Age-Dossier Kontaktperson vor Ort - Age-Stiftung
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10 4 14 3 2 8 5 9 12 6 1 11 16 7 13 15 Wohnangebote mit Kontaktperson vor Ort: Beispiele aus den Förderprojekten der Age-Stiftung. Die Projektinformationen befinden sich auf der hinteren Umschlag- klappe. Die Projektnummern dienen in diesem Heft auch als Verweise auf die jeweiligen Projektbeispiele. * inkl. anderweitige Aufgaben und Möchten Sie mehr Informationen zu einem Projekt oder direkt mit Pflichten (siehe S. 17 ff.) einem Verantwortlichen sprechen? Der jeweilige Link führt Sie zur Website des Förderprojekts mit Kontaktinformationen, Doku- ** Betreiber führt andernorts mentation und weiteren Materialien. stationäre Pflegeinstitution
9 13 WEITERE PROJEKTE 9 – 16 Alterswohnungen Untersteig WohnenPLUS Fläsch Ort: Nesslau, 2008 Ort und Erstbezug: Fläsch, 2016 Grösse: 12 Wohnungen Grösse: 6 Wohnungen (+1 ein Studio) (+ 1 Dienstwohnung) Wohnbauträger: Landwirtschaftliche Ge- Wohnbauträger & Betrieb: GAWU nossenschaft Fläsch Pensum Kontaktperson: 20% Betrieb: Genossenschaft Präsenzzeit: Wohnen vor Ort WohnenPlus Fläsch Grundleistung: Hauswartspaar als Pensum Kontaktperson: Insg. 250%* Kontaktpersonen, Handreichungen, Präsenzzeit: Di– Sa: 8:30– 17 Uhr, Aktivitäten So– Mo: 1,5 Stunden → age-stiftung.ch/untersteig Grundleistung: Kontaktperson, Aktivitäten, Notruf inkl. Einsatz., Handreichungen → age-stiftung.ch/flaesch 10 Wohnenplus «Im Baumgarten» Ort und Erstbezug: Bachenbülach, 2016 Grösse: 33 Wohnungen (+ PWG) 14 Wohnbauträger: Baukonsortium Linsebüelguet «Wohnenplus Im Baumgarten» Ort und Erstbezug: 2007 Betrieb.: Stiftung Alterszentrum Region Grösse: 30 Wohnungen Bülach (SARB)** Wohnbauträger & Betrieb: Alters- und Pensum Kontaktperson: 80% Wohngenossenschaft Logiscasa Präsenzzeit: Mo, Di, Mi, Fr 8 – 12 / Pensum Kontaktperson: Aufwand wird 14 – 16 Uhr monatlich pauschal abgegolten. Grundleistung: Kontaktperson, Hand- Präsenzzeit: Wohnt vor Ort* reichungen, Aktivitäten, Notruf inkl. Grundleistung: Bewohner als Einsatz, Gym, Jahresreinigung Kontaktperson, Handreichungen, → age-stiftung.ch/baumgarten Aktivitäten, Kontaktschnittstelle zu Verwaltung und Hauswartung → age-stiftung.ch/linsebuelgut 11 «Wohnen im Alter» Dorf Huus 15 Ort und Erstbezug: Root, 2018 Grösse: 16 Wohnungen (+PWG) Generationenhaus Masein Wohnbauträger: Pensionskasse Ort: Masein, 2018 Stiftung Abendrot Grösse: 6 Wohnungen Betrieb.: Stiftung Alterssiedlung (+ Hauswartwohnung) Root (SAR)** Wohnbauträger & Betrieb: Pensum Kontaktperson: 90%* Genossenschaft Generationenhaus Präsenzzeit: Täglich durch Pflege- Pensum Kontaktperson: 7%* wohngruppe gewährleistet Präsenzzeit: Wohnen vor Ort Grundleistung: Kontaktperson, Grundleistung: Hauswartspaar als Handreichungen, Aktivitäten , Kontaktpersonen, Handreichungen, wöchentliche Grundreinigung, Wohlaufkontrolle, Aktivitäten Jahresreinigung, Wohlaufkontrolle → age-stiftung.ch/masein → age-stiftung.ch/root 12 16 Sonnenpark Hochdorf Husmatt Steinen Ort und Erstbezug: 2015 Ort: Steinen, 2015 Grösse: 30 Wohnungen Grösse: 38 Mietwohnungen und 11 Eigen- Wohnbauträger: Baugenossenschaft tumswohnungen BELLEVUE Wohnbauträger & Betrieb: Katharina Betrieb: RESIDIO AG Hochdorf** und Karl von Rickenbach-Stiftung Pensum Kontaktperson: 60%* Pensum Kontaktperson: 20 – 30% * inkl. anderweitige Aufgaben und Präsenzzeit: 3 x 2 Stunden/Woche Präsenzzeit: Mo – Fr: 9 – 12 Uhr Pflichten (siehe S. 17 ff.) Grundleistung: Notruf exkl. Einsatz, Grundleistung: Verwaltung und Kontaktperson, Handreichungen Kontakt-Team vor Ort, Vermittlung Nach- ** Betreiber führt andernorts → age-stiftung.ch/sonnenpark barschaftshilfe, Aktivitäten → age-stiftung.ch/husmatt-steinen stationäre Pflegeinstitution
1 5 PROJEKTBEISPIELE 1 – 8 Neuhushof Littau Wohnen im Bruggacher Ort und Erstbezug: Littau, 2016 Ort und Erstbezug: Rüti, 2017 Grösse: 28 Wohnungen Grösse: 30 Wohnungen (+PWG) Wohnbauträger: Wohnbaugenossen- Wohnbauträger: Privatpersonen schaft Littau (WGL) Betrieb: Stiftung Unterstützungsfonds der Betrieb.: WGL (Verwaltung) & Spitex Stiftung für Ganzheitliche Betreuung Stadt Luzern (Kontaktperson / Notruf) Pensum Kontaktperson: 115% (45 + 35 + 35) Pensum Kontaktperson: 20% Präsenzzeit: Mo – Fr 9 – 17 Uhr Präsenzzeit: Mo, Mi, Fr, 14 – 17 Uhr Grundleistung: Kontaktperson, Grundleistung: Kontaktperson, Aktivitä- Aktivitäten, 24h-Notruf inkl. Einsatz, ten, Notruf inkl. Einsatz Sicherheitssensor → age-stiftung.ch/neuhushof → age-stiftung.ch/bruggacher 2 6 Alterssiedlung Hadlaub Alterswohnungen Rosengärtli Ort und Erstbezug: Zürich, 1980 (saniert Ort und Erstbezug: Amden, 2017 2016) Grösse: 28 Wohnungen Grösse: 34 Wohnungen Wohnbauträger & Betrieb: GAW Linth Wohnbauträger & Betrieb: Pensum Kontaktperson: 25%* Stiftung Hadlaub Präsenzzeit: Arbeiten und Pensum Kontaktperson: 50%* Wohnen vor Ort Präsenzzeit: 3- bis 5-mal / Woche Grundleistung: Hauswartspaar als Grundleistung (informell): Verwaltung Kontaktpersonen, Aktivitäten, vor Ort, Aktivitäten, Handreichungen Handreichungen → age-stiftung.ch/hadlaub → age-stiftung.ch/amden 3 7 Zopfmatte Alterswohnungen Zigerribi 4 Ort: Suhr, 2016 Ort: Oberurnen Grösse: 30 Mietwohnungen, Grösse: 18 Wohnungen 26 Eigentumswohnungen Wohnbauträger und Betrieb: Wohnbauträger & Betrieb: GAW Linth Genossenschaft Lebensuhr Pensum Kontaktperson: 25%* (pro Pensum Kontaktperson: 45% + 3 x 7 – 10% Siedlung) Präsenzzeit: Mo, Mi, Fr: 9 – 11 / Präsenzzeit: Werktags Arbeiten vor Ort Di 14 – 16 Uhr Grundleistung: Hauswartin als Kontakt- Grundleistung: Kontaktteam aus person, Aktivitäten, Handreichungen Kontaktperson und 3 Bewohnern, → gaw-linth.ch Aktivitäten, Handreichungen → age-stiftung.ch/zopfmatte-suhr 8 4 Alterswohnungen Lindenfeld Ort: Fahrwangen, 2018 Zentrum Bären Grösse: 15 Wohnungen Ort, Erstbezug: Nürensdorf, 2011 Wohnbauträger: Grösse: 29 Wohnungen (+PWG) Wohnbau-Genossenschaft Wohnbauträger: Genossenschaft Oberes Seetal, WGOS Zentrum Bären Betrieb: WGOS und Spitex Oberes Betrieb: Genossenschaft Zentrum Bären Seetal (Kontaktpers.) & KZU (Notruf, PWG, Spitex) Pensum Kontaktperson: ca. 8% Pensum Kontaktperson: 35% + 3 x ~22% Präsenzzeit: 1 – 2 × pro Monat Präsenzzeit: Mo – Fr: 9.30 – 12, 15 – 17 Uhr, Grundleistung: Kontaktperson, Sa: 9.30 – 12 Uhr Aktivitäten, Kaffee kostenlos Grundleistung: Kontaktperson, → age-stiftung.ch/wgos Handreichungen, Aktivitäten, Notruf zu PWG, jährl. Fensterreinigung, Gym/Wellness → age-stiftung.ch/nuerensdorf
Age-Dossier 4 Infrastruktur 51 Angebot Einleitung Bildstrecke: Nachbarschaftshilfe 38 ist Vertrauenssache Der Ort bestimmt den Zugang Angebot 55 Selbstständig wohnen dank Organisation 6 Achtsamkeit im Teamwork Zwischen Gemeinschaftsförderung und individueller Hilfe Perspektiven 8 Ist das «betreutes Wohnen»? 62 Interview Kompetenzzentrum für 10 Soziale Räume: «Sie gehören zum Personen & Kompetenzen Zielgruppe und Einzugsmotive neuen Berufsfeld Community» 64 Organisation Verwandte Modelle mit Quartierausrichtung 14 Betriebswirtschaftlich sinnvoll? 66 Fazit 15 _ Interview ETH Wohnforum: «Auch in Bestandsliegenschaften sinnvoll» 43 Umschlag Gemeinschaftliche Räume 17 Danksagung Infrastruktur Präsenzzeit vor Ort – Literaturangaben Finanzierung und Organisation Umsetzung & Wirkung Impressum – 46 Projektbeispiele: Personen & Kompetenzen Rahmenbedingungen des Standorte im Überblick Engagements 22 Kompetenzen und Persönlichkeitsprofile 48 Unterstützung dank Begegnung Umsetzung & Wirkung bewährt sich in der Praxis 24 Die Hauswartin als Integrationsfigur 28 Die Verwalterin kennt die Lebens- situationen der Hausbewohner 31 Vermieterin, Concierge und «Schwiegertochter» Perspektiven 34 Beraterin mit Expertenwissen
Einleitung Andreas Sidler, Age-Stiftung Bild: Giorgio von Arb ALTERSSIEDLUNG IM FOKUS Mit einer Ansprechperson vor Ort halb andere Ansätze gesucht und entwi- können Wohnbauträger und Siedlungs- ckelt, die das «ageing in place» fördern. Forschungsergebnisse zum Thema betreiber das selbstständige Wohnen Eine wertvolle Grundlage für dieses bis ins hohe Alter unterstützen. Die Idee Nachbarschaft und Ansprechperson Heft bilden die Resultate von zwei ak- der hilfreichen Generalistin, die sich In ihrem Fokus stehen die Etablierung von tuellen Forschungsprojekten: um Haus und Bewohnerschaft kümmert, unterstützenden Nachbarschaftsnetzwer- wird von allen verstanden – jedoch un- ken sowie der Aufbau persönlicher An- Im Projekt «Zuhause alt werden – Her- terschiedlich interpretiert. Ein Blick in laufstellen vor Ort. Die beiden Mass- ausforderungen und Potenziale an der die Praxis zeigt eine Vielfalt von Kon- nahmen werden oft miteinander ver- Schnittstelle von Wohnungsbewirtschaf- zepten und Umsetzungen. knüpft. Unterschiede zeigen sich in der tung und Bewohnerschaft» beschäftig- Ausgestaltung und Organisation der An- te sich das ETH Wohnforum mit den Dass selbstständiges Wohnen bis ins gebote. Solchen Alterswohnmodellen, Rollen, Optionen und Dienstleistungs- hohe Alter möglich ist, ist sowohl der die der Bewohnerschaft eine Kontaktper- angeboten, welche die Immobilienbe- Wunsch der einzelnen Bürger wie auch son vor Ort zur Verfügung stellen, widmet wirtschaftung im Umgang mit ihrer äl- der Wunsch von Gesellschaft und Politik. sich das vorliegende Age-Dossier. teren Mieterschaft entwickeln kann. Die Rahmenbedingungen, um diesen Das Modell der Kontaktperson vor Ort Wunsch wahr werden zu lassen, scheinen Fokus auf Projektbeispiele gehörte ebenfalls zu den in der Studie immer besser zu werden: Es entstehen Das Heft zeigt anhand von ausgewählten eruierten Massnahmen. mehr hindernisfreie Wohnungen, Ange- Projektbeispielen die Bandbreite der Ge- Mehr dazu auf Seite 15. bote der zugehenden Pflege und Haus- staltungsmöglichkeiten auf, die sich Pla- haltshilfe werden ausgebaut, und tech- nern und Trägerschaften grosser wie klei- Das Projekt «Berufsfeld Community – nisch gestützte Sicherheits- und ner Alterswohnprojekte bieten, wenn sie Lernen durch Explorieren und Vernet- Notrufsysteme werden smart und mobil. ein Wohnangebot mit Kontaktperson vor zen» (Titel der Abschlusspublikation: Ort entwickeln wollen. Vor allem aber soll «Nachbarschaften als Beruf: Stellen Andere Träger, andere Angebote der Blick in die Praxis die Vorstellungen konzipieren, einführen und entwi- Die Angebotsvielfalt ist beachtlich, auf über die Arbeitsweise und das Potenzial ckeln») am Institut für Soziale Arbeit die ältere Menschen heute zurückgreifen von Kontaktpersonen in Alterssiedlungen und Räume der FHS St.Gallen (IFSAR- können, um weiterhin im Privathaushalt konkretisieren. Als Basis dafür dienten FHS) befasst sich mit nachbarschafts- leben zu können. Oft sind es Pflegeinsti- Projektberichte sowie Gespräche mit den orientierter Arbeit in der Deutsch- tutionen, die neben dem stationären Pfle- Projektverantwortlichen, mit den Kon- schweiz. Dazu wird bspw. auch das geangebot auch betreute Wohnungen taktpersonen selbst sowie mit weiteren Engagement der in diesem Heft the- vermieten. Dort bieten sie ambulante Fachexperten. Sie alle gaben grosszügig matisierten Anlaufstellen in Alters- pflegerische oder hauswirtschaftliche Hil- Auskunft über ihre Projekterfahrungen wohnsiedlungen gezählt. Es gehören fe an und koordinieren weitere Unterstüt- bzw. Forschungsergebnisse. aber auch andere Stellenprofile dazu, zung für die Bewohnerinnen und Bewoh- bei denen es im weitesten Sinne um ner. Dafür kann auf die Heiminfrastruktur Abgrenzung und Vergleich die Gestaltung des Zusammenlebens sowie auf personelle Ressourcen und pro- Obwohl Kontaktpersonen vor Ort auch in sowie die Alltagsunterstützung ver- fessionelle Kompetenzen des Heimbe- Generationensiedlungen eingesetzt wer- schiedener Bewohnergruppen in Sied- triebs zurückgegriffen werden. Diese den, liegt hier unser Fokus auf Wohnan- lungen, Quartieren oder Gemeinden Form des betreuten Wohnens haben wir geboten, die sich explizit an ältere Men- geht. Im Projekt wurden die Arbeits- im Age-Dossier 2016 als «betreute Woh- schen richten. Dabei stehen Projekte im kontexte von Fachpersonen, die solche nungen mit Heimvorteil» bezeichnet und Vordergrund, in denen die Träger- bzw. Stellen innehaben, untersucht, Heraus- vertieft untersucht. Vermieterorganisation kein Heim ist und forderungen dieser Arbeitsstelle identi- 42% 53% deren Gebäude nicht Teil eines Heim- fiziert und daraus Hinweise für die 32% 28% Wohnbauträger und Siedlungsbetreiber komplexes sind. Das Heft beschreibt und erfolgreiche Konzeption, Einführung 4% 1% ohne unmittelbare Nähe zu Pflegeinstitu- vergleicht die ausgewählten Projektbei- und Entwicklung solcher Stellenkon- tionen können keine solchen Synergien spiele. Sie werden aber weder gegenein- zepte abgeleitet. 22% 18% nutzen, um ihre ältere Bewohnerschaft im ander aufgewogen noch bewertet. Mehr dazu auf Seite 62. Wohnalltag zu begleiten. Sie haben des- _ 4
Was macht eine Kontaktperson vor Ort Angebot en G etz em n i e re rn ei in ns rd ve ch oo af dk tf ör un en de rn is ier n ga or en rei chung Hand n r ke t ä s te t ak n Ko le zia so in fo r m ln ie itte re n rm un d ve be eit ra te erh n h Sic 5
Zwischen Gemein- schaftsförderung und individueller Hilfe Angebot Die Bandbreite der Angebote, die durch Kontaktper- sonen vor Ort abgedeckt werden, reicht von gemein- schaftsfördernden Aufgaben bis hin zu individuellen Unterstützungsleistungen. Trotz unterschiedlicher Schwerpunkte teilen alle ein ressourcenorientiertes Altersbild und das Ziel der Hilfe zur Selbsthilfe. PRÄSENZ VOR ORT gen. Gemeinsame Aktivitäten in gemeinschaftlich genutzten Räumlichkeiten sind dabei das bevorzugte Mittel. Der gemeinsame Kern der hier besprochenen Wohnmodelle ist die Anwesenheit einer Kontaktperson vor Ort. Dauer (→ S. 17 f.), Beteiligung und Aneignung gemeinschaftlicher Zonen Ort (→ S. 38 f.), und Charakter des Kontaktangebots können Eine kontaktfördernde Bauweise und Infrastruktur bilden für unterschiedlich gestaltet werden. Sei es ein sozialkompetenter die Bewohnerschaft von Haus oder Siedlung eine wichtige Hauswart mit Dienstwohnung, eine Pflegefachfrau mit Sied- Grundlage für nachbarschaftliche Vernetzung. Die Kontaktper- lungsbüro oder eine Receptionistin mit administrativen Aufga- son vor Ort ist deshalb meist für die Bespielung, die Koordinati- ben – ihre zentralen Aufgaben lassen sich grundsätzlich in zwei on und den Unterhalt dieser Räume zuständig. Durch die Ein- Bereichen verorten, die sich nicht scharf voneinander abgren- bindung der Bewohnerinnen und Bewohner in diese Aufgaben zen lassen: In der Stärkung des Nachbarschaftsnetzwerks ei- fördert sie die Aneignung der gemeinschaftlichen Zonen durch nerseits und in der individuellen Unterstützung im Wohnalltag die Bewohnerschaft (→ S 48 f.). andererseits. In welchem Bereich die Prioritäten gesetzt wer- den, hängt nicht zuletzt von der Bewohnerstruktur und dem Selbstorganisation als Ziel Profil der Kontaktperson vor Ort ab (→ S. 22 ff.). Viele Projekte verfolgen mittelfristig das Ziel eines selbstorga- nisierten Nachbarschaftsnetzwerks, womit ein partieller Rück- UNTERSTÜTZUNG DER GEMEINSCHAFT zug der Kontaktperson aus diesem Betätigungsfeld verbunden ist. Dass die Bewohnenden motiviert werden, ihre eigenen Res- Akzentuierter als die Anbieter von betreuten Wohnungen mit sourcen einzubringen, ist eine wichtige Grundlage für die Selb- Heimbezug setzen Wohnbauträger mit einer Kontaktperson vor storganisation. Ort auf die Nachbarschaftshilfe, um ein möglichst langes Ver- bleiben in den eigenen vier Wänden zu ermöglichen. INDIVIDUELLE UNTERSTÜTZUNG Netzwerkförderung und Nachbarschaftshilfe Sicherheit Gegenseitige und unkomplizierte Unterstützung unter den Be- Das Sicherheitsbedürfnis gehört im Alter mit zu den Haupt- wohnerinnen und Bewohnern soll dazu beitragen, die selbst- gründen für den Umzug in eine neue Wohnung. Sicherheit be- ständige Haushaltsführung zu stützen und gleichzeitig Verein- deutet dabei mehr als ein Notrufknopf mit 24-h-Bereitschaft. samung und Isolation zu verhindern. Die Ansprechperson vor Zur Sicherheit im Wohnalltag gehört eine Ansprechperson, an Ort hat die Aufgabe, die nachbarschaftlichen Netzwerke aktiv die man sich wenden kann oder die von sich aus bemerkt, zu knüpfen und die Hausgemeinschaft moderierend zu festi- wenn man sich unwohl fühlt, - sei es aus physischen oder ande- 6
Angebot ren Gründen. Ebenso braucht es die Gewissheit, dass sich je- Kommunikationsschnittstelle zu Nachbarn und Verwaltung mand um die Wohnung und um die Kommunikation mit den Da sich durch die Anwesenheit vor Ort in der Regel ein Ver- Nachbarn kümmert, falls Unvorhergesehenes wie eine Hospita- trauensverhältnis zur Kontaktperson entwickelt, stellt sie eine lisierung eintrifft. Solche und ähnliche Sicherheitsbedürfnisse wichtige Kommunikationsschnittstelle zwischen Bewohnerin- kann eine Kontaktperson vor Ort abdecken und und diese ge- nen bzw. Bewohnern und der Verwaltung bzw. Trägerschaft hören in der Regel zu deren Kernaufgaben (→ S. 55 f.). dar. Aber auch zwischen den Nachbarn nimmt sie eine mode- rierende Schnittstellenfunktion ein (→ S. 49). Beratung, Vermittlung, Organisation Die Kontaktperson vor Ort bietet in erster Linie Unterstützung Betreuung und Pflege? bei der Organisation des Wohnalltags, wofür sie vor allem die In der Regel gehören regelmässige Betreuung und Pflege in der Nachbarschaftshilfe fördert und aktiviert, gegebenenfalls aber Wohnung explizit nicht zum Aufgabenbereich der Kontaktper- auch die Vernetzung mit externen Dienstleistern und Fachstel- son. Jedoch kann sie je nach Kompetenzprofil nach einem Spi- len. Auf konzeptueller Ebene können diesbezüglich die Aufga- talaufenhalt zur Überbrückungspflege bzw. -betreuung beitra- ben der Kontaktperson vor Ort neben Information, Beratung gen oder bei gesundheitlichen Fragestellungen eine Triage- und Vermittlung auch Organisation und Koordination von Hil- funktion übernehmen (→ S. 34 ff.). feleistungen umfassen. In den vorliegenden Beispielen betrei- ben die Kontaktpersonen jedoch nur in Ausnahmefällen und für UNTERSCHIEDLICHE SCHWERPUNKTE kurze Zeit ein solches «Case Management» (→ S. 58 f.). Viele der Projekte, die für dieses Heft untersucht wurden, wei- Handreichungen sen konzeptionell ein ähnliches Aufgabenspektrum auf, das so- Zum niederschwelligen Kontaktangebot gehören meist auch wohl auf die Unterstützung der Gemeinschaft als auch auf die sogenannte «Handreichungen». Darunter werden punktuelle der einzelnen Bewohnenden abzielt. Dabei greifen die Aufga- Hilfeleistungen verstanden, die auch in der Wohnung erbracht ben oft ineinander und die Grenzen sind fliessend. Offen defi- werden können. Dabei kann es sich um Technik, Administration nierte Profile lassen vieles zu, im Alltag lassen sich aber meist oder Haushaltsdinge handeln. Regelmässige oder mehr als Schwerpunkte in der Tätigkeit der Kontaktpersonen feststellen, kurzfristige Unterstützung gehört nicht dazu. Art und Umfang die sich von Projekt zu Projekt unterscheiden. solcher Handreichungen sowie deren Entgelt werden nicht _ überall vertraglich und reglementarisch geregelt, sondern offen gelassen (→ S. 57). Soziale Anlaufstelle Eine der wichtigsten Aufgaben aller Kontaktpersonen vor Ort ist die Funktion als soziale Anlaufstelle. Anders als bei einer Be- ratung geht es hier nicht darum, Probleme zu lösen und Situati- onen konkret zu meistern. Es wird stattdessen eine informelle Kontaktmöglichkeit angeboten, bei der man spontan Sorgen und Freude platzieren kann, die einen beschäftigen. Dieses «Gspröchle» bedeutet, wahrgenommen zu werden. Die Funk- tion als soziale Anlaufstelle erfordert eine nicht zu knapp bemessene Präsenzzeit vor Ort, da sie die niederschwellige Möglichkeit spontaner Begegnungen voraussetzt (→ S. 59). 7
Ist das «betreutes Wohnen»? Angebot Ob ein Wohnmodell, das eine Kontaktperson vor Ort zur Verfügung stellt, zum betreuten Wohnen gezählt wird, ist eine Frage der Perspektive. Die Antwort wird dann relevant, wenn es um Finanzierungsmöglichkei- ten für diese Dienstleistung geht. Die Wohnmodelle mit Kontaktperson vor empfunden, denn wer betreut wird, kann lich sind diesbezüglich die gesetzlichen Ort sind Wohnformen für weitgehend anscheinend nicht mehr für sich selbst Grundlagen der Kantone (vgl. Age-Dos- selbstständige Personen. Ausser den sorgen. Ein Wohnmodell, das zwar eine sier 2016, 11 f.). In einigen Kantonen wer- Dienstleistungen der Kontaktperson sind Kontaktperson vor Ort anbietet, sich je- den speziell Heime als Trägerschaft für kaum weitere Services im Grundpreis doch ausdrücklich an den Ressourcen und betreute Wohnungen benannt, anderswo (Pauschale oder Miete) eingeschlossen. der Selbstverantwortung der Hausgemein- werden spezielle Bedingungen an das An- Wer zusätzliche oder regelmässige Unter- schaft orientiert, könnte dadurch seine gebot des betreuten Wohnens geknüpft stützung benötigt, organisiert das sepa- Zielgruppe verfehlen. Im Gegenzug könn- (bspw. Wohnungsgrösse oder Ausgestal- rat. Dabei herrscht grundsätzlich Wahl- te der Begriff «betreutes Wohnen» even- tung des Grundangebots). Solche Anfor- freiheit, auch wenn die Betreiberorga- tuell zu hohe Erwartungen an die Betreu- derungen werden zunehmend wichtig, nisation selbst entsprechende Dienstleis- ungsintensität durch die Kontaktperson wenn es darum geht, dass Bewohnerin- tungen anbietet. In den Projektbeispielen vor Ort wecken (siehe dazu Age-Dossier nen und Bewohner für die Mehrkosten ist die Nachfrage nach zusätzlichen 2016, S. 5 ff.). Es ist bezeichnend, dass die der betreuten Wohnung Ergänzungsleis- Dienstleistungen generell niedrig. Die Be- meisten Kontaktpersonen in den Projekt- tungen beziehen können. Im Kanton wohnerinnen und Bewohner führen ihre beispielen den Begriff «Betreuerin» für Graubünden bspw. ist das dann möglich, Haushalte sehr autonom. Brauchen sie ihre Rolle im Haus ungeeignet finden. wenn die Anbieterorganisation über eine Hilfe, dann ziehen sie Angehörige und – entsprechende Anerkennung des Kan- bezeichnend für diese Projekte – auch Irène Kühne, Kontaktperson (1) tons verfügt. Dafür müssen die Wohnun- Nachbarn bei. Dennoch: Die Möglichkeit, gen hindernisfrei gebaut sein, und es «Betreuerin» ist missver- bei Bedarf leicht auf professionelle Hilfe muss eine Grundbetreuung mit einer täg- zugreifen zu können, vermittelt den Be- ständlich. Beraterin oder lich anwesenden Betreuungsperson so- wohnenden ein Gefühl der Sicherheit. Motivatorin umschreibt mein wie mit einem Bereitschaftsdienst vor- handen sein. Wirken besser. Ein schwieriger Begriff Die Frage, ob es sich bei einem Wohnan- Vier Kategorien gebot mit einer Kontaktperson vor Ort um Uneinheitliche Ansprüche In einer neueren Studie zur Definition von betreutes Wohnen handelt, stellt sich oft In den letzten Jahren gab es immer wie- betreutem Wohnen, durchgeführt durch schon bei der Benennung des Projekts. der Versuche, den Begriff «betreutes Dr. Lorenz Imhof im Auftrag von CURAVI- Viele assoziieren «betreutes Wohnen» mit Wohnen» zu definieren. Einig ist man VA Schweiz, senesuisse, Pro Senectute einem Angebot für Personen mit erhöh- sich, dass das Angebot altersgerechter Schweiz und Spitex Schweiz, wird betreu- tem und anhaltendem Pflege- und Betreu- oder hindernisfreier Wohnungen allein tes Wohnen in vier Kategorien (A bis D) ungsbedarf. Nennt sich das Wohnange- nicht genügt. Beim betreuten Wohnen ist ausdifferenziert. Sie unterscheiden sich bot «betreutes Wohnen», kann sich das in die Wohnung stets mit einem Dienstleis- bei den Unterstützungsleistungen basie- zweierlei Hinsicht als problematisch er- tungsangebot verknüpft. Bei den meisten rend auf drei Kriterien: Erstens bezüglich weisen. Einerseits wird das Wohnen in ei- anderen definitorischen Aspekten sind der Kontaktmöglichkeiten mit Fachperso- ner «betreuten Wohnung» von vielen älte- die Meinungen jedoch vielfältig und teil- nen und deren zeitlicher Präsenz. Dieses ren Menschen als stigmatisierend weise widersprüchlich. Ebenso uneinheit- Kriterium wird als das wichtigste Kriteri- 8
Download der Studie «Betreutes Wohnen in der Schweiz – Grundlagen eines Modells» (Imhof & Mahrer Imhof 2018) ns-c.ch/publikationen/schlussberichte Angebot um für Bewohnende bezeichnet (Imhof Rechnung, dass betreutes Wohnen der und eigenverantwortlichen Haushalts. 2019, S. 19). Zweitens bezüglich der fach- Kategorie D «ein Angebot sozialer Kon- Viele lehnen deshalb den Begriff «betreu- lichen Qualifikation der Leistungserbrin- taktmöglichkeiten im Haus und in der tes Wohnen» für ihre Wohnsituation ab. ger und drittens bezüglich Planung, Do- Umgebung (z.B. Begegnungsorte, Senio- kumentation und Evaluation der Leis- rentreffen etc.) plant», und in vielen Fällen Margrit Massmann, Kontaktperson (8) tungen. steht «für die Sicherheit ein Notfalltelefon Eine Frau meinte resolut: Ich oder ein Notfallknopf mit einer 24-h-Er- Im Kern betreutes Wohnen reichbarkeit zur Verfügung» (Imhof 2019). bin doch keine «Bewohnerin», Gemäss dieser Typologie entsprechen ei- Die Kategorie C stellt bereits höhere An- ich bin Mieterin! nige Beispiele für Wohnangebote mit forderungen an die pflegefachliche Quali- Kontaktperson vor Ort dem betreuten fikation, Dokumentation und Präsenz. An- Erika Vögeli, Kontaktperson (7) Wohnen der Kategorie D. Von den vier bieter betreuten Wohnens in den Ka- Es sind Mieter. Man muss sie Kategorien hat sie das «kleinste» Leis- tegorien B und A müssen die meisten tungsangebot: Sie unterstützt Bewohnen- Dienstleistungen eigenständig erbringen nicht bevormunden. de in Aktivitäten des täglichen Lebens, können, wofür meist eine enge, bzw. sehr wozu laut Studie «mindestens die Unter- enge Heimanbindung nötig ist. Das Defi- Anpassungsfähigkeit als Vorteil stützung bei Haushaltsarbeiten (Reini- nitionsmodell soll an dieser Stelle nicht Die Frage, ob es sinnvoll ist, sich bei der gung, Wäsche), beim Kochen/Einkaufen näher diskutiert werden. Es weist jedoch Entwicklung solcher Wohnangebote an oder Hilfe in Form eines Mahlzeitendiens- darauf hin, dass mit einer Kontaktperson (zukünftigen) Erfordernissen für behörd- tes/Restaurants gehört», allenfalls auch vor Ort, welche in den im vorangehenden lich anerkanntes betreutes Wohnen zu «Unterstützung bei administrativen Auf- Kapitel beschriebenen Aufgabenfeldern orientieren, ist berechtigt. Es ist ein Merk- gaben (Umgang mit Behörden, Versiche- aktiv ist, grundsätzlich das Kernelement mal und auch ein Vorteil der Wohnmodel- rungen), Unterstützung in finanziellen des betreuten Wohnens gegeben ist. le mit Kontaktperson vor Ort, dass der Fragen (Zahlungen tätigen, Steuererklä- Katalog der pauschal verrechneten Grund- rungen ausfüllen) und in Fragen der Le- Ursula Hänni, Kontaktperson (5) leistungen schmal und meist günstig ist. bensgestaltung (soziale Angebote, Be- Die Kontaktpersonen geniessen hohe Ge- Es hat auch mit der Psycho- gleitung, Transport)». In der Kategorie staltungsfreiheit (→ S 46) und passen das des D werden Leistungen als Kundenauf- hygiene der Mieter zu tun. Sie Angebot idealerweise der sich wandeln- trag erledigt, was für die hier besproche- mieten eine Wohnung, sie den Nachfrage an. Wird spezielle Fach- nen Wohnangebote typisch ist. Oft steht kompetenz benötigt, wird diese mittels gehen nicht ins Altersheim. die Kontaktperson vor Ort als «persönli- Vernetzung mit lokalen Dienstleistern zu- cher Kontakt (während mind. 3 Stunden gänglich gemacht. Sind die Wohnungen pro Woche)» für die Auftragserteilung zur Unabhängig von Definition und Abstu- selbst günstig, entsteht so ein bedarfsge- Verfügung, während mit der Durchfüh- fung: In den Projektbeispielen ist das rechtes Angebot, das sich Personen mit rung der Unterstützungsleistungen Dritte Selbstverständnis sowohl der Verant- wenig Einkommen auch ohne zusätzliche beauftragt werden. Die Beispiele in die- wortlichen als auch der Bewohnerinnen Ergänzungsleistungen leisten können. sem Heft tragen im Kern dem Erfordernis und Bewohner das des selbstständigen – 9
Zielgruppe und Einzugsmotive Angebot Damit Alltagsunterstützung und Gemeinschaftsmode- ration greifen können, muss sich das Wohnangebot mit Kontaktperson vor Ort an eine Zielgruppe wenden, die ein Bedürfnis danach hat – und auch bereit ist, dafür zu bezahlen. Gleichzeitig bauen solche Wohn- modelle auf die eigenen Ressourcen der Bewohner- schaft. Ein Widerspruch? Die Mehrheit der in diesem Heft begut- Konzept mit seinem Gemeinschaftsfokus Ursula Hänni, Kontaktperson (5) achteten Wohnprojekte verfolgt dieselbe für einige Mieterinnen und Mieter rück- Die Leute ziehen nicht be- ideelle Zielsetzung: Die alternden Men- blickend durchaus eine Rolle für den Ein- schen sollen möglichst lange ihre Selbst- zugsentscheid spielte. Ausschlaggebend wusst in eine Hausgemein- ständigkeit bewahren und nicht vereinsa- waren dennoch meist Lage und Ausbau schaft ein. Sie realisieren das men. Um dies zu erreichen, bauen die der Wohnungen (Dokumentation 3, S. erst mit der Zeit und möchten Projekte auf die gemeinsamen Kompe- 36). Das deckt sich mit den Vorlieben und tenzen und Fähigkeiten der älteren Men- Prioritäten, die ältere Personen allgemein die Gemeinschaft dann nicht schen. Mit Unterstützung der Kontaktper- bei der Wohnungswahl setzen. Doch sind mehr missen. son vor Ort soll für sie ein Wohnumfeld die Mieterinnen und Mieter bereit, die geschaffen werden, das ihnen die best- Kontaktperson vor Ort zu finanzieren möglichen Bedingungen zur Entfaltung (bspw. über einen obligatorischen Pau- Nachbarschaft ohne Überforderung der eigenen und gemeinsamen Ressour- schalbetrag, → Abb. S. 60), und auch Auch wenn allgemein ein Bedürfnis nach cen bietet. Dabei stützen sie sich auf zwei nach dem Einzug stellen sie die Kosten guten Nachbarschaftsbeziehungen be- konzeptionelle Säulen: Unabhängigkeit dafür kaum in Frage. Das zeugt zumindest steht (→ S. 11), kann eine konzeptuell dank Gemeinschaft sowie Unabhängig- davon, dass sie das Konzept für sinnvoll hohe Erwartung bezüglich gegenseitiger keit dank Sicherheit. halten. Unterstützung und gemeinschaftlicher Aktivitäten den Einzugsentscheid auch Betriebskonzept (16) Astrid Jäggi-Schmid, Kontaktperson (3) hemmen. Jüngere befürchten, dass die Unabhängigkeit und die Freiheit ihres frü- Der Mensch, auch wenn er Einige hielten ein Kontakt- hen Rentenalters durch regelmässige älter wird, ist wandlungs- und team für überflüssig und nachbarschaftliche Verpflichtungen be- entwicklungsfähig. sagten deswegen ab. Andere einträchtigt werden könnten. Ältere sor- gen sich, dass aus dem Gemeinschafts- sind genau deswegen einge- konzept regelmässige Verpflichtungen GEMEINSCHAFT ALS EINZUGSMOTIV? zogen. erwachsen könnten, die ihre Kräfte über- steigen. Gegenüber diesen Bedenken zei- Da die Nachbarschaftshilfe in den meis- gen sich die Vorteile einer Kontaktperson Albin Marty, Stiftungsratspräsident (16) vor Ort, welche bei Bedarf Verantwortung ten der Projektbeispielen als Basis für Selbstständigkeit im Alter gilt, ist in den Unser Konzept hat viele übernimmt, unterstützend einspringt, Lö- Konzepten oft von der «Hausgemein- überzeugt. Für andere waren sungen organisiert und die Nachbarschaft schaft» die Rede. Damit ist nicht eine moderiert. Damit spricht das Wohnmo- selbstverwaltete Hausgemeinschaft im beim Einzug lediglich die dell mit Kontaktperson vor Ort jene Per- Rahmen des gemeinschaftlichen Woh- Lage und der Ausbaustandard sonen an, die eine Nachbarschaft schät- nens gemeint, sondern ein dichtes Netz- ausschlaggebend. zen, in der man sich umeinander kümmert, werk nachbarschaftlicher Beziehungen. sich im Haus engagiert und auch sozial in Bewohnerbefragungen zeigen, dass das engerem Kontakt zueinander steht, je- 10
Zukünftige private Wohnmöglichkeiten - Beurteilung durch zuhause lebende Befragte 65+ (Schweiz, 2018) Frage: «Welche Wohnmöglichkeiten könnten Sie sich in Zukunft für sich vorstellen. Ich meine, was käme für Sie da alles in Betracht (einmal abgesehen von den Kosten)? Wie könnten Sie wohnen?» Projektnummer CH In einem Haus, in dem die Nachbarn eine gute Nachbarschaft pflegen 67% In einem Haus mit verschiedenen Generationen 54% In einer Wohnung, in der man eine Ansprechperson hat, wenn man Hilfe 31% Angebot braucht (Alterswohnung) In einer kleineren Wohnung 25% In einem Haus, in dem die Bewohner für das Haus verantwortlich sind 24% (Hausgemeinschaft) In einer ruhigeren Wohnung 19% In einem Haus, in dem nur ältere Menschen leben 12% In einer Wohnung, in der noch andere Leute leben (Wohngemeinschaft) 10% In einer grösseren Wohnung 10% Als UntermieterIn bei jemandem in der Wohnung 5% Quelle: Age Report IV Download unter age-report.ch doch ohne in langfristige oder überfor- Eine andere Art der Sicherheit Angehörigen fast wichtiger dernde Verpflichtungen oder Verantwor- Was die Kontaktpersonen vor Ort selbst als für den neuen Mieter, der tungen gedrängt zu werden. Die Kon- bieten, ist jedoch nicht in erster Linie die noch viel Vertrauen in seine taktperson vor Ort fördert das erste und Sicherheit im Notfall. Vielmehr sichern sie verhindert das zweite. die selbstständige Haushaltsführung ab. Selbstständigkeit hat. Ihre Rolle entspricht der eines Freundes, Betreuungskonzept WGOS (8) der in der Nähe wohnt, der nachfragt, Kein Widerspruch wenn man länger nichts von sich hören Zur Zielgruppe von Wohnmodellen mit Du hast keine dauerhafte lässt, bei dem man «schnell» einen Rat einer Kontaktperson vor Ort gehören äl- Verpflichtung, gib die Aufga- einholen kann, wenn man verunsichert tere Menschen, die den Wert eines acht- be an die Begleitperson zu- ist, oder der «kurz vorbeikommt», damit samen und hilfsbereiten sozialen Woh- man nicht selbst auf die Trittleiter steigen numfelds durchaus zu schätzen wissen rück. muss (→ 56 f.). und auch bereit sind, ihren Teil dazu bei- zusteuern. Gleichzeitig sind für sie Auto- SICHERHEIT ALS EINZUGSMOTIV? Selbstständigkeit absichern nomie und Unabhängigkeit ein hohes Gut, Mit den meist optionalen Notrufsystemen das es unbedingt zu bewahren gilt. Die Im Alter spielt Sicherheit im Wohnalltag und einer Kontaktperson vor Ort, die (nur) Projekte zeigen, dass zu dieser Zielgrup- eine wichtige Rolle. Dieser Aspekt wird zur punktuellen Unterstützung vorgese- pe durchaus auch Personen gehören, die oft mit Notruftechnologien abgedeckt. hen ist, spricht dieses Wohnmodell noch mit körperlichen Einschränkungen oder Auch bei Wohnmodellen mit einer Kon- sehr autonom haushaltende Senioren an. chronischen Krankheiten selbstständig taktperson vor Ort gibt es Gebäude, in Diese Zielgruppe verfügt über ein ent- leben wollen und können. Autonomie und denen Notruf- und Sensortechnologien sprechendes Selbstbild. Es ist deshalb Unterstützung sind kein Widerspruch, eingebaut sind, die unter anderem durch nicht selten, dass sich – mehr noch als die wenn die selbstständige Haushaltsfüh- Kontaktpersonen bedient und gewartet potenziellen Mieterinnen und Mieter – rung flankierend bzw. assistierend unter- werden (bspw. 5, 12, 15). Alternativ dazu selbst deren Angehörige vom Konzept stützt wird. bieten andere Beratung und Support bei mit der absichernden Kontaktperson vor der Beschaffung und Installation gebäu- Ort angesprochen fühlen. Eine achtsame Frühe Kontaktaufnahme deunabhängiger Notrufsysteme (bspw. Person vor Ort vermittelt den (oft am Ent- Anfängliche Skepsis, die nach dem Ein- «Rotkreuzuhr»). Bei den meisten ist der scheid beteiligten) Angehörigen eine zug sehr schnell abgelegt wird, ist in der Notruf jedoch nicht Teil der Grunddienst- hohe Sicherheit und entlastet sie in ihrer Zielgruppe des Wohnmodells mit Kon- leistung. Einige Projekte verfügen über spezifischen Unterstützungsfunktion. taktperson vor Ort nicht selten. Hilfreich einen eingemieteten Spitex-Stützpunkt ist es deshalb, dass die Kontaktperson im oder eine integrierte Pflegewohngruppe Ursula Hänni, Kontaktperson (5) Vermietungsprozess – auch bei der Erst- (→ Abb. S. 56). Auch sie können Sicher- vermietung – aktiv präsent ist. So kann Die Anwesenheit einer Kon- heit vermitteln – aber auch falsche Erwar- die persönliche Passung geprüft werden tungen ans Personal wecken (→ S. 55 f.). taktperson vor Ort ist für die (→ Abb. S. 47). Bei Neuvermietungen 11
1 2 Beispielprojekte: Beispielprojekte: Einpersonen- und Paarhaushalte Alter der Bewohnerschaft Projektnummer 0% 25 % 50 % 75 % 100 % Projektnummer 0% 25 % 50 % 75 % 100 % (Umschlagklappe) (Umschlagklappe) 1 1 2 2 Angebot 3 3 alle Wohnungen alle Wohnungen nur Mietwohnungen nur Mietwohnungen 4 4 5 5 6 6 7 7 8 8 Einzelpersonenhaushalt 80 und älter Paarhaushalt unter 80 Andere wird zudem den zukünftigen Nachbarn in zungen. An Personen mit einer demenzi- der Siedlung grosse Überzeugungskraft ellen Erkrankung oder einem hohen beigemessen – sie bieten potenziellen Pflegebedarf wird nicht neu vermietet. Mieterinnen und Mietern eine Projekti- Hat jemand eine körperliche Einschrän- onsfläche und repräsentieren das so kung oder einen Beistand, ist das dage- wichtige nahe Wohnumfeld. gen kein Hinderungsgrund. Auch ein sehr hohes Alter stellt in den Projektbeispielen Ursula Hänni, Kontaktperson Person (5) keine Schranke für eine Neuvermietung Die Interessenten sehen, wie dar, weshalb die Altersspanne der Be- wohnerschaft oft zwei Generationen um- die Mieter und wir miteinan- fasst. der umgehen, und können entscheiden, ob sie das für Irène Kühne, Kontaktperson (1) sich auch wollen oder nicht. Im Mai ist eine Frau einge- zogen, die gerade hundert In verschiedenen Projektbeispielen war geworden ist. Ein Wohnmodell für Alleinstehende? es hilfreich, dass die Kontaktperson schon _ Zusätzliche Sicherheit und soziale ein Jahr vor Bezug angestellt oder ander- Kontakte sind Aspekte, die auf den ers- weitig in den Erstvermietungsprozess in- ten Blick vor allem Alleinstehende an- volviert wurde. Dies ermöglichte es ihr, sprechen. In den Projektbeispielen die Erstbezüger beim oft tief greifenden nutzen Paarhaushalte vor allem die und anstrengenden Umzugsprozess zu Notrufsysteme weniger (1, 12) und klei- begleiten. Die organisatorische und emo- nere Wohnungen konnten wesentlich tionale Unterstützung durch die Kontakt- leichter vermietet werden als grosse person schuf schon vor dem Einzug die (3). Doch denken Ehepaare, welche im grundlegende Vertrauensbasis. Alter die Wohnung wechseln, an ihre Zukunft. Die Pflege des Ehepartners Einzugskriterien oder Verwitwung sind herausfordern- Auch von Vermieterseite werden Bedin- de Szenarien, die in Wohnmodellen gungen für den Einzug gestellt. Überall mit einer Kontaktperson vor Ort und gehört ein gewisses Mass an Selbststän- einem guten Nachbarschaftsnetzwerk digkeit und Mobilität zu den Vorausset- abgefedert werden können. 12
Wie organisieren? Wie finanzieren? rt Organisation O or tv Ve ei r w rb al ra tu ie ng rt t Or ua vo r Q r O x vo rt ite Sp Wohne n vor Or t Hau sm rt eist erin rO vor vo O rt n ite be Ar t Or Fr ei r w vo ill ig pe e vo rup r O ng rt oh ew eg Pfl 13
Betriebswirtschaftlich sinnvoll? Das Wohnmodell mit einer Kontaktperson vor Ort hat aus der sozialen und volkswirtschaftlichen Perspektive Organisation offensichtliche Vorteile. Die Selbstständigkeit in der Haushaltsführung kann länger bewahrt und Isolation verhindert werden. Für die öffentliche Hand bedeutet das geringere Kosten, da Heimeintritte so seltener oder zumindest später erfolgen. Doch sind solche Wohnangebote auch betriebswirtschaftlich sinnvoll? Die hier vorgestellten Wohnmodelle wer- nachbarschaftliche Zugewandtheit und Durch die gute Beziehung zu den Bewoh- den in erster Linie durch Genossenschaf- selbstbestimmte Privatsphäre verspricht. nerinnen und Bewohnern sowie zu deren ten und Stiftungen angeboten. Sie haben Angehörigen ist die Kontaktperson früh sich entweder selbst das Ziel gesetzt, Ursula Hänni, Kontaktperson (5) über Veränderungen einer Wohnsituation Wohnungen fürs Alter anzubieten oder Sie erleben uns schon in informiert. Sie kann ihr Netzwerk im Feld erfüllen entsprechende Auflagen der Ge- der Altersarbeit aktivieren, wodurch po- meinde bzw. eines Geld- oder Land- unserer Rolle, bevor sie tenzielle Mieterinnen und Mieter einfa- gebers. Die meisten Projektbeispiele einziehen. Dass sie uns nett cher und mit genug Vorlaufzeit zu der frei verfügen über keine Defizitgarantie der finden, trägt zum Einzugs- werdenden Wohnung finden. Auch dies öffentlichen Hand und ihr Angebot muss vermag längere Leerstände zu verhindern. betriebswirtschaftlichen Anforderungen entscheid bei. entsprechen. Dennoch wurde die Kontakt- Ursula Hänni, Kontaktperson (5) person vor Ort nirgends aus betriebswirt- Weniger Wechsel, weniger Leerstände Alle in der Gegend, die mit schaftlichen Überlegungen heraus ein- Die Kontaktperson vor Ort bietet speziell gesetzt. Geprüft wurde jedoch in allen im Bereich Wohnen im Alter weitere alten Menschen arbeiten, Fällen die wirtschaftliche Tragbarkeit des betriebswirtschaftliche Vorteile. Wohnan- wissen, was wir hier machen. Angebots, das in allen Projektbeispielen gebote für die späte dritte und für die Wir sind im Dorf gut vernetzt. auch nach längerer Betriebsdauer weiter- vierte Lebensphase tragen vor allem aus- geführt wird. serhalb urbaner Gebiete das Risiko von längeren Leerständen. Das liegt nicht Projektgrösse entscheidend? «Profil HauswartIn», GAW Linth 2018 (6, 7) zuletzt daran, dass ältere Menschen – Die zentrale Eigenschaft einer Kontakt- «Im Vordergrund steht die ausserhalb der Städte meistens Wohn- person vor Ort ist, dass sie für die Bewoh- eigentümer – viel Zeit für den Entscheid nerschaft sichtbar und niederschwellig Optimierung des Nutzens für zum Umzug sowie für dessen Vorberei- ansprechbar ist. Es ist klar, dass es günsti- die Bewohner, nicht nur der tung und Organisation benötigen. Das ger ist, die Kosten für ihre Anwesenheits- Kosten.» Problem verschärft sich, wenn die Woh- zeit auf möglichst viele Parteien zu vertei- nungen altersbedingt nur kurz bewohnt len. In der Praxis zeigt sich, dass auch werden. Eine Kontaktperson vor Ort ver- kleinere Wohnprojekte das Modell um- Persönliche Faktoren hindert unnötig viel Fluktuation, indem setzen können, wenn die Kontaktperson Das liegt auch an der Wertschätzung für sie in den bezogenen Wohnungen eine klug mit zusätzlichen Aufgaben in die Be- das Engagement und die sozialen Fähig- längere Wohndauer fördert. triebsorganisation eingebettet ist (→ S. 17 keiten der Kontaktpersonen vor Ort. Im ff.). Neuvermietungsprozess und im direkten Franz Landolt, Präsident GAW (6, 7) – Kontakt mit potenziellen Mieterinnen und Im Schnitt bleiben die Leute Mietern wirken sich solche persönlichen Faktoren vorteilhaft aus; ebenso die sicht- etwa 12 Jahre. Dann sind bar angenehme Wohnsituation, welche einige noch ein Jahr im Heim. 14
«Auch in Bestandsliegenschaften sinnvoll» Eveline Althaus und Angela Birrer haben in ihrer Studie «Zuhause alt werden» verschiede Handlungsfelder auf Massnahmen geprüft, mit denen Verwaltungen und Organisation Eigentümer die Wohnautonomie ihrer älteren Mieterin- nen und Mieter unterstützen können. Das Interview wurde schriftlich geführt. Fragen: A. Sidler Angela Birrer und Eveline Althaus, Ihre Studie zeigt Möglichkeiten auf, wie en Alterswohnprojekten. Deshalb wäre Forscherinnen am ETH Wohn- Wohnungsanbieter «zuhause alt wer- eine Einführung bei bestehenden Miet- den» unterstützen können. Dazu gehö- verhältnissen sinnvoll. Die Finanzierung ren auch Kontaktpersonen. Was nützt ist dort jedoch schwierig, weil das Miet- forum – ETH CASE Foto: Nitin Bathla das den Verwaltungen und Eigentü- recht nur wenig Spielraum lässt, um mern? Mietkosten oder bereits vorhandene Ver- träge anzupassen. Wenn Mietende die Es entlastet Verwaltungen zeitlich und Leistungen mitfinanzieren sollen (zum fachlich, wenn eine Kontaktperson vor Beispiel mit einem Beitrag von 5 bis 10 Ort für die Bewohner da ist, bei sozialen CHF pro Haushalt und Monat), muss dies Fragen oder Problemen unterstützt und vertraglich geregelt sein und kann ange- bei Konflikten vermittelt. Ein gutes Woh- fochten werden. numfeld und lebendige Nachbarschafts- beziehungen tragen zur Mieterbindung Im besten und einfachsten Fall überneh- bei und verringern Leerstände und Fluk- men Wohnbauträger, die vom Nutzen tuationen. Gerade «schwerer» vermiet- des Angebots überzeugt sind, die Kosten bare Liegenschaf- oder stellen eine Per- ten erfahren so «DAS MIETRECHT LÄSST son direkt an. Wichtig eine Aufwertung, WENIG SPIELRAUM ZUR ist dann, dass die Kon- was sich für die ANPASSUNG VORHANDE- taktperson der Schwei- Eigentümer rech- NER VERTRÄGE» gepflicht unterstellt ist net. Ausserdem ist – und die Bewohner ihr Prävention immer effizienter als Scha- auch persönliche Probleme anvertrauen densbegrenzung. Wenn Probleme wie können. z.B. Verwahrlosung frühzeitig bemerkt und angegangen werden, entstehen auch Kontaktpersonen übernehmen jedoch weniger Mängel in Wohnungen. Und Aufgaben, die weit über die klassische letztlich kann sich ein Immobilienunter- Mieterbetreuung hinausgehen. Deshalb nehmen mit einem solchen zukunfts- ist es gewinnbringend für alle, wenn orientierten Engagement profilieren und Wohnbauträger mit Altersorganisatio- sein Image verbessern. nen, Gemeinden und Freiwilligenverei- nen zusammenspannen. Kosten können Bei den Beispielen in diesem Heft war dann aufgeteilt oder reduziert werden. die Kontaktperson schon beim Erstbe- Fallbeispiele aus der Studie zeigen, dass zug der Wohnungen präsent. Sie haben darin viel Potenzial liegt. Eine Altersorga- untersucht, ob sich eine Kontaktperson nisation kann die Kontaktperson vor Ort vor Ort in bereits bezogenen Liegen- stellen, eine Gemeinde kann ein entspre- schaften einführen lässt. chendes Angebot, das der Quartierbe- völkerung offensteht mitfinanzieren oder Genau, weil die Mehrheit der älteren Per- Freiwillige können Unterstützung für die sonen in der Schweiz in Bestandsliegen- Mieterschaft anbieten. schaften wohnen und eben nicht in neu- 15
Organisation Im Rahmen der Studie haben Sie mit Partnern aus der Wohnungswirtschaft zusammengearbeitet. Zwei davon ha- ben das Wohnangebot mit Kontaktper- son vor Ort in Betracht gezogen. Aus welchen Beweggründen? Bei einem Partner haben Interviews ge- zeigt, dass ältere Personen eine An- sprechperson vor Ort vermissen und je- Lesetipp mand fehlt, der bei Spannungen und Zuhause alt werden – Chancen, Heraus- Konflikten in der Nachbarschaft unter- forderungen und Handlungsmöglichkei- stützt. Der andere Partner hat jetzt schon ten für Wohnungsanbieter einen hohen Anteil älterer Mieterinnen und Mieter und hat deshalb beschlossen, sich für die Herausforderungen des de- ZUHAUSE mographischen Wandels zu rüsten. Ein ALT WERDEN Anliegen beider ist es, eine Pionierrolle Chancen, Herausforderungen und Handlungsmöglichkeiten für Wohnungsanbieter in ihrer Branche zu übernehmen, ihre Kompetenz im Bereich Alter auszubauen und bedürfnisgerechte Lösungen zu ent- wickeln. Damit wollen sie soziale Verant- wortung übernehmen und sich im rauer Eveline Althaus und Angela Birrer werdenden Mietwohnungsmarkt einen Marktvorteil verschaffen. ETH Wohnforum ETH CASE Und mit welchem Ergebnis? In dieser praxisrelevanten und bemer- kenswert übersichtlich gestalteten Publi- Ein Partner, der als Eigentümer seine Lie- kation diskutieren die beiden Autorinnen genschaften selbst verwaltet, wird eine Möglichkeiten, mit denen die Immobilien- Kontaktperson vor Ort in seinem Team bewirtschaftung einer zunehmend älteren anstellen. Das andere Partnerunterneh- Mieterschaft und ihren Bedürfnissen be- men will entsprechende Finanzierungs- gegnen kann. Systematisch leiten sie die modelle prüfen und strategische Über- verschiedenen Handlungsoptionen her zeugungsarbeit für ein solches Angebot und unterziehen sie auf Basis von Fallbei- innerhalb der Branche leisten, damit eine spielen einem «Praxis-Check». Dabei Kontaktperson vor Ort in Zukunft in ganz werden die Voraussetzungen, Chancen gewöhnlichen Mietliegenschaften zum und Risiken realitätsbezogen, transparent Tragen kommen kann. und strukturiert aufgezeigt. – Download unter age-stiftung.ch/wohnforum2020 Review: A. Sidler, Age-Stiftung 16
Präsenzzeit vor Ort – Finanzierung und Organisation Organisation Wohnmodelle mit einer Kontaktperson vor Ort können ihre Stärken vor allem dann entfalten, wenn die Kontaktperson möglichst oft und lange in der Siedlung anwesend ist. Ausgedehnte Präsenzzeiten sind teuer, können aber nur teilweise mit konkreten Leistungen für die Bewohnerschaft ausgelastet werden. In der Projektpraxis hat man dafür unterschiedliche Lösungen gefunden. In den Beispielen in diesem Heft sind die wenn die Kontaktperson Concierge- Für die Bewohnerschaft einer kleinen Kontaktpersonen vor Ort zwischen 8% Aufgaben übernimmt, die meist spontan Siedlung dagegen kann dies teuer werden. und 80% angestellt. Arbeitszeit ist teuer und gerne zeitnah angefordert werden. Einige Möglichkeiten, um auch für sie an- und muss von der Mieterschaft abgegol- gemessene Präsenzzeiten zu erreichen, ten werden, wenn nicht die öffentliche Margrit Weber, Präs. Genossenschaft (13) werden im Folgenden beschrieben. Hand oder der Wohnbauträger die Kos- Die Bewohnerinnen und ten bzw. Teile davon übernimmt. Wohnen vor Ort Bewohner schätzen es, dass Kontaktpersonen, die vor Ort wohnen, Fixe Kosten tagsüber Ansprechpersonen sind in kurzer Zeit erreichbar und zur Stel- In allen Beispielen ist der Kostenbeitrag da sind. Kleinere Alltags- le. Damit sie sichtbar und spontan anzu- für die Kontaktperson vor Ort für die treffen sind, können sie mit ausgewählten Mieterschaft nicht optional, er wird aber probleme lassen sich so Hauswartsaufgaben (oft im Stundenlohn) unterschiedlich erhoben (→ Abb. S. 60). unbürokratisch und sofort betraut (3) oder sogar mit einem Teilzeit- Wird er als monatliche Servicepauschale lösen. pensum als Hauswart eingestellt werden gezahlt, sind die Kosten transparent. Der (6). Eine Kontaktperson, die vor Ort Aufwand der Kontaktperson vor Ort wird wohnt, ist aber auch immer in der Rolle jedoch in den meisten Beispielen über Auch das Gefühl der Sicherheit durch der Nachbarin bzw. des Nachbars. Das die Miete abgegolten. Das hat den Nach- Achtsamkeit (→ Abb. S. 56) sowie die schränkt ihre Möglichkeiten ein, bei Kon- teil, dass die Kosten für die Kontaktper- dafür nötige Vertrauensbasis entstehen flikten als neutrale Drittperson zu vermit- son vor Ort dem Mietrecht unterstehen. nur dann, wenn man sich oft und auch teln. Ausserdem müssen Kontaktperso- Sollte der Aufwand steigen, kann das nur unkompliziert begegnen kann. In den nen, die im Teilzeitpensum mit der all- schwer an die Mieterschaft weitergege- Projektbeispielen wird diesem Erforder- gemeinen Abwartsfunktion im Haus be- ben werden. Hat die Kontaktperson vor nis auf unterschiedliche Art Rechnung traut sind, einen Weg der Abgrenzung fin- Ort noch andere Pflichten wie bspw. getragen. den, der mit der Funktion als Ansprech- Hauswartsaufgaben (siehe unten), kann person vereinbart werden kann. ihre Präsenzzeit teilweise über die Ne- Anzahl Wohnungen benkosten abgegolten werden. Gesetzli- Für die Anstellung einer Kontaktperson Arbeiten vor Ort che Normen legen jedoch klar fest, wel- vor Ort ist die Zahl der Wohnungen ein Der Hauswart ist ein präsenter, bekannter che Hauswarttätigkeiten in den Ne- wichtiger Faktor. Zum einen wird es für und gut informierter Generalist, der auch benkosten verrechnet werden. Soziale den Einzelnen günstiger, wenn die Per- spontan ansprechbar ist – selbst wenn er Aufgaben und individuelle Handreichun- sonalkosten auf mehr Parteien verteilt nicht in der Siedlung wohnt. Die Haus- gen gehören nicht dazu. werden können. Zum anderen ist die wartung wird heute oft an spezialisierte Auslastung einer Kontaktperson vor Ort Firmen vergeben, welche die Aufgaben Möglichst viel Präsenzzeit in einer grossen Siedlung höher. Bessere des Hauswart durch arbeitsteilig organi- Eine häufige bzw. ausgedehnte Anwesen- Finanzierungsmöglichkeiten und höhere sierte Teams erledigen lassen. Dabei wird heitszeit der Kontaktperson vor Ort ist Auslastung ermöglichen wiederum eine übersehen, dass man damit ein wich- essenziell für das Modell, insbesondere häufige und lange Anwesenheitszeit. tiges und verbindendes Element aus der 17
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