Welche Fragen sind noch offen in der Implantologie? - ePaper
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IMPLANTOLOGIE Welche Fragen sind noch offen in der Implantologie? Ein Beitrag von Dr. Christian Gross, Priv.-Doz. Dr. Tobias Fretwurst, Prof. Dr. Katja Nelson, Prof. Dr. Dr. Rainer Schmelzeisen und Dr. Florian Kernen FACHBEITRAG /// Die dentale Implantologie kann auf eine 80-jährige Erfolgsgeschichte zurückblicken. In den Anfangsjahren der Implantologie lag der Forschungsfokus auf der Verbesserung bzw. Modifikation der Implantatgeometrien und -oberflächen, um eine vor- hersagbare Osseointegration und ein höheres Langzeitüberleben der Implantate zu ermög- lichen. So haben sich schraubenförmige Titanimplantate mit mikro- und makrorauen Ober- flächen durchgesetzt. Auf dem Boden dieser Forschung haben sich weitere Fragestellungen entwickelt, so werden aktuell Keramiken als Implantatwerkstoffe, die Ätiologie der Peri implantitis sowie die Implementierung des digitalen Workflows in der Implantologie wissen- schaftlich betrachtet. Dieser Artikel möchte eine kurze Zusammenfassung mit den jeweils offenen Fragen dieser drei Forschungsfelder bieten. Keramik als Implantatwerkstoff Keramikimplantate werden aufgrund der An- nahme, dass alle Konstituenten als Oxidverbin- Mittlerweile bieten eine Vielzahl von Herstellern dungen vorliegen, als metallfrei bezeichnet. Es weiße Keramikimplantate aus Yttrium-Stabilised ist jedoch auch eine hydrothermale Alterung Tetragonal Zirconia Polycrystals (Y-TZP) oder von Keramiken im wässrigen Milieu mit poten- Alumina-Toughened Zirconia (ATZ) an. Nach Er- ziellen Materialinstabilitäten bekannt.4 kenntnissen u. a. aus Vergleichsstudien konnte Offene Fragen in dieser Thematik sind aktuell: gezeigt werden, dass moderne Keramikimplan- Welches Implantatüberleben und welchen Im- tate aus Zirkoniumdioxid, wie Titanimplantate, plantaterfolg haben Keramikimplantate in Lang- biokompatibel sind, gut osseointegrieren und zeituntersuchungen (fünf bis zehn Jahre)? In mittlerweile eine gute mechanische Belast diesem Zusammenhang: Weisen Keramikim- barkeit aufweisen.1 Das Rohmaterial für die plantate eine geringere Periimplantitis-Prävalenz Produktion von Y-TZP-Keramikimplantaten ist auf als Titanimplantate? Verhält sich die peri natürlichen Ursprungs und kann somit diverse implantäre Entzündungskinetik initial ähnlich Verunreinigungen aufweisen. Die ISO-Norm wie an Titanimplantaten? Weiter ist unklar, ob ISO 13356 macht deshalb Vorgaben für die Materialverunreinigungen oder Biokorrosion kli- Materialzusammensetzung.2 Eine Element nisch relevant sein könnten sowie ob Kera- analyse von kommerziell erhältlichen Kera- mikimplantate überhaupt holistisch als „metall mikimplantaten mittels Massenspektrometrie frei“ zu bezeichnen sind. und optischer Emissionsspektrometrie mit in- duktiv gekoppeltem Plasma zeigte neben den Ätiologie der Periimplantitis erwarteten Elementen Zirkonium, Yttrium und Hafnium auch eine Kontamination mit diversen Die Periimplantitis wird als progressiver und anderen Schwermetallen und Radionukliden Plaque-assoziierter Knochenabbau um Implan- (Uran, Thorium), jedoch in Quantitäten weniger tate definiert.5, 6 Aktuelle Studien fassen zu parts per million (ppm) (Abb. 1).3 Die klinische sammen, dass die Periimplantitis im Vergleich Relevanz dieser Verun reinigungen ist wahr- zur Parodontitis sowohl in Bezug auf den scheinlich limitiert, jedoch nicht untersucht. Krankheitsverlauf, die Mikrobiologie als auch in 56 ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis – 1+2/2021
IMPLANTOLOGIE Bezug auf die immunhistologische Pathologie Eingliederung der Suprakonstruktion). Ferner Abb. 1: Zusammenfassung grundsätzliche Unterschiede aufweist.5, 7, 8 Zwei kann kein chirurgisches Standardprotokoll bei einer Elementanalyse aktuell aktuelle Arbeiten konnten diesbezüglich kon- der Periimplantitistherapie herangezogen wer- kommer ziell erhältlicher kretisieren, dass periimplantäre Läsionen eine den.14 Ob ausreichend attached (befestigte) Keramikimplantate. Koopera- höhere Anzahl von Makrophagen aufweisen als Gingiva periimplantär eine Periimplantitis ver- tion mit dem Karlsruher Institut Parodontitis-Läsionen und dass diese Makro- hindern kann, wird zwar im klinischen Alltag für Technologie (aus Gross et al. phagen eine proinflammatorische M1-Polarisa- angenommen, lässt sich wissenschaftlich aber 2020; mit freundlicher Geneh- tionssignatur haben, welche eine Entzündung bisher nicht sicher belegen.15, 16 Auch die hier- migung von Elsevier). eher unterhält, als diese abzuschwächen für notwendige Menge der attached Gingiva ist (Abb. 2).9, 10 Die Anzeichen mehren sich, dass umstritten.16 aus dem Implantatkörper freigesetzte Partikel Die Forschung in diesem Feld der Implantologie und Ionen eine Rolle bei der Entstehung oder hat hauptsächlich folgende offene Fragen: Wel- der Unterhaltung der Periimplantitis spielen che Faktoren beeinflussen die periimplantäre könnten.11–13 Die Diagnostik der Periimplantitis Entzündung? Welche weiteren Risikofaktoren ist beschränkt auf die radiologische Bildgebung gibt es? Lassen sich diese modifizieren? Welche (Zahnfilm und/oder OPG) und auf klinische Pa- Präventionsmaßnahmen sind wissenschaftlich rameter wie das Bluten auf Sondieren (BOP) belegbar und welche Therapiekonzepte zur und Taschentiefenmessung (PPD) bezogen auf Behandlung sollte man standardmäßig einset- einen Ausgangswert (in der Regel Zeitpunkt der zen? Abb. 2: Gewebe mit Periimplantitis zeigte eine spezifische M1-Makrophagensignatur im Vergleich zu Parodontitis (M1 Makrophagen proinflamma- torisch, M2-Makrophagen antiinflammatorisch, nach Garaicoa-Pazmino et al. 2019 und Fretwurst et al. 2020, mit freundlicher Genehmigung von Wiley & Sons). ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis – 1+2/2021 57
IMPLANTOLOGIE Digitaler Workflow Datenakquisition CAD CAM Digitale Bildgebung: Softwaregestütztes Computergestützte Design/Planung: Produktion: – Radiologie (CT/DVT) – Implantate – Bohrschablonen – Oberflächenscans – Abutments – Prothetische Intraoral – Prothetische Komponenten Extraoral Restauration Abb. 3: Virtuelle Implantologie Für den klinischen Alltag stellt sich also die Frage, ob ein Intraoralscanner allen Situationen Die Einführung digitaler Technologien revolutio- gewachsen ist? nierte die zahnärztliche Implantologie. Eine Ver- knüpfung von digital akquirierten Bildern, virtu- • IOS eines einzelnen Implantats bei eller Planung und computergestützter Herstel- teilweiser Zahnlosigkeit: Der IOS kann zur lung wird als die „digitale Prozesskette“ oder digitalen Abformung eines einzelnen Implan- der „digitale Workflow“ definiert (Abb. 3).17 Dies tates verwendet werden.19 ermöglicht schon zum Therapiebeginn einen • IOS mehrerer Implantate bei teilweiser vorhersagbaren und effizienteren Behandlungs- Zahnlosigkeit: Der IOS kann zur digitalen ablauf durch bessere Planbarkeit. Vor allem für Abformung mehrerer Implantate in den meis- unerfahrenere Kollegen kann dies in vielen As- ten Fällen angewendet werden. Die Studien pekten einen Vorteil erbringen, insbesondere sind größtenteils in vitro durchgeführt, des- die Risikoeinschätzung eines Eingriffs, die Ver- halb sind klinische Schlussfolgerungen mit einfachung der präoperativen Planung und die Vorsicht zu ziehen. Eine Empfehlung der Abb. 4: Beispiele der drei Visualisierung des Therapieziels. Autoren liegt hierbei, verschiedene subjektive beschriebenen klinischen Ein wichtiger Baustein des digitalen Workflows klinische Parameter zu beachten, z. B. wie Situationen. Während bei der ist die Erhebung von intraoralen anatomischen weit ist die Scanstrecke der unbezahnten teilweisen Zahnlosigkeit eine Daten unter Anwendung des Intraoralscans Region, oder weist die Gingiva eine geome- digitale Abformung durch- (IOS). Die Präzision der Bilderfassung mit den trisch informationsreiche Morphologie auf?20 geführt werden kann (Abbildung Geräten ist bereits häufig untersucht, die Unter- • IOS mehrerer Implantate bei vollständiger links und Mitte), wird empfohlen, suchung der Genauigkeit (exakte/genaue Dar- Zahnlosigkeit: Der IOS sollte zur digitalen bei der vollständigen Zahnlosig- stellung der anatomischen Gegebenheit) ist bis- Abformung bei vollständiger Zahnlosigkeit keit, eine konventionelle lang nur in vitro beschrieben.18 Für den klinischen primär nicht verwendet werden. Es wird eine Abformung durchzuführen und Alltag zeigen die vorhandenen Untersuchungen, konventionelle Abformung empfohlen. Das diese zu digitalisieren dass es neben eindeutigen Indikationen auch Meistermodell kann folglich im Labor digi- (Abbildung rechts). Limitationen dieser Art der Bildgebung gibt.18 talisiert werden (Abb. 4).21 58 ZWP Zahnarzt Wirtschaft Praxis – 1+2/2021
ANZEIGE Unsere In der Literatur wird beschrieben, dass bei län- gerer Scanstrecke eine zunehmende Ungenau- igkeit entsteht.22 Begründet wird dies mit dem Zahnputzfee fehlerhaften Zusammenfügen der einzelnen auf- genommenen Bilder des Scanners, kurz der Für ein märchenhaftes „Stitching Prozess“. Dieser Prozess kann sich Lächeln wie von im zahnlosen Kiefer mit geringerer anatomischer Morphologie verschlechtern. Zauberhand. Daraus stellen sich aktuell die offenen Fragen über die Nutzung der IOS im teilbezahnten und unbezahnten Kiefer: Wie lang darf die gescannte Strecke für einen klinisch suffizienten IOS sein und welche Genauigkeit wird erreicht? Wie kann man die Genauigkeit der anatomischen Datenerhebung steigern? Fazit Offene Fragen bezüglich des richtigen Implan- tatwerkstoffs, der Interaktion des Implantats mit dem periimplantären Weichgewebe und asso ziierten Entzündungsreaktionen, sowie der Di gitalisierung der Implantologie bieten großen Spielraum für zukünftige Forschung. Literatur INFORMATION /// Dr. Christian Gross Priv.-Doz. Dr. Tobias Fretwurst Kelchbürsten und Prof. Dr. Katja Nelson Prophylaxepolierer Prof. Dr. Dr. Rainer Schmelzeisen Dr. Florian Kernen wirkungsvolle Klinik für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie/ Reinigung und Politur Translationale Implantologie schonen das Weichgewebe Universitätsklinikum Freiburg Hugstetter Straße 55 latexfreie Polierer 79106 Freiburg im Breisgau überzeugende Ergebnisse mit christian.gross@uniklinik-freiburg.de unseren Polierpasten ProfiGuard, ProfiPolish und ProphyRepair direkt zu den Prophylaxe-Produkten auf www.becht-online.de Dr. Christian Gross Infos zum Autor BESSER BECHT. MADE IN OFFENBURG. . MADE IN OFFENBURG. www.becht-online.de
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