Andacht13.Mai2020 Seite 1 - unterbarmen-sued.de
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Andacht 13.Mai 2020 Seite 1 v. 8 Liebe Gemeinde! Herzlich Willkommen zur heutigen Andacht am Mittwoch. An der Bushaltestelle vor dem Gemeindezentrum hängen immer große Werbeplakate. Vor einiger Zeit wurde, wer dort entlang ging, von dem Wer- bespruch eines großen Lebensmitteldiscounters geradezu überfallen. „Gut ist, was gut für Dich ist.“ Na, ist doch toll, endlich hat mal jemand verstan- den, was ich eh´ schon immer wußte. Natürlich ist gut, was für mich gut ist. Also: wenn ich mich abends mit einer großen Tüte Chips, vielen Schaumküssen, etwas Lecke- rem zum Trinken aufs Sofa fläze, dazu ganz laut Musik höre, dann ist das gut, weil es eben gut für mich ist. (Da muß der Nachbar eben durch.) Oder, wenn ich meinen Bus noch kriege, weil ich ein paar Leute angerempelt und ein bißchen aus dem Weg geschubst habe, dann ist das auch gut, weil ich dann noch pünktlich zu meinem Termin komme - und das ist gut für mich.
Andacht 13.Mai 2020 Seite 2 v. 8 Prima, dass das jetzt mal geklärt ist, und diese lästigen Regeln und Einschränkungen nicht mehr nötig sind. (Wären wir jetzt im Raum der Stille, dann käme an dieser Stelle eine kurze Musik, damit wir den bisherigen Text ein bißchen „verdauen“ könnten…) So, wie das vorhin gesagt wurde, so könnte man denken - aber wissen wir immer, was wirklich gut für uns ist? Viel Essen, viel Trinken, Chips, Schaumküsse, Al- kohol und Drogen, das ist sicher nicht wirklich gut für uns. Dass gesunde Ernährung, viel Bewegung und soziales Zusammensein (z.Zt. soziales Zu- sammensein mit viel Sicherheitsabstand) in der Gemeinschaft besser sind, wissen wir bestimmt alle, aber leider klingt vieles davon eher langweilig und uncool - oder da sitzt ein riesiger Schweine- hund davor und hält uns ab von dem, was viel- leicht wirklich gut für uns wäre. Oft ist es sogar noch viel schwieriger und wir wis- sen wirklich nicht, was denn nun gut für uns ist. Soll ich die angebotenen Stelle in der anderen Stadt - weit weg von hier, weit weg von Freunden und Familie - annehmen, wäre das gut für mich? Oder ist es für mich besser, wenn ich hier bleibe bei den Menschen, zu denen ich gehöre, die ich
Andacht 13.Mai 2020 Seite 3 v. 8 liebe, und dafür erst mal keinen Karrieresprung machen, meine alte Arbeitsstelle behalten? Das ist oft gar nicht so leicht zu entscheiden. Was ist gut für mich? Und dann: Wie ist das, wenn jeder genau das tut, was gut für ihn persönlich ist? Am Bus gäbe es nur noch Gedränge, weil jeder ohne Rücksicht nur noch die eigenen Interessen durchsetzt; jeder versucht den anderen zu über- vorteilen, versucht überall der Erste und Beste zu sein und sich die besten Stücke des „Kuchens“ zu sichern, Hauen und Stechen überall… …und am Wegesrand die, die nicht mithalten konnten und unter die Räder gekommen sind. Alles egal? Wo bleibe ich denn dann, wenn ich mal zu den Schwachen gehöre und nicht mehr selber meine Interessen durchsetzen kann? Kann es gut sein für die Welt, in der wir leben, wenn jeder nur an sich denkt und ohne Rücksicht auf Umwelt und Ressourcen alles gebraucht und verbraucht, was er möchte?
Andacht 13.Mai 2020 Seite 4 v. 8 „Gut ist, was gut für Dich ist“ - vielleicht ist dieser Spruch doch nicht ganz so toll; so einfach wie auf einem Werbeplakat ist das Leben doch nicht. Vielleicht brauchen wir doch Regeln, die das Zu- sammenleben ordnen, so ordnen, dass für mög- lichst viele Menschen möglichst gute Bedingun- gen herrschen - nicht nur für die mit den Rechten und der Macht des Stärkeren. Darüber haben schon viele nachgedacht. Philo- sophen, die über das Menschsein an sich nach- dachten, Eltern, die ihren Kindern sinnvolle Re- geln vorleben und mitgeben wollten, Politiker, die Staaten und Staatengebilde organisieren wollten. Nicht immer kam Sinnvolles oder Gutes dabei heraus. Ein ganz altes „Regelwerk“ steht schon in der Bi- bel - der Text klingt für heutige Ohren vielleicht nicht so cool wie der zitierte Werbespruch, aber ich bin überzeugt, dass er weitaus tauglicher für unser Leben ist. Hier kommt eine moderne Interpretation der zehn Gebote (in einer Fassung von Gerhard Engels- berger):
Andacht 13.Mai 2020 Seite 5 v. 8 Zehn Gebote für das Zusammenleben Es geht um das Miteinander von Menschen. Die zehn Gebote haben eine Überschrift. Sie heißt: In Gott ist Freiheit und Heil. Gott will heile Menschen und Verhältnisse. 1.Gebot Setze weder Menschen noch Mächte oder Ver- hältnisse an Gottes Stelle, du verspielst sonst deine und deiner Mitmenschen Freiheit. Setze deine Vorstellungen des Zusammenlebens nicht absolut und bete deine Bilder nicht an. Du wirst sonst selbst zum Sklaven. Gott will freie Men- schen. 2.Gebot Sei ehrlich! Benutze nicht die Autorität, den guten Ruf und Namen anderer, um eigene Interessen zu verfolgen. Missbrauche nicht den Namen Gottes in der Auseinandersetzung. 3.Gebot Komme regelmäßig zur Ruhe und sorge dafür, dass auch andere diese Ruhe finden. Schone die ganze Kreatur, sie ist nicht dein Besitz, sie lebt wie du - angewiesen auf andere. Respektiere die Sonn- und Feiertage, auch wenn ökonomische In- teressen dagegen sprechen, sonst wirst du selbst
Andacht 13.Mai 2020 Seite 6 v. 8 und alle, die dir anvertraut sind, zu Sklaven der Leistung und der Arbeit. 4.Gebot Du lebst in einer Gemeinschaft. Geh mit anderen genauso um wie auch du selbst behandelt sein möchtest. Sorge so für die Alten, Kranken und Schwächeren, daß sie in Freiheit und Würde leben können. 5.Gebot Du bist Leben, das leben will - inmitten von Le- ben, das leben will (Albert Schweitzer). Nimm also keinem sein Leben oder die Voraussetzungen da- für. Schaffe Raum auch zur Entfaltung des un- scheinbarsten und schwachen Lebens. 6.Gebot Schütze alle Räume und Beziehungen, in denen sich Leben entfaltet. Zerstöre keines anderen Le- bensgrundlage. Brich nicht ohne Not in eines an- deren Zuflucht. 7.Gebot Brich und beuge nicht das Recht. Nimm keinem anderen, was dir nicht gehört. Nimm keinem die Selbstachtung; stiehl keinem die Zeit; hüte des anderen Glück.
Andacht 13.Mai 2020 Seite 7 v. 8 8.Gebot Besteche nicht und lasse dich nicht bestechen. Lebe so, dass dir jeder offen ins Gesicht schauen kann. Vergib den schuldig Gewordenen. Trage bei zum aufrechten Gang aller, zum offenen Ge- spräch, zur ehrlichen Auseinandersetzung. 9.Gebot Greife nicht zu auf den Lebensraum deines Nachbarn. Er will wie du in Frieden und Freiheit leben. 10.Gebot Lass deinen Nächsten selbst planen und ent- scheiden. Er ist ein erwachsener Mensch mit ei- genen Träumen und Wegen. Hilf ihm, wenn er dich braucht. Schütze ihn, wenn er sich selbst schadet. Wehre jedem, der seine Würde, Gesundheit und Freiheit, seinen Ruf und seinen Schlaf raubt. (Hier gehört eigentlich noch mal Musik hin.) Das war jetzt eine ganze Menge - eine ganze Menge Text… und eine ganze Menge Anforde- rungen an unser Verhalten, an denen jeder ein- zelne von uns sicher wieder und wieder scheitern wird. Ich glaube aber, es lohnt sich, darüber hin und wieder noch mal ein bisschen nachdenken…
Andacht 13.Mai 2020 Seite 8 v. 8 Wir wollen beten: Lieber Herr, Im Licht und in der Kraft Jesu können wir in der Welt von heute wahrhaft menschlich leben, han- deln, leiden und sterben: Weil durch und durch gehalten von Gott, bis zum Letzten engagiert für den Menschen. Lass uns diese Worte von Hans Küng beherzigen, dass wir jeden Tag aufs Neue versuchen, deine Gebote zu erfüllen, dass wir uns nicht entmutigen lassen von allem Scheitern und allen Widerständen, die das Leben in einer menschlichen Welt mit sich bringt, dass wir leben in der Gewissheit, von dir gehalten zu sein - durch und durch. Unser Vater im Himmel…. Herr, wir bitten Dich: Segne uns. Halte Deine schützenden Hände über uns und gib uns Deinen Frieden. Amen. (Jutta Schindewolf-Grams)
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