Age-Dossier Kontaktperson vor Ort - Age-Stiftung

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Age-Dossier Kontaktperson vor Ort - Age-Stiftung
Age-Dossier

Kontaktperson
vor Ort

                 «Wohnen
                plus» oder
                «betreutes
                  Wohnen
                   light»?

                2020
Age-Dossier Kontaktperson vor Ort - Age-Stiftung
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                                                    3                2
                                                            8                  5       9
                                                        12                             6
                                                        1       11        16       7
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Wohnangebote mit Kontaktperson vor Ort:
Beispiele aus den Förderprojekten der
Age-Stiftung.
Die Projektinformationen befinden sich auf der hinteren Umschlag-
klappe. Die Projektnummern dienen in diesem Heft auch als
Verweise auf die jeweiligen Projektbeispiele.
                                                                                            * inkl. anderweitige Aufgaben und
Möchten Sie mehr Informationen zu einem Projekt oder direkt mit                             Pflichten (siehe S. 17 ff.)
einem Verantwortlichen sprechen? Der jeweilige Link führt Sie
zur Website des Förderprojekts mit Kontaktinforma­tionen, Doku-                             ** Betreiber führt andernorts
mentation und weiteren Materialien.                                                         stationäre Pflegeinstitution
Age-Dossier Kontaktperson vor Ort - Age-Stiftung
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                                    WEITERE PROJEKTE 9 – 16
                                                              Alterswohnungen Untersteig                WohnenPLUS Fläsch
                                                              Ort: Nesslau, 2008                        Ort und Erstbezug: Fläsch, 2016
                                                              Grösse: 12 Wohnungen                      Grösse: 6 Wohnungen (+1 ein Studio)
                                                              (+ 1 Dienstwohnung)                       Wohnbauträger: Landwirtschaftliche Ge-
                                                              Wohnbauträger & Betrieb: GAWU             nossenschaft Fläsch
                                                              Pensum Kontaktperson: 20%                 Betrieb: Genossenschaft
                                                              Präsenzzeit: Wohnen vor Ort               WohnenPlus Fläsch
                                                              Grundleistung: Hauswartspaar als          Pensum Kontaktperson: Insg. 250%*
                                                              Kontaktpersonen, Handreichungen,          Präsenzzeit: Di– Sa: 8:30– 17 Uhr,
                                                              Aktivitäten                               So– Mo: 1,5 Stunden
                                                              → age-stiftung.ch/untersteig              Grundleistung: Kontaktperson,
                                                                                                        Aktivitäten, Notruf inkl. Einsatz.,
                                                                                                        Handreichungen
                                                                                                        → age-stiftung.ch/flaesch
                                                              10
                                                              Wohnenplus «Im Baumgarten»
                                                              Ort und Erstbezug: Bachenbülach, 2016
                                                              Grösse: 33 Wohnungen (+ PWG)
                                                                                                        14
                                                              Wohnbauträger: Baukonsortium              Linsebüelguet
                                                              «Wohnenplus Im Baumgarten»                Ort und Erstbezug: 2007
                                                              Betrieb.: Stiftung Alterszentrum Region   Grösse: 30 Wohnungen
                                                              Bülach (SARB)**                           Wohnbauträger & Betrieb: Alters- und
                                                              Pensum Kontaktperson: 80%                 Wohngenossenschaft Logiscasa
                                                              Präsenzzeit: Mo, Di, Mi, Fr 8 – 12 /      Pensum Kontaktperson: Aufwand wird
                                                              14 – 16 Uhr                               monatlich pauschal abgegolten.
                                                              Grundleistung: Kontaktperson, Hand-       Präsenzzeit: Wohnt vor Ort*
                                                              reichungen, Aktivitäten, Notruf inkl.     Grundleistung: Bewohner als
                                                              Einsatz, Gym, Jahresreinigung             Kontaktperson, Handreichungen,
                                                              → age-stiftung.ch/baumgarten              Aktivitäten, Kontaktschnittstelle zu
                                                                                                        Verwaltung und Hauswartung
                                                                                                        → age-stiftung.ch/linsebuelgut
                                                               11
                                                              «Wohnen im Alter» Dorf Huus
                                                                                                        15
                                                              Ort und Erstbezug: Root, 2018
                                                              Grösse: 16 Wohnungen (+PWG)               Generationenhaus Masein
                                                              Wohnbauträger: Pensionskasse              Ort: Masein, 2018
                                                              Stiftung Abendrot                         Grösse: 6 Wohnungen
                                                              Betrieb.: Stiftung Alterssiedlung         (+ Hauswartwohnung)
                                                              Root (SAR)**                              Wohnbauträger & Betrieb:
                                                              Pensum Kontaktperson: 90%*                Genossenschaft Generationenhaus
                                                              Präsenzzeit: Täglich durch Pflege-        Pensum Kontaktperson: 7%*
                                                              wohngruppe gewährleistet                  Präsenzzeit: Wohnen vor Ort
                                                              Grundleistung: Kontaktperson,             Grundleistung: Hauswartspaar als
                                                              Handreichungen, Aktivitäten ,             Kontaktpersonen, Handreichungen,
                                                              wöchentliche Grundreinigung,              Wohlaufkontrolle, Aktivitäten
                                                              Jahresreinigung, Wohlaufkontrolle         → age-stiftung.ch/masein
                                                              → age-stiftung.ch/root

                                                               12                                       16
                                                              Sonnenpark Hochdorf                       Husmatt Steinen
                                                              Ort und Erstbezug: 2015                   Ort: Steinen, 2015
                                                              Grösse: 30 Wohnungen                      Grösse: 38 Mietwohnungen und 11 Eigen-
                                                              Wohnbauträger: Baugenossenschaft          tumswohnungen
                                                              BELLEVUE                                  Wohnbauträger & Betrieb: Katharina
                                                              Betrieb: RESIDIO AG Hochdorf**            und Karl von Rickenbach-Stiftung
                                                              Pensum Kontaktperson: 60%*                Pensum Kontaktperson: 20 – 30%
* inkl. anderweitige Aufgaben und                             Präsenzzeit: 3 x 2 Stunden/Woche          Präsenzzeit: Mo – Fr: 9 – 12 Uhr
Pflichten (siehe S. 17 ff.)                                   Grundleistung: Notruf exkl. Einsatz,      Grundleistung: Verwaltung und
                                                              Kontaktperson, Handreichungen             Kontakt-Team vor Ort, Vermittlung Nach-
** Betreiber führt andernorts                                 → age-stiftung.ch/sonnenpark              barschaftshilfe, Aktivitäten
                                                                                                        → age-stiftung.ch/husmatt-steinen
stationäre Pflegeinstitution
Age-Dossier Kontaktperson vor Ort - Age-Stiftung
1                                               5

PROJEKTBEISPIELE 1 – 8
                         Neuhushof Littau                                Wohnen im Bruggacher
                         Ort und Erstbezug: Littau, 2016                 Ort und Erstbezug: Rüti, 2017
                         Grösse: 28 Wohnungen                            Grösse: 30 Wohnungen (+PWG)
                         Wohnbauträger: Wohnbaugenossen-                 Wohnbauträger: Privatpersonen
                         schaft Littau (WGL)                             Betrieb: Stiftung Unterstützungsfonds der
                         Betrieb.: WGL (Verwaltung) & Spitex             Stiftung für Ganzheitliche Betreuung
                         Stadt Luzern (Kontaktperson / Notruf)           Pensum Kontaktperson: 115% (45 + 35 + 35)
                         Pensum Kontaktperson: 20%                       Präsenzzeit: Mo – Fr 9 – 17 Uhr
                         Präsenzzeit: Mo, Mi, Fr, 14 – 17 Uhr            Grundleistung: Kontaktperson,
                         Grundleistung: Kontaktperson, Aktivitä-         Aktivitäten, 24h-Notruf inkl. Einsatz,
                         ten, Notruf inkl. Einsatz                       Sicherheitssensor
                         → age-stiftung.ch/neuhushof                     → age-stiftung.ch/bruggacher

                          2                                               6
                          Alterssiedlung Hadlaub                         Alterswohnungen Rosengärtli
                         Ort und Erstbezug: Zürich, 1980 (saniert        Ort und Erstbezug: Amden, 2017
                         2016)                                           Grösse: 28 Wohnungen
                         Grösse: 34 Wohnungen                            Wohnbauträger & Betrieb: GAW Linth
                         Wohnbauträger & Betrieb:                        Pensum Kontaktperson: 25%*
                         Stiftung Hadlaub                                Präsenzzeit: Arbeiten und
                         Pensum Kontaktperson: 50%*                      Wohnen vor Ort
                         Präsenzzeit: 3- bis 5-mal / Woche               Grundleistung: Hauswartspaar als
                         Grundleistung (informell): Verwaltung           Kontaktpersonen, Aktivitäten,
                         vor Ort, Aktivitäten, Handreichungen            Handreichungen
                         → age-stiftung.ch/hadlaub                       → age-stiftung.ch/amden

                          3                                               7
                         Zopfmatte                                       Alterswohnungen Zigerribi 4
                         Ort: Suhr, 2016                                 Ort: Oberurnen
                         Grösse: 30 Mietwohnungen,                       Grösse: 18 Wohnungen
                         26 Eigentumswohnungen                           Wohnbauträger und Betrieb:
                         Wohnbauträger & Betrieb:                        GAW Linth
                         Genossenschaft Lebensuhr                        Pensum Kontaktperson: 25%* (pro
                         Pensum Kontaktperson: 45% + 3 x 7 – 10%         Siedlung)
                         Präsenzzeit: Mo, Mi, Fr: 9 – 11 /               Präsenzzeit: Werktags Arbeiten vor Ort
                         Di 14 – 16 Uhr                                  Grundleistung: Hauswartin als Kontakt-
                         Grundleistung: Kontaktteam aus                  person, Aktivitäten, Handreichungen
                         Kontaktperson und 3 Bewohnern,                  → gaw-linth.ch
                         Aktivitäten, Handreichungen
                         → age-stiftung.ch/zopfmatte-suhr

                                                                          8
                          4                                              Alterswohnungen Lindenfeld
                                                                         Ort: Fahrwangen, 2018
                         Zentrum Bären                                   Grösse: 15 Wohnungen
                         Ort, Erstbezug: Nürensdorf, 2011                Wohnbauträger:
                         Grösse: 29 Wohnungen (+PWG)                     Wohnbau-Genossenschaft
                         Wohnbauträger: Genossenschaft                   Oberes Seetal, WGOS
                         Zentrum Bären                                   Betrieb: WGOS und Spitex Oberes
                         Betrieb: Genossenschaft Zentrum Bären           Seetal
                         (Kontaktpers.) & KZU (Notruf, PWG, Spitex)      Pensum Kontaktperson: ca. 8%
                         Pensum Kontaktperson: 35% + 3 x ~22%            Präsenzzeit: 1 – 2 × pro Monat
                         Präsenzzeit: Mo – Fr: 9.30 – 12, 15 – 17 Uhr,   Grundleistung: Kontaktperson,
                         Sa: 9.30 – 12 Uhr                               Aktivitäten, Kaffee kostenlos
                         Grundleistung: Kontaktperson,                   → age-stiftung.ch/wgos
                         Handreichungen, Aktivitäten, Notruf
                         zu PWG, jährl. Fensterreinigung,
                         Gym/Wellness
                         → age-stiftung.ch/nuerensdorf
Age-Dossier Kontaktperson vor Ort - Age-Stiftung
Age-Dossier
4                                      Infrastruktur                  51

                                                                                                         Angebot
Einleitung                                                            Bildstrecke: Nachbarschaftshilfe
                                       38                             ist Vertrauenssache
                                       Der Ort bestimmt den Zugang
Angebot                                                               55
                                                                      Selbstständig wohnen dank

                                                                                                         Organisation
6                                                                     Achtsamkeit im Teamwork
Zwischen Gemeinschaftsförderung
und individueller Hilfe
                                                                      Perspektiven
8
Ist das «betreutes Wohnen»?                                           62
                                                                      Interview Kompetenzzentrum für
10                                                                    Soziale Räume: «Sie gehören zum

                                                                                                         Personen & Kompetenzen
Zielgruppe und Einzugsmotive                                          neuen Berufsfeld Community»

                                                                      64
Organisation                                                          Verwandte Modelle mit
                                                                      Quartierausrichtung
14
Betriebswirtschaftlich sinnvoll?                                      66
                                                                      Fazit
15                                                                    _
Interview ETH Wohnforum:
«Auch in Bestandsliegenschaften
sinnvoll»                              43                             Umschlag
                                       Gemeinschaftliche Räume
17                                                                    Danksagung

                                                                                                         Infrastruktur
Präsenzzeit vor Ort –                                                 Literaturangaben
Finanzierung und Organisation          Umsetzung & Wirkung            Impressum
                                                                      –
                                       46                             Projektbeispiele:
Personen & Kompetenzen                 Rahmenbedingungen des          Standorte im Überblick
                                       Engagements
22
Kompetenzen und
Persönlichkeitsprofile
                                       48
                                       Unterstützung dank Begegnung
                                                                                                         Umsetzung & Wirkung
                                       bewährt sich in der Praxis
24
Die Hauswartin als Integrationsfigur

28
Die Verwalterin kennt die Lebens-
situationen der Hausbewohner

31
Vermieterin, Concierge und
«Schwiegertochter»
                                                                                                         Perspektiven

34
Beraterin mit Expertenwissen
Age-Dossier Kontaktperson vor Ort - Age-Stiftung
Einleitung

                                                                                                                              Andreas Sidler, Age-Stiftung
                                                                                                                              Bild: Giorgio von Arb
ALTERSSIEDLUNG IM FOKUS

Mit einer Ansprechperson vor Ort             halb andere Ansätze gesucht und entwi-
können Wohnbauträger und Siedlungs-          ckelt, die das «ageing in place» fördern.    Forschungsergebnisse zum Thema
betreiber das selbstständige Wohnen                                                       Eine wertvolle Grundlage für dieses
bis ins hohe Alter unterstützen. Die Idee    Nachbarschaft und Ansprechperson             Heft bilden die Resultate von zwei ak-
der hilfreichen Generalistin, die sich       In ihrem Fokus stehen die Etablierung von    tuellen Forschungsprojekten:
um Haus und Bewohnerschaft kümmert,          unterstützenden Nachbarschaftsnetzwer-
wird von allen verstanden – jedoch un-       ken sowie der Aufbau persönlicher An-        Im Projekt «Zuhause alt werden – Her-
terschiedlich interpretiert. Ein Blick in    laufstellen vor Ort. Die beiden Mass-        ausforderungen und Potenziale an der
die Praxis zeigt eine Vielfalt von Kon-      nahmen werden oft miteinander ver-           Schnittstelle von Wohnungsbewirtschaf-
zepten und Umsetzungen.                      knüpft. Unterschiede zeigen sich in der      tung und Bewohnerschaft» beschäftig-
                                             Ausgestaltung und Organisation der An-       te sich das ETH Wohnforum mit den
Dass selbstständiges Wohnen bis ins          gebote. Solchen Alterswohnmodellen,          Rollen, Optionen und Dienstleistungs-
hohe Alter möglich ist, ist sowohl der       die der Bewohnerschaft eine Kontaktper-      angeboten, welche die Immobilienbe-
Wunsch der einzelnen Bürger wie auch         son vor Ort zur Verfügung stellen, widmet    wirtschaftung im Umgang mit ihrer äl-
der Wunsch von Gesellschaft und Politik.     sich das vorliegende Age-Dossier.            teren Mieterschaft entwickeln kann.
Die Rahmenbedingungen, um diesen                                                          Das Modell der Kontaktperson vor Ort
Wunsch wahr werden zu lassen, scheinen       Fokus auf Projektbeispiele                   gehörte ebenfalls zu den in der Studie
immer besser zu werden: Es entstehen         Das Heft zeigt anhand von ausgewählten       eruierten Massnahmen.
mehr hindernisfreie Wohnungen, Ange-         Projektbeispielen die Bandbreite der Ge-     Mehr dazu auf Seite 15.
bote der zugehenden Pflege und Haus-         staltungsmöglichkeiten auf, die sich Pla-
haltshilfe werden ausgebaut, und tech-       nern und Trägerschaften grosser wie klei-    Das Projekt «Berufsfeld Community –
nisch     gestützte  Sicherheits-  und       ner Alterswohnprojekte bieten, wenn sie      Lernen durch Explorieren und Vernet-
Notrufsysteme werden smart und mobil.        ein Wohnangebot mit Kontaktperson vor        zen» (Titel der Abschlusspublikation:
                                             Ort entwickeln wollen. Vor allem aber soll   «Nachbarschaften als Beruf: Stellen
Andere Träger, andere Angebote               der Blick in die Praxis die Vorstellungen    konzipieren, einführen und entwi-
Die Angebotsvielfalt ist beachtlich, auf     über die Arbeitsweise und das Potenzial      ckeln») am Institut für Soziale Arbeit
die ältere Menschen heute zurückgreifen      von Kontaktpersonen in Alterssiedlungen      und Räume der FHS St.Gallen (IFSAR-
können, um weiterhin im Privathaushalt       konkretisieren. Als Basis dafür dienten      FHS) befasst sich mit nachbarschafts-
leben zu können. Oft sind es Pflegeinsti-    Projektberichte sowie Gespräche mit den      orientierter Arbeit in der Deutsch-
tutionen, die neben dem stationären Pfle-    Projektverantwortlichen, mit den Kon-        schweiz. Dazu wird bspw. auch das
geangebot auch betreute Wohnungen            taktpersonen selbst sowie mit weiteren       Engagement der in diesem Heft the-
vermieten. Dort bieten sie ambulante         Fachexperten. Sie alle gaben grosszügig      matisierten Anlaufstellen in Alters-
pflegerische oder hauswirtschaftliche Hil-   Auskunft über ihre Projekterfahrungen        wohnsiedlungen gezählt. Es gehören
fe an und koordinieren weitere Unterstüt-    bzw. Forschungsergebnisse.                   aber auch andere Stellenprofile dazu,
zung für die Bewohnerinnen und Bewoh-                                                     bei denen es im weitesten Sinne um
ner. Dafür kann auf die Heiminfrastruktur    Abgrenzung und Vergleich                     die Gestaltung des Zusammenlebens
sowie auf personelle Ressourcen und pro-     Obwohl Kontaktpersonen vor Ort auch in       sowie die Alltagsunterstützung ver-
fessionelle Kompetenzen des Heimbe-          Generationensiedlungen eingesetzt wer-       schiedener Bewohnergruppen in Sied-
triebs zurückgegriffen werden. Diese         den, liegt hier unser Fokus auf Wohnan-      lungen, Quartieren oder Gemeinden
Form des betreuten Wohnens haben wir         geboten, die sich explizit an ältere Men-    geht. Im Projekt wurden die Arbeits-
im Age-Dossier 2016 als «betreute Woh-       schen richten. Dabei stehen Projekte im      kontexte von Fachpersonen, die solche
nungen mit Heimvorteil» bezeichnet und       Vordergrund, in denen die Träger- bzw.       Stellen innehaben, untersucht, Heraus-
vertieft untersucht.                         Vermieterorganisation kein Heim ist und      forderungen dieser Arbeitsstelle identi-
                                                                                                                  42%    53%
                                             deren Gebäude nicht Teil eines Heim-         fiziert und daraus Hinweise     für die
                                                                                                                  32%    28%
Wohnbauträger und Siedlungsbetreiber         komplexes sind. Das Heft beschreibt und      erfolgreiche Konzeption, Einführung
                                                                                                                  4%     1%
ohne unmittelbare Nähe zu Pflegeinstitu-     vergleicht die ausgewählten Projektbei-      und Entwicklung solcher Stellenkon-
tionen können keine solchen Synergien        spiele. Sie werden aber weder gegenein-      zepte abgeleitet.       22%    18%
nutzen, um ihre ältere Bewohnerschaft im     ander aufgewogen noch bewertet.              Mehr dazu auf Seite 62.
Wohnalltag zu begleiten. Sie haben des-      _

4
Age-Dossier Kontaktperson vor Ort - Age-Stiftung
Was macht eine
Kontaktperson vor Ort

                                                                                                                   Angebot
                                                         en
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Age-Dossier Kontaktperson vor Ort - Age-Stiftung
Zwischen Gemein-
          schaftsförderung und
          individueller Hilfe
Angebot

              Die Bandbreite der Angebote, die durch Kontaktper-
              sonen vor Ort abgedeckt werden, reicht von gemein-
              schaftsfördernden Aufgaben bis hin zu individuellen
              Unterstützungsleistungen. Trotz unterschiedlicher
              Schwerpunkte teilen alle ein ressourcenorientiertes
              Altersbild und das Ziel der Hilfe zur Selbsthilfe.

          PRÄSENZ VOR ORT                                                    gen. Gemeinsame Aktivitäten in gemeinschaftlich genutzten
                                                                             Räumlichkeiten sind dabei das bevorzugte Mittel.
          Der gemeinsame Kern der hier besprochenen Wohnmodelle ist
          die Anwesenheit einer Kontaktperson vor Ort. Dauer (→ S. 17 f.),   Beteiligung und Aneignung gemeinschaftlicher Zonen
          Ort (→ S. 38 f.), und Charakter des Kontaktangebots können         Eine kontaktfördernde Bauweise und Infrastruktur bilden für
          unterschiedlich gestaltet werden. Sei es ein sozialkompetenter     die Bewohnerschaft von Haus oder Siedlung eine wichtige
          Hauswart mit Dienstwohnung, eine Pflegefachfrau mit Sied-          Grundlage für nachbarschaftliche Vernetzung. Die Kontaktper-
          lungsbüro oder eine Receptionistin mit administrativen Aufga-      son vor Ort ist deshalb meist für die Bespielung, die Koordinati-
          ben – ihre zentralen Aufgaben lassen sich grundsätzlich in zwei    on und den Unterhalt dieser Räume zuständig. Durch die Ein-
          Bereichen verorten, die sich nicht scharf voneinander abgren-      bindung der Bewohnerinnen und Bewohner in diese Aufgaben
          zen lassen: In der Stärkung des Nachbarschaftsnetzwerks ei-        fördert sie die Aneignung der gemeinschaftlichen Zonen durch
          nerseits und in der individuellen Unterstützung im Wohnalltag      die Bewohnerschaft (→ S 48 f.).
          andererseits. In welchem Bereich die Prioritäten gesetzt wer-
          den, hängt nicht zuletzt von der Bewohnerstruktur und dem          Selbstorganisation als Ziel
          Profil der Kontaktperson vor Ort ab (→ S. 22 ff.).                 Viele Projekte verfolgen mittelfristig das Ziel eines selbstorga-
                                                                             nisierten Nachbarschaftsnetzwerks, womit ein partieller Rück-
          UNTERSTÜTZUNG DER GEMEINSCHAFT                                     zug der Kontaktperson aus diesem Betätigungsfeld verbunden
                                                                             ist. Dass die Bewohnenden motiviert werden, ihre eigenen Res-
          Akzentuierter als die Anbieter von betreuten Wohnungen mit         sourcen einzubringen, ist eine wichtige Grundlage für die Selb-
          Heimbezug setzen Wohnbauträger mit einer Kontaktperson vor         storganisation.
          Ort auf die Nachbarschaftshilfe, um ein möglichst langes Ver-
          bleiben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen.                 INDIVIDUELLE UNTERSTÜTZUNG

          Netzwerkförderung und Nachbarschaftshilfe                          Sicherheit
          Gegenseitige und unkomplizierte Unterstützung unter den Be-        Das Sicherheitsbedürfnis gehört im Alter mit zu den Haupt-
          wohnerinnen und Bewohnern soll dazu beitragen, die selbst-         gründen für den Umzug in eine neue Wohnung. Sicherheit be-
          ständige Haushaltsführung zu stützen und gleichzeitig Verein-      deutet dabei mehr als ein Notrufknopf mit 24-h-Bereitschaft.
          samung und Isolation zu verhindern. Die Ansprechperson vor         Zur Sicherheit im Wohnalltag gehört eine Ansprechperson, an
          Ort hat die Aufgabe, die nachbarschaftlichen Netzwerke aktiv       die man sich wenden kann oder die von sich aus bemerkt,
          zu knüpfen und die Hausgemeinschaft moderierend zu festi-          wenn man sich unwohl fühlt, - sei es aus physischen oder ande-

          6
Age-Dossier Kontaktperson vor Ort - Age-Stiftung
Angebot
ren Gründen. Ebenso braucht es die Gewissheit, dass sich je-          Kommunikationsschnittstelle zu Nachbarn und Verwaltung
mand um die Wohnung und um die Kommunikation mit den                  Da sich durch die Anwesenheit vor Ort in der Regel ein Ver-
Nachbarn kümmert, falls Unvorhergesehenes wie eine Hospita-           trauensverhältnis zur Kontaktperson entwickelt, stellt sie eine
lisierung eintrifft. Solche und ähnliche Sicherheitsbedürfnisse       wichtige Kommunikationsschnittstelle zwischen Bewohnerin-
kann eine Kontaktperson vor Ort abdecken und und diese ge-            nen bzw. Bewohnern und der Verwaltung bzw. Trägerschaft
hören in der Regel zu deren Kernaufgaben (→ S. 55 f.).                dar. Aber auch zwischen den Nachbarn nimmt sie eine mode-
                                                                      rierende Schnittstellenfunktion ein (→ S. 49).
Beratung, Vermittlung, Organisation
Die Kontaktperson vor Ort bietet in erster Linie Unterstützung        Betreuung und Pflege?
bei der Organisation des Wohnalltags, wofür sie vor allem die         In der Regel gehören regelmässige Betreuung und Pflege in der
Nachbarschaftshilfe fördert und aktiviert, gegebenenfalls aber        Wohnung explizit nicht zum Aufgabenbereich der Kontaktper-
auch die Vernetzung mit externen Dienstleistern und Fachstel-         son. Jedoch kann sie je nach Kompetenzprofil nach einem Spi-
len. Auf konzeptueller Ebene können diesbezüglich die Aufga-          talaufenhalt zur Überbrückungspflege bzw. -betreuung beitra-
ben der Kontaktperson vor Ort neben Information, Beratung             gen oder bei gesundheitlichen Fragestellungen eine Triage-
und Vermittlung auch Organisation und Koordination von Hil-           funktion übernehmen (→ S. 34 ff.).
feleistungen umfassen. In den vorliegenden Beispielen betrei-
ben die Kontaktpersonen jedoch nur in Ausnahmefällen und für          UNTERSCHIEDLICHE SCHWERPUNKTE
kurze Zeit ein solches «Case Management» (→ S. 58 f.).
                                                                      Viele der Projekte, die für dieses Heft untersucht wurden, wei-
Handreichungen                                                        sen konzeptionell ein ähnliches Aufgabenspektrum auf, das so-
Zum niederschwelligen Kontaktangebot gehören meist auch               wohl auf die Unterstützung der Gemeinschaft als auch auf die
sogenannte «Handreichungen». Darunter werden punktuelle               der einzelnen Bewohnenden abzielt. Dabei greifen die Aufga-
Hilfeleistungen verstanden, die auch in der Wohnung erbracht          ben oft ineinander und die Grenzen sind fliessend. Offen defi-
werden können. Dabei kann es sich um Technik, Administration          nierte Profile lassen vieles zu, im Alltag lassen sich aber meist
oder Haushaltsdinge handeln. Regelmässige oder mehr als               Schwerpunkte in der Tätigkeit der Kontaktpersonen feststellen,
kurzfristige Unterstützung gehört nicht dazu. Art und Umfang          die sich von Projekt zu Projekt unterscheiden.
solcher Handreichungen sowie deren Entgelt werden nicht               _
überall vertraglich und reglementarisch geregelt, sondern offen
gelassen (→ S. 57).

Soziale Anlaufstelle
Eine der wichtigsten Aufgaben aller Kontaktpersonen vor Ort
ist die Funktion als soziale Anlaufstelle. Anders als bei einer Be-
ratung geht es hier nicht darum, Probleme zu lösen und Situati-
onen konkret zu meistern. Es wird stattdessen eine informelle
Kontaktmöglichkeit angeboten, bei der man spontan Sorgen
und Freude platzieren kann, die einen beschäftigen. Dieses
«Gspröchle» bedeutet, wahrgenommen zu werden. Die Funk-
tion als soziale Anlaufstelle erfordert eine nicht zu knapp
bemessene Präsenzzeit vor Ort, da sie die niederschwellige
Möglichkeit spontaner Begegnungen voraussetzt (→ S. 59).

                                                                                                                                        7
Age-Dossier Kontaktperson vor Ort - Age-Stiftung
Ist das «betreutes
          Wohnen»?
Angebot

              Ob ein Wohnmodell, das eine Kontaktperson vor Ort
              zur Verfügung stellt, zum betreuten Wohnen gezählt
              wird, ist eine Frage der Perspektive. Die Antwort wird
              dann relevant, wenn es um Finanzierungsmöglichkei-
              ten für diese Dienstleistung geht.

          Die Wohnmodelle mit Kontaktperson vor        empfunden, denn wer betreut wird, kann          lich sind diesbezüglich die gesetzlichen
          Ort sind Wohnformen für weitgehend           anscheinend nicht mehr für sich selbst          Grundlagen der Kantone (vgl. Age-Dos-
          selbstständige Personen. Ausser den          sorgen. Ein Wohnmodell, das zwar eine           sier 2016, 11 f.). In einigen Kantonen wer-
          Dienstleistungen der Kontaktperson sind      Kontaktperson vor Ort anbietet, sich je-        den speziell Heime als Trägerschaft für
          kaum weitere Services im Grundpreis          doch ausdrücklich an den Ressourcen und         betreute Wohnungen benannt, anderswo
          (Pauschale oder Miete) eingeschlossen.       der Selbstverantwortung der Hausgemein-         werden spezielle Bedingungen an das An-
          Wer zusätzliche oder regelmässige Unter-     schaft orientiert, könnte dadurch seine         gebot des betreuten Wohnens geknüpft
          stützung benötigt, organisiert das sepa-     Zielgruppe verfehlen. Im Gegenzug könn-         (bspw. Wohnungsgrösse oder Ausgestal-
          rat. Dabei herrscht grundsätzlich Wahl-      te der Begriff «betreutes Wohnen» even-         tung des Grundangebots). Solche Anfor-
          freiheit, auch wenn die Betreiberorga-       tuell zu hohe Erwartungen an die Betreu-        derungen werden zunehmend wichtig,
          nisation selbst entsprechende Dienstleis-    ungsintensität durch die Kontaktperson          wenn es darum geht, dass Bewohnerin-
          tungen anbietet. In den Projektbeispielen    vor Ort wecken (siehe dazu Age-Dossier          nen und Bewohner für die Mehrkosten
          ist die Nachfrage nach zusätzlichen          2016, S. 5 ff.). Es ist bezeichnend, dass die   der betreuten Wohnung Ergänzungsleis-
          Dienstleistungen generell niedrig. Die Be-   meisten Kontaktpersonen in den Projekt-         tungen beziehen können. Im Kanton
          wohnerinnen und Bewohner führen ihre         beispielen den Begriff «Betreuerin» für         Graubünden bspw. ist das dann möglich,
          Haushalte sehr autonom. Brauchen sie         ihre Rolle im Haus ungeeignet finden.           wenn die Anbieterorganisation über eine
          Hilfe, dann ziehen sie Angehörige und –                                                      entsprechende Anerkennung des Kan-
          bezeichnend für diese Projekte – auch        Irène Kühne, Kontaktperson (1)                  tons verfügt. Dafür müssen die Wohnun-
          Nachbarn bei. Dennoch: Die Möglichkeit,                                                      gen hindernisfrei gebaut sein, und es
                                                       «Betreuerin» ist missver-
          bei Bedarf leicht auf professionelle Hilfe                                                   muss eine Grundbetreuung mit einer täg-
          zugreifen zu können, vermittelt den Be-      ständlich. Beraterin oder                       lich anwesenden Betreuungsperson so-
          wohnenden ein Gefühl der Sicherheit.         Motivatorin umschreibt mein                     wie mit einem Bereitschaftsdienst vor-
                                                                                                       handen sein.
                                                       Wirken besser.
          Ein schwieriger Begriff
          Die Frage, ob es sich bei einem Wohnan-                                                      Vier Kategorien
          gebot mit einer Kontaktperson vor Ort um     Uneinheitliche Ansprüche                        In einer neueren Studie zur Definition von
          betreutes Wohnen handelt, stellt sich oft    In den letzten Jahren gab es immer wie-         betreutem Wohnen, durchgeführt durch
          schon bei der Benennung des Projekts.        der Versuche, den Begriff «betreutes            Dr. Lorenz Imhof im Auftrag von CURAVI-
          Viele assoziieren «betreutes Wohnen» mit     Wohnen» zu definieren. Einig ist man            VA Schweiz, senesuisse, Pro Senectute
          einem Angebot für Personen mit erhöh-        sich, dass das Angebot altersgerechter          Schweiz und Spitex Schweiz, wird betreu-
          tem und anhaltendem Pflege- und Betreu-      oder hindernisfreier Wohnungen allein           tes Wohnen in vier Kategorien (A bis D)
          ungsbedarf. Nennt sich das Wohnange-         nicht genügt. Beim betreuten Wohnen ist         ausdifferenziert. Sie unterscheiden sich
          bot «betreutes Wohnen», kann sich das in     die Wohnung stets mit einem Dienstleis-         bei den Unterstützungsleistungen basie-
          zweierlei Hinsicht als problematisch er-     tungsangebot verknüpft. Bei den meisten         rend auf drei Kriterien: Erstens bezüglich
          weisen. Einerseits wird das Wohnen in ei-    anderen definitorischen Aspekten sind           der Kontaktmöglichkeiten mit Fachperso-
          ner «betreuten Wohnung» von vielen älte-     die Meinungen jedoch vielfältig und teil-       nen und deren zeitlicher Präsenz. Dieses
          ren Menschen als stigmatisierend             weise widersprüchlich. Ebenso uneinheit-        Kriterium wird als das wichtigste Kriteri-

          8
Download der Studie «Betreutes Wohnen
                                                                                               in der Schweiz – Grundlagen eines
                                                                                               Modells» (Imhof & Mahrer Imhof 2018)

                                                                                               ns-c.ch/publikationen/schlussberichte

                                                                                                                                             Angebot
um für Bewohnende bezeichnet (Imhof          Rechnung, dass betreutes Wohnen der             und eigenverantwortlichen Haushalts.
2019, S. 19). Zweitens bezüglich der fach-   Kategorie D «ein Angebot sozialer Kon-          Viele lehnen deshalb den Begriff «betreu-
lichen Qualifikation der Leistungserbrin-    taktmöglichkeiten im Haus und in der            tes Wohnen» für ihre Wohnsituation ab.
ger und drittens bezüglich Planung, Do-      Umgebung (z.B. Begegnungsorte, Senio-
kumentation und Evaluation der Leis-         rentreffen etc.) plant», und in vielen Fällen   Margrit Massmann, Kontaktperson (8)
tungen.                                      steht «für die Sicherheit ein Notfalltelefon
                                                                                             Eine Frau meinte resolut: Ich
                                             oder ein Notfallknopf mit einer 24-h-Er-
Im Kern betreutes Wohnen                     reichbarkeit zur Verfügung» (Imhof 2019).       bin doch keine «Bewohnerin»,
Gemäss dieser Typologie entsprechen ei-      Die Kategorie C stellt bereits höhere An-       ich bin Mieterin!
nige Beispiele für Wohnangebote mit          forderungen an die pflegefachliche Quali-
Kontaktperson vor Ort dem betreuten          fikation, Dokumentation und Präsenz. An-        Erika Vögeli, Kontaktperson (7)
Wohnen der Kategorie D. Von den vier         bieter betreuten Wohnens in den Ka-
                                                                                             Es sind Mieter. Man muss sie
Kategorien hat sie das «kleinste» Leis-      tegorien B und A müssen die meisten
tungsangebot: Sie unterstützt Bewohnen-      Dienstleistungen eigenständig erbringen         nicht bevormunden.
de in Aktivitäten des täglichen Lebens,      können, wofür meist eine enge, bzw. sehr
wozu laut Studie «mindestens die Unter-      enge Heimanbindung nötig ist. Das Defi-         Anpassungsfähigkeit als Vorteil
stützung bei Haushaltsarbeiten (Reini-       nitionsmodell soll an dieser Stelle nicht       Die Frage, ob es sinnvoll ist, sich bei der
gung, Wäsche), beim Kochen/Einkaufen         näher diskutiert werden. Es weist jedoch        Entwicklung solcher Wohnangebote an
oder Hilfe in Form eines Mahlzeitendiens-    darauf hin, dass mit einer Kontaktperson        (zukünftigen) Erfordernissen für behörd-
tes/Restaurants gehört», allenfalls auch     vor Ort, welche in den im vorangehenden         lich anerkanntes betreutes Wohnen zu
«Unterstützung bei administrativen Auf-      Kapitel beschriebenen Aufgabenfeldern           orientieren, ist berechtigt. Es ist ein Merk-
gaben (Umgang mit Behörden, Versiche-        aktiv ist, grundsätzlich das Kernelement        mal und auch ein Vorteil der Wohnmodel-
rungen), Unterstützung in finanziellen       des betreuten Wohnens gegeben ist.              le mit Kontaktperson vor Ort, dass der
Fragen (Zahlungen tätigen, Steuererklä-                                                      Katalog der pauschal verrechneten Grund-
rungen ausfüllen) und in Fragen der Le-      Ursula Hänni, Kontaktperson (5)                 leistungen schmal und meist günstig ist.
bensgestaltung (soziale Angebote, Be-                                                        Die Kontaktpersonen geniessen hohe Ge-
                                             Es hat auch mit der Psycho-
gleitung, Transport)». In der Kategorie                                                      staltungsfreiheit (→ S 46) und passen das
des D werden Leistungen als Kundenauf-       hygiene der Mieter zu tun. Sie                  Angebot idealerweise der sich wandeln-
trag erledigt, was für die hier besproche-   mieten eine Wohnung, sie                        den Nachfrage an. Wird spezielle Fach-
nen Wohnangebote typisch ist. Oft steht                                                      kompetenz benötigt, wird diese mittels
                                             gehen nicht ins Altersheim.
die Kontaktperson vor Ort als «persönli-                                                     Vernetzung mit lokalen Dienstleistern zu-
cher Kontakt (während mind. 3 Stunden                                                        gänglich gemacht. Sind die Wohnungen
pro Woche)» für die Auftragserteilung zur    Unabhängig von Definition und Abstu-            selbst günstig, entsteht so ein bedarfsge-
Verfügung, während mit der Durchfüh-         fung: In den Projektbeispielen ist das          rechtes Angebot, das sich Personen mit
rung der Unterstützungsleistungen Dritte     Selbstverständnis sowohl der Verant-            wenig Einkommen auch ohne zusätzliche
beauftragt werden. Die Beispiele in die-     wortlichen als auch der Bewohnerinnen           Ergänzungsleistungen leisten können.
sem Heft tragen im Kern dem Erfordernis      und Bewohner das des selbstständigen            –

                                                                                                                                       9
Zielgruppe und
          Einzugsmotive
Angebot

              Damit Alltagsunterstützung und Gemeinschaftsmode-
              ration greifen können, muss sich das Wohnangebot
              mit Kontaktperson vor Ort an eine Zielgruppe wenden,
              die ein Bedürfnis danach hat – und auch bereit ist,
              dafür zu bezahlen. Gleichzeitig bauen solche Wohn-
              modelle auf die eigenen Ressourcen der Bewohner-
              schaft. Ein Widerspruch?

          Die Mehrheit der in diesem Heft begut-        Konzept mit seinem Gemeinschaftsfokus        Ursula Hänni, Kontaktperson (5)
          achteten Wohnprojekte verfolgt dieselbe       für einige Mieterinnen und Mieter rück-      Die Leute ziehen nicht be-
          ideelle Zielsetzung: Die alternden Men-       blickend durchaus eine Rolle für den Ein-
          schen sollen möglichst lange ihre Selbst-     zugsentscheid spielte. Ausschlaggebend       wusst in eine Hausgemein-
          ständigkeit bewahren und nicht vereinsa-      waren dennoch meist Lage und Ausbau          schaft ein. Sie realisieren das
          men. Um dies zu erreichen, bauen die          der Wohnungen (Dokumentation 3, S.           erst mit der Zeit und möchten
          Projekte auf die gemeinsamen Kompe-           36). Das deckt sich mit den Vorlieben und
          tenzen und Fähigkeiten der älteren Men-       Prioritäten, die ältere Personen allgemein   die Gemeinschaft dann nicht
          schen. Mit Unterstützung der Kontaktper-      bei der Wohnungswahl setzen. Doch sind       mehr missen.
          son vor Ort soll für sie ein Wohnumfeld       die Mieterinnen und Mieter bereit, die
          geschaffen werden, das ihnen die best-        Kontaktperson vor Ort zu finanzieren
          möglichen Bedingungen zur Entfaltung          (bspw. über einen obligatorischen Pau-       Nachbarschaft ohne Überforderung
          der eigenen und gemeinsamen Ressour-          schalbetrag, → Abb. S. 60), und auch         Auch wenn allgemein ein Bedürfnis nach
          cen bietet. Dabei stützen sie sich auf zwei   nach dem Einzug stellen sie die Kosten       guten Nachbarschaftsbeziehungen be-
          konzeptionelle Säulen: Unabhängigkeit         dafür kaum in Frage. Das zeugt zumindest     steht (→ S. 11), kann eine konzeptuell
          dank Gemeinschaft sowie Unabhängig-           davon, dass sie das Konzept für sinnvoll     hohe Erwartung bezüglich gegenseitiger
          keit dank Sicherheit.                         halten.                                      Unterstützung und gemeinschaftlicher
                                                                                                     Aktivitäten den Einzugsentscheid auch
          Betriebskonzept (16)                          Astrid Jäggi-Schmid, Kontaktperson (3)       hemmen. Jüngere befürchten, dass die
                                                                                                     Unabhängigkeit und die Freiheit ihres frü-
          Der Mensch, auch wenn er                      Einige hielten ein Kontakt-
                                                                                                     hen Rentenalters durch regelmässige
          älter wird, ist wandlungs- und                team für überflüssig und                     nachbarschaftliche Verpflichtungen be-
          entwicklungsfähig.                            sagten deswegen ab. Andere                   einträchtigt werden könnten. Ältere sor-
                                                                                                     gen sich, dass aus dem Gemeinschafts-
                                                        sind genau deswegen einge-
                                                                                                     konzept regelmässige Verpflichtungen
          GEMEINSCHAFT ALS EINZUGSMOTIV?                zogen.                                       erwachsen könnten, die ihre Kräfte über-
                                                                                                     steigen. Gegenüber diesen Bedenken zei-
          Da die Nachbarschaftshilfe in den meis-                                                    gen sich die Vorteile einer Kontaktperson
                                                        Albin Marty, Stiftungsratspräsident (16)     vor Ort, welche bei Bedarf Verantwortung
          ten der Projektbeispielen als Basis für
          Selbstständigkeit im Alter gilt, ist in den   Unser Konzept hat viele                      übernimmt, unterstützend einspringt, Lö-
          Konzepten oft von der «Hausgemein-            überzeugt. Für andere waren                  sungen organisiert und die Nachbarschaft
          schaft» die Rede. Damit ist nicht eine                                                     moderiert. Damit spricht das Wohnmo-
          selbstverwaltete Hausgemeinschaft im          beim Einzug lediglich die                    dell mit Kontaktperson vor Ort jene Per-
          Rahmen des gemeinschaftlichen Woh-            Lage und der Ausbaustandard                  sonen an, die eine Nachbarschaft schät-
          nens gemeint, sondern ein dichtes Netz-       ausschlaggebend.                             zen, in der man sich umeinander kümmert,
          werk nachbarschaftlicher Beziehungen.                                                      sich im Haus engagiert und auch sozial in
          Bewohnerbefragungen zeigen, dass das                                                       engerem Kontakt zueinander steht, je-

          10
Zukünftige private Wohnmöglichkeiten -
  Beurteilung durch zuhause lebende Befragte 65+ (Schweiz, 2018)
  Frage: «Welche Wohnmöglichkeiten könnten Sie sich in Zukunft für sich vorstellen.
  Ich meine, was käme für Sie da alles in Betracht (einmal abgesehen von den Kosten)?
  Wie könnten Sie wohnen?»

  Projektnummer                                                                       CH
  In einem Haus, in dem die Nachbarn eine gute Nachbarschaft pflegen                  67%
  In einem Haus mit verschiedenen Generationen                                        54%
  In einer Wohnung, in der man eine Ansprechperson hat, wenn man Hilfe                31%

                                                                                                                                                Angebot
  braucht (Alterswohnung)
  In einer kleineren Wohnung                                                          25%
  In einem Haus, in dem die Bewohner für das Haus verantwortlich sind                 24%
  (Hausgemeinschaft)
  In einer ruhigeren Wohnung                                                          19%
  In einem Haus, in dem nur ältere Menschen leben                                     12%
  In einer Wohnung, in der noch andere Leute leben (Wohngemeinschaft)                 10%
  In einer grösseren Wohnung                                                          10%
  Als UntermieterIn bei jemandem in der Wohnung                                       5%

Quelle: Age Report IV
Download unter age-report.ch

doch ohne in langfristige oder überfor-             Eine andere Art der Sicherheit                 Angehörigen fast wichtiger
dernde Verpflichtungen oder Verantwor-              Was die Kontaktpersonen vor Ort selbst         als für den neuen Mieter, der
tungen gedrängt zu werden. Die Kon-                 bieten, ist jedoch nicht in erster Linie die
                                                                                                   noch viel Vertrauen in seine
taktperson vor Ort fördert das erste und            Sicherheit im Notfall. Vielmehr sichern sie
verhindert das zweite.                              die selbstständige Haushaltsführung ab.        Selbstständigkeit hat.
                                                    Ihre Rolle entspricht der eines Freundes,
Betreuungskonzept WGOS (8)                          der in der Nähe wohnt, der nachfragt,          Kein Widerspruch
                                                    wenn man länger nichts von sich hören          Zur Zielgruppe von Wohnmodellen mit
Du hast keine dauerhafte
                                                    lässt, bei dem man «schnell» einen Rat         einer Kontaktperson vor Ort gehören äl-
Verpflichtung, gib die Aufga-                       einholen kann, wenn man verunsichert           tere Menschen, die den Wert eines acht-
be an die Begleitperson zu-                         ist, oder der «kurz vorbeikommt», damit        samen und hilfsbereiten sozialen Woh-
                                                    man nicht selbst auf die Trittleiter steigen   numfelds durchaus zu schätzen wissen
rück.
                                                    muss (→ 56 f.).                                und auch bereit sind, ihren Teil dazu bei-
                                                                                                   zusteuern. Gleichzeitig sind für sie Auto-
SICHERHEIT ALS EINZUGSMOTIV?                        Selbstständigkeit absichern                    nomie und Unabhängigkeit ein hohes Gut,
                                                    Mit den meist optionalen Notrufsystemen        das es unbedingt zu bewahren gilt. Die
Im Alter spielt Sicherheit im Wohnalltag            und einer Kontaktperson vor Ort, die (nur)     Projekte zeigen, dass zu dieser Zielgrup-
eine wichtige Rolle. Dieser Aspekt wird             zur punktuellen Unterstützung vorgese-         pe durchaus auch Personen gehören, die
oft mit Notruftechnologien abgedeckt.               hen ist, spricht dieses Wohnmodell noch        mit körperlichen Einschränkungen oder
Auch bei Wohnmodellen mit einer Kon-                sehr autonom haushaltende Senioren an.         chronischen Krankheiten selbstständig
taktperson vor Ort gibt es Gebäude, in              Diese Zielgruppe verfügt über ein ent-         leben wollen und können. Autonomie und
denen Notruf- und Sensortechnologien                sprechendes Selbstbild. Es ist deshalb         Unterstützung sind kein Widerspruch,
eingebaut sind, die unter anderem durch             nicht selten, dass sich – mehr noch als die    wenn die selbstständige Haushaltsfüh-
Kontaktpersonen bedient und gewartet                potenziellen Mieterinnen und Mieter –          rung flankierend bzw. assistierend unter-
werden (bspw. 5, 12, 15). Alternativ dazu           selbst deren Angehörige vom Konzept            stützt wird.
bieten andere Beratung und Support bei              mit der absichernden Kontaktperson vor
der Beschaffung und Installation gebäu-             Ort angesprochen fühlen. Eine achtsame         Frühe Kontaktaufnahme
deunabhängiger Notrufsysteme (bspw.                 Person vor Ort vermittelt den (oft am Ent-     Anfängliche Skepsis, die nach dem Ein-
«Rotkreuzuhr»). Bei den meisten ist der             scheid beteiligten) Angehörigen eine           zug sehr schnell abgelegt wird, ist in der
Notruf jedoch nicht Teil der Grunddienst-           hohe Sicherheit und entlastet sie in ihrer     Zielgruppe des Wohnmodells mit Kon-
leistung. Einige Projekte verfügen über             spezifischen Unterstützungsfunktion.           taktperson vor Ort nicht selten. Hilfreich
einen eingemieteten Spitex-Stützpunkt                                                              ist es deshalb, dass die Kontaktperson im
oder eine integrierte Pflegewohngruppe              Ursula Hänni, Kontaktperson (5)                Vermietungsprozess – auch bei der Erst-
(→ Abb. S. 56). Auch sie können Sicher-                                                            vermietung – aktiv präsent ist. So kann
                                                    Die Anwesenheit einer Kon-
heit vermitteln – aber auch falsche Erwar-                                                         die persönliche Passung geprüft werden
tungen ans Personal wecken (→ S. 55 f.).            taktperson vor Ort ist für die                 (→ Abb. S. 47). Bei Neuvermietungen

                                                                                                                                          11
1                                                                          2
           Beispielprojekte:                                                          Beispielprojekte:
           Einpersonen- und Paarhaushalte                                             Alter der Bewohnerschaft
           Projektnummer            0%      25 %       50 %        75 %    100 %      Projektnummer             0%      25 %     50 %      75 %    100 %
           (Umschlagklappe)                                                           (Umschlagklappe)
                                1                                                                           1

                                2                                                                           2
Angebot

                                3                                                                           3
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                nur Mietwohnungen                                                         nur Mietwohnungen

                               4                                                                            4

                               5                                                                            5

                               6                                                                            6

                                7                                                                           7

                               8                                                                            8
                                     Einzelpersonenhaushalt                                                      80 und älter
                                     Paarhaushalt                                                                unter 80
                                     Andere

          wird zudem den zukünftigen Nachbarn in              zungen. An Personen mit einer demenzi-
          der Siedlung grosse Überzeugungskraft               ellen Erkrankung oder einem hohen
          beigemessen – sie bieten potenziellen               Pflegebedarf wird nicht neu vermietet.
          Mieterinnen und Mietern eine Projekti-              Hat jemand eine körperliche Einschrän-
          onsfläche und repräsentieren das so                 kung oder einen Beistand, ist das dage-
          wichtige nahe Wohnumfeld.                           gen kein Hinderungsgrund. Auch ein sehr
                                                              hohes Alter stellt in den Projektbeispielen
          Ursula Hänni, Kontaktperson Person (5)              keine Schranke für eine Neuvermietung
          Die Interessenten sehen, wie                        dar, weshalb die Altersspanne der Be-
                                                              wohnerschaft oft zwei Generationen um-
          die Mieter und wir miteinan-                        fasst.
          der umgehen, und können
          entscheiden, ob sie das für                         Irène Kühne, Kontaktperson (1)

          sich auch wollen oder nicht.                        Im Mai ist eine Frau einge-
                                                              zogen, die gerade hundert
          In verschiedenen Projektbeispielen war              geworden ist.                                     Ein Wohnmodell für Alleinstehende?
          es hilfreich, dass die Kontaktperson schon          _                                                 Zusätzliche Sicherheit und soziale
          ein Jahr vor Bezug angestellt oder ander-                                                             Kontakte sind Aspekte, die auf den ers-
          weitig in den Erstvermietungsprozess in-                                                              ten Blick vor allem Alleinstehende an-
          volviert wurde. Dies ermöglichte es ihr,                                                              sprechen. In den Projektbeispielen
          die Erstbezüger beim oft tief greifenden                                                              nutzen Paarhaushalte vor allem die
          und anstrengenden Umzugsprozess zu                                                                    Notrufsysteme weniger (1, 12) und klei-
          begleiten. Die organisatorische und emo-                                                              nere Wohnungen konnten wesentlich
          tionale Unterstützung durch die Kontakt-                                                              leichter vermietet werden als grosse
          person schuf schon vor dem Einzug die                                                                 (3). Doch denken Ehepaare, welche im
          grundlegende Vertrauensbasis.                                                                         Alter die Wohnung wechseln, an ihre
                                                                                                                Zukunft. Die Pflege des Ehepartners
          Einzugskriterien                                                                                      oder Verwitwung sind herausfordern-
          Auch von Vermieterseite werden Bedin-                                                                 de Szenarien, die in Wohnmodellen
          gungen für den Einzug gestellt. Überall                                                               mit einer Kontaktperson vor Ort und
          gehört ein gewisses Mass an Selbststän-                                                               einem guten Nachbarschaftsnetzwerk
          digkeit und Mobilität zu den Vorausset-                                                               abgefedert werden können.

          12
Wie organisieren?
                                   Wie finanzieren?

                                                                                       rt

                                                                                                                                 Organisation
                                                                                      O
                                                                               or
                                                                             tv
                         Ve

                                                                           ei
                            r   w

                                                                       rb
                                 al

                                                                     ra
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                                      ng

                                                                    rt
                                                                                                                        t
                                                                                                                   Or

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Betriebswirtschaftlich
               sinnvoll?

                  Das Wohnmodell mit einer Kontaktperson vor Ort hat
                  aus der sozialen und volkswirtschaftlichen Perspektive
Organisation

                  offensichtliche Vorteile. Die Selbstständigkeit in der
                  Haushaltsführung kann länger bewahrt und Isolation
                  verhindert werden. Für die öffentliche Hand bedeutet
                  das geringere Kosten, da Heimeintritte so seltener
                  oder zumindest später erfolgen. Doch sind solche
                  Wohnangebote auch betriebswirtschaftlich sinnvoll?

               Die hier vorgestellten Wohnmodelle wer-       nachbarschaftliche Zugewandtheit und        Durch die gute Beziehung zu den Bewoh-
               den in erster Linie durch Genossenschaf-      selbstbestimmte Privatsphäre verspricht.    nerinnen und Bewohnern sowie zu deren
               ten und Stiftungen angeboten. Sie haben                                                   Angehörigen ist die Kontaktperson früh
               sich entweder selbst das Ziel gesetzt,        Ursula Hänni, Kontaktperson (5)             über Veränderungen einer Wohnsituation
               Wohnungen fürs Alter anzubieten oder          Sie erleben uns schon in                    informiert. Sie kann ihr Netzwerk im Feld
               erfüllen entsprechende Auflagen der Ge-                                                   der Altersarbeit aktivieren, wodurch po-
               meinde bzw. eines Geld- oder Land-            unserer Rolle, bevor sie                    tenzielle Mieterinnen und Mieter einfa-
               gebers. Die meisten Projektbeispiele          einziehen. Dass sie uns nett                cher und mit genug Vorlaufzeit zu der frei
               verfügen über keine Defizitgarantie der       finden, trägt zum Einzugs-                  werdenden Wohnung finden. Auch dies
               öffentlichen Hand und ihr Angebot muss                                                    vermag längere Leerstände zu verhindern.
               betriebswirtschaftlichen Anforderungen        entscheid bei.
               entsprechen. Dennoch wurde die Kontakt-                                                   Ursula Hänni, Kontaktperson (5)
               person vor Ort nirgends aus betriebswirt-     Weniger Wechsel, weniger Leerstände         Alle in der Gegend, die mit
               schaftlichen Überlegungen heraus ein-         Die Kontaktperson vor Ort bietet speziell
               gesetzt. Geprüft wurde jedoch in allen        im Bereich Wohnen im Alter weitere          alten Menschen arbeiten,
               Fällen die wirtschaftliche Tragbarkeit des    betriebswirtschaftliche Vorteile. Wohnan-   wissen, was wir hier machen.
               Angebots, das in allen Projektbeispielen      gebote für die späte dritte und für die     Wir sind im Dorf gut vernetzt.
               auch nach längerer Betriebsdauer weiter-      vierte Lebensphase tragen vor allem aus-
               geführt wird.                                 serhalb urbaner Gebiete das Risiko von
                                                             längeren Leerständen. Das liegt nicht       Projektgrösse entscheidend?
               «Profil HauswartIn», GAW Linth 2018 (6, 7)    zuletzt daran, dass ältere Menschen –       Die zentrale Eigenschaft einer Kontakt-
               «Im Vordergrund steht die                     ausserhalb der Städte meistens Wohn-        person vor Ort ist, dass sie für die Bewoh-
                                                             eigentümer – viel Zeit für den Entscheid    nerschaft sichtbar und niederschwellig
               Optimierung des Nutzens für                   zum Umzug sowie für dessen Vorberei-        ansprechbar ist. Es ist klar, dass es günsti-
               die Bewohner, nicht nur der                   tung und Organisation benötigen. Das        ger ist, die Kosten für ihre Anwesenheits-
               Kosten.»                                      Problem verschärft sich, wenn die Woh-      zeit auf möglichst viele Parteien zu vertei-
                                                             nungen altersbedingt nur kurz bewohnt       len. In der Praxis zeigt sich, dass auch
                                                             werden. Eine Kontaktperson vor Ort ver-     kleinere Wohnprojekte das Modell um-
               Persönliche Faktoren                          hindert unnötig viel Fluktuation, indem     setzen können, wenn die Kontaktperson
               Das liegt auch an der Wertschätzung für       sie in den bezogenen Wohnungen eine         klug mit zusätzlichen Aufgaben in die Be-
               das Engagement und die sozialen Fähig-        längere Wohndauer fördert.                  triebsorganisation eingebettet ist (→ S. 17
               keiten der Kontaktpersonen vor Ort. Im                                                    ff.).
               Neuvermietungsprozess und im direkten         Franz Landolt, Präsident GAW (6, 7)         –
               Kontakt mit potenziellen Mieterinnen und      Im Schnitt bleiben die Leute
               Mietern wirken sich solche persönlichen
               Faktoren vorteilhaft aus; ebenso die sicht-   etwa 12 Jahre. Dann sind
               bar angenehme Wohnsituation, welche           einige noch ein Jahr im Heim.

               14
«Auch in
                                                                  Bestandsliegenschaften
                                                                                sinnvoll»
Eveline Althaus und Angela Birrer haben in ihrer Studie
«Zuhause alt werden» verschiede Handlungsfelder auf
Massnahmen geprüft, mit denen Verwaltungen und

                                                                                                                                                   Organisation
Eigentümer die Wohnautonomie ihrer älteren Mieterin-
nen und Mieter unterstützen können.
Das Interview wurde schriftlich geführt. Fragen: A. Sidler
                     Angela Birrer und Eveline Althaus,

                                                          Ihre Studie zeigt Möglichkeiten auf, wie    en Alterswohnprojekten. Deshalb wäre
                     Forscherinnen am ETH Wohn-

                                                          Wohnungsanbieter «zuhause alt wer-          eine Einführung bei bestehenden Miet-
                                                          den» unterstützen können. Dazu gehö-        verhältnissen sinnvoll. Die Finanzierung
                                                          ren auch Kontaktpersonen. Was nützt         ist dort jedoch schwierig, weil das Miet-
                     forum – ETH CASE
                     Foto: Nitin Bathla

                                                          das den Verwaltungen und Eigentü-           recht nur wenig Spielraum lässt, um
                                                          mern?                                       Mietkosten oder bereits vorhandene Ver-
                                                                                                      träge anzupassen. Wenn Mietende die
                                                          Es entlastet Verwaltungen zeitlich und      Leistungen mitfinanzieren sollen (zum
                                                          fachlich, wenn eine Kontaktperson vor       Beispiel mit einem Beitrag von 5 bis 10
                                                          Ort für die Bewohner da ist, bei sozialen   CHF pro Haushalt und Monat), muss dies
                                                          Fragen oder Problemen unterstützt und       vertraglich geregelt sein und kann ange-
                                                          bei Konflikten vermittelt. Ein gutes Woh-   fochten werden.
                                                          numfeld und lebendige Nachbarschafts-
                                                          beziehungen tragen zur Mieterbindung      Im besten und einfachsten Fall überneh-
                                                          bei und verringern Leerstände und Fluk-   men Wohnbauträger, die vom Nutzen
                                                          tuationen. Gerade «schwerer» vermiet-     des Angebots überzeugt sind, die Kosten
                                                          bare Liegenschaf-                                            oder stellen eine Per-
                                                          ten erfahren so           «DAS MIETRECHT LÄSST               son direkt an. Wichtig
                                                          eine Aufwertung,          WENIG SPIELRAUM ZUR                ist dann, dass die Kon-
                                                          was sich für die          ANPASSUNG VORHANDE- taktperson der Schwei-
                                                          Eigentümer rech-          NER VERTRÄGE»                      gepflicht unterstellt ist
                                                          net. Ausserdem ist                                           – und die Bewohner ihr
                                                          Prävention immer effizienter als Scha-    auch persönliche Probleme anvertrauen
                                                          densbegrenzung. Wenn Probleme wie         können.
                                                          z.B. Verwahrlosung frühzeitig bemerkt
                                                          und angegangen werden, entstehen auch Kontaktpersonen übernehmen jedoch
                                                          weniger Mängel in Wohnungen. Und          Aufgaben, die weit über die klassische
                                                          letztlich kann sich ein Immobilienunter-  Mieterbetreuung hinausgehen. Deshalb
                                                          nehmen mit einem solchen zukunfts-        ist es gewinnbringend für alle, wenn
                                                          orientierten Engagement profilieren und   Wohnbauträger mit Altersorganisatio-
                                                          sein Image verbessern.                    nen, Gemeinden und Freiwilligenverei-
                                                                                                    nen zusammenspannen. Kosten können
                                                          Bei den Beispielen in diesem Heft war     dann aufgeteilt oder reduziert werden.
                                                          die Kontaktperson schon beim Erstbe-      Fallbeispiele aus der Studie zeigen, dass
                                                          zug der Wohnungen präsent. Sie haben      darin viel Potenzial liegt. Eine Altersorga-
                                                          untersucht, ob sich eine Kontaktperson    nisation kann die Kontaktperson vor Ort
                                                          vor Ort in bereits bezogenen Liegen-      stellen, eine Gemeinde kann ein entspre-
                                                          schaften einführen lässt.                 chendes Angebot, das der Quartierbe-
                                                                                                    völkerung offensteht mitfinanzieren oder
                                                          Genau, weil die Mehrheit der älteren Per- Freiwillige können Unterstützung für die
                                                          sonen in der Schweiz in Bestandsliegen-   Mieterschaft anbieten.
                                                          schaften wohnen und eben nicht in neu-

                                                                                                                                            15
Organisation

               Im Rahmen der Studie haben Sie mit
               Partnern aus der Wohnungswirtschaft
               zusammengearbeitet. Zwei davon ha-
               ben das Wohnangebot mit Kontaktper-
               son vor Ort in Betracht gezogen. Aus
               welchen Beweggründen?

               Bei einem Partner haben Interviews ge-
               zeigt, dass ältere Personen eine An-
               sprechperson vor Ort vermissen und je-
                                                            Lesetipp
               mand fehlt, der bei Spannungen und
                                                            Zuhause alt werden – Chancen, Heraus-
               Konflikten in der Nachbarschaft unter-
                                                            forderungen und Handlungsmöglichkei-
               stützt. Der andere Partner hat jetzt schon   ten für Wohnungsanbieter
               einen hohen Anteil älterer Mieterinnen
               und Mieter und hat deshalb beschlossen,
               sich für die Herausforderungen des de-         ZUHAUSE
               mographischen Wandels zu rüsten. Ein             ALT
                                                               WERDEN
               Anliegen beider ist es, eine Pionierrolle         Chancen, Herausforderungen
                                                                 und Handlungsmöglichkeiten für
                                                                 Wohnungsanbieter

               in ihrer Branche zu übernehmen, ihre
               Kompetenz im Bereich Alter auszubauen
               und bedürfnisgerechte Lösungen zu ent-
               wickeln. Damit wollen sie soziale Verant-
               wortung übernehmen und sich im rauer              Eveline Althaus und Angela Birrer

               werdenden Mietwohnungsmarkt einen
               Marktvorteil verschaffen.                                                             ETH Wohnforum
                                                                                                     ETH CASE

               Und mit welchem Ergebnis?                    In dieser praxisrelevanten und bemer-
                                                            kenswert übersichtlich gestalteten Publi-
               Ein Partner, der als Eigentümer seine Lie-   kation diskutieren die beiden Autorinnen
               genschaften selbst verwaltet, wird eine      Möglichkeiten, mit denen die Immobilien-
               Kontaktperson vor Ort in seinem Team         bewirtschaftung einer zunehmend älteren
               anstellen. Das andere Partnerunterneh-       Mieterschaft und ihren Bedürfnissen be-
               men will entsprechende Finanzierungs-        gegnen kann. Systematisch leiten sie die
               modelle prüfen und strategische Über-        verschiedenen Handlungsoptionen her
               zeugungsarbeit für ein solches Angebot       und unterziehen sie auf Basis von Fallbei-
               innerhalb der Branche leisten, damit eine    spielen einem «Praxis-Check». Dabei
               Kontaktperson vor Ort in Zukunft in ganz     werden die Voraussetzungen, Chancen
               gewöhnlichen Mietliegenschaften zum          und Risiken realitätsbezogen, transparent
               Tragen kommen kann.                          und strukturiert aufgezeigt.
               –
                                                            Download unter
                                                            age-stiftung.ch/wohnforum2020
                                                            Review: A. Sidler, Age-Stiftung

               16
Präsenzzeit vor Ort –
Finanzierung und
Organisation

                                                                                                                                      Organisation
   Wohnmodelle mit einer Kontaktperson vor Ort können ihre
   Stärken vor allem dann entfalten, wenn die Kontaktperson
   möglichst oft und lange in der Siedlung anwesend ist.
   Ausgedehnte Präsenzzeiten sind teuer, können aber nur
   teilweise mit konkreten Leistungen für die Bewohnerschaft
   ausgelastet werden. In der Projektpraxis hat man dafür
   unterschiedliche Lösungen gefunden.

In den Beispielen in diesem Heft sind die   wenn die Kontaktperson Concierge-          Für die Bewohnerschaft einer kleinen
Kontaktpersonen vor Ort zwischen 8%         Aufgaben übernimmt, die meist spontan      Siedlung dagegen kann dies teuer werden.
und 80% angestellt. Arbeitszeit ist teuer   und gerne zeitnah angefordert werden.      Einige Möglichkeiten, um auch für sie an-
und muss von der Mieterschaft abgegol-                                                 gemessene Präsenzzeiten zu erreichen,
ten werden, wenn nicht die öffentliche      Margrit Weber, Präs. Genossenschaft (13)   werden im Folgenden beschrieben.
Hand oder der Wohnbauträger die Kos-        Die Bewohnerinnen und
ten bzw. Teile davon übernimmt.                                                        Wohnen vor Ort
                                            Bewohner schätzen es, dass                 Kontaktpersonen, die vor Ort wohnen,
Fixe Kosten                                 tagsüber Ansprechpersonen                  sind in kurzer Zeit erreichbar und zur Stel-
In allen Beispielen ist der Kostenbeitrag   da sind. Kleinere Alltags-                 le. Damit sie sichtbar und spontan anzu-
für die Kontaktperson vor Ort für die                                                  treffen sind, können sie mit ausgewählten
Mieterschaft nicht optional, er wird aber   probleme lassen sich so                    Hauswartsaufgaben (oft im Stundenlohn)
unterschiedlich erhoben (→ Abb. S. 60).     unbürokratisch und sofort                  betraut (3) oder sogar mit einem Teilzeit-
Wird er als monatliche Servicepauschale     lösen.                                     pensum als Hauswart eingestellt werden
gezahlt, sind die Kosten transparent. Der                                              (6). Eine Kontaktperson, die vor Ort
Aufwand der Kontaktperson vor Ort wird                                                 wohnt, ist aber auch immer in der Rolle
jedoch in den meisten Beispielen über       Auch das Gefühl der Sicherheit durch       der Nachbarin bzw. des Nachbars. Das
die Miete abgegolten. Das hat den Nach-     Achtsamkeit (→ Abb. S. 56) sowie die       schränkt ihre Möglichkeiten ein, bei Kon-
teil, dass die Kosten für die Kontaktper-   dafür nötige Vertrauensbasis entstehen     flikten als neutrale Drittperson zu vermit-
son vor Ort dem Mietrecht unterstehen.      nur dann, wenn man sich oft und auch       teln. Ausserdem müssen Kontaktperso-
Sollte der Aufwand steigen, kann das nur    unkompliziert begegnen kann. In den        nen, die im Teilzeitpensum mit der all-
schwer an die Mieterschaft weitergege-      Projektbeispielen wird diesem Erforder-    gemeinen Abwartsfunktion im Haus be-
ben werden. Hat die Kontaktperson vor       nis auf unterschiedliche Art Rechnung      traut sind, einen Weg der Abgrenzung fin-
Ort noch andere Pflichten wie bspw.         getragen.                                  den, der mit der Funktion als Ansprech-
Hauswartsaufgaben (siehe unten), kann                                                  person vereinbart werden kann.
ihre Präsenzzeit teilweise über die Ne-     Anzahl Wohnungen
benkosten abgegolten werden. Gesetzli-      Für die Anstellung einer Kontaktperson     Arbeiten vor Ort
che Normen legen jedoch klar fest, wel-     vor Ort ist die Zahl der Wohnungen ein     Der Hauswart ist ein präsenter, bekannter
che Hauswarttätigkeiten in den Ne-          wichtiger Faktor. Zum einen wird es für    und gut informierter Generalist, der auch
benkosten verrechnet werden. Soziale        den Einzelnen günstiger, wenn die Per-     spontan ansprechbar ist – selbst wenn er
Aufgaben und individuelle Handreichun-      sonalkosten auf mehr Parteien verteilt     nicht in der Siedlung wohnt. Die Haus-
gen gehören nicht dazu.                     werden können. Zum anderen ist die         wartung wird heute oft an spezialisierte
                                            Auslastung einer Kontaktperson vor Ort     Firmen vergeben, welche die Aufgaben
Möglichst viel Präsenzzeit                  in einer grossen Siedlung höher. Bessere   des Hauswart durch arbeitsteilig organi-
Eine häufige bzw. ausgedehnte Anwesen-      Finanzierungsmöglichkeiten und höhere      sierte Teams erledigen lassen. Dabei wird
heitszeit der Kontaktperson vor Ort ist     Auslastung ermöglichen wiederum eine       übersehen, dass man damit ein wich-
essenziell für das Modell, insbesondere     häufige und lange Anwesenheitszeit.        tiges und verbindendes Element aus der

                                                                                                                               17
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