Auswirkungen einer nach Cradle to Cradle ausgerichteten öffentlichen Beschaffung

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Auswirkungen einer nach Cradle to Cradle ausgerichteten öffentlichen Beschaffung
Auswirkungen einer nach Cradle to
Cradle ausgerichteten öffentlichen
          Beschaffung
als Instrument zur Förderung von innovativen Unternehmen
              am Beispiel der Textilwirtschaft

Eingereicht als Bachelorarbeit am Fachgebiet für Strategische Führung und Globales
        Management an der Technischen Universität Berlin am 07. Juli 2021

                                  Felix Weichert
                                 Birkenstraße 10
                                   10559 Berlin
                            fel.weichert@gmail.com
                            Matrikelnummer: 394536

               Erstgutachter: Prof. Dr. Dodo zu Knyphausen-Aufseß
                         Zweitgutachter: Florian Hofmann
Zusammenfassung

Die Beschaffungspraxis der öffentlichen Hand hat enormes Potential, eine Wirtschaft nach
Cradle to Cradle zu stimulieren, sofern wesentliche Aspekte beachtet werden. So ist eine
gute Kommunikation zwischen Beschaffenden und Bietenden während des gesamten
Beschaffungsprozesses ein grundlegender Faktor. Gleichwohl sollten Cradle to Cradle
Kriterien   schrittweise   in   den   Vergabeprozess      implementiert   werden,     um    eine
größtmögliche Wirkung mit der Beschaffung auf dem Markt zu erzielen. Und schließlich
muss die öffentliche Beschaffung nach Cradle to Cradle Kriterien für die bietenden
Unternehmen finanziell lohnend erscheinen, damit diese sich aufgrund der Vergabe
dahingehend beeinflussen lassen. In der folgenden Arbeit wurden diese Erkenntnisse aus
einer   qualitativen   Datenerhebung     und   -analyse    gewonnen,      die   in   Form   von
Experteninterviews durchgeführt wurde. Es hat sich herausgestellt, dass die öffentliche
Vergabe nach Cradle to Cradle Kriterien unter Berücksichtigung bestimmter Aspekte
attraktiv sein kann und sowohl unternehmerische Transformationen beeinflussen als auch
die Wirtschaft im Sinne von C2C fördern kann.

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Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis ........................................................................................................4
Tabellenverzeichnis ............................................................................................................5
Abkürzungsverzeichnis .......................................................................................................5
1       Einleitung ...................................................................................................................6
                   Relevanz der Thematik und Zielsetzung .......................................................6
                   Forschungsfrage............................................................................................7
2       Cradle to Cradle – Konzeption, Einordnung und Zertifizierung .................................8
3       Funktionsweise und rechtliche Rahmenbedingungen der öffentlichen Beschaffung
        10
                   Verfahrensarten ...........................................................................................11
                   Prozess der öffentlichen Beschaffung .........................................................12
                          Möglichkeiten zur Implementierung nachhaltigkeitsbezogener Kriterien
                          13
                          Implementierung von Cradle to Cradle Kriterien ..................................15
4    Literaturüberblick: Auswirkungen der öffentlichen Beschaffung als Instrument zur
Förderung innovativer Unternehmen ................................................................................16
                   Attraktivität und Herausforderungen der öffentlichen Beschaffung .............16
                   Unternehmerische Transformationen durch öffentliche Beschaffung .........17
                   Öffentliche Beschaffung als Instrument zur Wirtschaftsförderung ..............19
5       Methodischer Zugang ..............................................................................................21
6       Analyse der Interviewergebnisse .............................................................................29
                   Attraktivität der öffentlichen Beschaffung nach Cradle to Cradle ................29
                          Beschaffungsseitige Aspekte ...............................................................29
                          Unternehmensseitige Aspekte .............................................................31
               Auslösen einer unternehmerischen Transformation durch eine Beschaffung
        nach Cradle to Cradle ..............................................................................................31
                          Beschaffungsseitige Aspekte ...............................................................32
                          Unternehmensseitige Aspekte .............................................................33
               Öffentliche Beschaffung nach Cradle to Cradle als Instrument zur
        Wirtschaftsförderung ................................................................................................34
                          Beschaffungsseitige Aspekte ...............................................................34
                          Unternehmensseitige Aspekte .............................................................35
7       Diskussion der Interviewergebnisse ........................................................................36
                   Bezug zur Literatur: Attraktivität der öffentlichen Beschaffung ....................36
               Bezug Literatur: Potential zum Beeinflussen unternehmerischer
        Transformationen .....................................................................................................37
                   Bezug Literatur: Wirtschaftsförderung .........................................................38
                   Besonderheiten und zentrale Erkenntnisse .................................................40

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Thesen zur Beantwortung der Forschungsfragen .......................................45
8       Schlussbetrachtung .................................................................................................46
Anhang ..............................................................................................................................48
Literaturverzeichnis ...........................................................................................................60
Eidesstaatliche Erklärung .................................................................................................64

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Abbildungsverzeichnis

Abbildung I: Biologischer und technischer Kreislauf (Cradle to Cradle NGO, 2019) ..........9

Abbildung II: Umsetzung von C2C in der öffentlichen Beschaffung (eigene Darstellung,
angelehnt an Vergabe-Insider, 2020) ...............................................................................15

Abbildung III: Anteil KMUs bei der öffentlichen Vergabe (eigene Darstellung, leicht
modifiziert nach Sarter et al., 2014, S. 7) ..........................................................................16

Abbildung IV: Finales Kategoriensystem nach der qualitativen Inhaltsanalyse ................28

Abbildung V: Kodesystem der Kategorie 1 A ....................................................................29

Abbildung VI: Kodesystem der Kategorie 1 B ...................................................................31

Abbildung VII: Kodesystem der Kategorie 2 A ..................................................................32

Abbildung VIII: Kodesystem der Kategorie 2 B .................................................................33

Abbildung IX: Kodesystem der Kategorie 3 A ...................................................................34

Abbildung X: Kodesystem der Kategorie 3 B ....................................................................35

Abbildung XI: Erstes Kategoriensystem der Oberkategorie 1: Attraktivität einer C2C
Beschaffung ......................................................................................................................55

Abbildung XII: Erstes Kategoriensystem der Oberkategorie 2: Potential zum Auslösen einer
unternehmerischen Transformation durch eine C2C Beschaffung ...................................56

Abbildung XIII: Erstes Kategoriensystem der Oberkategorie 3: Wirtschaftsförderung durch
eine C2C Beschaffung ......................................................................................................56

Abbildung XIV: Zweite Reduktion des Kategoriensystems der Kategorie 1 A: Aspekte,
Maßnahmen und Eigenschaften der öffentlichen Hand und Vergabe, welche die
Attraktivität einer C2C Beschaffung beeinflussen. ............................................................57

Abbildung XV: Zweite Reduktion des Kategoriensystems der Kategorie 1 B: Aspekte,
Maßnahmen und Eigenschaften von Unternehmen, welche die Attraktivität einer C2C
Beschaffung beeinflussen können. ...................................................................................57

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Abbildung XVI: Zweite Reduktion des Kategoriensystems der Kategorie 2 A: Aspekte,
Maßnahmen und Eigenschaften der öffentlichen Hand, die eine unternehmerische
Transformation durch eine öffentliche Beschaffung nach C2C beeinflussen können.......58

Abbildung XVII: Zweite Reduktion des Kategoriensystems der Kategorie 2 B: Aspekte,
Maßnahmen und Eigenschaften von Unternehmen, die eine unternehmerische
Transformation durch eine öffentliche Beschaffung nach C2C beeinflussen können. ......58

Abbildung XVIII: Zweite Reduktion des Kategoriensystems der Kategorie 3 A: Aspekte,
Maßnahmen und Eigenschaften der öffentlichen Hand und Vergabe, die eine C2C
Wirtschaftsförderung beeinflussen. ...................................................................................59

Abbildung XIX: Zweite Reduktion des Kategoriensystems der Kategorie 3 B: Aspekte,
Maßnahmen und Eigenschaften von Unternehmen, die eine C2C Wirtschaftsförderung
beeinflussen. .....................................................................................................................59

Tabellenverzeichnis

Tabelle A: Übersicht der Interviewten und Definition der Expertenrollen ..........................23

Abkürzungsverzeichnis

B2B                  Business-to-Business

C2C                  Cradle to Cradle

ID                   Identifikationsnummer

IT                   Informationstechnik

KMU                  Kleine und mittelständische Unternehmen

NGO                  Nongovernmental organisation (dt. Nichtregierungsorganisation)

SDG                  Sustainable Development Goal

USP                  Unique Selling Proposition (dt. Alleinstellungsmerkmal)

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1      Einleitung

Ein Leben ohne Verzicht und mit allen Vorzügen und das in einer Welt, in der die Lebens-
und Wirtschaftsweise der Menschen gut für die Umwelt ist: Dieses Versprechen gibt das
Cradle to Cradle (C2C) Konzept (McDonough & Braungart, 2002, S. 256). Derzeit jedoch
ist der Handlungsbedarf in der Klima- und Umweltpolitik noch dringender denn je: 2018
wurden in einem Liter Meereis in der Arktis zum Teil mehr als 12.000 Mikroplastikteilchen
nachgewiesen (vgl. Peeken et al., 2018). Und im Jahr 2020 überstieg erstmals die von
Menschen produzierte Masse die weltweite Biomasse (dpa, 2020). Die derzeitig
vorherrschende lineare Produktionsweise verstärkt die sozio-ökologischen und -
ökonomischen Trends, und es bedarf gesamtpolitischer Lösungsansätze (Europäische
Kommission, 2020a, S. 3). Dies wurde auch auf EU-Ebene erkannt, und so hat die
Europäische Kommission im März 2020 „A new Circular Economy Action Plan for a Cleaner
and More Competitive Europe“ als Teil des Green Deals vorgestellt. Mit den 35 dort
festgelegten Maßnahmen soll so eine Kreislaufwirtschaft vorangetrieben werden
(Europäische Kommission, 2020b). Einen ganzheitlichen Ansatz für eine konsequente
Kreislaufwirtschaft bietet das C2C Konzept, bei dem durch sortenreine Trennbarkeit der
verwendeten Materialien diese wieder als Ressourcen in technische oder biologische
Kreisläufe zurückgeführt werden können. Dazu muss die Wirkung auf Mensch und Umwelt
aller in der Produktion verwendeten Substanzen geprüft sein. Dahinter steht ein
ganzheitlicher Qualitätsanspruch, sodass ebenso ein verantwortungsvoller Umgang mit
Wasser, die Nutzung erneuerbarer Energien und die Einhaltung sozialer Standards
gefordert wird (vgl. Mulhall & Braungart, 2010).

       Relevanz der Thematik und Zielsetzung

Mit der Agenda 2030 von New York und den darin enthaltenen 17 nachhaltigen
Entwicklungszielen (engl. Sustainable Development Goals, SDGs) haben sich die
Mitglieder der Vereinten Nationen einer nachhaltigen Entwicklung verpflichtet (United
Nations, 2015). Entwicklungspolitik sei im Sinne der Agenda 2030 ein gesamtpolitischer
Prozess: Alle Politikfelder können und sollen ihren Beitrag zu einer nachhaltigen
Entwicklung leisten. Mit dem zwölften Nachhaltigkeitsziel der Agenda 2030 – der
Sicherstellung nachhaltiger Konsum- und Produktionsmuster – rückt konkret die öffentliche
Beschaffung in den Fokus: Punkt 12.7 besagt die „Förderung nachhaltiger Praktiken im
öffentlichen Beschaffungswesen in Übereinstimmung mit den nationalen Politiken und
Prioritäten“ (United Nations, 2015, S. 24).

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Die Hebelwirkung der öffentlichen Beschaffung ist immens. In Deutschland beschäftigte
die öffentliche Hand 2019 rund 4,9 Millionen Menschen – so arbeitete rund jede*r zehnte
Erwerbstätige für die öffentliche Hand (Bundeszentrale für politische Bildung, 2020). Das
Beschaffungsvolumen der öffentlichen Hand wiederum beträgt pro Jahr ca. 350 Milliarden
Euro, wovon je nach Schätzung ca. 40 bis 50 Milliarden Euro pro Jahr für innovative
Beschaffung genutzt werden können (Eßig & Schaupp, 2016, S. 57 f). Der Wirkungsmacht
einer nachhaltigen öffentlichen Beschaffung zur Initiierung von Transformationsprozessen
und als Beitrag zum Klima- und Umweltschutz ist sich die Politik schon länger bewusst.
Bereits 2011 veröffentlichte das Bundesumweltministerium ein Paper mit dem Titel „Die
öffentliche   Beschaffung    –   ein   Hebel       für   Klimaschutz   und   Zukunftsmärkte!“
(Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, 2011).

       Forschungsfrage

Das Beschaffungsvolumen der öffentlichen Hand ist wie oben dargestellt enorm. Und
gleichzeitig wird angesichts der eingangs aufgeführten Probleme eine resiliente
Produktionsweise wie C2C benötigt, um eine zukunftsfähige Wirtschaft zu gestalten. Ein
radikales Umdenken scheint nötig, so wie es Beyer und Arnold formulieren: „Therefore,
groundbreaking collaborative, circular-oriented or cradle-to-cradle-based business models
are needed which should be based on fundamentally new personal, consumer and firm
mindsets […]” (2021, S. 366). Um die Transformation hin zu einer funktionierenden
Kreislaufwirtschaft im Sinne von C2C zu schaffen, sind Veränderungen auf mehreren
Ebenen, einschließlich technologischer Innovationen, neuer Geschäftsmodelle und der
Zusammenarbeit von Interessensgruppen notwendig (Witjes & Lozano, 2016, S. 42). Es
eröffnet sich die Frage, ob solche Transformationsprozesse durch die öffentliche
Beschaffung beeinflusst werden können. Insbesondere die Auswirkungen einer
nachhaltigen Vergabe auf kleine und mittelständische Unternehmen sind bisher wenig
untersucht (Testa et al., 2012, S. 95; Witjes & Lozano, 2016, S. 38). Durch ein besseres
Verständnis     der   Einflussfaktoren    der        öffentlichen   Beschaffung    auf   den
Unternehmenserfolg ließe sich dieses erhebliche Potential zur Erhöhung des
Vergabenutzens realisieren (Blind et al., 2020, S. 1).

Um die Auswirkungen einer öffentlichen Beschaffung nach C2C als Instrument zur
Förderung von innovativen Unternehmen zu verstehen, ist im Rahmen dieser Arbeit
schrittweise vorgegangen worden. Im ersten Schritt sollte die Attraktivität einer solchen
Beschaffung untersucht werden. Denn nur eine für Unternehmen attraktive Beschaffung
kann auch unternehmerische Transformationen auslösen, und nur mit einer attraktiven
Beschaffung kann die Wirtschaft gefördert werden, so die zugrunde liegende These. In

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einem zweiten Schritt wurde das Potential der öffentlichen Beschaffung nach C2C
untersucht, unternehmerische Transformationen zu beeinflussen. Denn nur, wenn die
öffentliche Beschaffung auf Transformationsprozesse einwirken kann, kann sie auch als
Instrument zur Wirtschaftsförderung dienen, so die Überlegung. Und in einem dritten
Schritt wurde schließlich die öffentliche Vergabe nach C2C als Instrument zur
Wirtschaftsförderung untersucht. Auf Basis dieser Überlegungen wurden für den
Forschungsprozess drei aufeinander aufbauende Forschungsfragen definiert:

    1) Inwieweit kann eine nach C2C ausgerichtete öffentliche Beschaffung abschreckend
       auf Unternehmen wirken, die sich regelmäßig auf konventionelle öffentliche
       Ausschreibungen bewerben?
    2) Wie kann eine nach C2C ausgerichtete öffentliche Beschaffung innerhalb eines
       Unternehmens, das noch nicht nach C2C produziert, eine unternehmerische
       Transformation beeinflussen?
    3) In welcher Form kann eine nach C2C ausgerichtete öffentliche Beschaffung als
       Instrument zur Wirtschaftsförderung fungieren?

Diese Überlegungen und die drei Forschungsfragen sind die zentralen und zugrunde
liegenden Elemente, nach denen die gesamte Arbeit und der gesamte Forschungsprozess
gegliedert wurde.

2      Cradle to Cradle – Konzeption, Einordnung und Zertifizierung

Bereits 2002 stellten der Chemiker Michael Braungart und der Architekt und Designer
William McDonough mit ihrem Buch „Cradle to Cradle: Remaking the Way We Make
Things“ das Konzept vor. Im Sinne von C2C werden die Menschen als potenzielle
Nützlinge und nicht Schädlinge für die Natur als Teil des Ökosystems gesehen (Griefahn
et al., 2017, S. 193). Um das zu erreichen, müssen Soziales, Ökologisches und
Ökonomisches gleichwertig betrachtet und bei dem Produktdesign umgesetzt werden
(McDonough & Braungart, 2002, S. 252; van de Westerlo, 2011, S. 15). Reine
Effizienzstrategien oder Verzicht reichen nicht aus, damit die derzeitige Wirtschaftsweise
gut für Mensch und Umwelt werden kann, so die grundlegende Philosophie von C2C
(McDonough & Braungart, 2002, S. 252). Stattdessen sollte das Design von Produkten
geschlossene Stoffkreisläufe ermöglichen (Griefahn et al., 2017, S. 193).

Orientiert am Vorbild der Natur sind durch das Designkonzept drei C2C-Prinzipien definiert
(Griefahn et al., 2017, S. 194). Das erste Prinzip lautet „Abfall ist Nahrung“ und impliziert
die Idee von geschlossenen Stoffkreisläufen. Produkte werden je nach Nutzungsszenario
so designt, dass sie als Verbrauchsprodukt in der biologischen Sphäre oder als

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Gebrauchsprodukt in der technischen Sphäre zirkulieren (siehe Abbildung I). Die
verwendeten Materialien sind dabei auf ihre Verträglichkeit für Mensch und Umwelt geprüft.
In der biologischen Sphäre können Produkte und Materialien nach ihrer Nutzung als
biologisch abbaubarer Nährstoff dem Kreislauf wiederzugeführt werden. In der technischen
Sphäre können die Produkte demontiert und einzelne Materialien nach Nutzung ohne
Qualitätsverlust für die Produktion neuer Produkte verwendet werden (vgl. Griefahn et al.,
2017, S. 194; vgl. van de Westerlo, 2011, S. 17 ff).

Abbildung I: Biologischer und technischer Kreislauf (Cradle to Cradle NGO, 2019)

Das zweite Prinzip des Designkonzepts ist die ausschließliche Nutzung erneuerbarer
Energien für alle Prozesse in der Produktion (Griefahn et al., 2017, S. 195; van de
Westerlo, 2011, S. 20 f). Das dritte Prinzip lautet „Unterstützung von Diversität“ (Griefahn
et al., 2017, S. 195). Die Natur bringt eine Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten und
Bedürfnisse hervor. Diese Diversität sollte sich ebenfalls in dem Design von Produkten
widerspiegeln, sodass diese individuell an das entsprechende Nutzungsszenario
angepasst sind (Griefahn et al., 2017, S. 195; van de Westerlo, 2011, S. 22 f).

Die Ellen MacArthur Foundation listet C2C als eine der Denkschulen der Circular Economy
(Ellen MacArthur Foundation, 2017). Anders jedoch als bei der Circular Economy liegt C2C
ein universelles Qualitätsverständnis zugrunde (Griefahn et al., 2017, S. 195). Produkte
werden diesem Anspruch nur gerecht, wenn sie entsprechend der C2C Prinzipien designt
und bei der Produktion weder beteiligte Menschen noch betroffene Ökosysteme
geschädigt werden (Griefahn et al., 2017, S. 195).

Auf diesen Grundsätzen aufbauend, zertifiziert das Cradle to Cradle Products Innovation
Institute Produkte in fünf Kategorien (Cradle to Cradle Products Innovation Institute, 2021,
S. 3). Zum einen wird das Produkt auf Materialgesundheit geprüft. Die im gesamten

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Produktionsprozess verwendeten Chemikalien und Materialien sind so zu wählen, dass der
Schutz von Mensch und Umwelt gegeben ist (Cradle to Cradle Products Innovation
Institute, 2021, S. 13). Die zweite Kategorie ist die Kreislauffähigkeit der Produkte. Hier
sind Produkte so zu konzipieren, dass die einzelnen Materialien wieder vollständig in den
biologischen oder technischen Kreislauf rückgeführt werden können (Cradle to Cradle
Products Innovation Institute, 2021, S. 24). Als dritte Kategorie werden Anforderungen an
saubere Luft und Klimaschutz gestellt. Die Herstellung der Produkte muss hier einen
positiven Einfluss auf die Luftqualität unter Nutzung erneuerbarer Energien haben und eine
ausgeglichene Bilanz klimawirksamer Treibhausgase vorweisen (Cradle to Cradle
Products Innovation Institute, 2021, S. 38). In der vierten Kategorie wird der verantwortliche
Umgang      mit   Wasser      und    Böden     bewertet.    Wassereinzugsgebiete       sowie
Bodenökosysteme sollen bei der Produktion geschützt und sauberes Wasser sowie
gesunde Böden geschaffen werden (Cradle to Cradle Products Innovation Institute, 2021,
S. 53). In der letzten Kategorie werden die Unternehmen im Bereich der sozialen Fairness
auf die Einhaltung der Menschenrechte bei der Produktion sowie faire und gerechte
Geschäftspraktiken geprüft (Cradle to Cradle Products Innovation Institute, 2021, S. 66).
Die Zertifizierung kann dabei in den vier Stufen Bronze, Silber, Gold und Platin vergeben
werden (Cradle to Cradle Products Innovation Institute, 2021, S. 7).

3      Funktionsweise und rechtliche Rahmenbedingungen der öffentlichen
Beschaffung

Jährlich werden Aufträge in Millionenhöhe an private Unternehmen vergeben, um den
Beschaffungsbedarf der öffentlichen Hand zu decken. Das Vergaberecht regelt die
wirtschaftliche und sparsame Verwendung von den dafür verwendeten Haushaltsmitteln
und umfasst alle Regeln und Vorschriften, die das Verfahren für die öffentliche Hand
vorschreiben (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2021a). Dabei stützt es sich
auf die Grundsätze der Gleichbehandlung, Nichtdiskriminierung und Transparenz, um
einen fairen Wettbewerb zwischen den bietenden Unternehmen zu gewährleisten und
Korruption sowie Vetternwirtschaft zu verhindern (§ 97 Abs. 1 und 2 GWB; § 2 Abs. 1 und
2 UVgO). Trotzdem kann die Beschaffung der öffentlichen Hand auch strategisch genutzt
werden (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2021b). So sollen die folgenden
Ausführungen keine rechtswissenschaftliche Darlegung des Vergaberechts sein, sondern
für das weitere Verständnis dieser Arbeit die Funktionsweise inklusive der Möglichkeiten
zur Implementierung nachhaltigkeitsbezogener Kriterien erklären.

Vergaberechtlich ist zunächst zu unterscheiden, ob der Auftragswert EU-Schwellenwerte
über- oder unterschreitet. Je nach Auftragsart unterscheidet sich die Höhe dieser

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Schwellenwerte (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2021a). Unterschreitet der
Auftragswert den entsprechenden EU-Schwellenwert, findet traditionell das jeweilige
deutsche Haushaltsrecht Anwendung (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie,
2021a). Erreicht oder überschreitet der Auftragswert diese Schwellenwerte, finden die EU-
Richtlinien Anwendung, deren Grundlagen im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
(GWB), Teil 4 enthalten sind. Die Verordnung über die Vergabe öffentlicher Aufträge
(Vergabeverordnung - VgV) konkretisiert die im GWB enthaltenen Vorschriften für
Deutschland (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2021a). Der wesentliche
Unterschied zwischen Unter- und Oberschwellenbereich ist die Möglichkeit eines
Nachprüfverfahrens. Denn die Vergabeordnungen des Haushaltsrechts können nicht die
Grundlage eines subjektiven Rechts bilden, da sie nicht den Charakter von Rechtsnormen
besitzen. So kann lediglich im Oberschwellenbereich ein unterlegener Bieter bei
Verletzungen der Verfahrensvorschriften ein Nachprüfverfahren ggf. vor Gericht
veranlassen (vgl. BVerfG, 1 BvR 1160/03, 2006; Isenheim, 2010, S. 31). Ein weiterer
Unterschied ist die europaweite Bekanntmachung der Aufträge im Oberschwellenbereich
(Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2021a). Allerdings sind die weiteren
vergaberechtlichen Unterschiede zwischen den Ober- und Unterschwellenbereich so
geringfügig, dass sie eine untergeordnete Rolle in Bezug zu den vorliegenden
Forschungsfragen spielen.

       Verfahrensarten

Öffentliche Auftraggeber können zur Vergabe unterschiedliche Verfahrensarten wählen.
Diese sind für den Oberschwellenbereich in § 119 GWB und §§ 14-19 VgV und für den
Unterschwellenbereich in §§ 8-14 der Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) geregelt.
Die Grundsätze der unterschiedlichen Verfahrensarten gleichen sich jedoch im Unter- und
Oberschwellenbereich (Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2021c). So kann
die öffentliche Hand zwischen folgenden Verfahrensarten wählen (vgl. Bundesministerium
für Wirtschaft und Energie, 2021c):

a) Das offene Verfahren (oberhalb der EU-Schwellenwerte nach § 15 VgV) und die
   öffentlichen Ausschreibungen (unterhalb der EU-Schwellenwerte nach § 9 UVgO),
   bei denen eine unbegrenzte Anzahl an Bietenden zur Abgabe von Angeboten
   zugelassen ist.
b) Das nicht-offene Verfahren (oberhalb der EU-Schwellenwerte nach § 16 VgV) bzw.
   die beschränkten Ausschreibungen (unterhalb der EU-Schwellenwerte nach § 10
   UVgO), bei denen nach vorheriger Aufforderung zur Teilnahme eine begrenzte Anzahl
   an Unternehmen aus dem Teilnehmerkreis zur Abgabe eines Angebots aufgefordert

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wird. Dies wird als sog. Teilnahmewettbewerb bezeichnet. Unter bestimmten
    Bedingungen nach § 11 UVgO kann jedoch eine beschränkte Ausschreibung auch
    ohne vorangegangenen Teilnahmewettbewerb stattfinden.
c) Das Verhandlungsverfahren (oberhalb der EU-Schwellenwerte nach § 17 VgV) und
    die     Verhandlungsvergabe bzw.          freihändige    Vergabe      (unterhalb der    EU-
    Schwellenwerte nach § 12 UVgO), die Verhandlungen über die Auftragsbedingungen
    mit den bietenden Unternehmen zulassen. Beide Verfahren können sowohl mit als
    auch ohne vorgeschalteten Teilnahmewettbewerb durchgeführt werden. Dieses
    Verfahren wird insbesondere bei Aufträgen in Betracht gezogen, die konzeptionelle
    oder innovative Lösungen erfordern oder wenn die Komplexität des Auftrags eine
    vorherige Verhandlung erfordert (vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie,
    2021a).
d) Der wettbewerbliche Dialog (nur bei europaweiten Vergabeverfahren oberhalb der
    EU-Schwellenwerte        nach   §    18   VgV),   der   dem    Auftraggeber    noch     mehr
    Dialogmöglichkeiten mit den Bietenden ermöglicht. Dieses Verfahren ist für
    komplizierte Aufträge, bei denen der Auftraggeber nicht die genauen Leistungen zur
    Erfüllung seiner Ziele definieren kann und diese Leistungen erst im Dialog ermittelt
    werden können.
e) Die Innovationspartnerschaft (nur bei europaweiten Vergabeverfahren oberhalb der
    EU-Schwellenwerte nach § 19 VgV), die mit dem Ziel der Entwicklung einer innovativen
    Lösung und deren anschließenden Erwerb eingegangen werden kann. Dieses
    Verfahren ist für Aufträge vorbehalten, bei denen der Beschaffungsbedarf nicht durch
    am Markt verfügbare Lösungen gedeckt werden kann.

Bei Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte herrscht gem. § 119 Abs. 2 GWB
Wahlfreiheit zwischen offenem und nicht-offenem Verfahren. Die anderen Verfahrensarten
können bei Erfüllung der Voraussetzungen nach § 17 ff VgV angewendet werden (vgl.
Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, 2021c).

           Prozess der öffentlichen Beschaffung

Konzeptionell lässt sich der Prozess der öffentlichen Beschaffung in vier Phasen gliedern.
Der Prozess beginnt mit der Vorbereitungsphase, in der das Problem definiert wird und
eine Bestandsaufnahme der Anforderungen an interne sowie externe Interessensgruppen
erfolgt.    In   der   darauffolgenden    Spezifikationsphase      wird   auf   Grundlage    der
Problemdefinition das zu beschaffende Produkt oder die zu beschaffende Dienstleistung
spezifiziert. In der Beschaffungsphase (auch Ausschreibungsprozess) erfolgt die
Bekanntmachung         der   Ausschreibung,    die    Auswahl     eines   Bietenden   und    der

                                               12
Vertragsabschluss.    Abgeschlossen     wird       der   Beschaffungsprozess     durch     die
Nutzungsphase, in der das Produkt nach Vertragsunterzeichnung geliefert wird (vgl.
Lüttmann, 2018, S. 86 ff.; Witjes & Lozano, 2016, S. 38).

Im Weiterem wird eine Übersicht gegeben, wie der Prozess der öffentlichen Beschaffung
verläuft und an welcher Stelle nachhaltigkeitsbezogene Aspekte mit einbezogen werden
können. Der Prozess wird dabei in die oben aus der Literatur entnommenen vier Phasen
gegliedert.

       Möglichkeiten zur Implementierung nachhaltigkeitsbezogener Kriterien

Die einzelnen Bestandteile des Beschaffungsprozesses der öffentlichen Hand sind in der
UVgO (oberhalb der Schwellenwerte im GWB bzw. der VgV) festgelegt. Mit der
Vergaberechtsreform 2016 sind verstärkt auch nachhaltigkeitsbezogene Kriterien im
Vergabeprozess zulässig (Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung, 2017). So ist
bereits in den Grundsätzen der Vergabe in § 2 Abs. 3 UVgO (bzw. ähnlich siehe § 97 Abs.
3 GWB) Folgendes festgehalten:

       „Bei der Vergabe werden Aspekte der Qualität und der Innovation sowie soziale
       und umweltbezogene Aspekte nach Maßgabe dieser Verfahrensordnung
       berücksichtigt.“ (§ 2 Abs. 3 UVgO)

Die Vorbereitungsphase beginnt mit der Festlegung des Auftragsgegenstands sowie
einer Markterkundung (siehe § 20 UVgO). Auf Grundlage dieser Erkenntnisse folgt in der
Spezifikationsphase die Erstellung der Vergabeunterlagen. Diese umfassen ein
Anschreiben mit der Aufforderung zur Angebotsunterbreitung, Einzelheiten zur
Durchführung des Verfahrens, wie Eignungs- und Zuschlagskriterien, und die
Vertragsunterlagen inklusive Leistungsbeschreibung und Vertragsbedingungen (siehe §
21 UVgO). Bei der Erstellung der Vertragsunterlagen bieten sich erste Möglichkeiten, um
soziale, ökologische oder innovative Kriterien zu integrieren. Die Leistungsbeschreibung
ist eine möglichst genaue und eindeutige Beschreibung des Auftragsgegenstands. Gemäß
§ 23 Abs. 2 UVgO kann der Auftragsgegenstand auch mit sozialen, innovativen und
umweltbezogenen Merkmalen sowie qualitätsbezogenen Aspekten beschrieben werden
(Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung, 2017). Diese Merkmale dürfen sich auf den
gesamten Lebenszyklus beziehen, was auch den Herstellungsprozess und die
Produktions-   und   Lieferkette   umfasst.    Dabei     müssen   allerdings   alle   in   der
Leistungsbeschreibung aufgeführten Merkmale in direkter Verbindung mit dem
Auftragsgegenstand stehen und eine Verhältnismäßigkeit zu dessen Wert aufweisen
(siehe § 23 Abs. 2 UVgO). Eine weitere Möglichkeit bieten die Eignungs- und

                                              13
Zuschlagskriterien      (Kompetenzstelle         für   nachhaltige      Beschaffung,           2017).
Eignungskriterien sind den Bietenden betreffende Kriterien. § 124 GWB, der durch § 31
Abs. 1 auch im Unterschwellenbereich anwendbar ist, berücksichtigt hier auch soziale und
ökologische Aspekte. Bietende können ausgeschlossen werden, sofern „bei der
Ausführung öffentlicher Aufträge nachweislich gegen geltende umwelt-, sozial- oder
arbeitsrechtliche Verpflichtungen verstoßen“ wurde (§ 124 Abs. 1 GWB). So kann
beispielsweise in den Eignungskriterien die Einhaltung der Kernarbeitsnormen der
internationalen    Arbeitsorganisation     (ILO-Kernarbeitsnormen)        durch       den       Bieter
festgehalten werden (FEMNET e.V, 2020, S. 4). Die Zuschlagskriterien dienen der
Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots, um auf Grundlage dessen den Zuschlag für
den Auftrag zu erteilen. Neben dem Preis oder den Kosten können zur Ermittlung des
wirtschaftlichen     Angebots      auch    „qualitative,   umweltbezogene         oder         soziale
Zuschlagskriterien berücksichtigt werden“, solange diese mit dem Auftragsgegenstand in
Verbindung stehen (§ 43 Abs. 2 UVgO). Diese Verbindung kann sich jedoch auf jedes
Stadium des Lebenszyklus beziehen und muss sich nicht zwingend auf die materiellen
Eigenschaften des zu beschaffenden Produkts oder der zu beschaffenden Dienstleistung
auswirken (Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung, 2017). Auch werden konkret die
Lebenszykluskosten als anwendbare Bemessungsgrundlage in § 43 Abs. 4 UVgO
aufgeführt.

Auch in der Beschaffungsphase sind vergaberechtlich einige Möglichkeiten zur
Implementierung      nachhaltiger    Kriterien    vorhanden.     So    können   im     Zuge       der
Eignungsprüfung      Bietende      ausgeschlossen      werden,   die    die   zuvor    definierten
Eignungskriterien nicht erfüllen (Kompetenzstelle für nachhaltige Beschaffung, 2017). Die
verbleibenden Angebote werden nun anhand der Zuschlagskriterien bewertet. Die
Eignungsprüfung erfolgt grundsätzlich durch die Vorlage einer Eigenerklärung der
Bietenden (siehe § 35 Abs. 2 UVgO). Die Nachweisführung für Leistungsmerkmale und
Zuschlagskriterien hingegen kann gem. § 24, 43 Abs. 7 UVgO durch Gütezeichen erfolgen.
Öffentliche Auftraggeber können die Vorlage solcher Gütezeichen unter Berücksichtigung
der im Gesetzestext festgehaltenen Voraussetzungen verlangen (siehe § 24, 43 Abs. 7
UVgO). Dabei sind auch andere Gütezeichen zu akzeptieren, wenn sie gleichwertige
Anforderungen stellen. Anders als im Oberschwellenbereich festgelegt, müssen im
Unterschwellenbereich      nicht    alle   Anforderungen       des    Gütezeichens       mit     dem
Auftragsgegenstand in Verbindung stehen (siehe § 34 Abs. 2 S. 2 VgV). So kann im
Unterschwellenbereich wesentlich einfacher die Nachweisführung durch Gütezeichen
durch den öffentlichen Auftraggeber verlangt werden (Kompetenzstelle für nachhaltige
Beschaffung, 2017).

                                                 14
Kommt es zum Vertragsabschluss und ein Bieter erhält den Zuschlag, wird in der
Nutzungsphase              der        Auftragsgegenstand              geliefert.       Durch          die
Auftragsausführungsbestimmungen können Bedingungen an die Ausführung des Auftrags
gestellt werden. Hier können soziale, ökologische und innovative Kriterien hinzugezogen
werden (siehe § 45 Abs. 2). Ein entsprechender Nachweis kann auch hier durch
Gütezeichen vom öffentlichen Auftraggeber gefordert werden (siehe § 45 Abs. 3).

        Implementierung von Cradle to Cradle Kriterien

Eine Vorreiterrolle in Sachen öffentliche Beschaffung nach C2C nimmt die Stadt
Ludwigsburg ein: Seit 2018 richtet sich die Stadt grundsätzlich in ihrer Beschaffung nach
C2C aus (Ludwigsburg, 2018a, S. 1). Mit einer Dienstanweisung zur nachhaltigen
Beschaffung wurde festgelegt, dass C2C Kriterien bei jeder Beschaffung berücksichtigt
werden müssen (vgl. Ludwigsburg, 2018b). Wenn C2C bei einer Vergabe nicht umgesetzt
werden kann, muss dies schriftlich begründet werden (siehe § 6, Ludwigsburg, 2018b, S.
6). In der Dienstanweisung ist das Vorgehen für alle Beschaffungsprozesse klar geregelt
(siehe § 4, Ludwigsburg, 2018b). Die Internetplattform Vergabe-Insider führt auf ihrer
Website, angelehnt an die Dienstanweisung Ludwigsburgs, sechs Schritte an, wie C2C
konkret in der öffentlichen Beschaffung umgesetzt werden kann (siehe Abbildung II).

Abbildung II: Umsetzung von C2C in der öffentlichen Beschaffung (eigene Darstellung, angelehnt an Vergabe-
Insider, 2020)

Darüber hinaus wird in Ludwigsburg mit einer sog. Bietererklärung gearbeitet (siehe § 4
Abs. 2, Ludwigsburg, 2018b). In dieser von den Bietenden auszufüllenden Eigenerklärung
werden Aspekte in den fünf Bereichen der Zertifizierung (siehe Kapitel 2, S. 9 f) abgefragt.
Der Beschaffer aus Ludwigsburg konkretisiert und erklärt im Interview das Vorgehen (siehe
Anlage B, S. 54). Zu Beginn steht eine Bedarfsermittlung mit anschließender
Marktrecherche nach relevanten Produkten und Unternehmen. In einem Dialog mit den
infrage kommenden Bietenden werden die C2C Kriterien erklärt und abgefragt. Auch sind
die Vergabeunterlagen standardisiert und umfassen eine Erklärung und Ausführung des
C2C Konzepts. Das erklärte Ziel von Ludwigsburg mit dieser Beschaffung ist es,
Klimaschutzziele zu unterstützen, die Lebensqualität in der Stadt zu verbessern und dazu
beizutragen, natürliche Lebensgrundlagen zu erhalten (Ludwigsburg, 2018a, S. 2). So

                                                   15
sollen Impulse an die Hersteller in Richtung C2C gegeben werden und Ludwigsburgs
Attraktivität für Unternehmen in diesem Bereich gesteigert werden (Ludwigsburg, 2018a,
S. 2).

4        Literaturüberblick:                                                     Auswirkungen         der          öffentlichen      Beschaffung   als
Instrument zur Förderung innovativer Unternehmen

Die folgende Literaturrecherche ist an den Forschungsfragen orientiert und in drei Schritte
gegliedert. Sie stellt keine vollständige Zusammenfassung der gesamten relevanten
Literatur dar, sondern soll einen Überblick über die Wirkungsmechanismen der öffentlichen
Beschaffung geben. Zunächst wird die Attraktivität der öffentlichen Beschaffung für
Unternehmen untersucht. Darauffolgend wird auf Mikroebene das Potential der öffentlichen
Beschaffung        untersucht,                                                    Geschäftsmodellinnovationen                  und    unternehmerische
Transformationen im Unternehmen anzustoßen. Zuletzt wird die öffentliche Beschaffung
als Instrument der Wirtschaftsförderung zur Förderung von Innovationen betrachtet.

         Attraktivität und Herausforderungen der öffentlichen Beschaffung

In Europa zählen rund 99 % aller Unternehmen als kleine und mittelständische
Unternehmen (KMU) (Frédéric Gouardères, 2021). Sie beschäftigen rund zwei Drittel aller
erwerbstätigen Personen und haben einen Anteil von über 50 % an der gewerblichen
Wertschöpfung (Frédéric Gouardères, 2021). 64 % aller öffentlichen Aufträge gingen 2005
in der EU an KMUs (2006 61 %, 2007 58 %, 2008 61 %), sodass von einem konstanten
Anteil ausgegangen wird (siehe Abbildung III). Trotzdem hatten sie nur einen Anteil von
42 % am Wert öffentlicher Aufträge (vgl. Sarter et al., 2014, S. 7 f.).

                                                                         100%
                            Anteil KMUs an öffentlichen Aufträgen in %

                                                                         90%
                                                                         80%
                                                                         70%
                                                                         60%
                                                                         50%
                                                                         40%
                                                                         30%
                                                                         20%
                                                                         10%
                                                                          0%
                                                                                   2005    2006             2007        2008
                                                                                                   Jahr

Abbildung III: Anteil KMUs bei der öffentlichen Vergabe (eigene Darstellung, leicht modifiziert nach Sarter et
al., 2014, S. 7)

Die Gründe für das Gefälle zwischen Anteil der KMUs in Deutschland und Anteil der KMUs
am       Wert    öffentlicher                                                   Ausschreibungen           legen      die       Herausforderungen   des
Vergabeprozesses offen. So sind kleinere Unternehmen im Nachteil gegenüber großen,

                                                                                              16
die bereit sind, sich in die Spezifika der komplexen Beschaffungsprozesse einzuarbeiten
(Cabras, 2011, S. 201; Sarter et al., 2014, S. 9). Oft fehlen Ressourcen, um am
hochbürokratisierten Prozess teilhaben zu können (Sarter et al., 2014, S. 9; Sönnichsen &
Clement, 2019, S. 8). Auch eine zu starke Gewichtung der Kosten stellt eine
Herausforderung für KMUs dar (Cabras, 2008, S. 17, 2011, S. 201). Denn bei geringen
zeitlichen und finanziellen Ressourcen gewinnen wiederum administrative Anforderungen
an Bedeutung, da sie den Umfang an Vorbereitungsaufgaben der Ausschreibung
bestimmen (Sarter et al., 2014, S. 10). Weitere Hindernisse sind zu große und
umfangreiche Aufträge (Sarter et al., 2014, S. 14), Informationsasymmetrien und die
Bürokratie des Vergabeprozesses in Form von langsamen Zahlungen, engen
Angebotsspezifikationen, aufwändigen Beschaffungsunterlagen und fehlendes Wissen,
wie die richtige Ausschreibung zu finden und sich im Prozess zurechtzufinden ist (Flynn &
Davis, 2015, S. 2).

Trotzdem ist die öffentliche Beschaffung kein uninteressanter Wirtschaftszweig. Vom
gesamten Beschaffungsvolumen können Bund, Länder und Kommunen je nach Schätzung
zwischen 35 und 50 Milliarden Euro innovationsrelevant und innovationsfördernd
investieren (Eßig & Schaupp, 2016, S. 7; Kompetenzzentrum innovative Beschaffung
(KOINNO), 2016). Dies kann insbesondere in Zeiten wirtschaftlicher Rezession einen
interessanten Absatzmarkt für Unternehmen darstellen (Sarter et al., 2014, S. 9).

       Unternehmerische Transformationen durch öffentliche Beschaffung

Innovationen scheinen in Unternehmen durch öffentliche Beschaffung gezielt gefördert
werden zu können. Denn es gibt eine Korrelation zwischen Innovationen und dem
Abschluss öffentlicher Verträge. So sind die dokumentierten Innovationsraten deutlich
höher in Unternehmen mit öffentlichen Verträgen (Appelt & Galindo-Rueda, 2016, S. 7).
Tendenziell sind dies mehr Produkt- als Prozessinnovationen, doch auch andere
Innovationsarten konnten festgestellt werden. Zwischen 47% und 70 % der innovierenden
Unternehmen gaben an, explizit im Rahmen der öffentlichen Verträge dazu verpflichtet
worden zu sein (Appelt & Galindo-Rueda, 2016, S. 7). Wenn sozialökologische Ziele in die
Ausschreibung aufgenommen werden, werden diese Ziele in den Angeboten der
Bietenden integriert (Sönnichsen & Clement, 2019, S. 8). Durch die Inklusion dieser Ziele
in den Beschaffungsprozess erklärt es sich, warum etwa die Hälfte der Bietenden zirkuläre
Produktionsprozesse umsetzen (Sönnichsen & Clement, 2019, S. 8). Doch fraglich ist, ob
Unternehmen ihr gesamtes Geschäftsmodell aufgrund der öffentlichen Beschaffung zu
ändern bereit sind. Dabei werden insbesondere im Textilsektor Innovationen des
Geschäftsmodells benötigt (Beyer & Arnold, 2021, S. 366). Diese könnten die

                                           17
Transformation      und      Erneuerung   von      Unternehmen    ermöglichen     und    so
Wettbewerbsvorteile sichern (Beyer & Arnold, 2021, S. 342 f).

Als unternehmerische Transformation wird im Rahmen dieser Arbeit eine Umstellung des
Geschäftsmodells verstanden. Als Geschäftsmodell wird dabei das System von Aktivitäten
bezeichnet, mit denen ein Unternehmen Wert für alle beteiligten Parteien schafft (Zott &
Amit, 2010, S. 217 f). Eine Geschäftsmodellinnovation, also eine Umstellung des
Geschäftsmodells, ist wiederum ein neuer Weg, wie Wert geschaffen wird durch eine
Veränderung von einer oder mehreren Stellschrauben im bisherigen Geschäftsmodell
(Planing, 2015, S. 2). Die Bezeichnung „neu“ steht in diesem Kontext für alles, was neu für
das Unternehmen ist. Dementsprechend kann vereinfacht für diese Arbeit davon
ausgegangen werden, dass eine Geschäftsmodellinnovation die Implementierung eines
Geschäftsmodells ist, das neu für das Unternehmen ist (Björkdahl & Holmén, 2013, S. 214).

Um zu verstehen, ob die öffentliche Beschaffung Geschäftsmodellinnovationen (bezogen
auf C2C) bei Unternehmen initiieren kann, wurden zunächst generelle Treiber und
Barrieren eines solchen Prozesses aus der Literatur herausgearbeitet. In einer empirischen
Studie wurden KMUs zur Implementierung eines zirkulären Geschäftsmodells befragt (vgl.
Rizos   et   al.,   2016).   Die   fehlende   Unterstützung   durch   das   Angebot-    und
Nachfragenetzwerk wurde als häufigste Barriere benannt. Angebotsseitig ist es schwer,
die richtigen Lieferanten für eine zirkuläre Wertschöpfung zu finden (Rizos et al., 2016, S.
10). Nachfrageseitig sind Kunden nur schwer von der Notwendigkeit und der
Vorteilhaftigkeit einer Kreislaufwirtschaft und dementsprechender Produkte zu überzeugen
(Rizos et al., 2016, S. 10). Am seltensten wurde die betriebliche Umweltkultur, also die
Unternehmensphilosophie und Einstellung der Führungskräfte und Mitarbeiter (Kurkela,
2020, S. 20 f), als Barriere dieses Prozesses benannt (Rizos et al., 2016, S. 11). Weitere
aufgeführte Barrieren sind fehlendes Kapital, fehlendes technisches Wissen, fehlende
Unterstützung seitens der Gesetzgebung und Regierung, administrative Hürden sowie
fehlende Informationen (Rizos et al., 2016, S. 11).

Interessanterweise wurde die betriebliche Umweltkultur gleichzeitig am häufigsten als
Treiber für eine zirkuläre Geschäftsmodellinnovation von den KMUs benannt (Rizos et al.,
2016, S. 11). Auch wurde die Mitgliedschaft in Netzwerken von Gleichgesinnten sowie eine
Nachfrage nach zirkulären Produkten als weitere wichtige Treiber genannt (Rizos et al.,
2016, S. 11). Die finanzielle Attraktivität sowie die Beachtung eines zirkulären
Geschäftsmodells von externen Parteien werden ebenfalls als unterstützend aufgeführt,
genauso wie das technische Wissen und regierungsseitige Unterstützung (Rizos et al.,
2016, S. 12).

                                              18
Fraglich bleibt nun, ob und wie Geschäftsmodellinnovationen durch die öffentliche
Beschaffung ausgelöst werden können. Eine besonders starke Wirkung auf Hersteller
haben diesbezüglich systematisch dargestellte Kriterien (Sönnichsen & Clement, 2019, S.
13). Auch haben Studien belegt, dass eine (enge) Zusammenarbeit zwischen
Beschaffenden     und    Bietenden       als    Schnittstelle   zwischen    zirkulärer   öffentlicher
Beschaffung      und   der     Entwicklung      zirkulärer   Geschäftsmodelle     fungieren     kann
(Sönnichsen & Clement, 2019, S. 12; vgl. Witjes & Lozano, 2016). Eine wichtige Rolle
spielen dabei Produkt-Service-Systeme1 (Witjes & Lozano, 2016, S. 40). Denn der
Lieferant bleibt Eigentümer des Produkts und ist verantwortlich für die Wartung und
endgültige Verwertung, während die öffentliche beschaffende Instanz für eine
angemessene Nutzung verantwortlich ist. So sind beide Parteien für die Umweltbelastung
des Produkts oder der Dienstleistung verantwortlich, und in Kombination mit einer engen,
dem Beschaffungsprozess vorgelagerten Zusammenarbeit kann ein nachhaltiges
(zirkuläres) Geschäftsmodell durch eine zirkuläre Beschaffung entwickelt werden (Witjes &
Lozano, 2016, S. 42).

       Öffentliche Beschaffung als Instrument zur Wirtschaftsförderung

Die   Bundeszentrale         für   politische    Bildung     definiert   Wirtschaftsförderung    als
wirtschaftspolitische „Maßnahmen, mit denen spezifische wirtschaftliche Sachverhalte
oder Verhaltensweisen gefördert werden“ (Bundeszentrale für politische Bildung, 2016a)
bzw. als „Maßnahmen, mit denen Bund, Länder, Städte und Gemeinden sowie die
Europäische Union Unternehmen fördern“ (Bundeszentrale für politische Bildung, 2016b).
Eine andere Definition differenziert zwischen 1) sektoraler bzw. branchenbezogener und
2) regionaler Wirtschaftsförderung sowie 3) „Fördermaßnahmen zugunsten bestimmter
Unternehmensgruppen oder wirtschaftlicher Tätigkeiten“ (Klodt, 2018). Dabei kann
zwischen nachfrage- und angebotswirksamen Fördermaßnahmen unterschieden werden
(Klodt, 2018).

In zahlreichen Studien wurde die öffentliche Beschaffung als nachfragewirksames
Instrument zur Wirtschaftsförderung untersucht und eingeordnet (Eßig & Schaupp, 2016;
McKinsey & Company, Inc., 2008; OECD, 2019; Rainville, 2017a; Testa et al., 2012; Witjes
& Lozano, 2016). Verglichen mit angebotswirksamen Instrumenten, wie staatliche
Förderaufwendungen in Forschung und Entwicklung, ist der Innovationsimpuls, der durch
die öffentliche Beschaffung in die Wirtschaft gegeben werden kann, um ein vielfaches

1
  Produkt-Service-Systeme beschreiben ein Konzept der Nutzung, bei dem die Eigentumsrechte bei
dem Hersteller verbleiben und lediglich für die Nutzung des Produkts bezahlt wird. Somit ist das
Produkt wie ein Service zu nutzen. (Mont, 2002, S. 238 f)

                                                  19
höher (Eßig & Schaupp, 2016, S. 57). Durch diesen großen Impuls kann innovativen
Unternehmen ermöglicht werden, die Einstiegskosten zu tragen und eine kritische Menge
für die Produktion innovativer Produkte zu schaffen, sodass diese Projekte profitabel sind
(OECD, 2019, S. 36). Die Integration von sozioökologischen Kriterien in den
Beschaffungsprozess fördert eine große Nachfrage nach nachhaltigen Produkten und
Dienstleistungen und setzt einen Trend für andere Organisationen, sodass ein Markt für
nachhaltige Produkte vergrößert werden kann (Testa et al., 2012, S. 90; Witjes & Lozano,
2016, S. 39). Allerdings können nur die größten geografischen Regionen auf diese Weise
die Marktentwicklung beeinflussen, da nur sie über ein relevantes Beschaffungsvolumen
verfügen (Sönnichsen & Clement, 2019, S. 7 f). Trotzdem können durch eine
umweltfreundliche Beschaffung Leuchtturmprojekte initiiert und durchgeführt werden,
sodass eine starke Signalwirkung auf entsprechenden Märkten erzielt werden kann
(McKinsey & Company, Inc., 2008, S. 7). Indirekt ist so die Stimulierung entsprechender
Produktentwicklungen und der Nachfrage der Verbraucher*innen nach nachhaltigen
Produkten möglich (McKinsey & Company, Inc., 2008, S. 7; Witjes & Lozano, 2016, S. 39),
da durch die Beschaffung Innovationen durch Marktdiffusion angeregt und so eine
fragmentierte Marktnachfrage gebündelt werden kann (Rainville, 2017a, S. 1030).

Standards und Standardisierung sind bei der Implementierung einer zirkulären öffentlichen
Beschaffung Schlüsselelemente zur Entwicklung des Marktes (Sönnichsen & Clement,
2019, S. 13). Es kann mithilfe von Standards und Normen in der Beschaffung ein
Innovationsraum geschaffen werden, indem bestimmte Ausschlusskriterien als technische
Anforderungen gestellt werden und weitere Zuschlagskriterien definiert werden, mit denen
extra Leistungen belohnt werden (vgl. Rainville, 2017a). Für innovationsfördernde
Beschaffung ist eine genaue Analyse der benötigten Lösung und eine entsprechende
Anpassung des Vergabeverfahrens an normierte Prozesse wichtig (vgl. Rainville, 2017a).
Auch wird immer wieder die Bedeutung der Zusammenarbeit und Vermittlungsarbeit
zwischen Lieferanten und Beschaffenden in diesem Kontext hervorgehoben (Rainville,
2017b, S. 24; Witjes & Lozano, 2016). Vermittelnde Personen oder Organisationen
koordinieren Aktivitäten und Projektziele, erleichtern die Zusammenarbeit mit und
zwischen den Unternehmen und unterstützen den Beschaffer (Rainville, 2017b, S. 20).
Durch diese Vermittlungen werden wichtige Akteure motiviert und befähigt, neues Wissen
auszutauschen und Verbindungen zu schaffen, was das Lernen über Projektziele hinaus
fördert (Rainville, 2017b, S. 20). Die Einbeziehung mehrerer vermittelnder Instanzen mit
markt- oder technologiespezifischem Wissen spielt eine zentrale Bedeutung bei der
Stimulierung einer Kreislaufwirtschaft durch zirkuläre Beschaffungsprozesse (Rainville,
2017b, S. 24).

                                           20
So ist es zwar möglich, bestimmte wirtschaftliche Tätigkeiten (das Innovieren) mithilfe der
öffentlichen Beschaffung zu fördern, doch ist es nur möglich, Innovationen in bestimmten
Technologien zu stimulieren, wenn spezifische und sehr detaillierte funktionale
Anforderungen gestellt werden können (Sönnichsen & Clement, 2019, S. 7 f). Das
allerdings bevorteilt größere Unternehmen mit entsprechenden Ressourcen gegenüber
KMU, da durch die spezifischen Anforderungen mehr Einhaltungskontrollen nötig sind und
dadurch höhere Transaktionskosten entstehen (Sönnichsen & Clement, 2019, S. 8). Doch
eine größere Beteiligung von KMU am Vergabeverfahren kann Innovationen anregen, was
insbesondere in Deutschland mit dem eingangs dargelegten dominanten Anteil von KMU
an der Wirtschaft eine große Wirkung erzielen kann (OECD, 2019, S. 37 f).

Die Bevorzugung regional produzierter Waren zur regionalen Wirtschaftsförderung im
Vergabeprozess verstößt gegen das Diskriminierungsverbot und ist somit nicht zulässig
(siehe § 97 Abs. 1, 2 GWB; § 2 Abs. 1, 2 UVgO). Doch nur 2-5 % aller Ausschreibungen
werden EU-weit ausgeschrieben, und bei diesen wiederum gehen nur 15 % aller Aufträge
in einen anderen Mitgliedstaat (Rechten & Röbke, 2017, S. 23), sodass auf nationaler
Ebene die Wirtschaft durch die öffentliche Beschaffung gefördert werden kann.

Im Kontext der anfangs angeführten Definition (Klodt, 2018) lässt sich die öffentliche
Beschaffung nach Erkenntnissen aus der Literatur wie folgt als Instrument zur
Wirtschaftsförderung bewerten: Sie ist ein nachfragewirksames Instrument (Eßig &
Schaupp, 2016; McKinsey & Company, Inc., 2008; OECD, 2019; Rainville, 2017a; Testa
et al., 2012; Witjes & Lozano, 2016), mit dem sich gezielt wirtschaftliche Tätigkeiten in Form
von Innovieren fördern lassen können. Eine regionale Förderung ist aufgrund des
Vergaberechts nicht möglich, aufgrund der Erfahrungen wohl aber eine nationale
Förderung von Wirtschaftsstrukturen.

5      Methodischer Zugang

Der Forschungsprozess begann damit, dass die Cradle to Cradle NGO von häufigeren
Anfragen zum Thema öffentliche Beschaffung nach C2C berichtete. In der Literatur fanden
sich allerdings keine entsprechenden Studien zu den Auswirkungen. Vielmehr wurde, wie
in Kapitel 1.2 (siehe S. 7) beschrieben, der weitere Forschungsbedarf in der Literatur nach
den Auswirkungen einer zirkulären Beschaffung auf Unternehmen formuliert. Auf dieser
Basis wurden die in Kapitel 1.2 aufgestellten Forschungsfragen definiert. Anschließend
erfolgte eine Literaturrecherche anhand des Schneeballsystems. Dafür wurde zunächst ein
genereller Zugang zu der Thematik der öffentlichen Beschaffung gesucht und
anschließend wurden die Literaturbefunde entlang der Forschungsfragen gegliedert. Ziel

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