Internationale Klassifikation orofazialer Schmerzen ( ICOP), 1. Auflage
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Übersichten Schmerz 2021 · 35 (Suppl 2):S73–S155 https://doi.org/10.1007/s00482-021-00581-2 Angenommen: 6. August 2021 Internationale Klassifikation © Der/die Autor(en) 2021 orofazialer Schmerzen (ICOP), 1. Auflage Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft e. V. Frankfurt, Deutschland Vorwort zur deutschsprachigen Auflage der ersten International Classification of Orofacial Pain (Internationale Klassifikation orofazialer Schmerzen, I COP) In 2020 wurde die erste Auflage der International Classification of Orofacial Pain (Internati- onale Klassifikation orofazialer Schmerzen, I COP) veröffentlicht. Diese erfolgte als Kooperation von internationalen Experten für orofaziale Schmerzen, u. a. der International Headache Society (IHS) sowie der International Association for the Study of Pain (IASP). Sie stellt den Versuch dar, aufbauend auf den bereits publizierten dia- gnostischen Kriterien für orofaziale Schmerzen in der International Classification of Heada- che Disorders (ICHD-3), den Diagnostic Criteria for Temporomandibular Disorders (DC/TMD) sowie der 11. überarbeiteten Fassung der International Classification of Diseases (ICD-11) ein einheitliches Regelwerk für die klinische Versorgung und wissenschaftliche Fragestel- lungen zu orofazialen Schmerzsyndromen zu schaffen. Ein zentrales Anliegen war die ein- heitliche Klassifikation unabhängig vom Ort des Auftretens. Für die wissenschaftlichen Fachgesellschaften im deutschsprachigen Raum, die Deut- sche Migräne und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG), die Österreichische Kopfschmerzge- sellschaft (ÖKSG) und die Schweizer Kopfwehgesellschaft (SKG) war dies Anlass für eine unter Federführung der DMKG rasch erstellte und bei der IHS angemeldete offizielle Über- setzung der ICOP in die deutsche Sprache, mit finanzieller Unterstützung durch die drei Gesellschaften. Die erste Version der Übersetzung wurde von der beauftragten Übersetzerin Frau Sil- via Autenrieth erstellt. Dabei wurde die Nomenklatur der teils überlappenden ICHD-3 be- rücksichtigt. Die Schreibweise der medizinischen Fachausdrücke erfolgte nach Pschyrem- bel. Die erste Version wurde von Mitgliedern aus dem DMKG-Präsidium fachlich überprüft und wo nötig angepasst (namentlich erwähnt seien hier Dr. Thomas Dresler, PD Dr. Char- ly Gaul, PD Dr. Gudrun Goßrau, PD Dr. Tim Jürgens, Prof. Dr. Martin Marziniak, PD Dr. Lars Neeb und Dr. Dr. Frank Sanner als externer Experte). Die anschließende redaktionelle Über- arbeitung übernahm Frau Dr. Axenia Schäfer nach einer Konsensuskonferenz zur Klärung offener Fragen. Bei allen möglichen Unklarheiten in der ICOP und trotz der von einigen als nicht unpro- blematisch empfundenen Überlappungen mit der ICHD-3 stellt die ICOP aus unserer Sicht dennoch einen Meilenstein auf dem Weg dar, das weite und bislang noch immer unvoll- ständig erfasste Feld der Gesichtsschmerz-Syndrome künftig unabhängig vom genauen Ort des Auftretens anhand ihres zeitlichen Musters, von Begleitsymptomen und weiterer Korrespondenzadresse Details genauer zu charakterisieren. Gerade in der Zusammenarbeit von Experten verschie- Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesell- dener Fachgesellschaften aus sehr unterschiedlichen Disziplinen der Medizin, Zahnmedizin schaft e. V. und Lebenswissenschaften liegt die Stärke dieser Klassifikation. c/o Kopfschmerzzentrum Frankfurt Abschließend bleibt nur zu wünschen, dass diese erste Auflage die so dringend nö- Dalbergstr. 2a, 65929 Frankfurt, Deutschland tigen Impulse für weitere wissenschaftliche Aktivitäten auf dem Gebiet der orofazialen info@dmkg.de Schmerzen mit dem Ziel liefert, auch die klinische Versorgung von Patienten mit orofazia- S73 Der Schmerz · Suppl 2 · 2021
Übersichten len Schmerzsyndromen zu verbessern. Somit ist die ICOP in ihrer ersten Auflage als „Work in progress“ anzusehen. Wir laden Sie dazu ein, die deutsche Übersetzung im klinischen und wissenschaftlichen Alltag rege zu nutzen. Tim Jürgens Präsident der Deutschen Migräne und Kopfschmerzgesellschaft e. V. Karin Zebenholzer Präsidentin der Österreichischen Kopfschmerzgesellschaft Andreas Kleinschmidt Präsident der Schweizerischen Kopfwehgesellschaft Mitglieder der Arbeitsgruppe zur Übersetzung der ICOP (in alphabetischer Reihenfolge) Fachliche Überarbeitung Thomas Dresler Stefanie Förderreuther Charly Gaul Gudrun Goßrau Tim Jürgens Martin Marziniak Lars Neeb Frank Sanner Übersetzung: Silvia Autenrieth Redaktionelle Mitarbeit: Axenia Schäfer Dieser Beitrag wurde mit Genehmigung der International Headache Society ins Deutsche übersetzt. Originalpublikation: International Classification of Orofacial Pain, 1st edition (ICOP) (2020) Cepha- lalgia Bd. 40(2) 129–221 https://doi.org/10.1177/0333102419893823, © International Headache Society 2020 The supplement containing this article is not sponsored by industry. S74 Der Schmerz · Suppl 2 · 2021
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Übersichten Urheberrecht Donald Nixdorf, U SA; Tara Renton, U K; Das Urheberrecht liegt ausschließlich bei der International Head Yair Sharav, Israel ache Society (IHS). Die Internationale Klassifikation orofazialer 2. Myofaszial-orofaziale Schmerzen Schmerzen (International Classification of Orofacial Pain; ICOP) in Peter Svensson, Dänemark (Vorsitzender); dieser oder nachfolgenden Auflagen darf zu wissenschaftlichen, Malin Ernberg, Schweden; Weiterbildungs- oder klinischen Zwecken von Institutionen, Fach- Chris Peck, Australien gesellschaften oder Einzelpersonen frei vervielfältigt werden. Jede 3. Kiefergelenksschmerzen vollständige oder auszugsweise Wiedergabe in jedweder Form zu Per Alstergren, Schweden (Vorsitzender); kommerziellen Zwecken hingegen bedarf der Genehmigung der Ghabi Kaspo, USA; IHS, die gegen Entrichtung einer Gebühr gewährt wird. Bitte kon- Frank Lobbezoo, Niederlande; taktieren Sie den Herausgeber unter der untenstehenden Anschrift. Ambra Michelotti, Italien 4. Orofaziale Schmerzen zurückzuführen auf eine Läsion oder Er- Übersetzungen krankung der Hirnnerven Lene Baad-Hansen, Dänemark (Vorsitzende); Die IHS erlaubt ausdrücklich die gesamte oder auszugsweise Über- Eli Eliav, USA; setzung der ICOP zu klinischen und Weiterbildungszwecken, für Yoshiki Imamura, Japan Feldstudien oder andere Forschungszwecke. Die Genehmigung er- 5. Orofaziale Schmerzen mit Ähnlichkeit zu primären Kopf- folgt mit der Auflage, dass alle Übersetzungen bei der IHS anzumel- schmerzerkrankungen den sind. Bevor eine Übersetzung in Angriff genommen wird, wird Rafael Benoliel, USA (Vorsitzender); den potenziellen Übersetzern geraten, sich bei der I HS zu erkundi- Paulo Conti, Brasilien; gen, ob bereits eine Übersetzung in die anvisierte Sprache vorliegt. Arne May, Deutschland Alle Übersetzer sollten sich über die Notwendigkeit des Ein- 6. Idiopathische orofaziale Schmerzen satzes exakter Übersetzungsprotokolle im Klaren sein. Veröffentli- Thomas List, Schweden (Vorsitzender); chungen, die über Studien berichten, die auf komplette oder teil- Justin Durham, England; weise Übersetzungen der ICOP zurückgreifen, sollten auch eine Jean-Paul Goulet, Kanada; kurze Beschreibung des Übersetzungsprozesses beinhalten, ein- Satu Jääskeläinen, Finnland schließlich der Identität der Übersetzer (die Übersetzung sollte im- 7. Psychosoziale Beurteilung von Patienten mit orofazialen mer von mehr als einer Person erfolgen). Schmerzen Die IHS selbst erteilt keine Zustimmungen zu Übersetzungen. Richard Ohrbach, U SA Diese Zustimmungen können von den nationalen Mitgliedsgesell- schaften erteilt werden. Sofern solche existieren, sollte um diese Danksagung ersucht werden. Es sind keine kommerziellen Sponsorengelder bei der Erstellung Das Klassifikationskomitee für orofaziale Schmerzen dieser Internationalen Klassifikation orofazialer Schmerzen geflos- sen. Das Komitee ist eine gemeinschaftlich kooperierende Gruppe, die Wir danken Timothy Steiner für die redaktionelle Bearbeitung sich aus Mitgliedern der Orofacial and Head Pain Special Interest unter Beachtung der Prinzipien, der Struktur und des Formats der Group (OFHP S IG), der International Association for the Study of ICHD. Pain (IASP), dem International Network for Orofacial Pain and Re- lated Disorders Methodology (INfORM), der American Academy of Orofacial Pain (AAOP) und der International Headache Society (IHS) zusammensetzt. Vorsitzende Rafael Benoliel, USA; Arne May, Deutschland; Peter Svensson, Dä- nemark Mitglieder der Arbeitsgruppen (in alphabetischer Reihenfolge nach der/dem Vorsitzenden) 1. Orofaziale Schmerzen zurückzuführen auf Erkrankungen den- toalveolärer und anatomisch benachbarter Strukturen Maria Pigg, Schweden (Vorsitzende); Alan Law, U SA; S76 Der Schmerz · Suppl 2 · 2021
Inhalt Internationale Klassifikation orofazialer Schmerzen (ICOP), 1. Auflage S73 Vorwort zur deutschsprachigen Auflage der ersten International Classification of Orofacial Pain (Internationale Klassifikation orofazialer Schmerzen, ICOP) S74 Mitglieder der Arbeitsgruppe zur Übersetzung der ICOP (in alphabeti- scher Reihenfolge) S74 Fachliche Überarbeitung S76 Urheberrecht S76 Übersetzungen S76 Das Klassifikationskomitee für orofaziale Schmerzen S76 Vorsitzende S76 Mitglieder der Arbeitsgruppen (in alphabetischer Reihenfolge nach der/ dem Vorsitzenden) S76 Danksagung S80 Vorwort S80 Anleitung zum Gebrauch der ICOP S81 Anwendungsprinzipien S82 ICOP-Code Diagnose S86 1 Orofaziale Schmerzen zurückzuführen auf Erkrankungen und Dysfunktionen dentoalveolärer und anatomisch benachbarter Struk- turen S86 1.1 Zahnschmerzen S86 1.1.1 Schmerzen der Zahnpulpa S92 1.1.2 Parodontale Schmerzen S99 1.1.3 Gingivale Schmerzen S104 1.2 Schmerzen der Mundschleimhaut, der Speicheldrüse und des Kieferkno- chens S104 1.2.1 Schmerzen in der Mundschleimhaut S112 1.2.2 Schmerzen der Speicheldrüse S114 1.2.3 Schmerzen im Kieferknochen S117 Literatur S120 2 Myofaszial-orofaziale Schmerzen S121 2.1 Primäre myofaszial-orofaziale Schmerzen S121 2.1.1 Akute primäre myofaszial-orofaziale Schmerzen S121 2.1.2 Chronische primäre myofaszial-orofaziale Schmerzen S122 2.2 Sekundäre myofaszial-orofaziale Schmerzen S122 2.2.1 Myofaszial-orofaziale Schmerzen zurückzuführen auf eine Tendinitis S123 2.2.2 Myofaszial-orofaziale Schmerzen zurückzuführen auf eine Myositis S123 2.2.3 Myofaszial-orofaziale Schmerzen zurückzuführen auf einen Muskel- spasmus S123 Literatur S123 3 Kiefergelenksschmerzen S124 3.1 Primäre Kiefergelenksschmerzen S124 3.1.1 Akute primäre Kiefergelenksschmerzen S125 3.1.2 Chronische primäre Kiefergelenksschmerzen S125 3.2 Sekundäre Kiefergelenksschmerzen S126 3.2.1 Kiefergelenksschmerzen zurückzuführen auf eine Arthritis S126 3.2.2 Kiefergelenksschmerzen zurückzuführen auf eine Diskusverlagerung S127 3.2.3 Kiefergelenksschmerzen zurückzuführen auf eine degenerative Gelenkerkrankung S128 3.2.4 Kiefergelenksschmerzen zurückzuführen auf eine Subluxation S77 Der Schmerz · Suppl 2 · 2021
Übersichten S128 Literatur S128 4 Orofaziale Schmerzen zurückzuführen auf eine Läsion oder Erkran- kung der Hirnnerven S128 4.1 Schmerzen zurückzuführen auf eine Läsion oder Erkrankung des N. trigeminus S128 4.1.1 Trigeminusneuralgie S131 4.1.2 Andere neuropathische Schmerzen im Innervationsgebiet des N. trigeminus S134 4.2 Schmerzen zurückzuführen auf eine Läsion oder Erkrankung der N. glossopharyngeus S134 4.2.1 Glossopharyngeusneuralgie S135 4.2.2 Neuropathische Schmerzen im Innervationsgebiet des N. glossopharyn- geus S135 Literatur S137 5. Orofaziale Schmerzen mit Ähnlichkeit zu primären Kopfschmerzer- krankungen S137 5.1 Orofaziale Migräne S137 5.1.1 Episodische orofaziale Migräne S137 5.1.2 Chronische orofaziale Migräne S138 5.2 Orofaziale Schmerzen von Spannungstyp S138 5.3 Trigeminoautonome orofaziale Schmerzen S138 5.3.1 Orofaziale Clusterattacken S139 5.3.2 Paroxysmale hemifaziale Schmerzen S139 5.3.3 Short-lasting unilateral neuralgiform facial pain attacks (SUNFA) mit kranialen autonomen Symptomen S140 5.3.4 Hemifazialer Dauerschmerz mit autonomen Symptomen S140 5.4 Neurovaskuläre orofaziale Schmerzen S141 5.4.1 Kurz anhaltende neurovaskuläre orofaziale Schmerzen S141 5.4.2 Lang anhaltende neurovaskuläre orofaziale Schmerzen S141 Literatur S142 6 Idiopathische orofaziale Schmerzen S142 6.1 Syndrom des brennenden Mundes (engl. Burning mouth syndrome, BMS) S143 6.1.1 Syndrom des brennenden Mundes ohne somatosensorische Verände- rungen S143 6.1.2 Syndrom des brennenden Mundes mit somatosensorischen Verände- rungen S143 6.1.3 Wahrscheinliches Syndrom des brennenden Mundes S143 6.2 Anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz (engl. Persistent idiopathic facial pain, PIFP) S144 6.2.1 Anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz ohne somatosensorische Veränderungen S144 6.2.2 Anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz mit somatosensorischen Veränderungen S144 6.2.3 Wahrscheinlicher anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz S144 6.3 Anhaltende idiopathische dentoalveoläre Schmerzen S145 6.3.1 Anhaltende idiopathische dentoalveoläre Schmerzen ohne somatosen- sorische Veränderungen S145 6.3.2 Anhaltende idiopathische dentoalveoläre Schmerzen mit somatosenso- rischen Veränderungen S145 6.3.3 Wahrscheinliche anhaltende idiopathische dentoalveoläre Schmerzen S145 6.4 Constant unilateral facial pain with additional attacks (CUFPA) S146 Literatur S146 7 Psychosoziale Beurteilung von Patienten mit orofazialen Schmerzen S146 Einführung S147 Ebenen der psychosozialen Beurteilung S78 Der Schmerz · Suppl 2 · 2021
S147 Schmerz- und funktionsbezogene Konstrukte und Instrumente für orofaziale Schmerzen Schmerzausmaß Schmerzintensität und schmerzbedingte Einschränkung Funktionelle Einschränkung Zu Überbeanspruchung führende Verhaltensweisen S148 Psychosoziale Konstrukte und Instrumente im Zusammenhang mit orofazialen Schmerzen Depression und Angst Somatoforme Störungen Katastrophisieren Angstvermeidung (Fear Avoidance) S148 Schlussfolgerungen und Zukunftsperspektive S149 Literatur S150 Glossar zur I COP S151 Literatur Hier steht eine Anzeige. 123 S79 Der Schmerz · Suppl 2 · 2021
Übersichten Vorwort mit Kopfschmerzen, orofazialen Schmerzen, Augen-, Nasen-, Si- nus- und Nackenschmerzen beschäftigen, näher zusammenbrin- Wir sind stolz darauf, diese erste Auflage der International Classifi- gen und zu einer aktiven Zusammenarbeit anregen wird. cation of Orofacial Pain (Internationalen Klassifikation orofazialer Die Mitglieder des I COP-Klassifikationskomitees repräsentieren Schmerzen, I COP) vorstellen zu können. die wichtigen Fachgesellschaften, die sich mit orofazialen Schmer- Bislang fehlt eine umfassende, international anerkannte Klas- zen und Kopfschmerz beschäftigen, und bilden eine wahrlich inter- sifikation, die sich mit orofazialen Schmerzen auseinandersetzt. nationale Gruppe, was die Zukunft der I COP stärkt. Der Weg zu die- Wenngleich das Gesicht anatomisch betrachtet eindeutig dem ser ersten Auflage begann 2016, als wir uns beim World Congress Kopf zuzuordnen ist, sind uns viel zu viele Fälle von Fehldiagno- of the International Association for the Study of Pain (IASP) in Yoko- sen und dementsprechend unsachgemäßer Behandlung bekannt, hama, Japan, erstmals trafen. Im Rahmen des eintägigen Meetings die durch eine klare diagnostische Zuordnung womöglich zu ver- besprachen wir den Aufbau der I COP und riefen Arbeitsgruppen ins meiden gewesen wären. Anatomische Abgrenzung und entspre- Leben. Ein Folgetreffen fand 2017 an der Rutgers School of Dental chend getrennte medizinische Fachgebiete tragen das Ihre zum Medicine in den USA statt, wo wir uns mit der Evidenz (beziehungs- Problem bei. So definiert zum Beispiel die International Headache weise fehlenden Evidenz) für die Festlegung der einzelnen Entitä- Society (IHS) Gesichtsschmerz als „Schmerz unterhalb der Orbito- ten auseinandersetzten, aus denen sich die heutige ICOP zusam- meatallinie, oberhalb des Halses und vor der Ohrmuschel“. Bei an- mensetzt. Heraus kam eine Klassifikation, die auf vielen Gebieten deren Definitionen des Gesichtsschmerzes wird zusätzlich die Stirn von einer starken Evidenz gestützt wird und in anderen Bereichen einbezogen, während der Begriff„orofazialer Schmerz“ zwangsläu- auf Expertenmeinungen beruht, die Impulse und Richtschnur für fig auch sämtliche Strukturen innerhalb der Mundhöhle umfasst. die weitere Forschungsarbeit gibt. Sie sieht zudem einen Erpro- Gleichzeitig strahlen Kopfschmerzen oft in orofaziale Regionen aus bungszeitraum vor, der die Ermittlung und Korrektur von Fehlern und umgekehrt. „Kopfschmerzen“ wiederum können ausschließ- erlaubt und breiten Raum für Beiträge von auf diesem Gebiet täti- lich innerhalb der orofazialen Region lokalisiert sein und diag- gen Forschern und Praktikern zur I COP lässt. nostisch erhebliche Schwierigkeiten bereiten, während orofaziale Schmerzen, die in den Kopf ausstrahlen, komplexe klinische Phä- Rafael Benoliel notypen darstellen. Arne May Dies waren einige Faktoren, die uns klar den Bedarf an einer Peter Svensson Klassifikation orofazialer Schmerzen (OFPs) zeigten. Ein grundle- (Gesichtsschmerz-Klassifikationskomitee) gendes Prinzip dieser ersten Klassifikation ist, dass die Charakte- ristika der Schmerzstörungen unabhängig vom Ort, an dem diese Anleitung zum Gebrauch der ICOP auftreten (Kopf oder Gesicht), bei der neuen Konzeptualisierung und der Zusammenstellung der Diagnosekriterien richtungswei- Da sich die ICOP am Modell der ICHD-3 orientiert, ist auch die An- send sein sollten. leitung zu ihrem Gebrauch ähnlich. Viele Benutzer der I CHD-3 wer- Bei der Erstellung dieser ersten Auflage der ICOP waren wir den die Benutzung der I COP entsprechend einfach finden. Wie die uns bewusst, dass in der Internationalen Klassifikation von Kopf- ICHD-3 versteht sich auch dieses Dokument als Nachschlagewerk, schmerzerkrankungen, 3. Auflage (ICHD-3) eine grundlegende Un- insbesondere für die Forschung, aber auch für die klinische Diag- terscheidung in primäre und sekundäre Kopfschmerzen stattfindet nostik und das Management orofazialer Schmerzen (OFPs). und verweisen unsere Leserinnen und Leser diesbezüglich hierauf. Die ICOP soll als Forschungs- und Diagnosekompendium die- Darüber hinaus haben wir, um die ICOP zu einem nützlichen Hilfs- nen. Besonderen Nutzen hat sie bei unsicherer Diagnose oder wenn mittel für Forscher und Kliniker zu machen, die gewohnt sind, die ein Behandler nicht weiß, dass ein solches klinisches Erscheinungs- ICHD-3 anzuwenden, die hierarchische Struktur und den Klassifizie- bild existiert. Wir empfehlen, dass Ärzte und Wissenschaftler sich rungsstil der ICHD-3 übernommen. Die Diagnostic Criteria for Tem- mit dieser Klassifikation vertraut machen. Ferner greift die ICOP poromandibular Disorders (Diagnostische Kriterien für eine tem- noch einmal das Bemühen der ICHD-3 und ICD-11/IASP auf, eine poromandibuläre Dysfunktion, DC/TMD) sind eine bewährte und klare Terminologie festzulegen, die Eindeutigkeit in der Kommu- gängige Klassifikation, die auch regionale Myalgien und „Schmer- nikation und beim Austausch von Daten ermöglicht. Für wissen- zen im Kiefer, im Schläfenbereich, im Ohr und vor dem Ohr“ ein- schaftliche Zwecke ist die Klassifikation unverzichtbar: Jeder Pati- bezieht. Wir haben die DC/TMD-Kriterien übernommen und dabei ent, der in ein Studienprojekt aufgenommen werden soll, sei es in lediglich die schmerzhafte temporomandibuläre Dysfunktion mit eine Medikamentenstudie, eine pathophysiologische oder bioche- aufgenommen sowie die Darstellung dieser Kriterien an die der mische Untersuchung, muss eine Reihe der festgelegten diagnos- ICHD-3 angepasst. Insgesamt liegt die ICOP auch auf einer Linie tischen Kriterien erfüllen. mit den Kriterien für orofaziale Schmerzen und Kopfschmerzen der Die Klassifikation ist hierarchisch gegliedert. Der Anwender 11. überarbeiteten Fassung der International Classification of Disea- kann dementsprechend selbst entscheiden, wie detailliert seine ses (ICD-11)/International Association for the Study of Pain (IASP). Diagnose ausfallen soll. Reicht die erste Stelle oder soll sie bis zur Unser Ziel ist die Schaffung eines Werkzeugs, das die Erfor- fünften, sechsten oder siebten heruntergebrochen werden? Die ge- schung und das klinische Management orofazialer Schmerzen för- wünschte Detailtiefe bei der diagnostischen Kodierung hängt ein- dert. Darüber hinaus sind wir zuversichtlich, dass das von uns ge- deutig vom beabsichtigten Verwendungszweck ab. In der Praxis wählte methodische Vorgehen Fachleute, die sich bei ihrer Arbeit des Allgemeinmediziners werden in der Regel nur Diagnosen be- S80 Der Schmerz · Suppl 2 · 2021
nötigt werden, die auf die 1. oder 2. Stelle exakt sind, während in gen erfüllen, die innerhalb der Kriterien separat unter A, B, C speziellen Fachpraxen Diagnosen bis zur Ebene der 4. oder 5. Stelle etc. dargelegt werden. Einige davon sind monothetisch: das (und gelegentlich der 6. oder 7.) angebracht sind. heißt, sie drücken eine einzige Anforderung aus. Andere sind Wir handeln primäre und sekundäre orofaziale Schmerzen in- polythetisch und setzen beispielsweise voraus, dass zwei von nerhalb derselben Abschnitte ab. Hierin liegt ein Unterschied zur vier aufgeführten Charakteristika vorliegen. Diese Struktur ICHD, doch handelt es sich nach unserer Meinung um eine effizi- wurde von der I CHD-3 übernommen. entere Art, die verschiedenen orofazialen Schmerzen vorzustellen 5. Die Häufigkeit des Auftretens orofazialer Schmerzen variiert – teilweise deshalb, weil die Unterscheidung in primär und sekun- stark, von nur einmal in 1–2 Jahren bis zu täglichen Schmer- där bei diesen sich überschneidenden Störungsbildern schwierig zen. Auch die Heftigkeit der Attacken variiert. Außer für myo- ist. Aus ähnlichen Gründen funktioniert die strenge Struktur der fasziale Schmerzen und Kiefergelenksschmerzen bietet die ICHD-Kriterien für sekundäre Störungen – wobei Kriterium A den ICOP keine Möglichkeit, die Häufigkeit zu kodieren. Keine der Schmerz darlegt, Kriterium B dessen mutmaßliche Ursache und diagnostischen Kriterien beinhalten eine routinemäßige Be- Kriterium C festschreibt, wie der Nachweis des ursächlichen Zu- urteilung des Schweregrads und der Häufigkeit, wir empfeh- sammenhangs von A mit B beschaffen sein muss – für orofaziale len jedoch eine Beurteilung und Spezifizierung der Häufigkeit Schmerzen nicht. Vor allem variiert der zeitliche Zusammenhang und Stärke. zwischen dem Schmerzbeginn und dem Beginn oder Auftreten der 6. Das letzte Kriterium für fast jedes Krankheitsbild lautet „Nicht vermuteten Ursache – der Eckpfeiler von Kriterium C in der ICHD – besser erklärt durch eine andere ICOP-Diagnose“ (mitun- bei orofazialen Schmerzen oft so stark, dass er keinen Beweiswert ter auch „Nicht besser erklärt durch eine andere I COP- oder hat. Häufig beruht die Zuordnung auf der klinischen Plausibilität ICHD-3-Diagnose“). Andere mögliche Diagnosen in Erwägung eines ursächlichen Zusammenhangs, dies jedoch immer vor dem zu ziehen (die Differenzialdiagnose), ist ein routinemäßiger Hintergrund der Berücksichtigung des letzten Kriteriums: „Nicht Bestandteil des klinischen Diagnoseverfahrens. Wenn ein oro- besser erklärt durch eine andere ICOP-Diagnose“ (siehe unten). fazialer Schmerz die Kriterien für ein bestimmtes Krankheits- bild zu erfüllen scheint, erinnert dieses letzte Kriterium immer Anwendungsprinzipien daran, andere Diagnosen in Betracht zu ziehen, die die orofa- zialen Schmerzen besser erklären könnten. Um dieses Ziel der 1. Erfüllt ein Patient die Kriterien für mehr als einen Typ, einen Differenzialdiagnose zu erreichen, gilt es, beim klinisch-diag- Subtyp oder eine Unterform von orofazialen Schmerzen und nostischen Prozess andere Krankheitsbilder jenseits des von Kopfschmerzen, sind diese jeweils separat zu diagnostizie- der I COP abgedeckten Rahmens zu berücksichtigen, eine de- ren und kodieren. So kann zum Beispiel ein stark betroffener taillierte Schmerzanamnese zu erarbeiten und klinische Tests Patient gleich mehrere Diagnosen erhalten, und es kann eine durchzuführen, die über die in den ICOP-Kriterien angespro- Mehrfachkodierung erfolgen: als 2.1.2.3.2 Chronische sehr chenen hinausgehen. Eine Schmerzübertragung von einer häufige primäre myofaszial-orofaziale Schmerzen mit Schmerz- orofazialen Struktur zur anderen kommt außerordentlich häu- übertragung und 3.1.4.1 Chronische persistierende primäre Kie- fig vor, dies alles jedoch ebenfalls zu klassifizieren, würde den fergelenksschmerzen ohne Schmerzübertragung sowie mögli- Rahmen der ICOP sprengen. cherweise auch als 1.1 Migräne ohne Aura aus der I CHD-3. Das Gebot, immer auch andere in Frage kommende Diagno- 2. Erhält ein Patient mehr als eine Diagnose, sollten die Diagno- sen in Betracht zu ziehen, gilt ähnlich grundlegend für die For- sen in der Reihenfolge ihrer Wichtigkeit für den Patienten auf- schung, welche erfordert, dass nur klar umrissene Fälle einbe- gelistet werden, also abhängig davon, welche der Diagnosen zogen werden. Unter diese Kategorie fällt allerdings nicht die aus der Sicht des Patienten mit dem größten Leidensdruck gesamte Forschungsarbeit. Vor allem bei epidemiologischen und der massivsten Beeinträchtigung verbunden ist. Untersuchungen ist man vielleicht gar nicht in der Lage, das 3. Falls unklar ist, um welchen Typ von orofazialen Schmerzen letztgenannte Kriterium anzuwenden (die Kopfschmerz-Epi- es sich bei einem Patienten handelt, sollten zusätzlich zu den demiologie war im Großen und Ganzen nicht imstande, das diagnostischen Kriterien weitere verfügbare Informationen entsprechende Kriterium in der ICHD-3 anzuwenden). Unter- einbezogen werden, um zu entscheiden, welche Diagnose die suchungen, die dieses letzte Kriterium fallenlassen, sollten wahrscheinlichere ist. Dies kann den Verlauf der Schmerzer- diese Tatsache zumindest in der Beschreibung ihres methodi- krankung (wie und wann setzten die Schmerzen ein?), die Fa- schen Vorgehens erwähnen. milienanamnese, die Wirkung von Medikamenten, den Mens- 7. Besteht bei Patienten der Verdacht auf mehr als eine Form von truationszyklus, das Alter und Geschlecht sowie eine Reihe orofazialen Schmerzen, empfiehlt es sich sehr, dass diese ein weiterer Merkmale umfassen. diagnostisches Schmerztagebuch führen. Schmerztagebü- 4. Um eine bestimmte orofaziale Diagnose zu erhalten, muss cher verbessern nachweislich nicht nur die exakte Diagnose- der Patient in vielen Fällen eine bestimmte Mindestanzahl an stellung, sondern erlauben auch eine genauere Beurteilung Schmerzattacken dieser Art oder eine bestimmte Anzahl von des Medikamentenverbrauchs. Das Führen eines Schmerzta- Tagen mit diesen Schmerzen erleben. Diese Anzahl wird dann gebuchs wird in der Regel für 1 Monat empfohlen. Während in den diagnostischen Kriterien für den betreffenden Typ oder dieser Zeit werden für jede Schmerzepisode die wichtigen Subtyp von orofazialen Schmerzen spezifiziert. Die Diagnose Charakteristika aufgezeichnet. Zusätzlich hilft das Schmerzta- orofazialer Schmerzen muss eine Reihe weiterer Anforderun- gebuch dabei, die Häufigkeitsverteilung zwischen verschie- S81 Der Schmerz · Suppl 2 · 2021
Übersichten denen Typen, Subtypen oder Unterformen von orofazialen 1.1.1.3.1.3 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf Schmerzen zu beurteilen. Zu guter Letzt ist die Verwendung eine reversible Pulpitis aufgrund eines Risses oder des Tagebuchs ein wichtiges Hilfsmittel, um Patienten zu er- Sprungs im Zahn ohne Hinweis auf fehlende Zahn- klären, woran sie verschiedene orofaziale Schmerzereignissen substanz voneinander unterscheiden können, wie sie ihren Arzneimit- 1.1.1.3.2 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf eine telkonsum im Blick behalten, Triggerfaktoren wahrnehmen irreversible Pulpitis aufgrund einer Infektion des und bei der Verlaufskontrolle eine zuverlässige Informations- Dentins quelle sein können. 1.1.1.3.2.1 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf eine irreversible Pulpitis aufgrund einer Karies, die bis ICOP-Code Diagnose zur Zahnpulpa reicht 1.1.1.3.2.2 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf eine 1 Orofaziale Schmerzen zurückzuführen auf Erkran- irreversible Pulpitis aufgrund einer Fraktur dentaler kungen und Dysfunktionen dentoalveolärer und Hartgewebe ohne Freilegung der Zahnpulpa anatomisch benachbarter Strukturen 1.1.1.3.2.3 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf 1.1 Zahnschmerzen eine irreversible Pulpitis aufgrund eines Risses oder 1.1.1 Schmerzen der Zahnpulpa Sprungs im Zahn ohne Nachweis fehlender Zahn- 1.1.1.1 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf substanz Überempfindlichkeit 1.1.1.3.3 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf 1.1.1.1.1 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf ei- eine irreversible Pulpitis aufgrund einer Infektion nen Riss im Zahnschmelz der Zahnpulpa 1.1.1.1.2 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf frei- 1.1.1.3.3.1 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf eine liegendes Dentin irreversible Pulpitis aufgrund einer kariösen Freile- 1.1.1.1.2.1 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf gung und Infektion der Zahnpulpa Zahnabnutzung oder -abrasion 1.1.1.3.3.2 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf eine 1.1.1.1.2.2 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf eine irreversible Pulpitis aufgrund einer Fraktur der den- Fraktur mit hieraus resultierendem freiliegendem talen Hartgewebe mit freiliegender Zahnpulpa Dentin 1.1.1.3.4 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf eine 1.1.1.1.2.3 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf ei- Pulpitis aufgrund einer externen zervikalen Wurzel- nen Entwicklungsdefekt des Zahnhartgewebes resorption 1.1.1.1.3 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf ei- 1.1.1.3.5 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf eine nen zahnärztlichen Eingriff Pulpitis aufgrund einer anderen Ursache 1.1.1.1.3.1 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf eine 1.1.1.4 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf eine großflächige Entfernung von Dentinsubstanz systemische Ursache 1.1.1.1.3.2 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf eine 1.1.2 Parodontale Schmerzen vorangegangene Zahnrestauration 1.1.2.1 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine 1.1.1.1.3.3 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf ok- Parodontitis (parodontale Entzündung) klusale Frühkontakte oder Interferenzen nach res- 1.1.2.1.1 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine taurativen zahnärztlichen Maßnahmen traumatisch bedingte parodontale Entzündung 1.1.1.1.4 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf eine 1.1.2.1.1.1 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf okklu- zentrale Sensibilisierung sale Frühkontakte oder Interferenzen 1.1.1.1.5 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf 1.1.2.1.1.2 Postoperative parodontale Schmerzen Überempfindlichkeit aufgrund einer anderen Ur- 1.1.2.1.1.3 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf ein un- sache fallbedingtes Zahntrauma 1.1.1.2 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf frei- 1.1.2.1.1.4 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf ein liegende Zahnpulpa infolge eines Zahntraumas sonstiges Trauma oder eine sonstige Verletzung 1.1.1.3 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf eine 1.1.2.1.2 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine Pulpitis (Entzündung der Zahnpulpa) apikale Parodontitis aufgrund einer endodonti- 1.1.1.3.1 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf schen Erkrankung eine reversible Pulpitis aufgrund einer Infektion 1.1.2.1.2.1 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine des Dentins Entzündung der Zahnpulpa 1.1.1.3.1.1 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf eine 1.1.2.1.2.2 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine reversible Pulpitis aufgrund einer Karies, die nicht endodontische Infektion die Pulpa erreicht 1.1.2.1.2.2.1 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine 1.1.1.3.1.2 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf eine intraradikuläre endodontische Infektion reversible Pulpitis aufgrund einer Fraktur im denta- 1.1.2.1.2.2.2 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine len Hartgewebe mit freiliegendem Dentin extraradikuläre endodontische Infektion S82 Der Schmerz · Suppl 2 · 2021
1.1.2.1.3 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine 1.2.1.1.1.1 Schmerzen in der Mundschleimhaut zurückzu- parodontale Erkrankung führen auf ein nichtiatrogenes Trauma oder eine 1.1.2.1.3.1 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine nichtiatrogene Verletzung chronische Parodontitis 1.2.1.1.1.2 Schmerzen in der Mundschleimhaut zurückzufüh- 1.1.2.1.3.2 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine ren auf eine chirurgische oder sonstige lokale iat- aggressive Parodontitis rogene Verletzung 1.1.2.1.3.3 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine 1.2.1.1.1.3 Schmerzen in der Mundschleimhaut zurückzufüh- Parodontitis als Manifestation einer systemischen ren auf eine Bestrahlung oder Chemotherapie Erkrankung 1.2.1.1.2 Schmerzen in der Mundschleimhaut zurückzufüh- 1.1.2.1.3.3.1 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine ren auf eine Infektion hämatologische Erkrankung 1.2.1.1.2.1 Schmerzen in der Mundschleimhaut zurückzufüh- 1.1.2.1.3.3.2 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine ren auf eine bakterielle Infektion genetische Störung 1.2.1.1.2.2 Schmerzen in der Mundschleimhaut zurückzufüh- 1.1.2.1.3.3.3 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine ren auf eine Virusinfektion nicht näher spezifizierte systemische Erkrankung 1.2.1.1.2.3 Schmerzen in der Mundschleimhaut zurückzufüh- 1.1.2.1.3.4 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine ren auf eine Pilzinfektion nekrotisierende ulzerative Parodontitis (NUP) 1.2.1.1.3 Schmerzen in der Mundschleimhaut zurückzufüh- 1.1.2.1.3.5 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf einen ren auf eine Autoimmunreaktion parodontalen Abszess 1.2.1.1.4 Schmerzen in der Mundschleimhaut zurückzufüh- 1.1.2.1.4 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine ren auf eine Überempfindlichkeit oder allergische apikale und marginale Parodontitis aufgrund ei- Reaktion ner Kombination von endodontischer Infektion 1.2.1.1.5 Schmerzen in der Mundschleimhaut zurückzufüh- und Parodontitis ren auf eine Entzündung der Mundschleimhaut an- 1.1.2.1.5 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine deren Ursprungs infektiöse Periimplantitis 1.2.1.2 Schmerzen in der Mundschleimhaut zurückzufüh- 1.1.2.2 Parodontale Schmerzen zurückzuführen auf eine ren auf eine maligne Läsion lokale nichtentzündliche Ursache 1.2.2 Schmerzen der Speicheldrüse 1.1.3 Gingivale Schmerzen 1.2.2.1 Schmerzen der Speicheldrüse zurückzuführen auf 1.1.3.1 Gingivale Schmerzen zurückzuführen auf eine Gin- eine obstruktive Ursache givitis (Zahnfleischentzündung) 1.2.2.2 Schmerzen der Speicheldrüse zurückzuführen auf 1.1.3.1.1 Gingivale Schmerzen zurückzuführen auf ein Trau- eine Infektion ma 1.2.2.2.1 Schmerzen der Speicheldrüse zurückzuführen auf 1.1.3.1.2 Gingivale Schmerzen zurückzuführen auf eine In- eine bakterielle Infektion fektion 1.2.2.2.2 Schmerzen der Speicheldrüse zurückzuführen auf 1.1.3.1.2.1 Gingivale Schmerzen zurückzuführen auf eine bak- eine Virusinfektion terielle Infektion 1.2.2.3 Schmerzen der Speicheldrüse zurückzuführen auf 1.1.3.1.2.2 Gingivale Schmerzen zurückzuführen auf eine Vi- eine chronische rezidivierende Parotitis des Kindes- rusinfektion alters 1.1.3.1.2.3 Gingivale Schmerzen zurückzuführen auf eine Pilz- 1.2.2.4 Schmerzen der Speicheldrüse zurückzuführen auf infektion eine immunologisch vermittelte Störung 1.1.3.1.3 Gingivale Schmerzen zurückzuführen auf eine Au- 1.2.2.5 Schmerzen der Speicheldrüse zurückzuführen auf toimmunreaktion eine andere Ursache 1.1.3.1.4 Gingivale Schmerzen zurückzuführen auf eine 1.2.3 Schmerzen im Kieferknochen Überempfindlichkeit oder allergische Reaktion 1.2.3.1 Schmerzen im Kieferknochen zurückzuführen auf 1.1.3.1.5 Gingivale Schmerzen zurückzuführen auf eine ein Trauma oder eine Verletzung Zahnfleischentzündung aufgrund einer anderen 1.2.3.2 Schmerzen im Kieferknochen zurückzuführen auf Ursache eine Infektion 1.1.3.2 Gingivale Schmerzen zurückzuführen auf eine ma- 1.2.3.2.1 Schmerzen im Kieferknochen zurückzuführen auf ligne Läsion eine bakterielle Infektion 1.2 Schmerzen der Mundschleimhaut, der Speichel- 1.2.3.2.2 Schmerzen im Kieferknochen zurückzuführen auf drüse und des Kieferknochens eine Virusinfektion 1.2.1 Schmerzen in der Mundschleimhaut 1.2.3.2.3 Schmerzen im Kieferknochen zurückzuführen auf 1.2.1.1 Schmerzen in der Mundschleimhaut zurückzufüh- eine Pilzinfektion ren auf eine Mundschleimhautentzündung 1.2.3.3 Schmerzen im Kieferknochen zurückzuführen auf 1.2.1.1.1 Schmerzen in der Mundschleimhaut zurückzufüh- eine lokale benigne Läsion ren auf ein Trauma oder eine Verletzung S83 Der Schmerz · Suppl 2 · 2021
Übersichten 1.2.3.4 Schmerzen im Kieferknochen zurückzuführen auf 3.2.1 Kiefergelenksschmerzen zurückzuführen auf eine eine maligne Läsion Arthritis 1.2.3.4.1 Schmerzen im Kieferknochen zurückzuführen auf 3.2.1.1 Kiefergelenksschmerzen zurückzuführen auf eine einen lokalen Tumor nichtsystemische Arthritis 1.2.3.4.2 Schmerzen im Kieferknochen zurückzuführen auf 3.2.1.2 Kiefergelenksschmerzen zurückzuführen auf eine einen Ferntumor systemische Arthritis 1.2.3.5 Schmerzen im Kieferknochen zurückzuführen auf 3.2.2 Kiefergelenksschmerzen zurückzuführen auf eine eine Therapie Diskusverlagerung 1.2.3.6 Schmerzen im Kieferknochen zurückzuführen auf 3.2.2.1 Kiefergelenksschmerzen zurückzuführen auf eine eine systemische Erkrankung Diskusverlagerung mit Reduktion 2 Myofaszial-orofaziale Schmerzen 3.2.2.1.1 Kiefergelenksschmerzen zurückzuführen auf eine 2.1 Primäre myofaszial-orofaziale Schmerzen Diskusverlagerung mit Reduktion, mit intermittie- 2.1.1 Akute primäre myofaszial-orofaziale Schmerzen render Kieferklemme 2.1.2 Chronische primäre myofaszial-orofaziale Schmer- 3.2.2.2 Kiefergelenksschmerzen zurückzuführen auf eine zen Diskusverlagerung ohne Reduktion 2.1.2.1 Chronischer primärer myofaszial-orofazialer Gele- 3.2.3 Kiefergelenksschmerzen zurückzuführen auf eine genheitsschmerz degenerative Gelenkerkrankung 2.1.2.2 Chronische häufige primäre myofaszial-orofaziale 3.2.4 Kiefergelenksschmerzen zurückzuführen auf eine Schmerzen Subluxation 2.1.2.2.1 Chronische häufige primäre myofaszial-orofaziale 4 Orofaziale Schmerzen zurückzuführen auf eine Lä- Schmerzen ohne Schmerzübertragung sion oder Erkrankung der Hirnnerven 2.1.2.2.2 Chronische häufige primäre myofaszial-orofaziale 4.1 Schmerzen zurückzuführen auf eine Läsion oder Er- Schmerzen mit Schmerzübertragung krankung des N. trigeminus 2.1.2.3 Chronische sehr häufige primäre myofaszial-orofa- 4.1.1 Trigeminusneuralgie ziale Schmerzen 4.1.1.1 Klassische Trigeminusneuralgie 2.1.2.3.1 Chronische sehr häufige primäre myofaszial-orofa- 4.1.1.1.1 Klassische Trigeminusneuralgie, rein paroxysmal ziale Schmerzen ohne Schmerzübertragung 4.1.1.1.2 Klassische Trigeminusneuralgie mit Dauerschmerz 2.1.2.3.2 Chronische sehr häufige primäre myofaszial-orofa- 4.1.1.2 Sekundäre Trigeminusneuralgie ziale Schmerzen mit Schmerzübertragung 4.1.1.2.1 Trigeminusneuralgie zurückzuführen auf multiple 2.2 Sekundäre myofaszial-orofaziale Schmerzen Sklerose 2.2.1 Myofaszial-orofaziale Schmerzen zurückzuführen 4.1.1.2.2 Trigeminusneuralgie zurückzuführen auf eine auf eine Tendinitis raumfordernde Läsion 2.2.2 Myofaszial-orofaziale Schmerzen zurückzuführen 4.1.1.2.3 Trigeminusneuralgie zurückzuführen auf eine an- auf eine Myositis dere Ursache 2.2.3 Myofaszial-orofaziale Schmerzen zurückzuführen 4.1.1.3 Idiopathische Trigeminusneuralgie auf einen Muskelspasmus 4.1.1.3.1 Idiopathische Trigeminusneuralgie, rein paroxys- 3 Kiefergelenksschmerzen mal 3.1 Primäre Kiefergelenksschmerzen 4.1.1.3.2 Idiopathische Trigeminusneuralgie mit Dauer- 3.1.1 Akute primäre Kiefergelenksschmerzen schmerz 3.1.2 Chronische primäre Kiefergelenksschmerzen 4.1.2 Andere neuropathische Schmerzen im Innervati- 3.1.2.1 Chronische primäre gelegentliche Kiefergelenks- onsgebiet des N. trigeminus schmerzen 4.1.2.1 Schmerzhafte Trigeminusneuropathie zurückzu- 3.1.2.2 Chronische häufige primäre Kiefergelenksschmer- führen auf Herpes Zoster zen 4.1.2.2 Postherpetische Trigeminusneuralgie 3.1.2.2.1 Chronische häufige primäre Kiefergelenksschmer- 4.1.2.3 Posttraumatische schmerzhafte Trigeminusneuro- zen ohne Schmerzübertragung pathie 3.1.2.2.2 Chronische häufige primäre Kiefergelenksschmer- 4.1.2.3.1 Wahrscheinliche posttraumatische schmerzhafte zen mit Schmerzübertragung Trigeminusneuropathie 3.1.2.3 Chronische sehr häufige primäre Kiefergelenks- 4.1.2.4 Schmerzhafte Trigeminusneuropathie zurückzu- schmerzen führen auf eine andere Erkrankung 3.1.2.3.1 Chronische sehr häufige primäre Kiefergelenks- 4.1.2.4.1 Wahrscheinliche schmerzhafte Trigeminusneuro- schmerzen ohne Schmerzübertragung pathie zurückzuführen auf eine andere Erkrankung 3.1.2.3.2 Chronische sehr häufige primäre Kiefergelenks- 4.1.2.5 Idiopathische schmerzhafte Trigeminusneuropa- schmerzen mit Schmerzübertragung thie 3.2 Sekundäre Kiefergelenksschmerzen 4.2 Schmerzen zurückzuführen auf eine Läsion oder Er- krankung des N. glossopharyngeus S84 Der Schmerz · Suppl 2 · 2021
4.2.1 Glossopharyngeusneuralgie 6.3.2 Anhaltende idiopathische dentoalveoläre Schmer- 4.2.1.1 Klassische Glossopharyngeusneuralgie zen mit somatosensorischen Veränderungen 4.2.1.2 Sekundäre Glossopharyngeusneuralgie 6.3.3 Wahrscheinliche anhaltende idiopathische dento- 4.2.1.3 Idiopathische Glossopharyngeusneuralgie alveoläre Schmerzen 4.2.2 Neuropathische Schmerzen im Innervationsgebiet 6.4 Constant unilateral facial pain with additional at- des N. glossopharyngeus tacks (CUFPA) 4.2.2.1 Schmerzhafte Glossopharyngeusneuropathie zu- 7 Psychosoziale Beurteilung von Patienten mit oro- rückzuführen auf eine bekannte Ursache fazialen Schmerzen 4.2.2.2 Idiopathische schmerzhafte Glossopharyngeus- neuropathie 5 Orofaziale Schmerzen mit Ähnlichkeit zu primären Kopfschmerzerkrankungen 5.1 Orofaziale Migräne 5.1.1 Episodische orofaziale Migräne 5.1.2 Chronische orofaziale Migräne 5.2 Orofaziale Schmerzen vom Spannungstyp 5.3 Trigeminoautonome orofaziale Schmerzen 5.3.1 Orofaziale Clusterattacken 5.3.1.1 Episodische orofaziale Clusterattacken 5.3.1.2 Chronische orofaziale Clusterattacken 5.3.2 Paroxysmale hemifaziale Schmerzen 5.3.2.1 Episodische paroxysmale hemifaziale Schmerzen 5.3.2.2 Chronische paroxysmale hemifaziale Schmerzen 5.3.3 Short-lasting unilateral neuralgiform facial pain at- tacks (SUNFA) mit kranialen autonomen Sympto- men 5.3.3.1 Episodische S UNFA 5.3.3.2 Chronische SUNFA 5.3.4 Hemifazialer Dauerschmerz mit autonomen Symp- tomen 5.4 Neurovaskuläre orofaziale Schmerzen 5.4.1 Kurz anhaltende neurovaskuläre orofaziale Schmer- zen 5.4.2 Lang anhaltende neurovaskuläre orofaziale Schmer- zen 6. Idiopathische orofaziale Schmerzen 6.1 Syndrom des brennenden Mundes (engl. Burning mouth syndrome, BMS) 6.1.1 Syndrom des brennenden Mundes ohne somato- sensorische Veränderungen 6.1.2 Syndrom des brennenden Mundes mit somatosen- sorischen Veränderungen 6.1.3 Wahrscheinliches Syndrom des brennenden Mun- des 6.2 Anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz (engl. Persistent idiopathic facial pain, PIFP) 6.2.1 Anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz ohne somatosensorische Veränderungen 6.2.2 Anhaltender idiopathischer Gesichtsschmerz mit somatosensorischen Veränderungen 6.2.3 Wahrscheinlicher anhaltender idiopathischer Ge- sichtsschmerz 6.3 Anhaltende idiopathische dentoalveoläre Schmer- zen 6.3.1 Anhaltende idiopathische dentoalveoläre Schmer- zen ohne somatosensorische Veränderungen S85 Der Schmerz · Suppl 2 · 2021
Übersichten Klassifikation, mit Diagnosekriterien 1.1 Zahnschmerzen 1 Orofaziale Schmerzen zurückzuführen auf Beschreibung: Schmerzen infolge von Läsionen oder Störungen, Erkrankungen und Dysfunktionen dentoalveolärer die einen Zahn oder mehrere Zähne und/oder ihre unmittelbare und anatomisch benachbarter Strukturen Umgebung und den Zahnhalteapparat betreffen: Pulpa, Parodon- tium und Gingiva. Beschreibung: Orofaziale Schmerzen infolge von Erkrankungen, Traumata oder Funktionsstörungen der Zahnpulpa, des Zahnbetts, 1.1.1 Schmerzen der Zahnpulpa der Gingiva, der Mundschleimhaut, der Speicheldrüsen oder des Beschreibung: Schmerzen infolge einer Läsion oder Störung, die Kieferknochengewebes oder als Reaktion einer regulär funktionie- die Zahnpulpa betrifft. renden Pulpa, die die Gefahr einer Zahnschädigung anzeigt. Diagnostische Kriterien: Allgemeine Kommentare: Schmerzen, die auf dentoalveoläre A. Jeder Zahnschmerz, der Kriterium C erfüllt und mit diesem Bereich verbundene Strukturen zurückgehen, sind B. Klinische Befunde, Laborwerte, bildgebende Verfahren und/ der häufigste Grund für orofaziale Schmerzen. Im Allgemeinen liegt oder die Anamnese belegen eine Läsion, eine Erkrankung ein nozizeptiver oder inflammatorischer Schmerz vor. Es handelt oder ein Trauma1, durch welche bekanntermaßen Schmerzen sich generell um akute Schmerzen, die nicht länger als 3 Monate der Pulpa hervorrufen werden können bestehen. Bei adäquater Behandlung der Grunderkrankung kommt C. Ein ursächlicher Zusammenhang lässt sich durch beide der fol- es nicht zu einem Persistieren der Schmerzen über einen längeren genden Kriterien nachweisen: Zeitraum. Der Schmerz kann prinzipiell anhaltend, wiederkehrend 1. Die Lokalisation des Schmerzes entspricht der Stelle/den oder sporadisch sein. In vielen Fällen verursacht der natürliche Ver- Stellen der Läsion, der Erkrankung oder des Traumas2 lauf der Grunderkrankung Schwankungen im Hinblick auf sämtli- 2. Eines oder beides von Folgendem trifft zu: che Symptome, einschließlich des Schmerzes, weshalb diese Art a) Der Schmerz entstand in zeitlichem Zusammenhang mit von Schmerz mitunter als episodisch beschrieben wird (weniger als dem Eintritt der Läsion bzw. dem Beginn der Erkrankung 15 Tage im Monat auftretend, egal ob für mehr oder weniger als oder des Traumas oder führte zu deren/dessen Entdeckung 3 Monate vorhanden). Liegt ein Schmerz mehr als 3 Monate vor und b) Der Schmerz verschlimmert sich durch Einwirkung eines tritt an mindestens 15 Tagen im Monat auf, gilt dieser als chronisch. physischen Reizes3 auf den betroffenen Zahn Da Schmerzen in Verbindung mit dentoalveolären und anato- D. Nicht besser erklärt durch eine andere ICOP-Diagnose misch benachbarten Strukturen in erster Linie Symptom einer Er- krankung sind, mag auch eine Kategorisierung relevant sein, die Anmerkungen: den Behandlungsaspekt einbezieht. Bleibt die schmerzinduzieren- 1. Die Läsion, die Erkrankung oder das Trauma wird bei jeder Un- de Grundstörung völlig unbehandelt, bestehen akute Schmerzen terform spezifiziert. in der Regel fort und werden schließlich chronisch. Das Gleiche gilt, 2. Der Schmerz kann sich auch in andere ipsilaterale orofaziale wenn die Grunderkrankung erfolglos oder unzureichend behan- Regionen ausbreiten und/oder ausstrahlen. delt wird, da die Störung (etwa eine lokale Infektion, ein Tumor 3. Der Reiz kann mechanischer, thermischer oder chemischer Art oder eine systemische Erkrankung) und der begleitende Schmerz sein, wie bei manchen Unterformen spezifiziert. ebenfalls länger als 3 Monate bestehen können. Im Allgemeinen ist die Unterscheidung zwischen akuten und Kommentar: 1.1.1 Schmerzen der Zahnpulpa können mit jeder chronischen Schmerzen wichtig, da chronische Schmerzen oft eine Art von Verletzung oder Erkrankung der Pulpa einhergehen. Der andere Art von Schmerzmanagement erfordern und ihre Prognose Schmerz ist vorwiegend entzündlicher Natur und tritt in Folge äu- weniger günstig ausfällt. Es ist jedoch nicht bekannt, ob die aku- ßerer oder innerer Ereignisse auf. te, die episodische und die chronische Form von dentoalveolären Schmerzen (und anderer hier angesprochener Schmerzarten) sich 1.1.1.1 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf Überempfind- außer mit Blick auf ihre Dauer in irgendeinem klinisch bedeutsa- lichkeit men Aspekt unterscheiden. Mangels verfügbarer Daten, die hin- Beschreibung: Schmerzen der Zahnpulpa aufgrund einer Über- sichtlich der Behandlung oder Prognose für die Relevanz einer sol- empfindlichkeit in einer ansonsten klinisch unauffälligen Pulpa. chen Unterscheidung sprechen würden, wird auf die Abgrenzung akuter von chronischen Schmerzen in diesem Abschnitt der ICOP Diagnostische Kriterien: nicht eingegangen. Für Studien, die zum Beispiel einen Vergleich A. Zahnschmerz, der die Kriterien für 1.1.1 Schmerzen der Zahn- zwischen dentoalveolären Schmerzen von kurzer und solchen von pulpa sowie Kriterium B und C erfüllt langer Dauer anstreben, empfiehlt sich die in Übereinstimmung B. Der Schmerz weist alle der folgenden Charakteristika auf: mit der IASP/ICD-11 und ICHD-3 oben beschriebene Unterschei- 1. Hervorgerufen durch äußere Reize1 dung zwischen akuten, episodischen und chronischen Schmerzen. 2. Lässt innerhalb weniger Sekunden nach Sollten sich zukünftig in dieser Beziehung Hinweise auf wichtige 3. Eines oder beides von Folgendem trifft zu: Unterschiede zeigen, ist die Entscheidung, Schmerzzustände in die- a) Eine stechende, tiefe Schmerzempfindung sem Abschnitt nicht nach Dauer zu unterscheiden, zu überdenken. b) Schlecht zu lokalisieren2 S86 Der Schmerz · Suppl 2 · 2021
C. Ein ursächlicher Zusammenhang ist aufgrund einer anatomi- C. Nicht besser erklärt durch eine andere I COP-Diagnose schen, funktionellen und/oder zeitlichen Verbindung plausi- bel3 Anmerkung: D. Nicht besser erklärt durch eine andere ICOP-Diagnose 1. Glatte, ebene Oberflächen, deren Kontur nicht der natürlichen Form der anatomischen Zahnkrone entspricht. Anmerkungen: 1. Zu den äußerlichen Stimuli, die Schmerzen hervorrufen kön- 1.1.1.1.2.2 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf eine nen, gehören heiß, kalt und süß. Fraktur mit hieraus resultierendem freiliegendem Dentin 2. Oft nur auf ein ungefähres Gebiet zwei oder drei Nachbarzäh- Diagnostische Kriterien: ne neben dem betroffenen Zahn beschränkt. Gelegentlich A. Zahnschmerz, der die Kriterien für 1.1.1.1.2 Schmerzen der kann der Patient nicht ausmachen, ob der Schmerz vom Un- Zahnpulpa zurückzuführen auf freiliegendes Dentin erfüllt ter- oder Oberkiefer ausgeht. B. Es wurde eine Fraktur des betroffenen Zahns unter Beteili- 3. Dieses Kriterium setzt sich auch bis zu allen Unterformen hin- gung des Zahnschmelzes, Wurzelzements, Dentins oder einer ab fort. Kombination hiervon diagnostiziert1 C. Nicht besser erklärt durch eine andere I COP-Diagnose 1.1.1.1.1 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf einen Riss im Zahnschmelz Anmerkung: Diagnostische Kriterien: 1. Die Diagnose stützt sich auf klinische und/oder radiologische A. Zahnschmerz, der die Kriterien für 1.1.1.1 Schmerzen der Zahn- Beobachtungen. pulpa zurückzuführen auf Überempfindlichkeit sowie Kriterium C erfüllt 1.1.1.1.2.3 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf einen B. Ein Riss oder eine unvollständige Fraktur des betroffenen Entwicklungsdefekt des Zahnhartgewebes Zahns unter Einbezug des Zahnschmelzes wurde durch visuel- Diagnostische Kriterien: le Identifizierung1 der Bruchlinie(n) diagnostiziert A. Zahnschmerz, der die Kriterien für 1.1.1.1.2 Schmerzen der C. Mindestens eines von Folgendem trifft zu: Zahnpulpa zurückzuführen auf freiliegendes Dentin erfüllt 1. Stechender Schmerz beim Zubeißen B. Es wurde eine Entwicklungsstörung des betroffenen Zahns 2. Schmerz bei Lösen des okklusalen Beißdrucks oder bei äu- unter Beteiligung des Zahnschmelzes, Wurzelzements und/ ßerer Kraftanwendung oder Dentins diagnostiziert, die bekanntermaßen Schmerzen 3. Kälteüberempfindlichkeit der Zahnpulpa1 auslösen kann D. Nicht besser erklärt durch eine andere I COP-Diagnose C. Nicht besser erklärt durch eine andere I COP-Diagnose Anmerkung: Anmerkung: 1. Bei Bedarf kann die Diagnostik durch Vergrößerungshilfen, 1. Zu den Entwicklungsstörungen dieser Art gehören eine lokale starke Ausleuchtung und/oder Sichtbarmachung mit Farbstoff Hypomineralisation oder Hypomaturation des Zahnschmelzes, unterstützt werden. Amelogenesis imperfecta, Dentinogenesis imperfecta sowie eine Vielzahl sonstiger, seltenerer Defekte. 1.1.1.1.2 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf freiliegen- des Dentin 1.1.1.1.3 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf einen Diagnostische Kriterien: zahnärztlichen Eingriff A. Zahnschmerz1, der die Kriterien für 1.1.1.1 Schmerzen der Diagnostische Kriterien: Zahnpulpa zurückzuführen auf Überempfindlichkeit erfüllt A. Zahnschmerz, der die Kriterien für 1.1.1.1 Schmerzen der Zahn- B. Die Dentinoberfläche des betroffenen Zahns liegt frei pulpa zurückzuführen auf Überempfindlichkeit erfüllt. C. Nicht besser erklärt durch eine andere I COP-Diagnose B. Es erfolgte kurz zuvor1 eine Behandlung des betroffenen Zahns Anmerkung: C. Nicht besser erklärt durch eine andere I COP-Diagnose 1. Der Schmerz lässt sich in der Regel durch Kratzen am freilie- genden Dentin mit einer Sonde oder durch Druckluft reprodu- Anmerkung: zieren. 1. Der Schmerzeintritt erfolgt in der Regel Stunden bis Tage nach dem zahnärztlichen Eingriff. 1.1.1.1.2.1 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf Zahn- abnutzung oder -abrasion 1.1.1.1.3.1 Schmerzen der Zahnpulpa zurückzuführen auf eine Diagnostische Kriterien: großflächige Entfernung von Dentinsubstanz A. Zahnschmerz, der die Kriterien für 1.1.1.1.2 Schmerzen der Diagnostische Kriterien: Zahnpulpa zurückzuführen auf freiliegendes Dentin erfüllt A. Zahnschmerz, der die Kriterien für 1.1.1.1.3 Schmerzen der B. Klinischer Nachweis von Abnutzung oder Verschleiß des be- Zahnpulpa zurückzuführen auf einen zahnärztlichen Eingriff er- troffenen Zahns1 füllt S87 Der Schmerz · Suppl 2 · 2021
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