Anamnese und Befunderhebung bei Schmerzpatienten
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Anamnese und Befunderhebung bei Schmerzpatienten Tipps zum Umgang mit dem chronischen Schmerzpatienten Übersicht – Flussdiagramm Diagnostisches Vorgehen beim chronischen Schmerzpatienten Schmerzbezogene Anamnese Copyright 2017 | Dr. med. Dipl. Soz.-W. Reinhard Sittl
Umgang mit chronischen Patienten Vergegenwärtigen der Situation des Patienten – viele Behandlungsversuche ohne Erfolg oder mit Verschlechterung – Patienten verunsichert, verbittert – Angst abgestempelt zu werden Zeigen von Empathie (Akzeptanz, Wertschätzung, Interesse) – Begrüßung mit Namen – Akten vorher studieren – Augenkontakt, nicht in den Akten blättern – Beginn des Interviews mit offenen Fragen – Wiederholen von Inhalten – Besprechung von Prioritäten
Umgang mit chronischen Patienten Versuchen Sie sich in den Patienten hineinzudenken – Erinnerung an eigene Situationen, in denen man sich nicht verstanden gefühlt hat – Was hat einem in dieser Situation nicht gut getan (Überschütten mit „guten Ratschlägen“)? – Hilfreiche Verhaltensweisen (aufmerksames Zuhören, Verständnis)
Elemente der Diagnostik und Therapieplanung beim chronischen Schmerzpatienten Anamnese - Schmerzanamnese - allgemeine medizinische Anamnese / psychosoziale Anamnese Körperliche Untersuchung Psychologische Anamnese und Diagnostik Gespräch mit dem Patienten Formulierung von Therapiezielen Erläuterung des - Erstellen eines Therapieplans weiteren Vorgehens Weiterführende Diagnostik Labor, Konsiliaruntersuchung, Elektrophysiologie, Bildgebung, Nervenblockaden
Systematische Anamnese und Befunderhebung – so wäre es optimal! Lokalisierung Art / Qualität Ansprechen auf die Behandlung Intensität Anamnese / Sekundäre Zeichen / Auswirkung der Befunderhebung Symptome Schmerzen Begleitfaktoren Zeitliche Aspekte Empfindung des Einflussfaktoren Patienten 5
Systematische Anamnese und Befunderhebung – so wäre es optimal! Lokalisierung Art / Qualität Ansprechen auf die Behandlung Intensität fokal, multifokal, generalisiert, Sekundäre Zeichen / Auswirkung der oberflächlich, Symptome Schmerzen tief sitzend Begleitfaktoren Zeitliche Aspekte Empfindung des Einflussfaktoren Patienten 6
Informationen aus der Schmerzlokalisation Hinweise auf die Diagnose Polyneuropathie Thalamus Arthritis CRPS schmerz
Schmerzlokalisation Schmerzlokalisationen können einen Hinweis auf die Ätiologie der Schmerzen geben, z.B. Fibro- myalgie
2014 Diagnostik–Score: Chronischer Schmerz (WPI – Index)1,2 Kreuzen Sie bitte an, wo Sie in der letzten Woche Schmerzen Teil 1: Schmerzorte hatten, und tragen Sie die Anzahl in das Kästchen „Summenwert 1“ ein. o Schultergürtel links o Schultergürtel rechts Nacken o Oberarm links/Ellenbogen Kiefer o Oberarm rechts/Ellenbogen Schulter Gürtel o Unterarm rechts/Hand Oberer Brustbereich o Unterarm links/Hand Oberarm Rücken o Hüfte-Gesäß links o Hüfte-Gesäß rechts Unterarm/Han d Unterer Rücken o Oberschenkel/Knie rechts o Oberschenkel/Knie links o Unterschenkel / Fuß rechts o Unterschenkel / Fuß links o Kiefer rechts Bauch Hüfte Gesäß o Kiefer links Ober- o Brustkorb schenkel/Knie o Bauchbereich o Nacken Unter- o Oberer Rücken schenkel /Fuß o Unterer Rücken Summen-Wert 1 1 ) WPI= widespread pain index 2) R.Sittl, P.Mattenklodt übersetzt nach Wolfe 2010
Systematische Anamnese und Befunderhebung – so wäre es optimal! Lokalisierung Art / Qualität Ansprechen auf die Behandlung Intensität klopfend, stechend, Sekundäre Zeichen / brennend, Auswirkung der Symptome einschießend, usw. Schmerzen Begleitfaktoren Zeitliche Aspekte Empfindung des Einflussfaktoren Patienten 11
Mögliche Zusammenhänge zwischen Schmerzcharakter und Schmerzart Schmerzcharakter Schmerzart Dumpf, drückend, Nozizeptorschmerzen ziehend, stechend Brennend, kribbelnd, neuropathische elektrisierend … Schmerzen Pulsierend, pochend Migräne, entzündliche Schmerzen Krampfartig, kolikartig viszerale Schmerzen Stark affektive somatoforme Schmerzen Beschreibung 12
Fallinfo 7: Elke B. Patientenakte painDETECT- Fragebogen - Elke B. © manu - Fotolia.com 22 13
Systematische Anamnese und Befunderhebung – so wäre es optimal! Lokalisierung Art / Qualität Ansprechen auf die Behandlung Intensität Ratingskalen Sekundäre Zeichen / einsetzen Auswirkung der Symptome (z. B. NRS-0-10) Schmerzen Begleitfaktoren Zeitliche Aspekte Empfindung des Einflussfaktoren Patienten 16
Schmerzintensität Verbale Rangskala kein Ratingskala Numerische - wenig (NRS) - mittel - starke - sehr starke kein - gut erträglich - gerade noch erträglich - unerträglich Visuelle Analogskala (VAS) 0 Smiley-Skala 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 stärkste kein Schmerz vorstellbare Schmerzen stärkste kein Schmerz vorstellbare Schmerzen
Systematische Anamnese - Auswirkungen Lokalisierung Art / Qualität Ansprechen auf die Behandlung Intensität mehrdimensionale Instrumentarien, Einfluss auf Sekundäre Zeichen / Auswirkung der körperliche & Symptome seelische Schmerzen Verfassung, Einfluss auf Lebensqualität Begleitfaktoren Zeitliche Aspekte Empfindung des Einflussfaktoren Patienten 18
Einschränkungen der LQ bei chronischen Schmerzen – ein Beispiel Frau H., 70 Jahre, chronischer unspezifischer Rückenschmerz, Dauerschmerz NRS-11 5-6, Schmerzverstärkung unter Belastung bis NRS-11 9 Einschränkung bei Tätigkeiten im Haushalt Sozialer Rückzug und Schwierigkeiten in der Partnerschaft, da hauptsächliche Freizeitgestaltung (Wandergruppe, Treffen mit Freundinnen in der Stadt) nicht mehr möglich Gehstrecke unter 500 Meter Nachtschlaf schmerzbedingt gestört Stimmung und Antrieb beeinträchtigt
Was wäre wirklich ein Erfolg für Frau H.? Ruhe-Schmerz um 2 Stufen Nachts wieder durchschlafen können (NRS) reduziert Belastungsschmerz um 2 Stufen Beim Spazierengehen keine Angst vor (NRS1) verringert Schmerzspitzen haben o Wieder bis zur Bushaltestelle gehen Gehstrecke um 500m verlängern können o Depressivität signifikant reduziert Sich wieder freuen, wenn die Enkel zu (ADS) Besuch kommen Medizinische Maße sind ein Lebensqualität ist das „Mittel zum Zweck“ eigentliche Ziel 20
Systematische Anamnese – zeitliche Apekte Lokalisierung Art / Qualität Ansprechen auf die Behandlung Intensität Zeitpunkt des Sekundäre Zeichen / Eintritts, Dauer, Auswirkung der Symptome Verlauf, Muster Schmerzen Begleitfaktoren Zeitliche Aspekte Empfindung des Einflussfaktoren Patienten 21
Beispielhafte Schmerzverläufe bei verschiedenen Kopfschmerzformen NRS 10 Migräne 0 MDMDFSS MDMDFSS MDMDFSS MDMDFSS NRS 10 Clusterkopfschmerz 0 MDMDFSS MDMDFSS MDMDFSS MDMDFSS NRS Attackendauer ~ 30 min/d 10 Chronische Spannungskopfschmerzen 0 MDMDFSS MDMDFSS MDMDFSS MDMDFSS NRS 10 Trigeminusneuralgie 0 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
Systematische Anamnese- Einflussfaktoren Lokalisierung Art / Qualität Ansprechen auf die Behandlung Intensität auslösende Faktoren (z.B. Schmerz- verstärkung bei Husten, Sekundäre Zeichen / Auswirkung der Niesen, …), lindernde Symptome Schmerzen Faktoren Begleitfaktoren Zeitliche Aspekte Empfindung des Einflussfaktoren Patienten 23
Mögliche Einflussfaktoren Schmerzverstärkung bzw. - entstehung –körperliche Belastungen (z.B. Arthroseschmerzen) –berufliche Belastungen (Mobbing-Situation?) –psychische Belastungen (Stress?) –durch leichte Berührung (Allodynie?) – …. Schmerzlinderung –Ablenkung (psychische Einflussfaktoren auf Schmerzerleben) –Hinlegen (Schon- und Vermeidungsverhalten?) –körperliche Betätigung (z.B. Abgrenzung) Spannungskopfschmerz – Migräne) – ….
Systematische Anamnese - Begleitfaktoren Lokalisierung Art / Qualität Ansprechen auf die Behandlung Intensität Stimmung, psychischer Stress, Sekundäre Zeichen / Auswirkung der Schlafstörungen, Symptome Schmerzen Depression Begleitfaktoren Zeitliche Aspekte Empfindung des Einflussfaktoren Patienten 26
Routineerhebung in der Praxis WHO-5-Fragebogen zum Wohlbefinden In den letzten zwei Wochen ... Die ganze Meistens Über die Weniger Ab und Zu Zeit Hälfte als die zu keinem der Zeit Hälfte Zeit- der Zeit punkt 5 4 3 2 1 0 ... war ich froh und guter Laune 5 4 3 2 1 0 ... habe ich mich ruhig und 5 4 3 2 1 0 entspannt gefühlt ... habe ich mich energetisch und 5 4 3 2 1 0 aktiv gefühlt ... habe ich mich beim Aufwachen 5 4 3 2 1 0 frisch und ausgeruht gefühlt ... war mein Alltag voller Dinge, 5 4 3 2 1 0 die mich interessieren 27
Systematische Anamnese – sekundäre Symptome Lokalisierung Art / Qualität Ansprechen auf die Behandlung Intensität neurologisches Defizit, Sekundäre Zeichen / Auswirkung der Hyperalgesie, Symptome Schmerzen Allodynie Begleitfaktoren Zeitliche Aspekte Empfindung des Einflussfaktoren Patienten 28
Beispielhafte Begleitsymptome bei verschiedenen Schmerzsyndromen Erbrechen –Migräne, symptomatischer Kopfschmerz Temperaturunterschied von Extremitäten –Sympathisch unterhaltene Schmerzen Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust –Tumorerkrankung Lokale Schwellung, Rötung –entzündungsbedingte Schmerzen Neurologische Ausfälle –Läsion von Nervenwurzeln, Polyneuropathie
Diagnostik–Score: Chronischer Schmerz (WPI – Index) Teil 2: Symptom-Score Summen-Wert 2a+2b (Wird vom Arzt ausgefüllt) 2a: Häufigkeit von Erschöpfung, Schlaf- und Gedächtnisproblemen Bitte kreuzen Sie an, ob Sie in der letzten Woche an folgenden Symptomen litten. fast nie selten häufig immer Erschöpfungszustand, verminderte Leistungsfähigkeit 0 -1 -2 -3 Nichterholsamer Schlaf 0 -1 -2 -3 Konzentrations- oder Gedächtnisprobleme 0 -1 -2 -3 Summenwert 2a (Wird vom Arzt ausgefüllt) 2b: Begleitsymptome - zusätzlich zu den Hauptschmerzen Kreuzen Sie bitte die Symptome an, die Sie in der letzten Woche hatten. o Muskelschmerz o Nervosität o Geschmacksveränderung o Darmbeschwerden o Brustschmerz o Krampfanfälle Symptom- Score o Erschöpfung / Müdigkeit o Sehstörungen o trockene Augen anzahl o Denk- und Gedächtnisprobleme o Fieber o Kurzatmigkeit o Muskelschwäche o Durchfall o Appetitverlust 0 0 o Kopfschmerz o trockener Mund o Hautrötungen 1 - 10 1 o Bauchschmerz/-krämpfe o Juckreiz o Sonnenallergie o Taubheit/Kribbeln o keuchender Atem o Hörprobleme 11 - 24 2 o Schwindel o kalte Hände/Füße o blaue Flecken > 24 3 o Schlaflosigkeit o Hautausschlag o Haarausfall o Niedergeschlagenheit o Ohrgeräusche o Häufiges Wasserlassen o Verstopfung o Erbrechen o Schmerzen beim Wasserlassen o Schmerz im Oberbauch o Sodbrennen o Blasenkrämpfe o Übelkeit o offene Stellen im Mund Summen- wert 2b ………………………….. (Wird vom Arzt ausgefüllt)
Diagnostik–Score: Chronischer Schmerz (WPI – Score1) Sittl & Mattenklodt; übersetzt nach Wolfe (2010) Kriterien für chronischen Schmerz (Fibromyalgiesyndrom) sind erfüllt, wenn: > 7 Punkte im Teil 1 (Schmerzorte) und > 5 P unkte in Teil 2 (Summen-Wert 2a+2b) erreicht oder: 3 - 6 Punkte im Teil 1 (Schmerzareale) und > 9 Punkte in Teil 2 (Symptom-Score 2a+2b) erreicht die Symptome so oder ähnlich seit mindestens drei Monaten bestehen keine andere Krankheit oder Störung vorliegt, welche die Schmerzen erklärt 1 WPI= wide spread pain index
Systematische Anamnese Lokalisierung Art / Qualität Ansprechen auf die Behandlung Intensität Art der Behandlung, Dosierung, Dauer, Nebenwirkungen, Sekundäre Zeichen / Auswirkung der Gründe für Symptome Schmerzen Therapieabbruch Begleitfaktoren Zeitliche Aspekte Empfindung des Einflussfaktoren Patienten 34
Fallinfo 9: Peter T: PDI Patientenakte Psychometrie PDI Bitte geben Sie im folgenden an, wie stark Sie durch Ihre Schm erzen in den verschiedenen Bereichen Ihres Lebens beeinträchtigt sind. Das heißt: Wie sehr hindern die Schmerzen Sie daran, ein normales Leben zu führen? Kreuzen Sie bitte für jeden der sieben Lebensbereiche die Zahl an, die die für Sie typische Stärke der Behinderung durch Ihre Schmerzen beschreibt. Ein Wert von 0 bedeutet dabei überhaupt keine Behinderung, und ein Wert von 10 gibt an, daß Sie in diesem Bereich durch die Schmerzen völlig beeinträchtigt sind. Gesamt- 1. Familiäre und häusliche Verpflichtungen (dieser Bereich bezieht sich auf Tätigkeiten, die das Zuhause oder die Familie betreffen. Er umfaßt Hausarbeit und Tätigkeiten rund um das Haus bzw. MW: die Wohnung, auch Gartenarbeiten). Prä 6.4 [0] [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [ 10 ] keine Beeinträchtigung völlige Beeinträchtigung (PR 70) Post: 2. Erholung (dieser Bereich umfaßt Hobbies, Sport und Freizeitaktivitäten) [0] [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [ 10 ] 2.2 keine völlige Beeinträchtigung Beeinträchtigung 3. Soziale Aktivitäten (dieser Bereich bezieht sich auf das Zusammensein mit Freunden und Bekann - ten, wie z.B. Feste, Theater - und Konzertbesuche, Essen gehen und andere soziale Aktivitäten) [0] [1] [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [ 10 ] keine völlige Beeinträchtigung Beeinträchtigung 4. Beruf (dieser Bereich bezieht sich auf Aktivitäten, die ein Teil des Berufs sind oder unmittelbar mit dem Beruf zu tun haben; gemeint ist auch Hausfrauen(männer)tätigkeit)
Take home messages Anamnese und Befunderhebung Empathisches Verhalten Voraussetzung für eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung Gezielte Schmerzanamnese Basis für sinnvolle Diagnostik und rationale mechanismen-basierte Therapie Verwendung einfacher psychologischer Testverfahren (z.B. WHO 5) Hinweis auf psychosoziale Risikofaktoren
Rudi jetzt kommst Du wieder! Rudi
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Dr. med. Dipl. Soz.-W. Reinhard Sittl Langfeldstraße 11 | 91058 Erlangen Telefon 01573-27 81 905 | info@hypnose-schmerz.de Copyright 2017 | Dr. med. Dipl. Soz.-W. Reinhard Sittl
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