AMPEL foodwatch protestiert für Nutri-Score - ABSCHIED - foodwatch International

Die Seite wird erstellt Petra-Hortensia Thiele
 
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AMPEL foodwatch protestiert für Nutri-Score - ABSCHIED - foodwatch International
Dezember 2021

DIE NACHRICHTEN FÜR MITGLIEDER

               Seite 2                 Seite 4                     Seite 7

               AMPEL                   ABSCHIED                    ALARM
               foodwatch protestiert   Gründer Thilo Bode          Ethylenoxid in
               für Nutri-Score         verlässt die Organisation   Lebensmitteln
AMPEL foodwatch protestiert für Nutri-Score - ABSCHIED - foodwatch International
2             DEZEMBER 2021

                                                                                      Industrielobby muss
                                                                                       Farbe bekennen!
                                                                                       foodwatch International setzt ein
                                                                                        Zeichen für den Nutri-Score

                                                            Den Film zur Aktion in                     Denn viel zu lange hat die Industrie wirksame
                                                       Brüssel gibt’s hier, einfach                    politische Maßnahmen für eine gesunde Er­
Liebe Unterstützer:innen,                              mit dem Handy einscannen
                                                                   und los geht’s!                     nährung verhindert. Wenn FoodDrinkEurope
                                                                                                       wirklich zu einem gesünderen Leben beitra-
neu bei foodwatch zu starten, ist nicht nur
                                                                                                       gen will, wie im Leitbild behauptet, dann muss
eine spannende Aufgabe – sondern führt
                                                   Die Lobby der Lebensmittelindustrie will den        der Verband Farbe bekennen und den Nutri-
auch zu vielen Fragen von Freund:innen und
Familie: „Wirst du jetzt Vegetarierin?“, „Darfst   Nutri-Score als verpflichtende Nährwertkenn­        Score unterstützen! Schließlich fordern Wissen-
du noch Limo trinken?“ oder „Kaufst du nur         zeichnung verhindern. foodwatch hat dage-           schaftler:innen, medizinische Fachgesellschaf-
noch bio?“ waren Fragen, die ich gestellt be-      gen in Brüssel mit einer farbenfrohen Aktion        ten, Ärzt:innen und Verbrauchergruppen schon
kam.                                               protestiert.                                        seit langem eine verpflichtende, farbliche Nähr­
                                                                                                       wertkennzeichnung auf europäischer Ebene.
Lustig. Dachte ich zunächst. Und dann brach-       In deutschen Supermärkten prangt er schon hier
te es mich zum Nachdenken. Bei foodwatch           und da auf Tiefkühlpizzen, Erdbeerjoghurts oder     Wissenschaftliche Studien belegen, dass der
zu arbeiten bedeutet doch eher, sich politisch     Frühstücksflocken: Der Nutri-Score. Lebensmit-      Nutri-Score die verständlichste Form der Kenn­
für mehr Verbraucher:innenrechte einzuset-
                                                   telhersteller dürfen die verbraucherfreundliche     zeichnung ist und Verbraucher:innen zu gesün-
zen, Missstände aufzudecken und sich gegen
                                                   Lebensmittelampel hierzulande seit vergange­        deren Produkten greifen lässt. Erst kürzlich hat
den Einfluss der Agrar- und Lebensmittel-
Lobby zu wehren. Und eben nicht, zu ver-           nem Herbst auf Produkte drucken. Doch auf           sich deshalb auch die Internationale Krebsfor-
suchen, mit dem Einkaufskorb die Welt zu           einen Blick mehrere Produkte im Regal verglei­      schungsagentur der Weltgesundheitsorganisation
retten. Denn ich allein im Supermarkt kann         chen – das ist noch lange nicht möglich, denn       für die schnellstmögliche Einführung des Nutri-
eben viel zu wenig verändern. Deshalb braucht      nach wie vor ist der Nutri-Score rein freiwillig.   Score ausgesprochen. Denn die Ampel kann Ver-
es dringend politische, große Lösungen –           Und gewichtige Akteure der Lebensmittelindu­        braucher:innen dabei helfen, das Risiko für er-
und deshalb bin ich bei foodwatch. Vielen          strie wollen, dass das so bleibt. Zum Beispiel      nährungsbedingte Krankheiten, wie etwa Krebs,
Dank, dass Sie unsere Arbeit unterstützen!         FoodDrinkEurope: Die größte Lobbygruppe der         zu senken.
                                                   Lebensmittelkonzerne in der Europäischen Uni-
Herzliche Grüße
                                                   on engagiert sich massiv gegen die verbindliche
                                                   Einführung der Ampel.                                                  SARAH HÄUSER

                                                   NUTRI-SCORE JETZT!                                                     Sarah Häuser ist seit 2017 Presse­
                                                                                                                          sprecherin bei foodwatch. Seit die-
Susanne Gonswa                                     Dagegen haben wir in Brüssel gemeinsam mit un-                         sem Jahr setzt sie sich zudem als
Pressesprecherin                                   seren Kolleg:innen von foodwatch Frankreich,                           Campaignerin für den Nutri-Score
                                                   Niederlande, Brüssel und Österreich protestiert.                       ein.
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Dringender Appell an Bundesregierung: Sofort handeln!
foodwatch-Studie zu Kinderwerbung belegt: Selbstverpflichtungen bleiben wirkungslos

Bunte Comicfiguren, Online-Gewinnspiele und       bei Kinderlebensmitteln auf Rezepturänderun-       Kinder gerichteter Werbung für Süßigkeiten,
Spielzeugbeigaben – Produkte, die so an Kin­      gen gedrängt hat – allerdings nur auf freiwilli-   Softdrinks und Junkfood! Wir werden der
der beworben werden, sind vor allem Zucker-       ger Basis.                                         neuen Regierungskoalition genau auf die Fin­
bomben und fettige Snacks. Das zeigt eine                                                            ger schauen!
neue foodwatch-Marktstudie und beweist da-        Unsere Studienergebnisse machen deutlich:
mit: Freiwillige Selbstverpflichtungen der In-    Weder Selbstverpflichtungen der Industrie noch
                                                                                                                      SASKIA REINBECK
dustrie verhindern nicht, dass ungesunde Le-      die freiwillige Reduktionsstrategie der Bundes-
bensmittel an Kinder beworben werden.             regierung haben das Problem der Junkfood-                           Saskia Reinbeck ist seit 2021 im
                                                                                                                      Team Recherche und Kampagnen bei
                                                  Werbung lösen können. Deshalb fordert food-
                                                                                                                      foodwatch. Sie war dieses Jahr maß-
foodwatch hat 283 Lebensmittel untersucht,        watch von der künftigen Bundesregierung eine                        geblich verantwortlich für die food­
die an Kinder beworben werden. Das Ergeb­         gesetzliche Beschränkung von an                                     watch-Studie zu Kindermarketing.

nis: 242 von 283 Produkten (85,5 Prozent)
enthalten zu viel Zucker, Fett und/oder Salz.
Sie erfüllen in ihrer Nährstoffzusammenset-
zung nicht die Anforderungen der Weltgesund-
heitsorganisation (WHO) für ausgewogene
Kinderlebensmittel. Vor allem Schokolade und
Süßwaren sowie Frühstückscerealien, Eis und
salzige Snacks werden aggressiv an Kinder ver-
marktet. Also genau solche Produkte, die den
Konzernen besonders hohe Umsatzrenditen ver-
sprechen. Für Obst und Gemüse (in verarbeite-
ter und unverarbeiteter Form) gibt es dagegen
kaum Kindermarketing.

Bereits 2015 kamen wir in einer ersten Markt­
studie auf ein ähnliches Ergebnis. Damals ver-
fehlten 89,7 Prozent der Produkte die WHO-
Empfehlungen. Das zeigt: In den letzten Jahren
hat sich fast nichts getan. Und das, obwohl die
untersuchten Lebensmittelunternehmen wie
Nestlé, Kellogg‘s und Unilever schon vor Jahren
eine Selbstverpflichtung zu verantwortungs-
vollem Kindermarketing („EU Pledge“) unter-
schrieben haben. Und obwohl die Bundesregie-
rung in den vergangenen Jahren insbesondere
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4           DEZEMBER 2021

„Wir sind keine Einkaufsberatung!“
ÜBER ERFOLGE , FEHLER UND OP TIMISMUS:
E I N A B S C H I E D S G E S P R Ä C H M I T F O O D W AT C H - G R Ü N D E R T H I L O B O D E

    Warum hast du vor 20 Jahren                                                                                             	­­An welche Punkte denkst du dabei?

                                               Foto: foodwatch
    foodwatch gegründet?
                                                                                                                            Das Ernährungssystem als Ganzes zu verbes-
Thilo Bode: Auslöser war der BSE-Skandal.                                                                                   sern, ist uns nicht gelungen. Nach 15 Jahren
Die Politik hat damals Verbraucher:innen                                                                                    (!) Kampagnen für eine Lebensmittel-Ampel
komplett im Stich gelassen. Sie waren im                                                                                    (heute „Nutri-Score“) gibt es diese als ver-
Supermarkt ungeschützt gefährlichen Lebens-                                                                                 pflichtende Nährwertkennzeichnung immer
mitteln ausgesetzt und hatten keine Mög­                                                                                    noch nicht. Das ist wirklich ein Skandal!
lichkeit, sich dagegen zu wehren. Mir wurde                                                                                 Ernährungsbedingte Krankheiten wie Adipo­
klar: Es gibt noch keine Organisation, die                                                                                  sitas und Diabetes sind auf dem Vormarsch
die Interessen der Verbraucher:innen im Le-                                                                                 – mit großen Folgeschäden für die Gesell-
bensmittelmarkt effektiv vertritt.                                                                                          schaft. Die Rückverfolgbarkeit der Produkti-
                                                                                                                            onsketten bleibt intransparent, effektive Kla-
                                                                                                                            gerechte, mit denen Verbraucher:innen ihre
    Welche Veränderungen gehen auf                                                                                          Interessen gegen die übermächtige Lebens-
    die Arbeit von foodwatch zurück?                                                                                        mittelindustrie durchsetzen können, fehlen.
                                                                                                                            Und es gibt neue Gefahren, zum Beispiel
Es gelang uns, den Schutz vor unsicheren                                                                                    die internationalen Handelsverträge der EU,
Lebensmitteln und Täuschung zu verbessern:                                                                                  wie das Abkommen CETA mit Kanada. Sie
eine geringere Dioxinbelastung von Lebens-                       Thilo Bode gründete 2002 die Verbraucherorganisa-          haben das Potential, Gesundheits- und Ver-
mitteln, die Aufdeckung von Werbelügen,                          tion foodwatch. Zuvor war er lange Jahre Geschäfts-        braucherschutzstandards zu verwässern und
verbesserte Transparenzrechte (Verbraucher-                      führer von Greenpeace Deutschland und Greenpeace           die Demokratie als Ganzes zu beschädigen.
informationsgesetz). Auch die Aufdeckung                         International. Fast 20 Jahre lang setzte sich Thilo Bode
                                                                 an der Spitze von foodwatch für die Rechte der Ver-
von Lebensmittelskandalen gehört dazu. Vor                       braucher:innen ein. Zum Ende des Jahres verabschie-
allem aber, vermute ich, haben wir dazu bei-                     det er sich, weil er einer neuen, jüngeren Führungs­           Gibt es Dinge, auf die Du stolz bist?
getragen, dass Ernährung ein politisches                         riege Platz machen möchte.
Thema geworden ist. Wir müssen uns jedoch                                                                                   Wir haben foodwatch zu einer internationa-
fragen: Was ist uns nicht geglückt, was ist                                                                                 len Verbraucherorganisation in Europa ausge­
noch zu tun?                                                                                                                baut. Wir sehen heute, um wieviel effektiver
                                                                                                                            unsere Kampagnen sind, wenn wir gemein-
                                                                                                                            sam mit den foodwatch-Büros in Deutsch-
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land, den Niederlanden, Frankreich, Öster­                                                                  Was wünschst du foodwatch
reich und Brüssel vorgehen. Ernährungs- und                                                                 für die Zukunft?
Landwirtschaftspolitik werden in Brüssel ge-
macht, selbst die Größe der Buchstaben auf                                                              foodwatch sollte sich zu einer echten euro-
den Lebensmittel-Etiketten wird dort ent­                                                               päischen Organisation weiterentwickeln. Ver-
schieden! Im Rückblick frage ich mich, ob wir                                                           braucherschutz muss als europäisches Bür-
vielleicht zu spät die europäische foodwatch-                                                           gerrecht betrachtet werden. Europa ist nicht
Arbeit vorangetrieben haben.                                                                            gut beraten, wenn es ausschließlich auf den
                                                                                                        vier Grundfreiheiten des Binnenmarkts be-
                                                                                                        ruht: Kapital, Dienstleistungen, Personen und
    Warum ist es wichtig,                                                                               Güter. Dieses Konstrukt zementiert die offen-
    foodwatch-Mitglied zu sein?                                                                         sichtliche Distanz zwischen den EU-Institu-
                                                                                                        tionen und den europäischen Bürger:innen.
Viele denken leider immer noch, es komme                                                                foodwatch braucht intelligente Kampagnen,
auf den Einzelnen an. Dieser könne im Super­                                                            die gleichzeitig konfrontativ, aber keine Hau-
markt mit dem Einkaufskorb die Qualität der                                                             Drauf-Kampagnen sind, sondern wissenschaft-
Lebensmittel durch Nachfrage verbessern.                                                                lich und im Dienste eines weiterreichenden
Das ist eine Illusion! Wir können zum Bei­                                                              Ziels.
spiel keine Nährwertampel oder Höchstwer-
te für Pestizide kaufen. foodwatch ist deshalb     Mit sechs Mitarbeiter:innen ging es 2002 los.
auch keine Einkaufsberatung! Das System, wie       Heute arbeiten in Berlin, Brüssel, Amsterdam, Wien       Ein Fazit nach 20 Jahren?
Lebensmittel hergestellt und vermarktet wer­       und Paris rund 50 Menschen für foodwatch.

den, muss sich grundsätzlich ändern. Daher                                                              Kein Tag war langweilig, jeden Tag habe ich
ist es wichtig, dass es eine starke Verbraucher-                                                        etwas dazu gelernt. Ich durfte mit einem wun-
organisation gibt, die sich unabhängig und                                                              derbaren Team zusammenarbeiten. Kampag-
kompromisslos für Veränderungen auf poli­                                                               nen zu entwickeln und umzusetzen ist eine
tischer Ebene einsetzt.                                                                                 höchst anspruchsvolle Tätigkeit. Unser Erfolg
                                                                                                        ist ein Team-Erfolg!
                                                   2005 – 2008) kannte sich – unabhängig von
    Gab es eine Verbraucherministerin              seiner weiteren Politik – im Verbraucher-
    oder -minister, mit der/dem du                 schutz detailliert und sehr gut aus. Beim so­            Wie sehen deine Zukunftspläne aus?
    besonders gern zu tun hattest?                 genannten „Gammelfleisch-Skandal“ konn-
                                                   ten wir sehr gut miteinander diskutieren. Mit        Ich muss wohl erst einmal verarbeiten, dass
Im Grunde spielte der Verbraucherschutz leider     ihm könnte ich mir vorstellen, heute noch            ich weg bin. Erst dann kann ich überlegen, was
bei keiner Bundesregierung eine besonders          einen Wein zu trinken. Mit allen anderen             noch kommen kann.
große Rolle. Aber Horst Seehofer (Landwirt-        bleibe ich eher in freundschaftlicher Feind-
schafts- und Verbraucherschutzminister von         schaft verbunden (lacht).                            Das Interview führte Susanne Gonswa.
6             DEZEMBER 2021

* * * KU R Z G E M E L D E T * * *                          Blick in die Küchen erlaubt –
   Vorbild Großbritannien: Junkfood-
werbung wird verboten. Großbritannien
                                                            foodwatch gewinnt Musterklage
schränkt die Werbung für unausgewogene
Lebensmittel deutlich ein. Ab 2022 dürfen                                                                          schen mit wenigen Klicks, Transparenz über Hy-

                                                 Foto: privat
TV-Werbespots für Produkte wie Softdrinks,                                                                         gienekontrollen einzufordern. Die große Reso­
überzuckerte Frühstücksflocken oder Bur-                                                                           nanz auf die Kampagne zeigt, dass Behörden gut
ger nur noch nach 21 Uhr gesendet wer-                                                                             beraten wären, Kontrollergebnisse von sich aus
den. Zudem dürfen Hersteller für ihre unge-                                                                        zu veröffentlichen. Das hilft allen Seiten – Ver-
sunden Produkte keine bezahlte Online-
                                                                                                                   braucher:innen, Behörden und auch den Unter-
Werbung mehr schalten. Nur die eigenen
                                                                                                                   nehmen selbst.
Kanäle wie Webseiten und Social Media
sind von diesem Verbot ausgenommen.
                                                                                                                     Wie geht es jetzt mit Topf Secret weiter?
                                                                                                ARNE SEMSROTT
    EU-Kommission beendet Käfighaltung.                                                                            Semsrott: Inzwischen gibt es über unser Portal
Bis 2030 will die EU-Kommission einen ent-                  Gute Nachrichten: Die Veröffentlichung von Le-         mehr als 53.000 Anfragen nach Hygienekontroll-
sprechenden Gesetzesvorschlag vorlegen.                     bensmittelkontrollergebnissen über die Platt-          berichten. Trotzdem weigern sich einzelne
Sie reagierte damit auf die Europäische                     form Topf Secret ist weiterhin erlaubt. Das hat        Behörden – und in Schleswig-Holstein das gesamte
Bürgerinitiative „End The Cage Age“, der                    das Landgericht Köln entschieden. Sehr zum             Bundesland – die Transparenzvorgaben aus dem
sich 1,4 Millionen Bürger:innen angeschlos-                 Ärger der Gastrolobby. Mitbetreiber der Platt-         Verbraucherinformationsgesetz (VIG) umzuset­
sen hatten. Auch foodwatch unterstützte die
                                                            form und Projektleiter bei FragDenStaat, Arne          zen. In diesen Fällen werden wir weiter klagen,
Initiative. Die Kommission will prüfen, ob die
                                                            Semsrott, feiert den Sieg und erklärt die Hin-         um die Behörden zu rechtskonformem Verhal-
Vorschriften bis 2027 in Kraft treten können.
Aktuell werden in Europa noch etwa 300
                                                            tergründe.                                             ten zu bewegen. Das Wichtigste aber: Die neue
Millionen Muttersauen, Kaninchen und Hüh-                                                                          Bundesregierung muss tätig werden! Wenn sie
ner in Käfigen eingesperrt.                                   Warum ist das Urteil aus Köln                        endlich ein effektives Transparenz-System für
                                                              richtungsweisend?                                    Lebensmittelbetriebe umsetzt, wie es in anderen
                                                            Semsrott: Nach Hunderten Verwaltungsge­                Ländern wie zum Beispiel Dänemark längst üb-
                                                            richtsurteilen hat jetzt auch ein Zivilgericht klar-   lich ist, können wir Topf Secret abschalten.
                                                            gestellt, dass unser Portal Topf Secret nicht
                                                            nur rechtens ist, sondern ein wichtiges Instru­
                                                            ment, um das Informationsrecht von Einzelnen
                                                            durchzusetzen und die Öffentlichkeit zu infor-
                                                            mieren. Die Gastrolobby, vor allem der DEHO-
                                                            GA (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband),            foodwatch und die Transparenz-Initiative
   WHO-Krebsforschungsagentur für Nutri-                                                                             FragDenStaat haben 2019 gemeinsam die
Score. Die Internationale Agentur für Krebs-                der die Verfahren gegen Topf Secret vorange-
                                                                                                                     Online-Plattform Topf Secret ins Leben ge-
forschung befürwortet, den Nutri-Score ver-                 trieben hat, muss sich endlich damit abfinden,
                                                                                                                     rufen. Hier können Kontrollberichte mit
bindlich in Europa einzuführen. Die Lebens-                 dass Hygiene-Transparenz normal wird und                 wenigen Klicks abgefragt und veröffentlicht
mittelampel helfe den Verbraucher:innen,                    Ekelzustände ans Licht müssen.                           werden.
das Risiko für nichtübertragbare Krankhei-                                                                           Das Portal: https://fragdenstaat.de/
ten wie Krebs zu senken.                                      Was ist das Besondere an dieser Plattform?             kampagnen/lebensmittelkontrolle/app/
                                                            Semsrott: Topf Secret ermöglicht es allen Men-
DEZEMBER 2021            7

Gefährlicher Sommerschlaf

                                                                                                                                                   Foto: foodwatch/Sabrina Weniger
foodwatch warnt vor Ethylenoxid in Speiseeis      der Entscheidung der EU erfolgten bald Rück­
und zwingt Mars Deutschland zum Rückruf.          rufe in ganz großem Stil. Tausende Produkte
                                                  wie Eiscremes von Snickers und Milka wur-
Wenn erst die Recherchen einer vergleichs­        den zurückgerufen – unter anderem in Frank-
weise kleinen Organisation wie foodwatch          reich, Rumänien, Slowenien und Luxemburg.
und der öffentliche Druck von vielen tausen-      Und in Deutschland? Nichts! Wochenlang kein
den Verbraucher:innen einen Lebensmittel-         einziger Rückruf.
giganten wie Mars zu einem Rückruf wider
Willen drängen, zeigt das einmal mehr: Politik    EIN KLEINES TEAM GEGEN DIE                         Tschüss, Olli!
und Behörden versagen viel zu oft beim Ver-       LEBENSMITTELINDUSTRIE
braucherschutz. Was war passiert?                 foodwatch mahnte öffentlich, startete eine On-     Genau elf Jahre lang war Oliver Huizinga
                                                  line-Petition an die zuständigen Verbraucher-      Teil des foodwatch-Teams, jetzt war es für
                                                  ministerien der Bundesländer, hakte bei Her­       den langjährigen Kampagnenleiter Zeit
                                                  stellern nach – und fand in akribischen Recher-    für etwas Neues: Seit 1. November ist
                                                  chen heraus: In Deutschland wurden genau die       er politischer Geschäftsführer der Deut-
                                                  gleichen Produkte weiter im Supermarkt ver-        schen Adipositas Gesellschaft und ar-
                                                  kauft, die in anderen Ländern längst öffentlich    beitet zudem für die Deutsche Allianz
                                                  zurückgerufen worden waren. Snickers Ice           Nichtübertragbare Krankheiten. Auch in
                                                  Cream von Mars sogar mit exakt derselben           seiner neuen Position wird Oliver also mit
                                                  Chargen-Nummer! Unfassbar…                         foodwatch in Kontakt bleiben.
                                                                                                     Oliver begann im Jahr 2010 als Trainee
Mitten im „Sommerloch“, am 13. Juli, fassten      Wir konfrontierten mit unseren Funden den Her-     und leitete seit 2017 die Kampagnenab-
die Mitgliedstaaten der EU bei einer Sitzung in   steller Mars, trommelten auf den Social-Media-     teilung. Er hat sich vor allem durch seinen
Brüssel einen weitreichenden Beschluss: Alle      Kanälen, informierten die Presse. Endlich, im      unermüdlichen Einsatz im Kampf gegen
Produkte, die mit Ethylenoxid belastetes Jo-      August, beugte sich Mars dem Druck und rief        Übergewicht bei Kindern einen Namen
hannisbrotkernmehl (E410) enthalten, müssen       die belastete Eiscreme auch in Deutschland         gemacht.
zurückgerufen werden! Und zwar europaweit.        zurück. Ein Erfolg – auch für alle 55.000 Ver-     Wir sagen: Tschüss, Olli, und vielen Dank
                                                  braucher:innen, die die foodwatch-Protestakti-     für deine tolle Arbeit!
Ethylenoxid ist ein Gas, das als krebserregend    on unterzeichnet haben.
und erbgutverändernd gilt. Während der                                                               „Ich bin wahnsinnig dankbar für diese
Stoff in der Lebensmittelproduktion der EU ver-   Aber: Andere Hersteller wie die Nestlé-Tochter     aufregenden und lehrreichen elf Jahre.
boten ist, wird er jedoch in etlichen Dritt­      Froneri verkauften belastete Produkte einfach      Zum Glück fühlt es sich nicht wie ein
staaten zur Bekämpfung von Pilzen und             weiter. Und vor allem zeigt der Fall: Ohne öf-     richtiger Abschied an. Denn im Kampf
Bakterien eingesetzt – und landet auf diesem      fentlichen Druck durch Organisationen wie          gegen die Adipositas-Epidemie arbeiten
Weg offenbar auch in unserem Essen: An-           foodwatch und den Protest vieler Verbraucher:      foodwatch und die medizinischen Fach­
fang Juni war bekannt geworden, dass große        innen wäre höchst wahrscheinlich rein gar nichts   gesellschaften eng zusammen. In diesem
Mengen des weit verbreiteten Zusatzstoffs         passiert – ein Skandal und ein klares Versagen     Sinne: Bis bald!“
E410 mit Ethylenoxid verunreinigt sind. Nach      der Ministerien und Kontrollbehörden.
8                 DEZEMBER 2021

                                   Mit dem Testament die Zukunft gestalten
                                   Immer mehr Menschen treibt die Sorge um                                Wenn Sie möchten, dass sich foodwatch
                                   das Morgen um. Wie wird die Welt, die Ge­                              auch in Zukunft mit aller Kraft dafür einsetzt,
                                   sundheit, die Ernährung, die Klimasituation,                           dass
                                   die Umwelt- und Handelspolitik für unsere                              • der Einfluss der Lebensmittel-Lobby
                                   nachfolgende Generation aussehen? Wird die                                  begrenzt wird,
                                   Gerechtigkeitslücke in unserem ökonomischen                            • Kinder nicht weiter von der Lebensmittel-
                                   System größer werden? Werden wir künftige                                   Industrie dazu verführt werden, unge-
                                   Pandemien in den Griff bekommen? Bewegen                                    sunde und dickmachende Nahrungsmittel
                                   wir uns auf eine Klimakatastrophe zu oder                                   zu sich zu nehmen,
                                   können wir das Steuer noch rumreißen? Das                              • keine schädlichen Zusatzstoffe in unseren
                                   sind Fragen, die viele beschäftigen. Aber auch                              Lebensmitteln enthalten sind,
                                   Themen wie Bürgerbeteiligung und welchen                               • unsere Nutztiere nicht länger qualvollen
                                   Stellenwert die Rechte der Verbraucher:innen                                Haltungsbedingungen ausgesetzt
                                   auf dem Lebensmittelmarkt in Zukunft haben                                  sind, dass sie davon krank werden,
                                   werden.
                                                                                                          dann ziehen Sie es in Erwägung, foodwatch
                                   Wenn Sie sich diese Fragen auch stellen und                            in Ihrem Testament zu bedenken.
                                   Ihre Lieben bereits versorgt sind, dann könnte
                                   eine Nachlassverfügung helfen, diese Heraus-                           Allerdings gibt es gerade bei der Erstellung eines
                                   forderungen schon heute anzugehen.                                     Testaments unzählige Stolpersteine. Deshalb
                                                                                                          erstellen Sie Ihr Testament unbedingt mit der
Foto: Adobe Stock/jd-photodesign

                                   Wenn Ihnen zudem die Ziele von foodwatch am                            Hilfe eines Rechtsanwalts oder Notars. So kön­
                                   Herzen liegen und Sie sich wünschen, dass diese                        nen Sie sicher sein, dass Ihr letzter Wille in vollem
                                   auch in Zukunft verfolgt werden, dann könnten                          Umfang wirksam wird und alle Betroffenen be-
                                   Sie schon heute foodwatch im Testament be­                             nachrichtigt werden. Da wir mit professionellen
                                   denken.                                                                Erbrechtsanwälten zusammen arbeiten, können
                                                                                                          wir Sie gern dabei unterstützen.

                                   Wenn Sie Fragen dazu haben, wenden Sie sich gern an uns.
                                   » Gabriele Richter: gabriele.richter@foodwatch.de

                                   IMPRESSUM ––––––––– Herausgeber Dr. Thilo Bode ∙ foodwatch e. V. · Anschrift Brunnenstr. 181 ∙ 10119 Berlin · Telefon 030 / 28 44 52 96 · Fax 030 / 24 04 76 26
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