Wettlauf zwischen Erbe und Begünstigtem um die Leistung bei Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall

Die Seite wird erstellt Jule Krüger
 
WEITER LESEN
Wettlauf zwischen Erbe und Begünstigtem um die Leistung bei Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall
Für die Praxis notiert

Dr. Thomas Leuer, Münster                                             Dr. W.-P. Haarmann, Münster

Wettlauf zwischen Erbe und Begünstigtem
um die Leistung bei Verträgen zugunsten
Dritter auf den Todesfall
Mit dem Vertrag zugunsten Dritter auf den Todesfall kann der Erblasser zu Lebzeiten Zuwendungen anordnen, die erst nach seinem Tod
umgesetzt werden sollen. In der Praxis werden solche Verfügungen häufig im Zusammenhang mit Lebensversicherungen, Bausparver-
trägen und Leibrentenverträgen, aber auch mit Bankkonten und Wertpapierdepots vorgenommen. Da der Auszahlungsbetrag nicht in
den Nachlass fällt und das Erbrecht nicht berührt wird, entsteht ein Spannungsverhältnis zwischen dem Erben und dem Begünstigten,
der noch keine gesicherte Rechtsposition erlangt hat. Ist der Erbfall eingetreten, kommt es auf schnelles Handeln an. Hiervon hängt
ab, ob der Begünstigte oder der Erbe die Leistung aus dem Vertrag erhält.

Der Praxisfall                                  Durch einen solchen Vertrag erwirbt der      Im Einzelnen:
Der Erblasser M verstirbt am 15.12.2019.        Begünstigte – hier G – grundsätzlich         ff
                                                                                              Im sog. Valutaverhältnis zwischen dem
Er hinterlässt seine Ehefrau, eine Tochter      unmittelbar, d. h. ohne eigenes Zutun, das    Erblasser M und dem Zuwendungs-
und einen Sohn. Es gilt die gesetzliche         Recht, als Sonderrechtsnachfolger nach        empfänger G wird der Rechtsgrund
Erbfolge, so dass die Ehefrau und die           dem Tod des Erblassers die Auszahlung der     für das Versprechen festgelegt. Rechts-
beiden Abkömmlinge erben. Bereits               Leistung zu verlangen. Ob der Begünstigte     grund ist in der Regel – und im o. g.
im Jahr 2015 hatte M bei dem Versi-             im Verhältnis zu den Gesamtrechtsnach-        Praxisfall – eine Schenkung. Bei dieser
cherer V eine Lebensversicherung über           folgern des Erblassers – seinen Erben         Schenkung handelt es sich nicht um eine
500.000,- € abgeschlossen und seine             (§ 1922 BGB) – dieses Recht behalten darf,    Zuwendung auf den Todesfall i. S. d.
damalige Geliebte G für seinen Tod              hängt davon ab, ob der Begünstigte seine      § 2301 BGB, sondern um das noch un-
widerruflich als Begünstigte eingesetzt.        Rechtsposition mit oder ohne Rechtsgrund      ter Lebenden erteilte Versprechen einer
G wusste von der Lebensversicherung             erlangt hat.                                  Schenkung. Das Schenkungsverspre-
nichts. M hatte ihr gegenüber nur stets                                                       chen bedarf zur Gültigkeit der Form der
beteuert, sie sei nach seinem Tod versorgt.        Rechtlich entsteht durch Abschluss des     notariellen Beurkundung (§ 518 Abs. 1
Die Erben entdecken nach dem Tod bei            Lebensversicherungsvertrages im Praxisfall    Satz 1 BGB). Weil diese Form regelmäßig
der Durchsicht der Kontounterlagen des          zunächst ein Dreiecksverhältnis zwischen      nicht gewahrt wird, kann der Mangel
Erblassers, dass Beiträge für eine ihnen        dem Zuwendenden M, dem Versicherer V          der Form nur noch durch die Bewirkung
nicht bekannte Lebensversicherung abge-         und der Begünstigten G. Dadurch, dass         der versprochenen Leistung – im Praxis-
bucht worden ist. Weitere Unterlagen            M eine andere Person als seine Erben          fall durch die Auszahlung der Versiche-
hierzu finden sie nicht.                        als Bezugsberechtigte eingesetzt hat,         rungssumme durch V an die G – geheilt
                                                verbleibt es auch nach seinem Tod bei         werden (§ 518 Abs. 2 BGB).
Die rechtliche Konstruktion                     einem Dreiecksverhältnis, sodann zwi-        ff
                                                                                              Zwischen dem Erblasser M und dem
Im o. g. Praxisfall hat der Erblasser im Jahr   schen seinen Erben, dem Versicherer und       Vertragspartner V kommt ein Vertrag
2015 mit dem Lebensversicherer V einen          der Begünstigten. In diesem Verhältnis ist    zugunsten Dritter auf den Todesfall
echten Vertrag zugunsten Dritter auf den        zu klären, wer die Versicherungs-summe        zustande, §§ 328, 331 BGB (sog. De-
Todesfall (§§ 328, 331 BGB) geschlossen.        erhält.                                       ckungsverhältnis). Die zwingenden

26                                                                                                                       Ausgabe Nr. 2
Wettlauf zwischen Erbe und Begünstigtem um die Leistung bei Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall
Für die Praxis notiert

   Formvorschriften des Erbrechts finden         sprechung des Bundesgerichtshofs (Urt.       ff
                                                                                               Ob, wann und in welchem Umfang die
   keine Anwendung. Mit dem Abschluss            v. 26.11.2003 – IV ZR 438/02; Urt. v.         Bezugsberechtigte G den Anspruch gegen
   des Vertrages erklärt der Erblasser zu-       21.05.2008 – IV ZR 238/06) beinhaltet         den Versicherer V erwirbt, beurteilt sich
   gleich ausdrücklich oder stillschwei-         etwa die Erklärung des Versicherungs-         nach dem Deckungsverhältnis, während
   gend das Angebot zum Abschluss ei-            nehmers gegenüber dem Lebensversi-            das Valutaverhältnis allein für die Frage
   nes Schenkungsvertrages zwischen ihm          cherer, ein Dritter sei für die Todesfall-    entscheidend ist, ob der Bezugsberechtig-
   und dem begünstigten Dritten. Zugleich        leistung bezugsberechtigt, regelmäßig         te die Versicherungsleistung im Verhältnis
   erteilt der Erblasser dem Versicherer         den konkludenten Auftrag, dem Dritten         zum Versicherungsnehmer – und dessen
   den Auftrag, das Schenkungsangebot            nach Eintritt des Versicherungsfalls das      Erben – letztlich behalten darf.
   nach seinem Tod an den Begünstigten           Zuwendungsangebot des Versiche-
   zu übermitteln. Nach ständiger Recht-         rungsnehmers zu übermitteln.

   Hinweis 1:
   Das Valutaverhältnis und das Deckungsverhältnis sind streng voneinander zu trennen. Mängel im Valutaverhältnis sind für das
   Deckungsverhältnis zwischen Versicherungsnehmer und Versicherer grundsätzlich ohne Bedeutung (BGH, Urt. v. 01.04.1987 –
   IVa ZR 26/86). Der Versicherer soll regelmäßig im Rechtsverhältnis zu dem Bezugsberechtigten verpflichtet bleiben, die Leistung
   auszuzahlen, und auch nicht berechtigt sein, die Versicherungssumme zu hinterlegen (OLG Nürnberg, VersR 2016, 383). Praktisch
   hätte dies bei einem rechtzeitigen Widerruf des Erben zur Folge, dass der Bezugsberechtigte von dem Versicherer Auszahlung
   verlangen kann, obwohl er gegenüber dem Erben verpflichtet wäre, die erlangte Versicherungssumme unmittelbar an diesen
   herauszugeben. Das Insolvenzrisiko des Bezugsberechtigten würde auf diese Weise unzulässigerweise sowohl auf den Erben
   als auch auf den Versicherer übergehen.

       Auch die Rechtsprechung wandelt sich. Im Anschluss an das Urteil des OLG Saarbrücken – 5 U 35/16 – (ZEV 2017, 663 f.;
   juris.) haben erstmals das LG Münster – 115 O 153/17 – und das OLG Hamm – I-20 U 135/18 – (bestätigt durch Beschluss des
   Bundesgerichtshofs – IV ZR 142/19 – v. 05.03.2020) in den Jahren 2018 und 2019 die Auffassung vertreten, dass der Grundsatz
   der strikten Trennung von Valutaverhältnis und Deckungsverhältnis ausnahmsweise durchbrochen werden kann. So soll der
   Versicherer dem Bezugsberechtigten ausnahmsweise die Auszahlung verweigern dürfen, wenn aufgrund eines rechtzeitigen
   Widerrufs des Schenkungsangebots ein offenkundiger Mangel im Valutaverhältnis vorliegt. Die Verfahren vor dem LG Münster
   und dem OLG Hamm wurden auf Seiten des Versicherers von einem der beiden Autoren geführt.

Strategischer Nachteil für den                Vertragspartner nicht zugehen). Da allein       rechtsnachfolger nach § 1922 BGB an die
Begünstigten: Keine eigene                    das vertragliche Innenverhältnis zwischen       Stelle des Erblassers und haben tatsächli-
Kenntnis von der Zuwendung                    dem Erblasser und dem Vertragspartner           chen und auch rechtlichen Zugriff auf den
Häufig hat der Zuwendungsempfänger –          betroffen ist, erhalten die Begünstigten –      gesamten Nachlass, mithin auf sämtliche
wie im Praxisfall die Geliebte G – nach dem   vorbehaltlich einer anderslautenden Wei-        Unterlagen des Erblassers. Häufig erlangen
Tod des Erblassers noch keine Kenntnis von    sung des Erblassers – zu dessen Lebzeiten       auch die Vertragspartner (Versicherer, Bank
dem Schenkungsversprechen. Der Erblasser      keine Mitteilung über ihre beabsichtigte        etc.) nicht von sich aus Kenntnis von dem
kann zu seinen Lebzeiten frei darüber ent-    Begünstigung.                                   Tod des Erblassers, was die Weitergabe der
scheiden, wen er als Begünstigten einsetzt,                                                   für das Zustandekommen des Schenkungs-
und ohne Weiteres Änderungen vorneh-             In diesem Zusammenhang kann aus              vertrages erforderlichen Schenkungsofferte
men. Hierfür ist eine privatschriftliche      Sicht des Begünstigten ein letztlich ent-       verzögert. Zeigen hingegen erst die Erben
Erklärung gegenüber dem Vertragspartner       scheidendes Informationsdefizit bestehen,       dem Vertragspartner den Tod des Erblassers
(Versicherer, Bank etc.) ausreichend, aber    wenn der Erblasser den Begünstigten zu          an, können sie dies – wenn sie ihre Rechte
auch erforderlich (anderslautende Verfü-      Lebzeiten nicht unter Angabe der konkre-        kennen – zugleich verbinden mit der Erklä-
gungen des Erblassers erlangen grund-         ten Daten über die Zuwendung in Kenntnis        rung eines entsprechenden Widerrufs.
sätzlich keine Wirksamkeit, wenn sie dem      gesetzt hat. Die Erben treten als Gesamt-

   Hinweis 2:
   Solange der Zuwendungsempfänger nur widerruflich von dem Erblasser begünstigt worden ist, hat er – mangels Zustande-
   kommens eines wirksamen Schenkungsvertrages – keine gesicherte Rechtsposition erlangt. Wird hingegen im klassischen Fall
   einer Lebensversicherung ein unwiderrufliches Bezugsrecht eingeräumt, wird der Mangel der Form i. S. d. § 518 Abs. 1 BGB
   schon zu Lebzeiten des Erblassers beseitigt, wenn der Versicherungsnehmer durch Übereinkunft mit dem Versicherer und dem
   Begünstigten die Unwiderruflichkeit mit dinglicher Wirkung herbeiführt (§ 331 Abs. 1 BGB, § 159 Abs. 3 VVG). Auch die Erben
   sind dann nicht in der Lage, diese Begünstigung aufzuheben (vgl. BGH, VersR 2013, 1021; LG Stuttgart, VersR 2020, 24).

April 2020                                                                                                                            27
Wettlauf zwischen Erbe und Begünstigtem um die Leistung bei Verträgen zugunsten Dritter auf den Todesfall
Für die Praxis notiert

Der Wettlauf zwischen Erbe und                 ff
                                                indem die Erben vor Zugang der Schen-           2. Perspektive und Optionen des
Begünstigtem                                    kungsofferte beim Begünstigten gegen-           Begünstigten
Der zeitliche Wettlauf zwischen den Erben       über diesem erklären, das begünstigende         Hat der Begünstigte – wie im Praxisfall
und dem Begünstigten beginnt mit dem            Schenkungsversprechen des Erblassers zu         die Geliebte G – anders als der Erbe über-
Tod des Erblassers. Grundsätzlich kann der      widerrufen (§ 130 Abs. 1 Satz 2 BGB).           haupt keine Kenntnis von dem Vertrag,
Begünstigte das Angebot auf Abschluss                                                           hat er im Kampf um die Leistung eine
des Schenkungsvertrages auch nach dem          Die einzelnen Perspektiven und                   deutlich schlechtere Ausgangslage als der
Tod des Zuwendenden noch annehmen,             Optionen während des Wettlaufs                   Erbe. Sollte der Erblasser ihm gegenüber
nachdem ihm das Angebot durch den              1. Perspektive und Optionen des Erben            wenigstens angedeutet haben, etwa eine
Vertragspartner (Versicherer, Bank etc.) als   Für jeden Erben kann es sich auszahlen,          Lebensversicherung bei einem bestimm-
Erklärungsbote des Erblassers übermittelt      die Unterlagen des Erblassers nach dessen        ten Versicherer abgeschlossen zu haben,
worden ist (§ 130 Abs. 2 BGB).                 Tod zu sichten. Erlangen die Erben durch         sollte der Begünstigte unverzüglich und
                                               Kontoabbuchungen oder in anderer Weise           für ein etwaiges späteres gerichtliches
   Da mit dem Erbfall das Widerrufsrecht       Kenntnis von dem Abschluss eines Vertrages       Verfahren nachweisbar Kontakt zu dem
des Erblassers jedoch auf die Erben über-      zugunsten eines Dritten auf den Todesfall,       Versicherer aufnehmen, ihm den Tod
gegangen ist (§ 1922 BGB), können diese        sollten sie umgehend gegenüber dem Ver-          des Erblassers anzeigen und ihn zu einer
das Zustandekommen des Schenkungsver-          tragspartner (Versicherer, Bank etc.) den        ebenfalls unverzüglichen Auszahlung der
trages verhindern,                             Auftrag des Erblassers, der Begünstigten das     Versicherungssumme auffordern. Erforder-
ff indem die Erben vor Übermittlung der        Schenkungsangebot zu übermitteln, wider-         lichenfalls sollte er einen Fachanwalt für
   Schenkungsofferte durch den Vertrags-       rufen. Um den Widerruf des Botenauftrags         Erbrecht damit beauftragen, den Versiche-
   partner (Versicherer, Bank etc.) diesem     wirksam erklären zu können, muss sich der        rer zu einer umgehenden Auszahlung zu
   gegenüber erklären, den ihm von dem         Erbe nicht als solcher legitimieren. Insbeson-   veranlassen.
   Erblasser erteilten Auftrag, das Schen-     dere ist nicht die Vorlage eines Erbscheins
   kungsangebot an den Begünstigten zu         erforderlich. Nicht widerrufen werden kann          Allein dass die Begünstigte nach dem
   übermitteln, zu widerrufen,                 das Bezugsrecht des Begünstigten. Es ist mit     Tod des Erblassers von dem Vertrag Kennt-
   oder                                        dem Erbfall unwiderruflich geworden.             nis erlangt, macht eine ordnungsgemäße

28                                                                                                                           Ausgabe Nr. 2
Für die Praxis notiert

Übermittlung des Schenkungsangebots,           Begünstigten oder von dem Erben auf            sondern ihn in Kenntnis setzen – oder ihn
das auch konkludent durch die Auszah-          Schadensersatz in Anspruch genommen            etwa bei einer Lebensversicherung sogleich
lung der Versicherungssumme übermittelt        zu werden. Demgemäß werden von der             als unwiderruflich Begünstigten einsetzen
werden kann, nicht entbehrlich. Bittet         Rechtsprechung an eine Eintrittspflicht des    (siehe Hinweis 2). Die Kenntnis muss der
der Versicherer vor Auszahlung um die          Versicherers hohe Anforderungen gestellt       Begünstigte beweisen. Der Beweis ist in
Übersendung von Unterlagen (Versiche-          (vgl. OLG Köln, Urt. v. 10.01.2012 – 20 U      jedem Fall geführt, wenn der Begünstigte
rungspolice, Sterbeurkunde), liegt darin       130/11; OLG München, Urt. v. 08.05.2009        den zu seinen Gunsten geschlossenen
noch keine Übermittlung des Schenkungs-        – 25 U 4318/08).                               Vertrag bereits zu Lebzeiten des Erblassers
angebots. Erst wenn der Begünstigte das                                                       gegengezeichnet hat.
Schenkungsangebot annimmt und der                  Vorsorglich sollte der Versicherer, dem
Versicherer daraufhin die Versicherungs-       die Übermittlung des Schenkungsangebots        Fazit
summe ausgezahlt hat, ohne dass zuvor          misslingt, sich zumindest um die baldmög-      Bei Verträgen zugunsten Dritter auf den
ein Widerruf durch die Erben erfolgt ist,      liche Ermittlung der aktuellen Anschrift des   Todesfall hat der Vertragspartner des
ist der Wettlauf zu seinen Gunsten ent-        Begünstigten bemühen und hierzu erfor-         Erblassers – in der Regel ein Versicherer
schieden.                                      derlichenfalls Anfragen bei dem Einwoh-        oder eine Bank – seine Leistung an den
                                               nermeldeamt oder dem Nachlassgericht           begünstigten Dritten erst mit dem Tod des
3. Ziel des Vertragspartners (Versicherer,     stellen.                                       Erblassers und zwar „an dem Nachlass
Bank etc.): Vermeidung einer eigenen                                                          vorbei“ zu erbringen. Im Valutaverhältnis,
Haftung                                        Kritik am Wettlauf:                            dem regelmäßig eine Schenkung zugrunde
Um eine eigene Haftung zu verhindern,          Zufallsergebnisse möglich                      liegt, hat der Vertragspartner dem Dritten
sollte der Vertragspartner – hier der          Weil der Ausgang des Wettlaufs von             nach Eintritt des Leistungsfalls das Ange-
Versicherer V – den Vorgang umfassend          Zufällen – wie z. B. einer dem Versicherer     bot des Erblassers auf Abschluss eines
prüfen, sobald er Kenntnis von dem Tod         nicht mitgeteilten Adressänderung des          Schenkungsvertrages zu übermitteln. Die
der versicherten Person erlangt. Zahlt er      Bezugsberechtigten und einer deshalb           Erben müssen unverzüglich das Angebot
an einen Nichtberechtigten aus, wird der       gescheiterten Übermittlung des Schen-          auf Abschluss eines Schenkungsvertra-
Versicherer grundsätzlich nicht von seiner     kungsangebots – abhängen kann, ist oft         ges oder den Botenauftrag widerrufen,
Leistungspflicht nach i. S. d. § 362 BGB       Kritik geäußert worden. Gewinnt der Erbe       bevor das Angebot dem Begünstigten
frei. Der Versicherer bleibt gegenüber dem     den Wettlauf, wird zudem der Wille des         zugeht. Auf der anderen Seite sollte die
wahren Berechtigten verpflichtet, den          Erblassers, einen Dritten zu begünstigen,      Begünstigte sich möglichst schnell mit dem
ungekürzten Betrag auszuzahlen (zum            unterlaufen. Dass überhaupt für die Erben      Vertragspartner in Verbindung setzen und
wichtigsten Ausnahmefall siehe Hinweis         die Möglichkeit besteht, die Begünstigung      auf Übermittlung des Angebots auf Aus-
1). Gleichzeitig geht faktisch nicht nur das   aus speziellen erbrechtlichen, vertrags-       zahlung – und damit auf Abschluss des
Insolvenzrisiko des Bereicherten auf ihn       rechtlichen und versicherungsrechtlichen       Schenkungsvertrages – drängen. Wider-
über, der Bereicherte wird möglicherweise      Gründen zu widerrufen, wird einem Erb-         ruft der Erbe das Schenkungsangebot oder
in einem auf Rückzahlung gerichteten Ver-      lasser in aller Regel nicht bekannt sein.      den Auftrag, das Schenkungsangebot zu
fahren auch den Entreicherungseinwand          Gleichwohl sieht die höchstrichterliche        überbringen, bevor die Annahme durch
(§ 818 Abs. 3 BGB) erheben, der in der         Rechtsprechung keine Korrektur vor,            den Begünstigten erfolgt ist, hat der Erbe
Praxis von den Gerichten allerdings kritisch   sondern vertritt zu Recht die Auffassung,      den Wettlauf gewonnen. Zahlt der Ver-
geprüft wird.                                  auch zufällige Ergebnisse, die durch eine      tragspartner an den Begünstigten aus,
                                               anderslautende Verfügung des Erblassers        bevor ein Widerruf erklärt worden ist, ist
   Im Regelfall wird die Anspruchsbe-          ohnehin vermeidbar gewesen wären,              der Wettlauf zugunsten des Begünstigten
rechtigung anhand der Vertragsunter-           seien aus Gründen der Rechtssicherheit         entschieden.
lagen leicht feststellbar sein, da in den      hinzunehmen.
Unterlagen der Begünstigte namentlich                                                         Autoren:
bezeichnet worden ist. Ergeben sich etwa       Vorausschauendes Verhalten des                 Dr. Thomas Leuer und Dr. W.-P. Haarmann
für einen Versicherer bei der Übermittlung     Erblassers zur Wahrung seines                  sind Fachanwälte für Erbrecht. Sie sind auf
des Schenkungsangebots Schwierigkei-           letzten Willens erforderlich                   das streitige Erbrecht spezialisiert (www.
ten und erklären die Erben daraufhin           Erben sind in der Lage, den letzten Willen     erbstreit-muenster.de).
rechtzeitig den Widerruf, kann dennoch         des Erblassers, zu dem neben den Rege-
eine Einstandspflicht des Versicherers in      lungen in seinem Testament auch Verträge       Dr. Peus · Dr. Leuer · Dr. Stelzig
Betracht kommen. Zugunsten des Versi-          zugunsten Dritter auf den Todesfall zäh-       Partnerschaft von Rechtsanwälten mbB ·
cherers ist allerdings zu berücksichtigen,     len können, in erheblichem Umfang zu           Notare
dass ihn in beiden Schuldverhältnissen,        beeinträchtigen, indem sie die Verträge
gegenüber den Erben und gegenüber              rechtzeitig widerrufen. Der Erblasser          Universitätsstr. 30
der Begünstigten, Treuepflichten treffen       kann zu seinen Lebzeiten dafür sorgen,         48143 Münster
(OLG Saarbrücken, ZEV 2017, 663 f.; OLG        dass die Erben seinen letzten Willen auch
Köln, Urt. v. 10.01.2012 – 20 U 130/11).       hinsichtlich dieser Verträge zu beachten       Telefon +49 (0)251 48273-0
Für den Versicherer besteht die Gefahr,        haben, und zugleich verhindern, dass ein       Telefax +49 (0)251 48273-29
bei der Wahrnehmung seiner Übermitt-           Wettstreit zwischen dem Erben und dem
lungspflicht einer Interessenkollision aus-    Begünstigten entbrennt. Der Erblasser sollte   anwaelte@peus-leuer-stelzig.de
gesetzt zu sein und entweder von dem           den Dritten nicht im Ungewissen lassen,        www.peus-leuer-stelzig.de

April 2020                                                                                                                            29
Sie können auch lesen