M. Niederberger, C. Perregaux, R. Rytz, D. Schüepp, M.
       Schwander, P. Sigerist, R. Spörri, H. Stutz, M. Tobler, S. Tobler, Y. Tremp, St. Tschöpe, E. Wigger

       2       vpod magazin 125/02
editorial

              er zuhause im Zeitschriftenregal einen 26 Zen-                or mir liegen Werbeblätter, welche dem «VPOD-Ma-

W             timeter hohen und 11,3 Kilogramm schweren
              Stapel des «vpod-Magazins für Schule und Kin-
              dergarten» aufgetürmt hat, ist mit an Sicherheit
grenzender Wahrscheinlichkeit seit mindestens 25 Jahren
darauf abonniert, und hat von der 1. bis zur 125. Ausgabe ei-
                                                                 V          gazin für Schule und Kindergarten» eine breitere Le-
                                                                            serInnenschaft bescheren sollen. Ich kann mich
                                                                            noch gut erinnern, wie ich zu meinem Abo gekom-
                                                                 men bin. An einem Frauenfest sind Magazinausgaben aufge-
                                                                 legen, welche das Thema Gleichstellung und Koedukation auf
ne lückenlose Sammlung. (Verkauft mir jemand die Nummer          der Titelseite angepriesen hatten. Bis zu diesem Zeitpunkt
2? Ablösesumme zum Sammlerpreis verhandelbar!)                   wusste ich nicht, dass es eine LehrerInnengewerkschaft gibt,
   Dass wir dem Magazin zum 25jährigen Bestehen gratulie-        mit einer eigenen Zeitschrift, welche über den aktuellen ge-
ren können, ist keine Selbstverständlichkeit. Das Magazin        werkschaftlichen und bildungspolitischen Alltag schreibt.
lebte und lebt dank seinem unnachahmlichen Koordinator,          Über das Magazin habe ich den vpod kennen gelernt, und die
Ruedi Tobler, einem kleinen, aber feinen Redaktionsteam und      aufgezeigten Standpunkte und Aktivitäten haben mir gefal-
über 300 Kolleginnen und Kollegen, welche in all den Jahren      len. Das Magazin hat mich mit seinen Inhalten überzeugt und
in der einen oder andern Form - mit Textbeiträgen, Zeichnun-     ich bin immer wieder erstaunt über die vielseitigen Themen,
gen, Fotografien etc. – zum Gelingen des Magazins beigetra-      welche es aufgreift. Es gefällt mir, dass alle Bildungsstufen in
gen haben.                                                       diesem Heft ihren Platz finden, und dass sich der vpod auf
   Ihnen allen gebührt Anerkennung: Für die geleistete Arbeit    allen Ebenen einmischt. So war es eine Frage der Zeit, dieser
und für das Aufgreifen von Themen, welche nicht entlang          Gewerkschaft beizutreten. Bereits an meiner ersten GV wurde
dem bildungspolitischen Mainstream verliefen. Dadurch hat        ich als Delegierte in den Magazin-Trägerverein gewählt.
sich das Magazin zur Vordenkerin entwickelt und ist für den      Schnell habe ich gemerkt, dass es im vpod ist wie fast über-
vpod unentbehrlich geworden. Weiter so!                          all. Viele gute Ideen, aber überall hat es zuwenig aktive Mit-
                                                                 glieder.
                                                                    So war meine erste Trägervereinversammlung ein grosses
                        Doris Schüepp,                           Aha-Erlebnis. Noch heute staune ich, dass bei einer doch
                        vpod-Generalsekretärin                   recht eigenwilligen Organisation rund um das Magazin immer
                                                                 wieder ein professionelles Heft entstanden ist. Dass heute die
                                                                 Nummer 125 des Magazins erscheint, ist einer kleinen, treu-
                                                                 en Gruppe zu verdanken, welche mit grossem Engagement
                                                                 diese Zeitschrift immer wieder produziert hat. Unser Redak-
                                                                 tor, Ruedi Tobler, hat in all den Jahren sein Interesse an den
                                                                 bildungspolitischen Themen nicht verloren, und das Magazin
                                                                 kann immer wieder von seinem grossen Wissen und seinen
                                                                 vielen Beziehungen profitieren. Im Namen des Trägerverein-
                                                                 vorstandes möchte ich allen, die in irgend einer Weise für un-
                                                                 sere Zeitschrift gearbeitet haben, herzlich danken. Wir wün-
                                                                 schen dem Magazin alles Gute für die nächsten 25 Ausgaben
                                                                 und wünschen unseren Leserinnen und Lesern viele interes-
                                                                 sante Lesestunden.

                                                                                          Yvonne Tremp,
                                                                                          Präsidentin des
                                                                                          Magazin-Trägervereins

                                                                                                           vpod magazin 125/02   3
25 Jahre Magazin
Vom Sektionsmitteilungsblatt zum
bildungspolitischen Magazin
Markus Holenstein, Michael Keller und Ruedi   Berufsverbote als «Realitäts-                 Heftes war selbstredend die Repression
Tobler                                        schock»                                       in verschiedenen Facetten. In der Einla-
                                              Dieser heterogenen Szene verpassten           dung zur Generalversammlung war die
         ei der Gründung unseres Maga-        die ersten Berufsverbote einen harten         Schaffung eines Teilzeitsekretariates für

B        zins vor einem Vierteljahrhun-
         dert ist einer Pate gestanden,
von dem man dies nicht erwartet hätte
                                              «Realitätsschock». Hatte bis anhin Re-
                                              volutionsrhetorik zumeist auch etwas
                                              Romantisch-Spielerisches an sich, so
                                                                                            die Sektion traktandiert. Für diese Stelle
                                                                                            wurde im Herbst des gleichen Jahres
                                                                                            überraschend der heutige Koordinator
und der diese Rolle ganz bestimmt nicht       war nun das Risiko Realität geworden,         des Magazins, Ruedi Tobler gewählt, ob-
gesucht hatte: der damalige Zürcher Er-       dass sie zum Nennwert bestraft wurde.         wohl er weder eine pädagogische Aus-
ziehungsdirektor Alfred Gilgen. Aber,            In dieser für viele existenziellen Krise   bildung noch schulpolitisches Engage-
war er nicht ein «Linkenfresser», der mit     zeigte der vpod Format und Stärke. Er         ment vorzuweisen hatte. Als Militär-
seiner Berufsverbotspolitik die Zürcher       stand nicht nur öffentlich für die Opfer      dienstverweigerer war er für die Mehr-
Schule von linker Subversion säubern          ein, sondern gewährte auch jenen              heit Garant einer geradlinigen Anti-Re-
wollte? Eben. Absicht und Wirkung ist         Rechtsschutz, die nicht schon vpod-Mit-       pressionspolitik.
nun mal nicht das selbe – davon weiss ja      glied gewesen waren. Solidarität war für
wohl jede in der Erziehung tätige Person      ihn also nicht nur eine schöne Parole auf     Langwierige Namenssuche
ein Lied zu singen.                           dem 1.-Mai-Transparent, sondern geleb-        Wir wollen hier nicht Entwicklung und
   Der Aufbruch von 1968 strahlte auch        te Realität. Die Wirkung blieb nicht aus.     Geschichte des Magazins nachzeich-
in die Schule hinein und die «Bildungs-       In Scharen strömten der damaligen             nen. Dazu hätten wir Autoren als direkt
expansion» nach dem «Sputnikschock»           «VPOD Sektion Lehrer» neue Mitglieder         Beteiligte auch zu wenig Distanz. Wir be-
schuf Raum, d.h. Arbeitsplätze für die        zu. Das Wachstum blieb nicht im Quan-         schränken uns deshalb auf einige Ent-
aufmüpfige junge Generation – eine dop-       titativen stecken. Wenn auch viele nicht      wicklungsschritte. Im ersten editorial in
pelt bedrohliche Entwicklung für das          wagten, öffentlich zu ihrer vpod-Mit-         Nummer 5 (März 1978) charakterisiert
«Establishment». In seiner bekannt un-        gliedschaft zu stehen – zu gross war ih-      die Redaktion das Heft als «Mischung
zimperlichen Art hat Regierungsrat Gil-       re Angst, auch Opfer der Repression zu        zwischen sektionsinternem Mitteilungs-
gen sich diesen Gefahren entgegen ge-         werden –, die Sektion trat umso ener-         blatt und einem allgemeiner interessie-
stellt.                                       gischer an die Öffentlichkeit.                renden Erziehungsmagazin»; zugleich
   Bis dahin hatte der vpod im Schulbe-                                                     kündet sie die Ausweitung der redaktio-
reich eher ein Schattendasein gefristet –     Hauptthema Repression                         nellen Zusammenarbeit auf die deutsch-
jedenfalls in der Deutschschweiz. Und         Da durfte eine eigene Zeitschrift nicht       schweizerischen vpod-Lehrberufsgrup-
die JunglehrerInnen hatten mit etablier-      fehlen. Im März 1977 erschien die erste       pen an. Die Notwendigkeit eines eindeu-
ten Organisationen nicht viel am Hut,         Nummer der «Lehrerzytig – Bulletin der        tig linken Bildungsmagazins war für alle
Selbstorganisation war Trumpf. Vom            Lehrersektion VPOD». Gedruckt wurde           unbestritten. Die Ausstrahlung der
spontanen Selbsthilfegrüpplein bis zur        sie in der Ropress. Trotz unserer chro-       «LehrerZytig» machte auch dem
straff organisierten clandestinen Partei-     nischen Verspätung ist sie über die gan-      «Schweizerischen Lehrerverein» (heute
zelle mit von oben kontrollierter Linien-     ze Zeit und alle technischen Neuerun-         LCH) zu schaffen, auf seinen Druck hin –
treue gab es so ziemlich alles. Ideologi-     gen hinweg, unsere Druckerei geblieben        wegen angeblicher Verwechslungsge-
sche Grabenkämpfe waren an der Ta-            – auch das ein erfreuliches Jubiläum!         fahr mit dessen Zeitschrift, der «Schwei-
gesordnung.                                      Hauptthema des ersten zwölfseitigen        zerischen Lehrerzeitung» – musste der

4     vpod magazin 125/02
Name geändert werden; ab Heft 14 (De-        den letzten Jahren sind Gleichstel-         notwendige Unterstützungsarbeit lei-
zember 1979) erschien sie als «Lehrer-       lungsthemen und Genderfragen zu kurz        sten. Zur ersten Präsidentin des Träger-
magazin».                                    gekommen.                                   vereins wurde im Dezember 1985 Silvia
   Zwei Nummern zuvor schon – im er-                                                     Gfeller-Münger von der Berner Gruppe
sten interkulturellen Heft mit dem           Sprungbrett in den Journalismus?            gewählt. Sie war bereits einige Zeit in der
Schwerpunkt «scuola mitenand» – wur-         Und es waren auch nur Männer, für die       Redaktionsgruppe aktiv gewesen und
de dem Anspruch der Frauen, nicht nur        das Magazin gewissermassen als              konnte mit diesem Erfahrungshinter-
mitgemeint zu sein, wenigstens im Un-        Sprungbrett in den professionellen Jour-    grund den Start des Magazins in die or-
tertitel «Zeitung der VPOD-Lehrer/in-        nalismus diente. Seine Funktion als in-     ganisatorische Selbständigkeit sicher-
nen» Rechnung getragen. Beinahe zehn         formelle Bildungsinstitution hat uns für    stellen. Sie wurde im April 1989 von An-
Jahre später, ab Mai 1988, wurde in im-      den Jubiläumsteil dieses Heftes inspi-      nelies Moser Jöri von der Luzerner
mer wieder neuen Varianten versucht,         riert, wir porträtieren vier ehemalige      Gruppe abgelöst, die dem Trägerverein,
beide Geschlechter gleichwertig im Na-       Mitglieder der Redaktion (Seite 8 – 15),    der inzwischen etwas träge geworden
men zum Zuge kommen zu lassen, bis           die heute an verschiedenen Stellen im       war, neuen Schwung verlieh. Ein Jahr-
sich im Dezember 1990 der heute noch         Medienbereich arbeiten.                     zehnt lang hat sie dem Magazin aus dem
aktuelle geschlechtsneutrale Name               Ein anderer Bereich des Magazins ist     Hintergrund Konstanz verliehen. Sie
«VPOD-Magazin für Schule und Kinder-         jedoch reine Frauendomäne geblieben,        suchte beispielsweise Mitglieder für die
garten» etablierte. Allerdings hatten alle   das Präsidium des Trägervereins. Of-        Layoutgruppe, fand die Grafikerin, die
Bemühungen um Namenskosmetik kei-            fensichtlich ist auch in der Gewerk-        heute noch das Magazin gestaltet, koch-
nen Einfluss darauf, dass die Redakti-       schaft der Alltag davon geprägt, dass       te an Layoutweekends und erkundigte
onsgruppe leider meistens stark män-         Männer die publikumswirksam-sichtba-        sich immer mal wieder beim Koordina-
nerlastig war, was auch die Themenwahl       ren und prestigeträchtigeren Positionen     tor nach dessen Befinden. Lange hielt
nicht unbeeinflusst liess. Besonders in      besetzen und Frauen im Hintergrund          sie durch, auch als sie vom Vorstand zu-
                                                                                         nehmend allein gelassen wurde. Es ist
                                                                                         mehr als verständlich, dass sie Ende der
25 Jahre Bildungspolitik in Bildern                                                      90er Jahre resignierte. Erst im letzten
Mitglieder für eine Projektgruppe gesucht!                                               Jahr, nach einer eigentlichen Neulancie-
Im Laufe der letzten 25 Jahre haben eine ganze Reihe von Personen Illustrationen         rung des Trägervereins, konnte mit
für unser Magazin gemacht, die zusammen ein Abbild der Entwicklung des Bil-              Yvonne Tremp aus Zürich eine neue Prä-
dungswesens wie auch der gewerkschaftlichen Bewegung in diesem Bereich erge-             sidentin gefunden werden, die sich mit
ben.                                                                                     dem 25-Jahr-Jubiläum gleich zu Beginn
Da unser Magazin in der Regel stark textlastig ist, möchten wir in einer speziellen      vor eine grosse Herausforderung ge-
Jubiläumspublikation für einmal die Bildelemente voll zur Geltung kommen lassen.         stellt sieht.
Allerdings sind weder der Vorstand noch die Redaktion in der Lage, eine solche Pub-
likation neben ihrer normalen Tätigkeit zu bewältigen.                                   Trägerschaft für Unabhängigkeit
Deshalb suchen wir Interessierte, die bereit sind, in einer zeitlich beschränkten Pro-   Aber wie ist es überhaupt zum Träger-
jektgruppe für die Erarbeitung dieser Publikation mitzumachen.                           verein gekommen? 1985 war organisato-
Melde Dich beim Koordinator des Magazins: Ruedi Tobler, Lachen 769, 9428 Lachen AR,      risch das Jahr des grossen Wandels für
Tel. 071 888 3 888, Fax 071 888 08 51, mail: vpod-magazin@bluewin.ch                     das Magazin. Die Sektion Zürich Lehr-

                                                                                                             vpod magazin 125/02   5
berufe sah sich nicht mehr in der Lage,     beigetragen. Es sind dies vor allem        burz versorgte, die von der Schule weg
allein die Verantwortung für seine Her-     Fortunat Klauser, Martin Mächler, Jan      gegangen und in die Satzproduktion des
ausgabe zu tragen. Offizielles Verbands-    Gunz, Marianne Keller, Christa Heuber-     «Freien Aargauers» eingestiegen war.
organ des vpod konnte und wollte das        ger und Ruedi Lambert. Ihre vielfältigen       Dessen Ende zwang uns 1987 zum
Magazin nicht werden. So wurde eine ei-     Arbeiten stellen mehr dar als nur Aus-     Überdenken unserer Produktionsme-
gene Trägerschaft in Form eines Vereins     schmückungen von Texten, sie doku-         thoden, so dass ab 1988 die Satzpro-
geschaffen, der bis heute für seine Her-    mentieren auch ein Vierteljahrhundert      duktion auf dem Computer erfolgte, al-
ausgabe verantwortlich ist.                 schweizerischer Schul- und Gewerk-         lerdings ohne dass wir von den gekleb-
   Mitglieder sind der vpod als Gesamt-     schaftsgeschichte.                         ten Maquetten Abschied genommen
verband und seine Sektionen (heute teil-       Dieser reiche Fundus sollte nicht in    hätten. Dies hätte den Abschied von der
weise Regionen) mit Lehrberufsgrup-         einigen Archiven vor sich hin schlum-      Layoutgruppe mit ihren Arbeitsweek-
pen in der Deutschschweiz. So wurde         mern und vergessen gehen. Das Maga-        ends bedeutet. Im gleichen Jahr erar-
die Spitze des Verbandes und die Ver-       zin möchte deshalb mit diesen Arbeiten     beiteten uns zwei Grafiklehrklassen Vor-
tretung der «Basis» in eine gemeinsame      eine spezielle Jubiläumspublikation        schläge für ein neues Erscheinungsbild.
Verantwortung eingebunden – ein Mo-         herausgeben. Nur, mit dieser Zusatzar-     Ihre Arbeiten waren nicht nur sehr krea-
dell, das dem Magazin redaktionelle Un-     beit sind Vorstand und Redaktion über-     tiv, sie offenbarten auch überraschende
abhängigkeit garantiert, ohne dass es       fordert. Gesucht sind also einige Leute,   Bilder von Schule und Lehrkräften einer
seine gewerkschaftliche Verankerung         die bei diesem – zeitlich beschränkten –   jungen Generation. Die Neugestaltung
verleugnen müsste, und das sich auch in     Projekt mitmachen (Ausschreibung auf       wurde schliesslich im Herbst 1989 Rea-
finanziell schwierigen Zeiten in der Pra-   Seite 5).                                  lität, gut ein Jahr bevor wir uns auf den
xis bewährt hat, so dass sein Weiterbe-                                                heutigen Namen einigen konnten.
stehen nie ernstlich in Frage gestellt      Technischer Wandel
war.                                        Während die Revolution auf dem politi-     Professionalisierung des Layouts
   Eine Episode blieb leider die Zusam-     schen Parkett trotz (oder vielleicht we-   Eigentlich hätte das zweite Jubiläums-
menarbeit mit dem «Sektor Erziehung»,       gen) dem «Marsch durch die Institutio-     heft – die Nummer 100 – mit einem
der Zeitschrift der «Gewerkschaft Erzie-    nen» der 68er-Generation ausgeblieben      grundlegend neuen Erscheinungsbild
hung»: Sie erschöpfte sich mehr oder        ist und auch in Pädagogik und Schule       aufwarten sollen. Geld dafür hatte die
weniger in einer gemeinsamen 1.-Mai-        nicht wirklich stattgefunden hat, krem-    Sektion Zürich Lehrberufe gestiftet.
Nummer 1983. Die Gewerkschaften im          pelte die technische Revolution den        Aber es dauerte noch ein ganzes Jahr,
Bildungsbereich leisten sich auch heute     Druckbereich umso nachhaltiger um.         bis dieses 1998 realisiert werden konn-
noch den Luxus von zwei kleinen Zeit-       Dem konnte sich auch das Magazin auf       te. Das brachte den grössten Umbruch
schriften. Ist «Gemeinsam sind wir          die Dauer nicht entziehen. Noch bis im     in der Geschichte des Magazins. Auf ei-
stark!» auch im Bildungsbereich nur ge-     Dezember 1997 machten wir das Layout       nen Schlag gab es vier Neuerungen. Ins
werkschaftliche Parole für den 1. Mai?      in Handarbeit, klebten Textspalten auf     Auge sprang vor allem die neue Gestal-
                                                                                                                                   Fotos: Michael Keller

                                            Maquetten, die mehr als ein Jahrzehnt      tung, der zweifarbige Umschlag auf
Reicher gestalterischer Fundus              lang mit der Schreibmaschine getippt       weissem Papier (anstelle des bisherigen
Eine ganze Reihe von Leuten hat mit ge-     wurden. Die neuen Technologien hielten     grauen Recyclingpapiers) und auch der
stalterischen Beiträgen zu einem leben-     zuerst in den Titelschriften Einzug, mit   Verzicht auf die gemässigte Kleinschrei-
digen Erscheinungsbild des Magazins         denen uns über längere Zeit Doris Ky-      bung (die wir 1988 eingeführt hatten,

6     vpod magazin 125/02
Sarah Lang                                              Ruedi Lambert             Michael Keller

                                                             Ruedi Tobler

sich aber nie ganz durchsetzte).               Zwischen New York und Lachen               auch diese Arbeit noch in Freiwilligen-
   Die tiefgreifendste Änderung war je-        Die Beiträge werden immer noch von         arbeit im «Lehrerlade», dem ersten Se-
doch die Professionalisierung – und Di-        Freiwilligen geschrieben. Danach wird      kretariat der Sektion Lehrberufe ge-
gitalisierung – des Layouts, welche die        die Heftproduktion heute wesentlich        macht worden.
praktisch seit der Gründung im Zentrum         durch drei Personen getragen. Die re-         Ist mit der heutigen Produktionsform
stehende Layoutgruppe mit ihren Ar-            daktionelle Bearbeitung und Zusam-         die Entwicklung von der Freiwilligenar-
beitsweekends überflüssig machte. Al-          menstellung erfolgt durch Ruedi Tobler     beit zur Professionalisierung abge-
lerdings war diese Gruppe in den letzten       in Lachen AR, formell in einer 45-%-An-    schlossen – oder wird sich dieser Trend
Jahren ihres Bestehens stark zusammen          stellung. Die unverwechselbaren Zeich-     in den kommenden Jahren noch fortset-
geschmolzen und beinahe zum Tobler-            nungen zur Illustration von Artikeln und   zen? Die Antwort findet sich vielleicht in
Familienbetrieb mutiert, arbeiteten            für das Titelblatt kreiert Ruedi Lambert   der nächsten Jubiläumsnummer.
doch am Schluss alle drei Kinder des Ko-       in Zürich-Altstetten. Beide übermitteln
ordinators mit. Unvergesslich bleiben          ihre Produkte digitalisiert nach New
die frugalen bis lukullischen Nachtessen       York. Dort in Manhattan – nicht sehr
(je nach Zustand der Layoutgruppe) im          weit vom ehemaligen WTC entfernt – ge-
geschichtsträchtigen Saal an der Gar-
tenhofstrasse 7, wo von den Zwanziger-
                                               staltet unsere ausgewanderte Grafikerin
                                               Sarah Lang das ganze Heft, das zwi-
                                                                                            Magazin
bis Vierzigerjahren Leonhard Ragaz –           schendurch noch in Lachen AR korri-          Jubiläumsfest
der von der bürgerlichen Universität ins       giert wird (die Zeitverschiebung er-
Arbeiterquartier Aussersihl umgezogen          leichtert die Zusammenarbeit). Sarah         Freitag, 12. April 2002, 19 Uhr,
war – Arbeiterbildung betrieben hatte.         Lang hat – seinerzeit noch in Luzern –       im Trigon (vpod-Bildungszentrum),
                                               das neue Erscheinungsbild entwickelt         Heuelstr. 9, 8032 Zürich
Redaktionsmitglieder gesucht!                  und sorgt dafür, dass sich die Leselust
Die Produktion des Magazins erfolgt            nicht mehr in Bleiwüsten verliert, nöti-     Wegen einer Panne, die ebenso uner-
heute dezentral und internationalisiert.       genfalls mit energischen Interventionen      klärlich wie unentschuldbar ist, fehlte
Einzig die Redaktionsgruppe trifft sich        beim Redaktor. Ergänzt wird das «Pro-        im letzten Magazin die Vorankündigung
noch regelmässig – in der Regel einmal         duktionsdreieck» durch Michael Keller,       unseres Jubiläumsfestes. Deshalb muss
pro Heft – zur Kritik der fertig gestellten    wenn noch Fotografien zu machen sind,        sie nun kurzfristig erfolgen.
und Planung der kommenden Num-                 bei Interviews, Gesprächsrunden oder            Alle, die sich dem Magazin verbun-
mer(n). Eine Erweiterung dieser Gruppe         Porträts.                                    den fühlen, sind zur Feier – mit Speis und
ist dringend erwünscht und zwar in drei-          Schliesslich wird die fertige Vorlage     Trank – am 12. April herzlich eingeladen.
erlei Hinsicht: Erstens fehlen Frauen,         elektronisch in die Druckerei – wie er-      Offeriert wird dieses Fest vom vpod.
zweitens mangelt es an Jüngeren und            wähnt immer noch die Ropress in              Aus organisatorischen Gründen sind wir auf eine
drittens sind die meisten Regionen nicht       Zürich-Altstetten – übertragen, wo di-       Anmeldung angewiesen – auch kurzfristig – an:
vertreten. Interessierte meldet Euch bei       rekt ab den Daten die Druckplatten ge-       vpod Zentralsekretariat, Brigitta Mazzocco, Post-
Ruedi Tobler (Tel. 071 888 3 888, mail:        fertigt werden. Die EDV-Abteilung des        fach, 8030 Zürich, Tel. 01 266 52 52, Fax 01 266
vpod-magazin@bluewin.ch; Adresse der           vpod liefert die Adressen aller Abonne-      52 53, mail: dienstleistungen@vpod-ssp.ch
Koordinationsstelle im Impressum).             ments an die Druckerei, die auch den
                                               Versand erledigt. In der Anfangszeit war

                                                                                                                 vpod magazin 125/02   7
«Der präzise
Steilpass»
Als «Beihilfe zum Abschreiben» bezeichnet der Dokumen-
talist und Übersetzer etwas böswillig seine Aufgabe beim
Newsmagazin FACTS – Jan Gunz kann auch hier seine hu-
moristische Neigung nicht verbergen. Mit eigenwilligen
Beiträgen hat der ehemalige Primarlehrer das Magazin
fast zehn Jahre lang bereichert. Wie der Meister der Re-
cherche seine satirische Ader heute auslebt, hat er uns
im Interview verraten.

Michael Tobler

«           Ist der Regierungsrat nicht auch der Meinung, dass
            die Lehrerschaft des Kantons Zürich sich nicht so
            aktiv an der Befreiung der geknechteten Schüle-
rinnen und Schüler (...) beteiligen sollte?» Der zweite Punkt ei-
ner vierteiligen Anfrage, die im Juni 85 im Zürcher Kantonsrat
gestellt wird, erweckt bis zum heutigen Tage fassungsloses
Staunen. Wie konnte es soweit kommen?

IAN – Institut für Angewandten Nonsens                              dungswesen eröffnet: «Zusatzaufgabe: Zeichne das Gespenst
«Einmal – das muss jetzt bald zwanzig Jahre her sein – sass ich     des Kommunismus in dein Zeichenheftlein!» Doch als er im
im Sozialarchiv und ein junger Mann setzte sich an den Tisch        Mai 85 den «Kampf um die Befreiung der geknechteten Schü-
nebenan. In der Hand hielt er die neuste Ausgabe des Lehrer-        lerinnen und Schüler» im Editorial des Magazin verkündet,
magazins und noch während er sich setzte, drehte er die Zeit-       schlagen die Bewahrer der nationalen Eigenart Alarm.
schrift um und begann zu lachen.» Jan Gunz ist kein Mann der
grossen Worte, aber jeder, der das Magazin über all die Jahre       Eine Komödie in vier Fragen
verfolgt hat, weiss wovon er redet: «IAN – das Institut für An-     «Furchtlos und unermüdlich haben wir uns in allen Schalt-
gewandten Nonsens» garantierte von 1983 bis 1987 für die weit       stellen der Macht durchgekämpft» und «gegen die geschlos-
herum bekannten originellen Rückseiten des Magazins.                sene Front der gewerkschaftlich organisierten Lehrer können
   Vom «Kollegen Muggli» – der seine Viertklässler im Skilager      die Behörden nichts durchsetzen», jubilierte Jan Gunz im Edi-
zuoberst auf der Skisprungschanze zur Vorsicht anhält – oder        torial der 1.Mai-Nummer 1985. Erhard Bernets «Anfrage be-
«STOFFEL» – der praktischen Stoffwalze fürs Langschuljahr –,        treffend fragwürdiger ausserschulischer Tätigkeiten eines
dem lehrerleicht zu benützenden «Tintenkiller-Killer» und den       Lehrers» scheint die logische Konsequenz.
zehnjährigen Rädelsführerinnen – welche vom Umwelt-                    «Glaubt auch der Regierungsrat, dass sich die Lehrerschaft
schutzfieber gepackt, die Autos der Lehrer in Kaffhausen auf-       in allen Kantonen an die Schaltstellen der Macht durch-
schichten – bis zu Pirmin Zurbriggen als neuem Aushänge-            gekämpft hat?» heisst es unter Punkt 3 der vierteiligen Anfra-
schild für den VPOD war auf den Rückseiten des Lehrerma-            ge. Eine Fotokopie der schrecklichen Hetzschrift ist dem NA-
                                                                                                                                     Fotos: Michael Keller

gazins vier Jahre lang alles Mögliche und Unmögliche anzu-          Kantonsrat und Schulpfleger von Lehrern zugestellt worden –
treffen. Verantwortlich dafür zeichnete das Ein-Mann-Institut       wahrscheinlich hat sich Herr Bernet bis ans Ende seiner Tage
IAN.                                                                gewünscht, dass er sie niemals in die Hände gekriegt hätte.
   Bereits mit seiner Reihe «didaktika alternativa» hat der Pri-       «Funktionaler Analphabetismus» diagnostiziert der Pri-
marlehrer neue Perspektiven für das schweizerische Bil-             marlehrer zwei Ausgaben später, nachdem er sich beim NA-

8      vpod magazin 125/02
Jan Gunz, Dokumentalist bei FACTS,
                                        gelernter Primarlehrer und Übersetzer,
                                        hat ein Jahrzehnt lang dem Magazin sa-
                                        tirisch-humoristische Würze verliehen.

Kantonsrat persönlich nach den Gründen für dessen Anfrage         Nur wenige Redaktionsmitglieder hätten freie Hand in der
erkundigt hat. Denn für die Menschen, denen der Sinn für Iro-     Wahl ihrer Themen, die andern «kommen am Montag morgen
nie abgeht, hat der Autor im letzten Abschnitt des klas-          auf die Redaktion und kriegen beispielsweise den Auftrag, ei-
senkämpferischen Editorials auf eine «weniger pathetische,        ne Beitrag über Asbest zu verfassen». Bis am Abend oder näch-
dafür umso realistischere Darstellung» im Innern des Heftes       sten Morgen muss die Geschichte stehen – nein, unter solchen
hingewiesen. Selbst der damalige Erziehungsdirektor des Kan-      Bedingungen will der Dokumentalist nicht schreiben. Da nutzt
tons Zürich, Alfred Gilgen, hat das verstanden.                   er seine kreativen Energien lieber anderweitig.

Ein treffendes Sprachbild                                         Kurznachrichten für «Kaktus»
Eigentlich wundert es ihn, dass er nicht mehr aus den Erfah-      In einer in verschiedenen Publikationen – von der NZZ bis zum
rungen beim Magazin gemacht hat, sagt Jan Gunz heute. Als         Amnesty-Magazin – veröffentlichten Besprechung des Buches
«Beihilfe zum Abschreiben» veranschaulicht der diplomierte        «L’abolition» von Robert Badinter machte der diplomierte
Übersetzer seine Aufgabe beim Nachrichtenmagazin FACTS.           Übersetzer auf den langen Weg zur Abschaffung der Todes-
Ein Dokumentalist – wie die Berufsbezeichnung offiziell heisst    strafe in Frankreich aufmerksam. Es liegt bislang erst in einer
– ist ein Meister der Recherche: Wenn ein Journalist bei der      französischen Ausgabe (im Pariser Verlag Fayard) vor und
Suche nach Quellen zu einem Thema nicht fündig wird oder          deshalb hoffte er, dass sein Artikel die Anfrage eines Verlages
überfordert ist, wendet er sich an den Dokumentalisten. Mit       zur Übersetzung ins Deutsche nach sich ziehen würde. Bislang
ausgefeilten Suchstrategien durchforscht der letztgenannte        ist diese jedoch ausgeblieben.
verschiedene Datenbanken nach relevanten Informationen               Sein humoristisches Talent nutzt Jan Gunz dieser Tage für
und liefert dem Journalisten eine Zusammenstellung der be-        das Radio. Beim Satiremagazin Kaktus von DRS1 finden seine
sten Suchresultate.                                               ironischen Eingebungen unter der Rubrik Kurznachrichten ihr
   Die vom Dokumentalisten gefunden Informationen bilden          Publikum. «Geld lässt sich damit allerdings nicht verdienen»,
oft schon einen wichtigen Teil der journalistischen Recherche.    bedauert der Vater einer siebenjährigen Tochter. Obwohl bei
Fast immer bedeuten sie einen enormen Zeit- oder Prestige-        seinen Beiträgen die Würze eindeutig in der Kürze liegt, be-
gewinn. Wer im Gespräch mit Experten und Politikern zeigen        zahlt die SRG pro Sendezeit, also für Quantität statt Qualität.
kann, dass er gut informiert ist, verschafft sich einen enormen      «Als sich noch zwei – ja oft gar drei – Bananen in eine ein-
Vorteil. Ob angesichts der fehlenden sichtbaren Resultate sei-    zige Schale zwängen mussten (ältere Lehrermagazin-Leser er-
ne Aufgabe nicht zuweilen frustrierend sei, will ich wissen.      innern sich), gab es noch keine Drogenopfer zu beklagen» –
Wieder findet Jan ein treffendes Sprachbild: «Es ist schon so.    ein schlagendes Argument gegen kleinere Schulklassen. Frei
Ich spiele die Pässe, die andern schiessen die Tore.»             ins Haus geliefert von IAN. «Wieder so schöne Rückseiten»
Aber doch beneidet er die Journalisten nicht um ihren Job –       wünscht das ehemalige Redaktionsmitglied dem Magazin zum
Jan Gunz ist seit mehr als 15 Jahren im Bereich Mediendoku-       Geburtstag und diesem Wunsch können sich die langjährigen
mentation tätig. Nach einem dreijährigen Abstecher zum            LeserInnen zweifelsohne anschliessen. Also Jan, wir warten!
«Nouveau Quotidien» in Lausanne ist er seit der Gründung
vor sieben Jahren bei FACTS dabei und weiss wovon er redet.

                                                                                                           vpod magazin 125/02   9
«Aus familiären
Gründen»
Dass Peter Moor «aus freien Stücken zu einem Blatt
wechselt, welches seinem politischen Kredo besser ent-
spricht» hielt Samuel Siegrist – damals Chefredaktor
beim rechtsfreisinnigen Aargauer Tagblatt – im Arbeits-
zeugnis für den ausgebildeten Primarlehrer fest. Nach
15jähriger Tätigkeit für das Schweizer Radio DRS kehrt
der Familienvater nun zu seinen Wurzeln im Printjourna-
lismus und in die Bildungspolitik zurück.

Michael Tobler

«            Ich habe immer zeigen müssen, dass ich meine po-
             litischen Ansichten nicht über meine Arbeit trans-
             portiere», fasst der kürzlich zum Schulpräsidenten
von Olten gewählte neue Produzent der SBB-Zeitung seine Er-
fahrungen bei der Stellensuche zusammen. Er sei «nicht we-
                                                                  «Jeder Satz den man sagt, muss beim Hörer ankommen» und
                                                                  um dies zu erreichen, wird das Wesentliche aus einer Infor-
                                                                  mation extrahiert. «Nimm diesen Abschnitt. Wie lange
                                                                  brauchst du, um ihn vorzulesen? Zwanzig, vielleicht dreissig
                                                                  Sekunden? Und jetzt überlege, wie wenig in ein zweiminütiges
gen, sondern trotz» seiner Meinung eingestellt worden und ob-     Nachrichtenbulletin passt!»
wohl er zu Beginn seiner journalistischen Laufbahn beim Aar-
gauer Tagblatt einen «Kompatiblitätstest» absolvieren muss-       Raum für Spekulationen
te, ist Peter Moor seinem gewerkschaftlichen Engagement bis       Die zwölfstündigen Wahlsendungen, bei denen ohne Manus-
heute treu geblieben.                                             kript gearbeitet wird, nennt der Mann mit der vertrauten Stim-
                                                                  me als Höhepunkt seiner Aufgaben beim Regionaljournal.
Die eine Chance                                                   Dreizehn Jahre hat er in dieser Redaktion gewirkt, ab 1996 als
Die Arbeit für das Magazin sei – abgesehen von einigen Foto-      Leiter des Studios Aargau/Solothurn. Am 13. Januar 2000 mel-
grafien für Handballreportagen – tatsächlich seine erste jour-    det die SDA: «Der Leiter des Regionaljournals Aargau/Solo-
nalistische Erfahrung gewesen. Bereits im Dezember 1978 er-       thurn von Schweizer Radio DRS, Peter Moor, wechselt vor-
scheint Peter Moor als Kontaktperson für die Solothurner Leh-     aussichtlich im April zur DRS-Sportredaktion in Zürich. Der in
rergruppe im Impressum. Als er zwei Jahre später das Maga-        Olten wohnhafte Radiojournalist macht für seinen Wechsel fa-
zin verlässt, steht sein Entschluss, vom Lehrerberuf in den       miliäre Gründe verantwortlich.»
Journalismus zu wechseln, längst fest. Und diesen hat er seit-       Er habe diese Formulierung mit dem SDA-Mitarbeiter ab-
her nie bereut.                                                   gesprochen, schmunzelt der Vater zweier Kinder – «persönli-
   Nachdem er sich beim Aargauer Tagblatt, der Solothurner        che Gründe» schien ihm zu viel Raum für Spekulationen offen
AZ und der COOP-Zeitung das handwerkliche Rüstzeug des            zu lassen. Offenbar werden «familiäre Gründe» einhellig inter-
Journalisten erarbeitet hat, findet Peter Moor 1987 beim Re-      pretiert: jemand verlässt seine Familie. Die Flut von Nachfra-
gionaljournal Aargau/Solothurn eine neue Herausforderung:         gen, welche Peter Moor nach Veröffentlichung der Agentur-
das Radio. Ein unverständlicher Satz in einer Zeitung kann        meldung über sich ergehen lassen musste, legt dies jedenfalls
                                                                                                                                   Fotos: Michael Keller

zweimal gelesen werden, bei einem misslungenen Kommentar          nahe. Eigentlich sollte die Wendung ausdrücken, «dass ich mir
am Fernsehen bleibt dem Zuschauer immer noch das Bild.            mehr Zeit für meine Familie nehmen wollte» und er deshalb
«Am Radio hast du nur eine Chance, an den Hörer oder die Hö-      seine Führungsposition an den Nagel hängte – aber hierzu-
rerin zu gelangen» – und genau diese Unmittelbarkeit des Me-      lande scheint dieses Bedürfnis weitgehend unbekannt. Zu-
diums Radio bildet für Moor auch dessen grösste Faszination.      mindest wird es nicht als «familiärer Grund» anerkannt.

10        vpod magazin 125/02
Peter Moor, Redaktor der SBB-Zei-
                          tung und Schulpräsident von Olten,
                          war jahrelang Journalist bei Radio
                          DRS und kam seinerzeit als Präsi-
                          dent der Solothurner vpod-Lehrbe-
                          rufsgruppe zum Magazin.

Ein olympischer Traum                                              diese Erfahrung kommt ihm in seinem neuen Amt mit Sicher-
«Einen Bubentraum» nennt Peter Moor seine Arbeit für die           heit zu Gute.
Sportredaktion von Radio DRS. Seit er sich diesen erfüllt hat,
trimmt sich der Leichtathletik- und Eishockey-Liebhaber auch       Identifikation mit dem Unternehmen
selber wieder: Joggen und Radfahren sind seine Disziplinen.        Die Benutzeroberfläche der letzten Version von QuarkXPress
Das Spannendste, dass er jemals am Radio gemacht habe, sei         flimmert auf dem Monitor des neuen Produzenten der SBB-
das «Züri-Meeting». Die Weltklasse der Leichtathletik in einem     Zeitung. Noch stellen ihm viele der farbigen Symbole Rätsel,
Stadion versammelt, der Versuch, die unvergleichliche At-          denn als Peter Moor 1987 den Print-Journalismus in Richtung
mosphäre in einer dreistündigen Live-Übertragung einzufan-         Radio verlässt, werden Zeitungen noch wie eh und je von Hand
gen – so was reisst auch einen routinierten Radioreporter aus      gesetzt. Doch der Generalist, der «schnell das Gefühl kriegt, es
dem Sessel.                                                        gesehen zu haben», lässt sich von Neuerungen nicht aus der
   Bei einer Nomination fürs Team von Salt Lake City «wäre ich     Bahn werfen. Im Gegenteil.
wahrscheinlich noch etwas länger beim Radio geblieben», gibt          «Ein klar definiertes, vielschichtiges Zielpublikum» stelle
Peter Moor offen zu. Er habe sich nicht aus der Sportredakti-      den grössten Reiz bei der Produktion einer Personalzeitung
on verabschiedet, weil er nicht dabei gewesen ist, vielmehr        dar. Vom Netzdesigner, Bauingenieur oder Betriebswirtschaf-
wäre die Teilnahme ein Grund zum Bleiben gewesen. «Da gibt         ter über Kondukteure und Betriebsdisponenten bis zum Elek-
einem das Unternehmen so viel, dass man auch etwas davon           tromonteur oder Gleisbauer sind bei der SBB die verschie-
zurückgeben will.»                                                 densten Menschen unter einem Dach versammelt. «Ihnen al-
                                                                   len ein zu Hause zu geben», sei das Ziel der SBB-Zeitung, und
Zurück in die Zukunft                                              auf ihre Funktion als PR-Instrument des Managements ange-
Zu einem «guten Zeitpunkt für einen grossen Wechsel» sei die       sprochen, versichert Moor: «Man muss sich mit der Idee eines
Anfrage der Bundesbahnen – ob er jemanden kenne, der für           Unternehmens identifizieren können. Bei einer Bahn nach eng-
den Posten als Produzent der Mitarbeiterzeitung in Frage kä-       lischem Vorbild, hätte ich diesen Job bestimmt nicht ange-
me – gestellt worden. Da Peter Moor allmählich «genug vom          nommen.»
Schichtbetrieb am Radio» hatte, beschloss der Familienvater           Den verschiedensten Herausforderungen hat Peter Moor
– der bereits 1993/94 in einem Teilzeitpensum für die SBB tätig    sich im Verlaufe seiner Karriere gestellt, andere hat er aus «fa-
war – kurzerhand, sich selber vorzuschlagen. Durch seinen          miliären Gründen» zurückgesetzt. Seinem politischen Engage-
Stellenwechsel entledigte er sich auch des «durch den Be-          ment in der Verkehrs- und Bildungspolitik ist der Journalist in
kanntheitsvorsprung gerechtfertigten» Verbotes, als SRG Mit-       der ganzen, wechselvollen Zeit treu geblieben. Wir warten ge-
arbeiter ein politisches Amt anzunehmen.                           spannt, was da noch kommt, wenn seine Kinder – Lukas ist
   Damit war der Weg zurück zu seinen Wurzeln in der Bil-          sechzehn, Sabina dreizehn Jahre alt – einmal ausgezogen sind.
dungspolitik frei; das Mitglied der SP ist vor kurzem zum Schul-
präsidenten von Olten gewählt worden. Er kenne das Bil-
dungswesen mittlerweile aus allen Perspektiven: als Schüler,
Lehrer, Vater und nun auch aus der Sicht der Schulbehörde –

                                                                                                            vpod magazin 125/02   11
«Sieben Tage
die Woche»
1984 gewann der inzwischen national bekannte Fach-
mann für Rechtsextremismus und Rassismus ein Werk-
jahr für Literatur – dieses bedeutete den Ausstieg aus
dem Lehrerberuf und den Anfang seiner Karriere als Autor
und freier Journalist. Heute ist Hans Stutz Chefredaktor
des traditionsreichsten Schweizer Medienmagazins KLAR-
TEXT; seine Nomination zum Präsidenten der Bürger-
rechtskommission sorgt aktuell im Grossen Stadtrat von
Luzern für Aufruhr.

Michael Tobler

        ie Arbeit für das Magazin sei nicht seine erste journa-

D       listische Tätigkeit gewesen, erinnert sich der ehema-
        lige Sekundarlehrer, seine Beiträge betrachtet er viel-
mehr als Teil seines damaligen gewerkschaftlichen Engage-
ments im Rahmen der VPOD-Lehrergruppe. «Schreiben im
weitesten Sinn» ist seine Absicht und so nimmt er 1984 – durch
das gewonnene Werkjahr finanziell gesichert – das «etwas
grössenwahnsinnige» Romanprojekt «Dorf und Kleinstadt» in
Angriff. «Ich bin mit meinem Montageroman hochkant ge-            ser Leidenschaft resultiert die längste Verpflichtung seiner 15-
scheitert», gesteht der 50jährige mit einem Lächeln, dafür hat    jährigen Tätigkeit als freier Journalist: «Der wahre Krimi». Über
er in dieser Zeit eine bleibende Leidenschaft entdeckt: die       drei Jahre lang bereichert Hans Stutz das Magazin des Tages-
Archiv-Recherche.                                                 Anzeiger mit Geschichten aus der europäischen Kriminalge-
                                                                  schichte; scharfzüngig und stilsicher wie immer.
Eine Nazi- oder Fröntler-Vergangenheit nachweisen
Anfang der 80er Jahre ist Rechtsextremismus kein Thema in         Volksschulen können die Gesellschaft nicht
der Schweiz. Als der debütierende Journalist verschiedene Ar-     bewahren
chive nach Zeugnissen von nationalsozialistischen und fron-       Kurz bevor Marcel Strebel zur «Schweizer Nummer» avanciert,
tistischen Umtrieben in Luzern zu durchkämmen beginnt, ge-        konzentriert sich Hans Stutz erstmals auf die neue rechtsex-
schieht dies aus historischem Interesse. «Einem Politiker eine    treme Szene; ursprünglich mit der Absicht, diesen Themen-
Nazi- oder Fröntler-Vergangenheit nachzuweisen» ist seine ins-    bereich für die Innerschweiz abzudecken. Wer die Chronolo-
geheime Absicht, doch diese wird enttäuscht. Hingegen erhält      gie «Rassistische Vorfälle in der Schweiz» zur Hand nimmt, er-
seine Arbeit unverhofft einen aktuellen Bezug: 1985/86 tau-       kennt, dass sich seine Passion längst zum Dauerengagement
chen die ersten Skinheads in Luzern auf. Tätliche Angriffe auf    gewandelt hat. Der engagierte Journalist sammelt systema-
Asylbewerber und deren Unterkünfte stehen plötzlich im            tisch alle Informationen zu rassistischen Vorfällen in der
Brennpunkt des öffentlichen Interesses.                           Schweiz – insbesondere zu Einbürgerungsverweigerungen,
   Die Gründung der «Patriotischen Front» 1989 bildet für         welche nicht ad personam geführt werden können – und pub-
                                                                                                                                      Fotos: Michael Tobler

Hans Stutz den Anstoss zur Spezialisierung auf Fragen des         liziert diese unter der Adresse «www.gra.ch» auf dem Internet.
Rechtsextremismus – bis dahin hat sich der freie Journalist       Herausgegeben von der «Stiftung gegen Rassismus und Anti-
unter anderem mit Gerichtsreportagen einen soliden Ruf in         semitismus» erscheint seine Zusammenstellung alljährlich
der Schweizer Presselandschaft erschrieben. «Vor allem die        auch in Buchform.
queren und lustigen Geschichten» faszinieren ihn, und aus die-        Bereits im Herbst 1990 legt Hans Stutz die erste Fassung sei-

12        vpod magazin 125/02
Hans Stutz, Chefredaktor des Medienmaga-
                                                                 zins KLARTEXT und renommierter Rechts-
                                                                 extremismus-Experte, hat vor seinem Um-
                                                                 stieg vom Sekundarlehrer in den freien Jour-
                                                                 nalismus als Gewerkschaftsaktivist mehr als
                                                                 drei Jahre beim Magazin mitgearbeitet.

ner Archivstudie zu Nazis und Fröntlern in Luzern vor, doch      zer Medienmagazins KLARTEXT – seit 20 Jahren eine unab-
die Passagen über die ideologische Nähe der Luzerner Ka-         hängige Institution in der Schweizer Medienlandschaft.
tholisch-Konservativen zu den Frontisten bewegen seine Auf-         Praktisch ohne redaktionelle Erfahrung verabschiedet sich
traggeberin – die Stadt Luzern – dazu, das Projekt zwei Jahre    Hans Stutz von seinem Status als freischaffender Journalist
auf Eis zu legen. Als er 1994 eine neue Fassung unterbreitet,    und stellt sich am 1. März 2000 der neuen Herausforderung als
wird diese wegen der Nennung «politisch sensibler Namen»         Chefredaktor. «Ein grosses Risiko» sei dies gewesen – nach
wiederum blockiert. «Ich bin eine hartnäckige Person»,           bald zwei Jahren seiner Tätigkeit steht jedoch fest: seine Ar-
schätzt der Autor sich selber ein, und so münden seine bereits   beit ist ein ebenso grosser Erfolg. Stutz gibt das Lob weiter:
während des Werkjahres begonnen Recherchen 1997 in der           «Die Redaktion besteht aus Mitarbeitern, die teilweise seit Jah-
Publikation «Frontisten und Nationalsozialisten in Luzern        ren für den KLARTEXT schreiben und das Magazin massgeb-
1933 – 1945». Allerdings erst nachdem ein externer Jurist be-    lich prägen.»
scheinigt, dass Stutz alles mit unanfechtbarem Quellennach-
weis untermauert hatte.                                          Bürgerliche akzeptieren Stutz nicht
   «Volksschulen können die Gesellschaft weder vor Rechts-       Zwei Buchprojekte schlummern in der Schublade des Schwer-
extremismus noch vor Rassismus bewahren, da die Wertebil-        arbeiters. Doch die Erfahrung mit seiner im Herbst 2000 im
dung vorwiegend durch andere Sozialisationsinstanzen gelei-      Rotpunkverlag erschienenen dokumentarischen Erzählung
stet wird», schreibt der ehemalige Sekundarlehrer im Vorwort     «Der Judenmord von Payerne» hat ihn gelehrt, dass «effizien-
des Lehrmittels «Achtung Verachtung». «Dies bedeutet aber        tes Arbeiten nur mit einer vernünftigen finanziellen Basis mög-
nicht, dass Volksschulen nicht reagieren müssen. Im Gegen-       lich ist». Wie schwierig eine solche zu erreichen ist, zeigt sich
teil. Nicht nur weil es zum gesetzlichen Auftrag gehört, son-    daran, dass momentan kaum ein Schweizer Schriftsteller von
dern auch weil die Schulen ihren Schülern – unabhängig von       den Einnahmen seiner Buchverkäufe leben kann. Hans Stutz
nationaler Herkunft, Hautfarbe oder Religion – ein Umfeld bie-   ist nicht ein Mensch, der deswegen in Lethargie verfällt.
ten müssen, in dem sie sich geschützt bewegen können. Und           «Bürgerliche akzeptieren Stutz nicht», titeln die «Luzerner
vor allem: auch die Ermutiger – seien dies Kinder oder Er-       Neusten Nachrichten» am 20. Februar dieses Jahres, als der
wachsene – brauchen Ermutigung und Argumentationshil-            Parteilose vom Grünen Bündnis im Grossen Stadtrat von Lu-
fen.» Solche liefert der Fachmann auch mit dem in der Reihe      zern zum Präsidenten der Bürgerrechtskommission vorge-
«aktuell» im St. Galler Lehrmittelverlag erschienen Heft         schlagen wird. Als «Provokation» bezeichnet der Fraktions-
«Rechtsextremismus in der Schweiz», welches anders als           chef der SVP die Nomination des – für seine liberale Haltung
«Achtung Verachtung» einen rein informativen Ansatz ver-         in Sachen Einbürgerung bekannten – national anerkannten Ex-
folgt.                                                           perten für Rechtsextremismus.
                                                                    Trotz seines zusätzlichen politischen Engagements be-
Themen haben Konjunktur                                          hauptet der allein lebende Journalist: «Ich versuche mir in
«Themen haben Konjunktur.» Auch für einen landesweit be-         nächster Zeit mehr Musse zu gönnen...», doch ein Blick auf die
kannten Fachmann, sind die Publikationsmöglichkeiten ge-         Liste seiner Tätigkeiten und Publikationen lässt keinen Zwei-
ring, falls kein medial ausschlachtbarer aktueller Bezug her-    fel: «...aber im Prinzip habe ich die letzten Jahre sieben Tage
gestellt werden kann. Auch aus ökonomischen Überlegungen         die Woche gearbeitet.»
bewirbt sich Hans Stutz deshalb als Chefredaktor des Schwei-

                                                                                                         vpod magazin 125/02   13
«Die rechte
Hand»
Als der Bundesrat den gestandenen Fernsehmann 1998
zum Informationschef des Departements für Auswärtige
Angelegenheiten ernennt, hat das Gründungsmitglied der
Lehrer-Zytig – wie das Magazin damals hiess – bereits
über 20 Jahre journalistische Erfahrung gesammelt. «Die
Chance, so eng mit einem Bundesrat zusammenzuarbei-
ten, kriegt man genau einmal im Leben.» Ruedi Christen
hat sie gepackt.

Michael Tobler

«          Ihr müsst euch noch etwas gedulden», entschuldigt
           sich der 50-jährige Medienprofi, als er uns auf der
           Treppe des Bundeshaus’ West entgegenschreitet.
Ein Reporterteam der CNN verlangt zwei Tage vor der weg-
weisenden UNO-Abstimmung eine letzte offizielle Einschät-
zung des Departements für Auswärtige Angelegenheiten. «Das
internationale Interesse ist gross», stellt Christen fest, auf sei-
nem Pult stapeln sich Rückrufzettel der europäischen Fern-
sehanstalten. Mit der Ruhe eines Mannes, der das Mögliche
getan hat und weiss, dass die Entscheidung nun in der Hand            Jahren Erfahrung im Journalismus. So bezeichnet Christen die
der Stimmbürger liegt, nimmt er sich Zeit, sich an die Tage sei-      Arbeit für das Magazin heute als «ideales Lernfeld» und «gute
nes gewerkschaftlichen Engagements zu erinnern.                       Schule». Und auch wenn seinem gewerkschaftlichen Engage-
                                                                      ment ein anderer politischer Approach zu Grunde lag als sei-
Fähigkeiten wichtiger als Ideologien                                  nen späteren journalistischen Tätigkeiten für Tageszeitungen
«Ein ideales Tandem» seien zwei der Mitbegründer des VPOD             oder das Fernsehen, seien «schlussendlich die erworbenen
Magazins gewesen: «Mathias Jäger [der spätere Sektionsprä-            Fähigkeiten wichtiger als die vertretene Ideologie».
sident, Red.] hat gebremst und ich gezogen», und aus dieser
kreativen Zusammenarbeit «ist dann etwas Realistisches ent-           Eine Minute zum Nachdenken
standen». Er habe sich niemals die Frage gestellt, wie lange          Angesprochen auf seine augenfällige Ruhe in einem pausen-
ihre Publikation bestehen würde, denn man müsse «nicht                losen Geschäft entgegnet Christen: «Wer hektisch wird, macht
Sachen für die Ewigkeit planen, sondern das Richtige für den          etwas falsch», und «wer unbedacht handelt produziert Feh-
Moment in Angriff nehmen». So scheint es dem damals 25jähri-          ler». Dies hat er bereits als Korrespondent für das Schweizer
gen, gewerkschaftlich organisierten Studenten und Mittelstu-          Fernsehen nachhaltig gelernt. Bei Wahlen in Frankreich wer-
fenlehrer 1977 notwendig, «der Bewegung eine Stimme zu ge-            den Hochrechnungen zuweilen um eine Minute vor Acht pu-
ben». Als Ruedi Christen im April 1980 letztmals im Impressum         blik, um Acht wird der Reporter aufgeschaltet: «Dann hast du
erscheint, ist die 12-seitige «Lehrer-Zytig» bereits zum 28-sei-      genau eine Minute zum Nachdenken.»
tigen «Lehrermagazin» herangereift.                                      In der sekundengetakteten Medienwelt ist eine seriöse Vor-
   Seine gewerkschaftliche Vergangenheit habe nie ein Hin-            bereitung unabdingbar. Auch hier findet Christen eine Paral-
                                                                                                                                       Fotos: Michael Keller

dernis dargestellt: «Ich wurde nicht nach meiner politischen          lele zu seinem früheren Leben: «Nimm einen Lehrer der be-
Meinung beurteilt», und kein einziges Mal im Verlaufe seiner          schliesst, seine Lektionen ohne Vorbereitung abzuhalten,
Karriere hätte er sich bei einem Anstellungsgespräch einer Ge-        dafür umso mehr auf seine Schüler einzugehen. Dies mag zwar
wissensprüfung unterziehen müssen. Im Gegenteil: «Alles was           ein theoretisch interessanter Ansatz sein, endet in der Praxis
man gemacht hat nützt», schliesst der Parteilose aus zwanzig          jedoch zweifellos im Chaos.» Die solide Planung ist eine Vor-

14        vpod magazin 125/02
Ruedi Christen, Informationschef des
EDA, war jahrelang Redaktor beim
Schweizer Fernsehen DRS; vor seinem
Wechsel in den Journalismus war er als
Primarlehrer Mitbegründer unseres Ma-
gazins.

aussetzung, genauso wichtig sei es jedoch, «seine Grenzen zu       – besser beraten als der langjährige TV-Korrespondent. Seine
sehen». «Man kann nicht für alles verantwortlich sein.» Dass       Fernseherfahrung und die guten Beziehungen zu den Medien
die Krawatte richtig sitzt, die Beleuchtung stimmt, das Bild       hätten 1998 wohl auch den Ausschlag für seine Wahl zum Kom-
scharf ist und die Leitung steht, dafür sorgen Kameramänner,       munikationschef gegeben.
Licht-, Ton- und andere Techniker. «Und jeder muss seinen             «Ich mache eigentlich immer alles hundertprozentig», ent-
Part richtig ausführen – ich mache meinen auch.»                   gegnet Christen auf die Frage, ob neben seinem Amt über-
                                                                   haupt noch Zeit für ein Privatleben bleibt. «Dies ist kein Job
Euro bedeutender als Terroranschlag                                den man ‚nine to six’ machen kann. Ich habe mein Natel im-
Die Arbeit des Kommunikationschefs beinhaltet zwei Schwer-         mer dabei, bei Notfällen bin ich permanent ansprechbar.» Zwi-
punkte: Zum einen steht da die Öffentlichkeitsarbeit. «Ich         schen 40 und 50 Tage im Jahr begleitet er den Aussenminister
muss überzeugen, dass Aussenpolitik Sinn macht und eine            auf seinen Auslandvisiten und dies sei auch für ihn privat ein
Notwendigkeit darstellt», denn diese sei in der Schweiz nach       grossartiges Erlebnis. «So mischen sich Beruf und Privat-
wie vor erklärungsbedürftig. Auch der 11. September und die        leben», aber sein Freundes- und Bekanntenkreis ausserhalb
daraus entstandene «Medienhektik» hätten daran grundsätz-          der Bundespolitik hilft ihm den nötigen Abstand zu wahren.
lich nichts geändert. Mittelfristig sieht der 50jährige die Ein-
führung des Euro als bedeutenderes Ereignis für die Schwei-        Flugsand der Alltagssorgen
zer Aussenpolitik als den medial ausgeschlachteten Terror-         Auch sein Wohnsitz in Zürich garantiert dafür, dass er den «All-
anschlag.                                                          tagskleinkram» nach getaner Arbeit hinter sich lassen kann.
   «Ich brauche da nichts schönreden», antwortet Christen auf      Wenn er sich Abends auf den Heimweg zu seiner Frau – wel-
die Frage, ob er zuweilen nicht lieber seine persönliche Mei-      che in Zürich eine Galerie leitet – begibt, verschwindet ab Lan-
nung kund tun möchte als die offizielle Version des Bundes-        genthal der ganze «Ballast und Flugsand der Alltagssorgen und
rates zu vertreten. «Würde ich die grundsätzlichen Ziele der       bleibt verstreut auf der Strecke liegen». «Nur das Wichtige»
Schweizer Aussenpolitik – UNO-Beitritt, mittelfristiger Beitritt   nehme er mit nach Hause und dadurch findet er «umso mehr
in die EU - nicht teilen, könnte ich meinen Job nicht machen.»     Zeit, den andern zuzuhören».
                                                                      Nein, nochmals als Lehrer zu arbeiten, das ist für den Kom-
Wunschdepartement EDA                                              munikationschef «zu weit weg». Aber er diskutiert gerne mit
Neben seinen Aufgaben im Rampenlicht leistet Ruedi Christen        Leuten jeglichen Alters. So besuchte er im Vorfeld der UNO-
viel Arbeit im Hintergrund. Als Joseph Deiss im Vorfeld der        Abstimmung die Kantonsschule Solothurn, die Schule für Tou-
UNO-Abstimmung durch die Schweiz tourt, fungiert der ehe-          ristik in Zürich und Fachhochschule in Winterthur, um Aus-
malige Journalist als sein ständiger Begleiter. «Der Aussenmi-     kunft über die Schweizer Aussenpolitik zu geben. «So sieht das
nister muss sich auf mich abstützen können.» Interviews wer-       jetzt aus?» Erstaunt blättert das Gründungsmitglied der «Leh-
den gemeinsam präpariert, öffentliche Auftritte auf ihre Wirk-     rer-Zytig» in der neusten Ausgabe des «Magazins für Schule
samkeit geprüft, Argumentationen im Dialog ausgefeilt. Und         und Kindergarten»: «Schön gemacht, muss ich sagen.» Vielen
wer könnte den Fribourger Bundesrat in seiner Funktion – in        Dank, Ruedi Christen.
welcher die mediale Präsenz einen zentralen Faktor darstellt

                                                                                                          vpod magazin 125/02   15
Sie können auch lesen