Amsterdam Die kommerzielle Hauptstadt des 17. Jahrhundert
←
→
Transkription von Seiteninhalten
Wenn Ihr Browser die Seite nicht korrekt rendert, bitte, lesen Sie den Inhalt der Seite unten
Amsterdam Die kommerzielle Hauptstadt des 17. Jahrhundert
„Man nennt Amsterdam ein Weltwunder… Man hat nie etwas Reicheres als die Bank gesehen, wo bis zu 2000 Tonnen Gold liegen sollen. sollen Man nennt die Stadt den Markt für die ganze Welt und ein Geschäft für alle Dinge des Universums… das eigentliche Babylon, wegen seiner Schönheit, seines Reichtums, des Stolzes seiner Einwohner und des Durcheinanders von Nationen und Religionen. Amsterdam ist heute die Stadt auf der Welt, in der am meisten Handel getrieben wird und die deswegen die meisten Besucher anzieht“ Französischer Reisender Boussingault 1673
Geographische und geologische Bedingungen • Al Als H Hafenstadt f t dt iistt A Amsterdam t d prädestiniert äd ti i t füfür d den H Handel d l • Niederlande konnte wegen schlechter Bodenverhältnisse, kaum einen Agrar‐Überschuss produzieren • Keine metallischen, mineralischen oder sonstige Bodenschätze • Torf einziges Brennmittel ¾ Niederlande ein Land des Mangels (Ressourcenknappheit), Land das seine Einwohner nicht aus sich selber heraus ernähren konnte ¾ Abhängigkeit von anderen Gebieten, dadurch wirtschaftliche Öffnung ¾ Amsterdam war somit immer schon im Handel tätig, genauso wie in der Fischerei ¾ Dies war ein enormer Vorteil für das Praktizieren eines kapitalistischen Wareneinfuhr‐, Warenveredelungs‐ und Warendistributionsnetzes
Politische Situation: Schwacher Adel, starke Händler • Relativer Niedergang des Adels gegenüber anderen politischen und wirtschaftlichen Interessensgruppen innerhalb des Landes • Da die Niederlande ihren Reichtum nicht aus ihrem eigenen Land gewannen, sondern über die Aneignung fremder Ressourcen generierten, war die wirtschaftliche Reproduktionsbasis der Adligen stark eingeschränkt und ihr politischer Einfluss beschnitten • Händler mächtiger als der Adel, da sich ihre Machtbasis aus dem prosperierenden i d europäischen äi h und d weltweiten lt it Zwischenhandelssystem Z i h h d l t entwickelte und diese Stellung zu monopolisieren wussten • Zentrierung der profitablen Handelsaktivitäten auf einige wenige Händlerkreise • In Amsterdam hatten die mächtigsten Händler (Regenten) geringen Anteil an Gesamtbevölkerung (500) • Im ggesamten 17. Jhd. hatten 156 Familien die Macht inne ¾ Diese Händler hatten mit der größten wirtschaftlichen Macht hatten im autonomen Amsterdam auch die politische Macht inne, sie stellten die Regenten der Stadt, die den Bürgermeister wählten
Amsterdams führende Industrien: Schiffsbau, Veredelungsindustrie und Rüstungsproduktion • Durch immer währende Abhängigkeit von der See (Fischerei, (Fischerei Handel) und durch gute Handelskontakte zu den waldreichen Gegenden Norwegens, Rheinaufwärts waren die Niederlande führend im Schiffsbau ¾ Daraus Erlangung einer Monopolstellung im Kampf um die Exporte schon zu Beginn des 17. Jhd. ¾ Mitte des 17. Jhd. fuhren von 20000 europäischen Handelsschiffen fuhren 16000 unter niederländischer Flagge • Aufbau einer Veredelungsindustrie durch Nutzung des günstigen Imports von Rohstoffen und preiswerten Versand der gefertigten Manufakturen, insbesondere Textilindustrie, Seidenindustrie, Edelsteinschleiferei ¾ Die Veredelungsindustrie als ein Prozess der Wohlstandsakkumulation in den Niederlanden verband sich in systemischer Weise mit dem Prozess der maritimen Handelsdominanz • Rüstungsproduktion; Holland war in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts wahrscheinlich die größte Waffenschmiede Europas (besonders bekannt Louis de Geer, der für die Armeen Wallensteins ausrüstete) ¾ Auch die Rüstungsproduktion profitierte von florierenden Handel
Amsterdam: Europas Handelsknotenpunkt Amsterdam A t d verband b d di die großen ß IImport‐ t undd EExportgebiete t bi t d der Epoche miteinander: 1. Den Ostseeraum als Lieferant von Massenwaren wie Getreide, H l und Holz d als l Absatzmarkt Ab t kt für fü billig billi produzierte d i t Textilprodukte T til d kt 2. Den Mittelmeerraum, besonders Spanien, als zahlungskräftiger Massenimporteur von Getreide und Manufakturen, sowie H Hauptexporteur t t von Ed Edelmetallen l t ll und dWWolle ll 3. Transatlantische Handelsgebiet in Amerika, die Rohstoffe wie Salz, Tabak, Zucker, Felle für europäische Verfeinerungsindustrie exportierten i 4. Asien, die durch die ostindischen Kompanien erschlossen wurden ¾ Die Stadt hatte Handelsbeziehungen g mit 625 ausländischen Häfen und hatte den größten Hafen der Welt
Spanien und Polen Amsterdams wichtigste Handelspartner • Spanien war Hauptabnehmer agrarischer Produkte (Viertel des gesamten polnischen Importvolumens für Getreide) • Polen wiederum wichtigster Produzent und Exporteur von land‐, vieh‐ und forstwirtschaftlichen Massenwaren (Danzig wichtigster Ostseehafen) Ostseehafen), ¾ Amsterdam mit seiner geographischen Lage verband durch sein Zwischenhandelssystem Polen die Kornkammer Europas und Spanien die Mine der Welt ¾ Amsterdam profitierte in höchsten Maße von der Abhängigkeit Spaniens und deren Unfähigkeit mit Silberschätzen umzugehen und exportierte Getreide und Luxuswaren nach Spanien • Im 17. Jhd. hatten niederländische Exporteure 60% bis 80% des baltischen Getreidehandels unter ihrer Kontrolle • 76% der Handelskontrakte wurde in Danzig mit Amsterdamern Händler gemachth • Niederländische Kaufleute belieferten Spanien mit Getreide mit einer Gewinnmarge von rund 100%
Bevölkerungsentwicklung und Bevölkerungsschichten Amsterdams • Einwohnerzahl in Amsterdam stieg von 30 30.000 000 Einwohner (1570) auf 200 200.000 000 (1670), drittgrößte Stadt Europas • Amsterdam war in großen Teilen abhängig von Fremdarbeitern • In Amsterdam war gut die Hälfte der Einwohner Immigranten • Vor allem die Toleranz lockte Immigranten, darunter viele Fachkräfte; Deutsche, Walonen, Calvinisten, protestantische Sektenmitglieder, Juden aus Spanien und Portugal, Katholiken lebten nebeneinander • B i U Breite Unterschicht, hi h di die etwa 50% ausmachte, h hatte h k kaum Aufstiegsmöglichkeiten A f i ö li hk i • Jahresdurchschnittseinkommen der unteren 50% war 300 Florin, Existenzminimum • Stadt Amsterdam versorgte im 3. Jahrzehnt des 17. Jhd. 16.000 Einwohner mit Almosen • Aber es gab auch eine breite Mittelschichte (ein Viertel der Bevölkerung): • 8% der Gesamtbevölkerung verdienten zwischen 500 und 600 Florin (Bäcker, Apotheker, Chirurgen, Makler, niedere Offiziere) • 14% verdienten zwischen 600 und 1000 Florin und waren vorwiegend Kleinkaufleute • Anhaltendes Wirtschaftswachstum erhöhte im oberen Drittel die soziale Mobilität
Geld • EEs gab b iin A Amsterdam t d zweii verschiedene hi d Geldsysteme G ld t zum einen i wurden tägliche Lebensnotwendigkeiten, wie Lebensmittel, Feuerholz mit kupfernden Münzen gezahlt, eine zweite Wirtschafts‐ und Konsumsphäre (meist Luxuswaren) wurden in Silber oder Gold gehandelt, meist Kaufleute • Es gab auch bargeldlosen Geldverkehr, mit Wechselbriefen oder Schuldscheinen • Girozahlungen kamen oft im geschäftlichen Verkehr zum Einsatz, denn jeder Transfer der über 600 Florin hinaus ging, durfte nicht bar geregelt werden, werden sondern musste über die Amsterdamer Wechselbank abgewickelt werden • Trotz zahlreicher Währungen (sowohl unterschiedlich niederländische Münzstätten Münzstätten, als auch unterschiedliche ausländische Währungen) gelang strenge Aufsicht der Generalmünzmeister und garantierte stabiles Geldsystem
Kapitalakkumulation ‐und verwaltung, Investitionen • Amsterdam als zentraler Umschlagsplatz europäischer Kapital Kapital‐ und Warentransfers dazu entwickelt es passende Institutionen: − 1598 Gründung der Versicherungskammer für die Seefahrt − 1602 erhielt die Vereenigte Oostindische Compagnie staatliches Monopol auf den Handel mit Asien − 1609 Eröffnung der Börse, sowie erste Girobank − 1616 Kornbörse • Hohe Kapitalakkumulation drückte Leihzins und bevorteilte kleinere und mittelständische Händler bei Zwischenfinanzierung ihrer Geschäfte (3%in Niederlande 6% europäischer Schnitt) Niederlande, Schnitt), schnelle Kapitalverfügbarkeit • Auch ausländisches Kapital wurde durch reizende Investitionsmöglichkeiten angezogen • Kapitalüberschüsse und Handelsprofit wurden in Wirtschaft reinvestiert • Aufbau eines Netzwerk von Handelsverbindungen durch die Gründung der Vereinigten Ostindischen Kompagnie (1619), die europäische Silberüberschüsse ggegen g Luxuskonsumgüterg aus Asien handelten
Orte und Wesen kommerzieller Aktivität • In der Mitte Stadt befanden sich die Verwaltungsmechanismen des global bewegten Kapitals und Handelssystem • Ganz zentral lag das Rathaus, mit Büros zur Gewerbeanmeldung und Gewerbeabmeldung, im Keller war der Tresorraum der Wisselbank (Schlüsselgewalt beim Bürgermeister) • Um das Rathaus herum lageng Kornbörse, Amsterdamer Börse, Bank von Leningg ((Kreditbank)) und Admiralität • Weiterer wichtiger Ort war das Oostindisch Huis, das Hauptquartier der Vereinigten Ostindischen Kompagnien, hier lagerten Silber und die dafür erbrachten Gegenleistungen aus Asien, wie Seide, Porzellan und Gewürze • Es gab 30 Ostindien Läden in der zweiten Hälfte des 17 17. Jhd. Jhd die chinesisches Porzellan, Porzellan Lackwaren Lackwaren, Muscheln, Stoffe verkauft • Sonst dienten auch Gasthäuser und Hotels als Auktionshäuser • Großmärkte hatten eine wichtige Verteilerfunktion zwischen Großhandel und Einzelhandel • Einzelhandel wurde immer stärker und hatte eine solche Bedeutung das er in zwei Gilden organisiert war, die Klein –und die Großkrämergilde • In der Kleinkrämergilde waren 65 Geschäftsbranchen organisiert und sollten vor außerstädtische Kleinhändlern schützen • Verschiedene Sparten des Einzelhandels sortierten sich auf bestimmte Stadtviertel • Neben Kaufleuten die ihre Läden in festen Häusern hatten gab es auch ein Unzahl von Ständen aus Holz in den Straßen • Es gab zwei parallele Konsumwelten; wobei sich der Großteil der Bewohner nur am lebensnotwendigen Handel teilhatten
Steuerwesen • Auch das Steuersystem war im zeitgenössischen Vergleich einzigartig. • K i b di Kriegsbedingt waren didie SSteuern über üb allll sehr h h hoch h • Mehrzahl der staatlichen Einnahmen stammte aus indirekten Steuern. Ob Bier, Käse oder Salz – auf alles wurde eine Steuer erhoben („Alles versteuert außer Luft“) • indirekte Steuern benachteiligt zwar die Bezieher niedriger Einkommen, aber es gab auch wie sonst üblich keine Steuerbefreiungen, nur für Studenten und Statthalter • Ansonsten wurden hohe direkte Steuern beispielsweise auf Geldvermögen und I Immobilien bili erhoben, h b und d zwar progressiv. i • Steuern wurden gezahlt , da Reichtum der Gradmesser für soziale Prestige war, dieser ließ sich im (öffentlich zugänglichen) Steuerregistern ablesen. Je höher dort die Steuern veranschlagt wurden, wurden desto größer war auch das Ansehen des Steuerzahlers. Steuerzahlers • Durch die hohe Steuerzahlungsmoral hatten die Niederlande keine Probleme ihre Staats‐ und das heißt vor allem Militärausgaben zu finanzieren. Sie erhielten die notwendigen Kredite zu den niedrigsten Zinsen, Zinsen weil alle Ausgaben durch Steuereinnahmen gedeckt waren. Auch dies ist Bestandteil des frühneuzeitlichen Wirtschaftswunders.
Gesellschaftliche Veränderung durch wirtschaftlichen Aufstieg • ZZeit it wurde d ddurch h di die kkommerzielle i ll ZZentrierung ti A Amsterdams t d anders d wahrgenommen als sonst zu der Zeit, sie war eine knappe Ressource, Zeitvergeudung ging mit einer Vernachlässigung der Geschäftstätigkeit einher • Freizeit hatte somit eine gesteigerte Bedeutung und war in hohen Maße kommerzialisiert • Konsumfreudige K f di Gesellschaft; G ll h ft durchschnittlich d h h ittli h hingen hi in i jedem j d Haushalt in den Niederlanden 10 Bilder • Zunehmende Materialisierung der Gesellschaft, vor allem der oberen b Schichten S hi h • Freier Markt war jedem „nach seinen Geldbeutel“ zugänglich • Auch in den zwischenmenschlichen Beziehungen g hatte Geld Eingang gefunden, gesellschaftliche Monetarisierung war die Folge • Schon im 17. Jhd. war in Amsterdam Geld Maßstab für Glück und Erfolg
Kernthesen • Struktur des Weltsystems machte es möglich, möglich dass sich Amsterdam, Amsterdam trotz eigener Ressourcenknappheit, wirtschaftlich so erfolgreich entwickeln konnten • Positionierung Amsterdam als Zentrum eines aus dem europäischen Weltsystem expandierenden Kapitalismus hing eng mit der Zentrierung von politischer und wirtschaftlicher Macht auf eine pp von Händler‐Regenten kleine Gruppe g zusammen. Die historisch ggeschwächte Position des Adels war ein Faktor, dass wirtschaftliche und politischen Energien in die Ausdehnung des Handelsnetzes gelenkt. • Maritime Dominanz, Zwischenhandel, Veredelungsproduktion und Finanzverwaltung führten in Amsterdam zu nachhaltiger Profitsteigerung und Wohlstandsmehrung • Amsterdams Vorteil waren die Ungleichgewichte zwischen verschiedenen europäischen Regionen, die der Handel ausgleichen konnte. • Das nachhaltige Einfließen amerikanischer Edelmetalle in die Weltwirtschaft, die Anbindung Europas an ein weitaus größeres wirtschaftliches System auf dem asiatischen Kontinent waren ebenfalls ein entscheidender Faktor für Amsterdams Aufstieg • Die hohe Kapitalakkumulation führte in den Vereinigten Provinzen weder zu hohen Inflationsraten, wie in Spanien, noch wurde sie wie in Polen von einer sehr kleinen Bevölkerungsgruppe in wertstabile Schätze angelegt sondern die Handelsprofit wurden in Wirtschaft reinvestiert • Das goldene Zeitalter glänzte nur für eine begrenzte Gruppe, Gruppe ein großer Teil der Bevölkerung war von Profiten der wirtschaftlichen Boomperiode ausgeschlossen • Reich der Freiheit wegen und frei des Reichtums wegen
Literaturangaben • Ulrich Ufer: Welthandelszentrum Amsterdam‐ Globale Dynamik und modernes Leben im 17. Jahrhundert; Böhlau Verlag • Henry Mechoulan: Das Geld und die Freiheit; Klett‐ Cotta • Horst H t LLademacher: d h Phö Phönix i aus d der A Asche?‐Politik h ? P litik und Kultur der niederländischen Republik im Europa des d 17.1 Jahrhundert; hh d Waxmann p p g • http://de.wikipedia.org/wiki/Amsterdam
Sie können auch lesen