Biomechanische Analyse der Hamulusfraktur - opus4.kobv.de

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Biomechanische Analyse der Hamulusfraktur

 Aus der

 Unfallchirurgischen Klinik – Orthopädische Chirurgie,
 der Medizinischen Fakultät
 der Friedrich-Alexander-Universität
 Erlangen-Nürnberg

 Direktor: Prof. Dr. med. Mario Perl

 Der Medizinischen Fakultät
 der Friedrich-Alexander-Universität
 Erlangen-Nürnberg
 zur
 Erlangung des Doktorgrades Dr. med.

 vorgelegt von
 Magdalena Elisabeth Sophie Wagner
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Als Dissertation genehmigt von der

 Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität
 Erlangen-Nürnberg

Vorsitzender des Promotionsorgans: Prof. Dr. Markus F. Neurath

Gutachter: Prof. Dr. Volker Schöffl

Gutachter: Prof. Dr. Mario Perl

Tag der mündlichen Prüfung: 12. Januar 2021
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Für meine Eltern

 und Kilian
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Inhaltsverzeichnis
Zusammenfassung ........................................................................................... 1
Abstract .............................................................................................................. 4
1 Einleitung .................................................................................................. 6
1.1 Klettern – die junge Sportart .............................................................. 6
1.1.1 Definition und Zahlen ......................................................................... 6
1.1.2 Spezielle Grundlage des Sportkletterns und Boulderns ..................... 7
1.1.3 Die drei Wettkampf-Disziplinen ........................................................ 10
1.1.4 Olympia ............................................................................................ 11
1.1.5 Sportartspezifische Verletzungen und Überbelastungen ................. 12
1.2 Anatomische Grundlage ................................................................... 13
1.2.1 Die Handwurzel ................................................................................ 13
1.2.2 Os hamatum mit Hamulus ossis hamati und umgebenden
 Strukturen ......................................................................................... 15
1.2.3 Beugemuskulatur/-sehnen der Hand ............................................... 17
1.3 Frakturen des Os hamatum ............................................................. 19
1.3.1 Epidemiologie ................................................................................... 19
1.3.2 Klassifikation der Frakturen .............................................................. 20
1.3.3 Pathogenese .................................................................................... 21
1.3.4 Klinische Symptomatik ..................................................................... 24
1.3.5 Diagnostik ........................................................................................ 25
1.3.6 Differentialdiagnosen ....................................................................... 26
1.3.7 Therapie der Hamatumfrakturen ...................................................... 26
1.3.8 Folgeerscheinungen/Komplikationen ............................................... 29
1.4 Fragestellung ................................................................................... 31
2 Material und Methoden........................................................................... 33
2.1 Materialien ........................................................................................ 33
2.1.1 Versuchsstand – Isokinet ................................................................. 33
2.1.2 Material für den Umbau des modularen Aufsatzes .......................... 35
2.1.3 Präparate und Präparationsinstrumente .......................................... 36
2.1.4 Computertomographie ..................................................................... 37
2.1.5 Software ........................................................................................... 38
2.2 Methoden ......................................................................................... 38
2.2.1 Versuchsreihe „Sehnenzug“ ............................................................. 38
2.2.2 Versuchsreihe „Simulierter Sehnenzug“ .......................................... 44
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2.2.3 Versuchsreihe „Belastungstest Hamatum“ ....................................... 46
2.3 Datenauswertung ............................................................................. 48
2.3.1 Gemessene und berechnete Kraftwerte .......................................... 48
3 Resultate/Ergebnisse/Beobachtungen ................................................. 51
3.1 Versuchsreihe „Sehnenzug“ ............................................................. 51
3.1.1 Messergebnisse Versuchsreihe „Sehnenzug“ 1. Messung .............. 51
3.1.2 Messergebnisse Versuchsreihe „Sehnenzug“ 2. Messung .............. 54
3.2 Versuchsreihe „Simulierter Sehnenzug“ .......................................... 57
3.2.1 Messergebnisse Versuchsreihe „Simulierter Sehnenzug“ ............... 57
3.2.2 Histologische Schnitte der Hamuli ossis hamati .............................. 63
3.2.3 Gegenüberstellung der Messergebnisse der ersten und zweiten
 Versuchsreihe .................................................................................. 64
3.2.4 Statistische Analyse der ersten beiden Versuchsreihen .................. 64
3.3 Versuchsreihe „Belastungstest Hamatum“ ....................................... 65
3.3.1 Messergebnisse: Belastungstest Hamatum ..................................... 65
3.3.2 Lokalisation der Frakturen ................................................................ 66
3.3.3 Statistische Analyse der dritten Versuchsreihe ................................ 68
4 Diskussion............................................................................................... 69
4.1 Limitationen des Versuchstandes .................................................... 70
4.2 Biomechanische Prüfung der Annahme „Sehnenzug verursacht
 Hamulusfraktur“ ................................................................................ 70
4.3 Limitationen der ersten und zweiten Versuchsreihe ........................ 74
4.4 Resistenzeigenschaften des Hamulus ossis hamati im isolierten
 Belastungstest sowie die Verteilung der Frakturlokalisationen ........ 74
4.5 Klinischer Einsatz ............................................................................. 76
Abkürzungsverzeichnis .................................................................................. 79
Abbildungsverzeichnis ................................................................................... 80
Tabellenverzeichnis ........................................................................................ 82
5 Literaturverzeichnis................................................................................ 83
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Zusammenfassung
Hintergrund: Hamulusfrakturen (Knochenbrüche des Hakenfortsatzes) werden in der
Literatur mit 2- 4% der Handwurzelfrakturen als sehr seltene Verletzung beschrieben.
Mit der Entwicklung des Klettersports vom Szenen- zum Breitensport kann ein Anstieg
der Hamulusfrakturen bei Kletterathleten verzeichnet werden. Bisher wurden
insbesondere zwei Mechanismen wissenschaftlich untersucht, welche eine
Hamulusfraktur verursachen können: die direkte Krafteinwirkung durch bspw. einen
Sturz und die indirekte Krafteinwirkung durch die am Hamulus inserierende Muskel-
und Bandstrukturen. Während der Ausübung von Sportarten wie Klettern und Bouldern
befindet sich das Handgelenk in Ulnardeviation. Es wird vermutet, dass dadurch die
angespannten Beugesehnen des Ring- und Kleinfingers starke Kraft auf den ulnaren
Rand des Hamulus ausüben, was durchaus zu einer Hamulusfraktur führen könnte.
Dies wäre eine dritte mögliche, jedoch sportartspezifische Pathogenese. Mit Blick auf
die sportartspezifische Entstehung der Verletzung findet sich bisher nur wenig
Literatur. Die beiden ersten Teile der vorliegenden Arbeit beschäftigen sich mit der
biomechanischen Prüfung des oben erwähnten Pathomechanismus. In der dritten
Versuchsreihe wurde die Resistenzeigenschaft des Hamulus ossis hamati beleuchtet,
da dazu bisher keine genaueren Daten vorliegen.

Methoden: Für die drei Versuchsreihen der Studie wurden humane Unterarme
(Körperspender) verwendet. Für die ersten beiden Versuchsaufbauten wurden 20
frische, unfixierte Präparate genutzt. Nach anatomischer Präparation wurden die
Unterarme in Ulnardeviation in einem Versuchsaufbau befestigt. In der ersten
Versuchsreihe wurde die Zug- und Kraftbelastung anhand der Beugesehnen von Ring-
und Kleinfinger am Hamulus getestet. Um Störfaktoren zu minimieren, wurde in der
zweiten Versuchsreihe statt der Beugesehnen ein Stahlseil verwendet, mit welchem
wiederum Zug- und Kraftbelastung des Hamulus untersucht wurde. Die direkt am
Hamulus wirkenden Kräfte wurden mathematisch ermittelt. Die an Sehnen und
Stahlseil wirkenden Kräfte wurden mittels Kraftmesser aufgezeichnet. Alle 20
Präparate wurden nach den zwei Versuchsreihen mittels CT auf potentielle Frakturen
untersucht. In der dritten Versuchsreihe wurden weitere 15 Hamuli ossis hamati
exzidiert und isoliert auf ihre Widerstandsfähigkeit mittels Zugbelastung (Stahlseil)
getestet. Nach den Versuchen wurden die Hamuli ossis hamati klinisch auf Frakturen
untersucht und je nach Frakturlokalisation drei Gruppen zugeordnet. In allen drei

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Versuchsreihen wurde die Kraftaufwendung an den Sehnen bzw. Stahlseil mit Hilfe
eines Motors ausgeübt.

Beobachtungen und Ergebnisse: In der ersten Versuchsreihe kam es zu keinem
Frakturereignis am Hamulus, wobei die mittlere Maximalkraft bei 661,4 N an den Ring-
und Kleinfingersehnen betrug, was 67,5kg entspricht, und bei 463 N am Hamulus lag,
was 47,2 kg entspricht. Die zwei häufigsten Abbruchereignisse waren der Riss der
Kleinfingersehne (KFS) (5/10) und das Nahtversagen der KFS (4/10). In der zweiten
Versuchsreihe wurden die Störfaktoren eliminiert, indem die Sehnen entfernt und
durch ein Stahlseil ersetzt wurden. Die mittlere Maximalkraft am Stahlseil lag bei
1029,4 N (105 kg) und am Hamulus bei 720,6 N (73,5 kg) und zeigte somit signifikant
höhere Kraftwerte im Vergleich zur ersten Versuchsreihe. Des Weiteren kam es in der
zweiten Versuchsreihe in zwei von zehn Fällen zu einer Fraktur des Hamulus bei einer
mittleren Kraft am Stahlseil von 1008,3 N (102,8kg) und am Hamulus von 705,8 N
(72kg). In der dritten Versuchsreihe frakturierten alle 15 Hamulus ossis hamati, wobei
sechs im Bereich der Hamulusspitze (Tip), fünf im Bereich des mittleren Drittels und
vier im Bereich der Basis brachen. Die mittlere Maximalkraft der Frakturentstehung lag
bei 220,2 N (22,5kg), wobei die gemessene Kraft am Tip deutlich höher ausfiel als an
den beiden anderen Frakturstellen.

Praktische Schlussfolgerung: In der vorliegenden Studie kam es in der ersten
Versuchsreihe nach einmaligem Sehnenzug zu keiner Hamulusfraktur. Das
Ausbleiben des Frakturereignisses wird vor allem aufgrund der weniger ausgeprägten
Sehnenfestigkeit vermutet. Nach Ersetzen der Sehne durch ein Stahlseil wurden durch
einmalige Belastung zwei Frakturen verursacht. In der zweiten Versuchsreihe wurden
durch Zug am Stahlseil größere singuläre Kräfte am Hamulus generiert. Obwohl in
vitro zwei Frakturen durch singuläre Zugbelastung zustande kamen, muss davon
ausgegangen werden, dass Hamulusfrakturen in vivo nicht aus singulären
Zugbelastungen hervorgehen, sondern vielmehr das Ergebnis repetitiver Belastungs-
und Bewegungsvorgänge sowie morphologischer Veränderungen am Knochen sind.
Im isolierten Belastungstest kam es bei allen Präparaten zu Frakturen. Für die
klinische Anwendung der Studienergebnisse ist wichtig, dass bei Kletterathleten mit
Schmerzen der palmarseitigen Handwurzel an Hamulusfrakturen gedacht werden
muss, damit eine schnelle Diagnostik und Therapie eingeleitet werden kann. In
Hinblick auf die steigende Anzahl von Hamulusfrakturen im Klettersport sind für

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genauere Erkenntnisse jedoch weitere spezielle Untersuchungen notwendig, um die
Behandlung und Prävention der Verletzung zu optimieren.

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Abstract
Objective: Compromising two to four percent of all carpal fractures, hamate hook
fractures have been regarded in medical literature as rare injuries. However, the
increase in popularity of sport climbing over the past few years, especially indoor
climbing and bouldering, has also seen a rise in hamate hook fractures. To date, two
mechanisms were regarded as having caused hamate hook fractures, either through
direct (fall) or indirect (force impacts on the hamate hook applied from ligaments or
muscles). Recently another theory has attracted attention. During sports like
bouldering or climbing, high load to the wrist when in ulnar deviation is thought to be
transmitted to the hook of the hamate by tightened flexor tendons. Until recently there
has been little research done in this area. The aims of this study are threefold. In the
first series the aim was to examine biomechanically if high load from the tendons can
cause fractures to the hook of hamate. Because of some interfering factors like
differences in characteristics of tendon structures in the second series the tendons
were replaced by steel cables. The third series investigate the resistance properties of
the hamate hook bone because there has so far been no detailed study of this subject.

Methods: In a series of three experiments, human lower arms from donors were used
for the study. For the first two series, twenty fresh cadaveric forearms were used. After
anatomical dissection of the palm and forearm, the specimens were placed with an
ulnar deviated wrist and fixed with an external fixator set in a testing device. With the
first ten specimens, pulling and load forces through the flexor tendons of the ring and
small finger were simulated on the hamate hook. In the other ten hands, flexor tendons
were replaced by a steel cable along the original anatomical tendon path. This was to
minimize any possible interference factors from the previous investigation. The forces
affecting the tendons and steel cable were recorded by a dynamometer and those
affecting the hamate were calculated using a biomechanical formula. In order to
identify potential hamate hook fractures, all 20 hands were then scanned by a CT. For
the third test series, we used isolated tensile stress on 15 dissected hamate bones to
analyze the resistance of the excised hook. The Hamulus ossis hamati were then
clinically examined for fractures. Depending on their location the fractures types were
then divided into three groups. In all test series, the load levels on the tendons and
steel cable were produced by an electric motor.

Observations and results: In the first test series no fractures occurred. Here the
average pulling force on the ring and small finger tendons was 661,4 N (67,5kg) and

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463 N (47,2kg) on the hook. The two interference factors were the tendon rupture of
the little finger (5/10) and the failure of the surgical suture (4/10). In the second test
series, the tendons were replaced by a steel cable. Here the average pulling force
amounted to 1029,4 N (105 kg) on the steel cable and 720,6 N (73,5 kg) on the hook.
This points to a significantly higher load force than in the first test series. In two
specimens the stop criteria were a hook fracture caused by an average pulling force
of 1008,3 N (102,8kg) (steel cable) and 705,8 N (72 kg) (hook.) In the third test series
the tensile load caused fractures in all of the 15 specimens with an average pulling
force of 220,2 N (22,5 kg). The distribution of the fractures in the three groups was as
following: six on the tip, five in the middle section and four on the base.

Conclusions: In this study, Hamate hook fractures did not occur after a single maximum
tendon load. It is assumed that the absence of a fracture was in part due to the stability
of the tendon. When the tendon was replaced by a steel cable, two fractures occurred
after a single load. Here the deciding factor was the high force level. Despite the fact
that these two fractures occurred in vitro, it is assumed that in vivo fractures of the
hook of hamate result from repetitive pressure load and morphological changes in the
bone rather than from a singular incident. It is hoped that these findings add beneficial
information to the existing knowledge of the pathological mechanism. Furthermore, the
results may help clinicians when treating climbers and athletes with hamate hook
fractures to a quicker and more effective diagnosis and treatment of the injury. It is
however clear that, due to the rising number of patients suffering from hamate hook
fractures, there is a need for further investigation directed at optimizing the prevention
and treatment of these injuries.

 5
1 Einleitung
1.1 Klettern – die junge Sportart

1.1.1 Definition und Zahlen

Früher war Klettern das Mittel zum Zweck, bspw. beim Erklimmen eines Berggipfels.
In der heutigen Zeit wird es als sportliche Freizeitaktivität betrieben und hat sich in den
letzten Jahren zu einem beliebten Freizeit- und Leistungssport entwickelt [1]. Im 19.
Jahrhundert kam in Deutschland die Idee des Freikletterns auf und wurde damals vor
allem im Elbsandsteingebirge der Sächsischen Schweiz praktiziert [2]. In den 30er und
40er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde hauptsächlich das technische Klettern
ausgeübt. Dabei wurden mit Hilfe von Klemmkeilen und Seilen, die als
Fortbewegungsmittel dienten, schwierige Wände erklommen [1]. In den 1970er Jahren
erlebte das Freiklettern einen neuen Aufschwung, zunächst in den USA und
nachfolgend auch in Deutschland. Im Gegensatz zum technischen Klettern werden
beim Freiklettern Hilfsmittel nur als Sicherungsmaterial und nicht als
Fortbewegungsmittel eingesetzt. Die Idee dahinter ist eine Kletterroute lediglich mit
dem Einsatz von Hand- und Fußbewegungen zu bewältigen [1]. Prinzipiell kann man
Klettern in Fels- und Hallenklettern unterteilen. Heutzutage kann das Hallenklettern als
eigenständige Form des Kletterns angesehen werden, wohingegen es früher vor allem
als Trainingsmöglichkeit in Vorbereitung für das Felsklettern genutzt wurde [3]. Eine
weitere Art des Kletterns ist das Bouldern. Beim Bouldern wird ohne Seilsicherung in
einer Höhe, aus der man problemlos abspringen kann, geklettert. Um Verletzungen zu
vermeiden, ist der Boden mit Sportmatten, sogenannten Crashpads, ausgelegt.
Zudem kann der Athlet von einer Person am Boden „gespottet“ werden, d.h. der
Spotter am Boden lenkt den Boulderer beim Sturz so, dass er sich nicht an Kopf und
Wirbelsäule verletzt [3]. Aktuell schätzt der Deutsche Alpenverein (DAV) die Zahl der
aktiven Fels- und Hallenkletterer in Deutschland auf 500.000 [4]. Es ist davon
auszugehen, dass die tatsächliche Zahl der aktiven Kletterer und Boulderer um einiges
höher ist, da viele Freizeit-Boulderer keine DAV-Mitglieder sind [4]. Noch im Jahr 2004
betrug diese Zahl laut DAV ca. 130.000 [3]. Dieser rasante Beliebtheitsanstieg ist auch
an der steigenden Anzahl der Kletter- und Boulderhallen in Deutschland festzustellen
- von anfänglich 20 Hallen Ende der 1980er Jahre zu über 500 Hallen 2018 [4].

 6
1.1.2 Spezielle Grundlage des Sportkletterns und Boulderns

Da beim Klettern und Bouldern die Fortbewegung hauptsächlich mit Hilfe der Füße
und Hände stattfindet, liegt in diesen Bereichen die Hauptbelastung. Beim Freiklettern
übernehmen die Füße einen großen Teil der Belastung, weshalb eine präzise
Fußtechnik wichtig ist. Durch die ständige Weiterentwicklung des Kletterschuhs konnte
die Stabilität und die Trittsicherheit stetig verbessert werden [1]. Die Arme und Hände
sind beim Felsklettern an senkrechten Wänden vor allem für die Stabilisierung des
Oberkörpers wichtig. Beim Bouldern, welches häufig mit kurzen, kraftintensiven
Kletterbewegungen in überhängenden Wänden ausgeübt wird, übernehmen die Arme
und Hände und deren Bewegung eine essentielle Rolle bei der Fortbewegung [1].
Dabei können mehrere Finger- sowie Hand-Unterarmpositionen unterschieden
werden. Bei der Position der Finger kann die sogenannte „crimp grip position“ von der
„slope grip position“ unterschieden werden [2]. Beim Ausüben der „crimp grip position“
(deutsch: aufgestellte Position), welche für eher kleinere Griffe geeignet ist, können
hohe Reibungskräfte zu Verletzungen der Sehnenscheiden und Überlastung der
Ringbänder führen [2]. Hingegen kommt es bei der „slope grip position“ (deutsch:
hängende Position) aufgrund des großflächigen Kontaktes zwischen den aufgelegten
Fingern und Griffoberfläche zu einer geringen Beanspruchung der Sehnen und
Bandstrukturen [2]. Die „slope grip position“ bietet sich bei großen, flächig konvex
geformten Griffen an, siehe Abbildung 1.

 7
Abbildung 1: Griffpositionen der Hände: Crimp und slope grip position
 Linke Abbildung: Hand mit aufgestellter Fingerposition (crimp grip position).
 Rechte Abbildung Hand mit hängender Fingerposition (slope grip position).
 Bilder: K. Reil.

Neben den zwei oben erwähnten Griffpositionen gibt es weitere Griffformen der Hände
und Arme wie z.B. Stützgriffe, bei denen sich der Kletterer mit Zuhilfenahme des
Handballens aufstützen kann. Zudem bieten sich je nach Felsformation und -
beschaffenheit der Untergriff und Seitgriff als weitere Griffposition an [5].

Beim Ausüben des Seitgriffes kommt es darauf an, dass der Schwerpunkt des
Körpergewichtes zur griffabgewandten Seite verlagert wird, um die optimale
Zugbelastung auszunutzen, siehe Abbildung 2 linke Seite.

 8
Abbildung 2: Griffpositionen der Hände und Unterarme: Seit- und Untergriff
 Linke Abbildung: Seitgriff mit der rechten Hand
 Rechte Abbildung: Untergriff der linken Hand. Bilder: K. Reil

Beim Greifen eines Untergriffes auf Höhe der Hüfte kann sich der Kletterer durch die
entstehende Spannung besser nach oben drücken und so einen
nächsthöhergelegenen Griff erreichen. Die Vorteile des Untergriffes können umso
besser ausgenutzt werden, je näher der Griff auf Höhe der Hüfte und somit am
Körpermittelpunkt gelegen ist. Zudem wird der Kraftaufwand durch ein hohes
Anstehen mit den Beinen vermindert, siehe Abbildung 2 rechte Seite.

Der seitliche Untergriff (side undercling) ist eine Unterform des oben erklärten
Untergriffs. Aufgrund der seitlichen Ausrichtung befindet sich die Position des
Handgelenkes in Ulnardeviation. In dieser Studie wurde ein spezielles Augenmerk auf
diese Handgelenksbewegung gelegt, da beim Greifen eines sogenannten „side
undercling“ der Hamulus ossis hamati als Hypomochlion für die Beugesehnen des
Ring- und Kleinfingers dient [6]. Abbildung 3 side undercling und Abbildung 4
Sehnenverlauf.

 9
Abbildung 3: Griffposition der Hände und Unterarme: side undercling
 Bild: K. Reil

Abbildung 4: Sehnenverlauf bei Ulnardeviation
 Sehnenverlauf der Beugesehnen des Ring- und Kleinfingers in Bezug auf den
 Hamulus ossis hamati. Saunders, 2015 [7]

1.1.3 Die drei Wettkampf-Disziplinen

Lead: Dies ist die bekannteste Disziplin, sie wird seit über 20 Jahren als
Wettkampfsport betrieben. Sie entspricht am ehesten den Ursprüngen des
Felskletterns der 1980er Jahren, bei dem der Kletterer von einem Kletterpartner
gesichert wird. Mittlerweile wird im Wettkampfmodus fast ausschließlich an ca. 10-20m
hohen künstlichen Wänden geklettert. Das Ziel während eines Wettkampfes ist die
vorgegebene Route möglichst binnen einer bestimmten Zeit sturzfrei zu erklettern bzw.
in dieser Route höher zu klettern als die Konkurrenten. Bei dieser Art des Kletterns
sind neben Kraft und Ausdauer auch die technische und taktische Praxis von

 10
Bedeutung [3]. Der Kletterer braucht immer einen Partner, der am Boden steht und ihn
sichert.

Bouldern: Diese Disziplin hat in den letzten Jahren die größte Zunahme aktiver
Sportler erlebt. Schon Mitte des letzten Jahrhunderts wurden in den Wäldern von
Fontainebleau, Frankreich, und den USA sogenannte Boulderparcours definiert und
Boulderprobleme gelöst [8]. Sogenannte Boulderprobleme sind durch eine bestimmte
Abfolge von Griffen und Fingerpositionen definiert. Der US-Amerikaner John Gill gilt
als Vater des modernen Bouldersports. Anfänglich sah er das Klettern an kleinen
Felsblöcken ohne Seilsicherung nur als Krafttraining für seinen eigentlichen Sport, das
Ringturnen, an [9]. Ziel der Disziplin ist das Bewältigen möglichst schwerer Einzelzüge
und Bewegungsabläufe gepaart mit einem hohen Maß an Athletik und
Koordinationsvermögen [3].

Speed: Bei dieser Disziplin geht es darum in einer möglichst kurzen Zeit eine Route
zu klettern. Der Athlet wird am Seil, im sogenannten Toprope, entweder von einem
Partner oder im Wettkampfmodus von einem automatischen Sicherungssystem
gesichert. Die 15 m lange und fünf Grad überhängende Wand und Griffabfolge, die im
Wettkampfformat genutzt werden, sind seit der Weltmeisterschaft 2005 genormt [10].
Bei dieser Art des Kletterns spielt vor allem die Schnell- und Maximalkraft eine große
Rolle sowie die hohe Greif- und Trittpräzision [3]. Der aktuelle Weltrekord der Männer
wird vom iranischen Sportkletterer Reza Alipour mit 5,48 Sekunden (s) und derjenige
der Damen von Aries Susanti Rahayu aus Indonesien mit 6,99 s gehalten [11].

1.1.4 Olympia

Im August 2016 gab das Internationale Olympische Komitee bekannt, dass Klettern
zusammen mit vier weiteren Sportarten Teil der Sommerspiele 2020 in Tokyo sein wird
[12]. Im März 2017 wurde auf der Versammlung der „International Federation of Sport
Climbing“ das Wettkampf-Format für die Olympischen Spiele bekannt gegeben.
Klettern soll mit seinen drei Subdisziplinen Speed, Bouldern und Lead im Jahr 2020
zum ersten Mal Teil der Olympischen Spiele sein [13]. Das Wettkampf-Format sieht
vor, dass in zwei Runden 20 Frauen und 20 Männer gegeneinander antreten werden,
wobei die erste Runde eine Qualifikationsrunde und die zweite Runde die Finalrunde
ist. Die sechs besten Athleten qualifizieren sich für das Finale [13]. In der Vorbereitung
für Tokyo müssen die drei Subdisziplinen mit ihren unterschiedlichen Schwerpunkten
im Training der Athleten sehr gut kombiniert werden, sodass Ausdauer, Kraft und

 11
Koordination präzise ausgeführt werden können. Lutter et al. beleuchten in ihrer Arbeit
den medizinischen Blickwinkel für die kommenden Sommerspiele. Sie schlagen eine
schonende, evidenzbasierte medizinische Versorgung der Kletterathleten vor und
sprechen sich für ein gutes Monitoring der überwiegend jungen Athleten während des
Trainings und der Wettkämpfe aus. Durch das genaue Monitoring sollen Verletzungen
reduziert und Trainingsprogramme in ihrer Entwicklung und Einführung an das junge
Alter der Athleten angepasst werden [12].

1.1.5 Sportartspezifische Verletzungen und Überbelastungen

Bei über 75% der Sportkletterer finden sich Überbelastungsanzeichen und chronische
Verletzungen im Bereich der oberen Extremität, 60% im Bereich des Handgelenkes
und der Fingergelenke und jeweils 20% im Bereich des Ellenbogens und der Schulter
[14,15]. Hamulusfrakturen sind seltene Frakturen der Handwurzel, die vermehrt bei
Sportkletterern auftreten. Durch die starke aktive und passive Beanspruchung des
Knochens kann es zu einer Überbelastung kommen, welche sich als Fraktur des
Hamulus äußert [16]. Bei Verletzungen der unteren Extremität handelt es sich oftmals
um akute Verletzungen. So kommt es z.B. bei einem Sturz aus großer Höhe mit
Aufprall auf den Boden bzw. Schwung an die Wand zu Auf- und Anpralltraumata.
Dabei sind vor allem das Sprunggelenk und der untere Teil des Schien- und
Wadenbeins betroffen [17]. Jones et al. beschreiben in ihrer Arbeit den
Zusammenhang zwischen kletterspezifischen Verletzungen akuten oder chronischen
Ursprungs und der Trainingszeit sowie dem Schwierigkeitsniveaus, siehe Abbildung 5
und Abbildung 6 [18]. Dabei bestätigen sie die Aussage anderer [19,20], dass mit
zunehmender Trainingsintensität und Erreichen eines höheren Leistungsniveaus
gehäuft Verletzungen der oberen Extremität zustande kommen [18].

 12
Abbildung 5: Durch Stürze verursachte Verletzungen
 In diesem Diagramm sind die Häufigkeit und Lokalisation von
 felskletterspezifischen Verletzungen, welche durch Stürze entstanden sind,
 dargestellt. Jones et. al, 2007 [18]

Abbildung 6: Überlastungsschäden beim Felsklettern
 In diesem Diagramm sind die Häufigkeit und Lokalisation der
 Überlastungsschäden beim Felsklettern aufgezeigt. Jones et al, 2007 [18]

1.2 Anatomische Grundlage

1.2.1 Die Handwurzel

Die knöcherne Basis der Handwurzel bilden die acht Handwurzelknochen (Ossa
carpi). Die proximale Reihe, bestehend aus dem Os scaphoideum (Kahnbein), Os
lunatum (Mondbein), Os triquetrum (Dreiecksbein) und dem Os pisiforme (Erbsenbein)
bildet mit dem Radius (Speiche) und der Ulna (Elle) das proximale Handgelenk - ein

 13
Eigelenk mit zwei Freiheitsgraden in Adduktion und Abduktion, Flexion und Extension.
Dieser Teil der Handwurzelknochen wird als Interscalated segment bezeichnet [21].
Die distale Handwurzelreihe ist eine Amphiarthrose, d.h. ein echtes Gelenk, bei
welchem aufgrund der straffen Gelenkkapsel und starken Bandapparates die
Bewegungsfähigkeit erheblich eingeschränkt ist [22,23]. Bestehend aus dem Os
trapezium (großes Vieleckbein), Os trapezoideum (kleines Vieleckbein), Os capitatum
(Kopfbein) und Os hamatum (Hakenbein) stellt sie die Verbindung zu den Ossa
metacarpalia (langen Röhrenknochen) der Hand dar und bildet das distale Handgelenk
- ein sogenanntes „verzahntes Scharniergelenk“- , in dem vornehmlich Palmarflexion
und Dorsalextension stattfinden [24]. Gemeinsam mit dem Os trapezium bilden die
Knochen der distalen Reihe das Daumensattelgelenk, welches sehr beweglich ist und
neben Flexion und Extension auch Abduktion und Adduktion zulässt [22]. Die
Handwurzelknochen werden durch unterschiedliche Bandstrukturen stabilisiert und in
ihrer Bewegung begrenzt. Das Ligamentum collaterale carpi radiale sowie das
Ligamentum collaterale carpi ulnare (radiale und ulnare Kollateralbänder) verbinden
den Radius und die Ulna mit den Ossa carpalia. Die Ligamenta carpometacarpalia
(Bandstrukturen zwischen Handwurzel- und Mittelhandknochen) verbinden die Ossa
carpi mit den Ossa metacarpalia. Durch die Ligamenta intercarpalia (intrinsischer
Bandapparat), welche die einzelnen Handwurzelknochen untereinander verbinden,
wird der Gelenkbinnenraum in teilweise vollständig abgeschlossene Kompartimente
unterteilt und eine Kipp- und Schiebebewegung gegeneinander begrenzt, siehe
Abbildung 7 [22].

 14
Abbildung 7: Intrinsischer Bandapparat
 Rechte Hand von dorsal. Schünke et al., 2011 [22]

Zudem wird die proximale Reihe der Handwurzelknochen durch die Interkarpalbänder
rotationsstabil verbunden. Zu diesen gehören das Ligamentum scapholunatum
interosseum, auch als SL-Band bezeichnet, und das Ligamentum lunotriquetrum
interosseum – kurz LT-Band genannt [25,26].

1.2.2 Os hamatum mit Hamulus ossis hamati und umgebenden Strukturen

Das Os hamatum ist einer der acht Handwurzelknochen der menschlichen Hand.
Seine Form erinnert an eine Pyramide. Die Fläche hin zu den Ossa metacarpalia ist
die Basis der Pyramide. Die Spitze zeigt zum Os lunatum. An der palmaren Seite ulnar
gelegen, nahe des Os metacarpale V, befindet sich der Hamulus ossis hamati (=
hamate hook), der hakenförmige Knochenvorsprung, welcher mit seiner konkaven
Form Richtung Radius zeigt [27].

 15
Das Os hamatum steht im engen Zusammenhang mit den anderen Ossa carpi und ist
Teil der Articulatio mediocarpalis. Mit den Ossa metacarpalia IV und V bildet das Os
hamatum einen Teil der Articulatio carpometacarpalis und wird durch die Ligamenta
carpometacarpalia palmaria gut befestigt und in seiner Bewegung eingeschränkt,
siehe Abbildung 7. Die Articulatio carpometacarpalis ist eine sogenannte
Amphiarthrose [23].

Der Hamulus ossis hamati dient als knöcherner Ansatz für einige Bänder
(Ligamentum. pisohamatum, Ligamentum carpi transversum) und intrinsische
Handmuskeln (M. flexor digiti minimi, M. opponens digiti minimi) und steht über das
Os pisiforme und das Ligamentum Pisohamatum mit dem Retinaculum extensorum
und dem M. flexor carpi ulnaris in Verbindung [6]. Der Hamulus ossis hamati bildet mit
dem Os pisiforme die Eminentia carpi ulnaris, eine Vorwölbung an der ulnaren Seite
der Handwurzel [28]. Die radial gelegene Eminentia carpi radialis, welche aus dem
Tuberculum (höckerartige Struktur) ossis scaphoidei und dem Tuberculum ossis
trapezoidei gebildet wird, stellt gemeinsam mit der Eminentia carpi ulnaris
Ansatzpunkte für das Ligamentum carpi transversum dar. Der dadurch gebildete
Raum, der unter dem aufgespannten Ligamentum carpi transversum entsteht, wird als
Karpaltunnel bezeichnet. Die dorsalen, knöchernen Anteile des Karpaltunnels setzen
sich aus den acht Handwurzelknochen zusammen [22].

 16
Abbildung 8: Querschnitt einer rechten Hand auf Höhe der Handwurzelknochen
 Sehnen und Sehnenscheiden im Karpaltunnel umgeben von Handwurzelknochen.
 Schünke et al, 2011 [22]

1.2.3 Beugemuskulatur/-sehnen der Hand

Am Unterarm wird die Muskulatur in ein extrinsisches und intrinsisches System
unterteilt. Die intrinsischen Muskeln haben ihren Ursprung und Ansatz innerhalb der
Handfläche. Die extrinsischen Muskeln hingegen haben ihren Ursprung am Unterarm
und ziehen von dort über das Handgelenk und die Handinnenfläche, um an den
Phalangen zu inserieren [27]. Anatomisch können die extrinsischen Unterarmmuskeln
in zwei Kompartimente eingeteilt werden. Das hintere Kompartiment, bestehend aus
den radialen und dorsalen Streckmuskeln, und das vordere Kompartiment, bestehend
aus den Beuge- und Drehmuskeln des Unterarms. Die Gruppe der Beuge- und
Drehmuskeln umfasst acht Muskeln, die in drei funktionelle Gruppen unterteilt werden
können [5]. Diese Funktionen umfassen die Rotation des Radius um die Ulna, die
Beugung im Handgelenk und die Beugung der Finger. Die Muskeln der Beugesehnen
werden gemäß ihrem Verlauf in oberflächliche (Mm. flexores digitorum superficiales)
und tiefe (Mm. flexores digitorum profundi) Muskeln eingeteilt [22]. Da die Ursache der
Hamulusfraktur beim Sportklettern und Bouldern aufgrund der Nähe des
Sehnenverlaufes der oben genannten Beugesehnen und des Hamulus vermutet wird,

 17
konzentrierte sich die vorliegende Arbeit auf die anatomische Darstellung dieser
Sehnen sowie deren Verlauf. Die beiden Muskeln der Ring- und
Kleinfingerbeugesehnen, der Musculus flexor digitorum superficialis (FDS) und der
Musculus flexor digitorum profundus (FDP) entspringen am Unterarm. Der FDS besitzt
drei Ursprünge, das Caput humerale, Caput ulnare und das Caput radiale. Der FDP
geht aus einem einzigen Ursprung an der Ulna hervor. Beide Muskeln sind für die
Beugung der Finger IV und V und der Hand im Handgelenk verantwortlich [22]. Wegen
seines Ursprungs am Humerus ist der FDS außerdem an der Beugung im
Ellenbogengelenk beteiligt. Die Sehnen des FDS ziehen bis zur Basis der mittleren
Phalangen und führen bei Kontraktion zu einer Beugung der
Metacarpophalangealgelenke (MCP) und der proximalen Interphalangealgelenke
(PIP). Kurz vor dem Ansatz der Superficialissehne spaltet sich diese in jeweils zwei
Zügel auf. Die Sehne des FDP zieht im sogenannten Chiasma tendineum durch die
gespaltene Superficialissehne bis zur Basis der Fingerendglieder, siehe Abbildung 9.
Durch Kontraktion dieses Muskels kommt es zur Beugung der Finger im
Metakarpophalangeal-, im proximalen und distalen Interphalangealgelenk (DIP).
Innerviert werden die Mm. flexores digitorum profundi et superficiales durch den
Nervus medianus et ulnaris [24].

 18
Abbildung 9: Sehnenverläufe
 Rechter Unterarm von ventral. Oberflächliche Beugesehnen und -muskeln (a) und
 tiefe Beugesehnen und -muskel (b). Schünke et al., 2011 [22]

1.3 Frakturen des Os hamatum

1.3.1 Epidemiologie

Hamulusfrakturen werden in der Literatur mit 2-4% als sehr seltene Frakturen der
Handwurzelknochen beschrieben [29,30]. Sie sind jedoch die häufigsten Frakturen der
distalen Handwurzelreihe [31]. Carter et al. gehen davon aus, dass es sehr viel
häufiger zu einer Hamulusfraktur kommt, diese aber aufgrund der eher unspezifischen

 19
Symptome nicht diagnostiziert wird [32]. Gelegentlich kommen sie bei Athleten
bestimmter Sportarten, wie z.B. Golf, Tennis und Baseball, Mountainbiken, Seilklettern
und Bouldern vor [16,33].

Verschiedene Autoren berichten von einem Häufigkeitsanstieg aufgrund der Zunahme
des Beliebtheitsgrades der oben genannten Sportarten [6,12]. Der Mechanismus,
welcher zur Frakturentstehung führt, ist abhängig von der jeweiligen Sportart sehr
unterschiedlich.

1.3.2 Klassifikation der Frakturen

In der 1934 von Henry Milch veröffentlichten Arbeit teilte dieser die Hamatumfrakturen
in Korpusfrakturen (Body) und Frakturen des Hamulus ossis hamati (Hook) ein.
Gemäß dieser Klassifikation wurde die Hamulusfraktur als Typ I- Fraktur und die
Korpusfraktur als Typ II-Fraktur bezeichnet. Die Fraktur des Korpus teilte er wiederum
in zwei Untertypen ein - Typ IIa mit koronaler und Typ IIb mit transversaler Frakturlinie
[34].

2010 unterteilten Xiong et al. die Hamulusfrakturen gemäß der Frakturlokalisation in
drei weitere Subtypen. Typ I Frakturen sind definiert als Abrissfrakturen der
Hamulusspitze, Typ II Frakturen befinden sich im mittleren Teil des Hamulus und Typ
III Frakturen sind an der Basis des Hamulus lokalisiert [35]. In dieser Studie wurde der
Schwerpunkt auf Hamulusfrakturen gelegt, weshalb im weiteren Verlauf von
Hamulusfrakturen gesprochen wird. In Abbildung 10 ist die Einteilung der
Hamulusfrakturen nach Milch und Xiong veranschaulicht.

Abbildung 10: Klassifikation nach Milch und Xiong.
 Klassifikation nach Milch: Typ I: Hamulusfraktur, Typ IIa: koronale Korpusfraktur,
 Typ IIb: transversale Korpusfraktur

 Hamulusfrakturen nach Xiong (rote Beschriftung I-III): Typ I: Frakturen der
 Hamulusspitze (Tip), Typ II: Frakturen im mittleren Teil des Hamulus, Typ III:
 Frakturen der Hamulusbasis. Lutter et al., 2016 [16]

 20
1.3.3 Pathogenese

Hamulusfrakturen können aufgrund von direkten, indirekten oder kombinierten
Krafteinwirkungen zustande kommen [6].

Direkte Krafteinwirkung

Bei einem Sturz auf das ausgestreckte Handgelenk kann es zu einer durch direkte
Krafteinwirkung verursachten Hamulusfraktur kommen. In den meisten Fällen ist es
ein direkter Impuls, der auf das Os hamatum und den Hamulus ossis hamati einwirkt
und zur Fraktur führt. Dieser direkte Impuls kann z.B. beim Mountainbiken bei immer
wiederkehrende Stöße durch den Lenker an der Hand zustande kommen oder bei
Sportarten, die mit einem Schläger ausgeübt werden, durch den direkten Aufprall des
Schlägers auf die Eminentia carpi ulnaris [6]. Bei Golfern und Baseballspielern ist
immer der Hamulus der nicht-dominanten Hand betroffen [36]. Der Grund dafür ist,
dass Golf- und Baseballspieler den Schläger in der nicht-dominaten Hand so
festhalten, dass sich das Ende des Schlägers auf der Höhe des Hamulus befindet.
Durch den Impuls eines Schlages kann es an der nicht-dominanten Seite im Bereich
des Hypothenars zu einer starken Krafteinwirkung kommen. Bei wiederholter
Krafteinwirkung kann in diesem Bereich eine Fraktur entstehen [37].

Abbildung 11: Strukturen in unmittelbarer Nachbarschaft des Os hamatum
 Tiefe Beugesehnen des vierten und fünften Fingers (hier der Übersicht halber nur
 die Sehne des Kleinfingers dargestellt), das Ligamentum transversum carpi und
 der Nervus ulnaris. Zudem ist die Lage des Schlägers zum Os hamatum gut
 erkennbar. Binzer et al., 1996 [36]

 21
Indirekte Krafteinwirkung

In der Literatur wird der Mechanismus der Hamulusfraktur bei indirekter
Krafteinwirkung dahingehend beschrieben, dass Muskelkontraktionen der am
Hamulus inserierenden intrinsischen Muskeln oder der Zug des Ligamentum
pisohamatum Stress am Hamulus ausüben und es dadurch zu einer Fraktur kommen
kann, siehe Abbildung 12 [38]. Zudem wird bei Sportarten mit einem Schläger
vermutet, dass durch das Halten des Schlägers in ulnar geneigter Handposition der
Hamulus durch den Schläger „fixiert“ wird und somit durch das Anspannen der
Fingersehnen in dieser Position die Scherkräfte der extrinsischen Sehnen eine Fraktur
verursachen könnten [39].

Abbildung 12: Ligamentäre und muskuläre Strukturen im Bereich des Hamulus ossis hamati
 Hamulus ossis hamati (H) und Os pisiforme (P). Am Hamulus inserierende
 Strukturen: Ligamentum pisohamatum, Ligamentum carpi transversum ≜
 Retinaculum flexorum und intrinsische Handmuskeln: M. flexor digiti minimi
 (übersichtshalber fehlt hier der M. opponens digiti minimi, der am Hamulus
 entspringt.). Scheufler et al. modifiziert nach Walsh und Bishop, 2006 [6]

 22
Stressfrakturen des Hamulus ossis hamati

Lutter et al. berichten in ihrer Arbeit von einer steigenden Anzahl an Hamulusfrakturen
bei Kletterern. Heutzutage erreichen aktive Kletterer ein sehr viel höheres
Kletterniveau als früher. Das liegt unter anderem an speziellen Trainingskonzepten,
hochentwickelter Ausrüstung sowie den Anforderungen modernen Kletterhallen [12].
Eine Stressfraktur kann durch eine immer wiederkehrende, stereotype Belastung
zustande kommen [40]. Kommt es durch diese starke Belastung zur Überschreitung
der individuellen Belastungstoleranz, kann eine Stressfraktur entstehen [16,41,42].

Die Herausforderung beim Bouldern ist die Lösung eines Boulderproblems, also das
Nachklettern einer Strecke unter Benutzung der definierten Grifffolge. Dabei kommt es
zu einer häufigen Abfolge bestimmter Bewegungen und somit zu einer hohen
Belastung der Muskeln, Sehnen und Knochen. Beim Bouldern ist vor allem die obere
Extremität betroffen [15]. Eine häufig ausgeübte Position ist der oben genannte side
undercling, bei welchem sich das Handgelenk in Supination und Ulnardeviation
befindet, siehe Abbildung 13.

Abbildung 13: Rechtes Handgelenk und Unterarm in side undercling Position
 Der Hamulus wurde als gelber Punkt und der Sehnenverlauf in weiß dargestellt.
 Lutter et al., 2016 [16]

Wenn die Hand bei der Bewegung des side-undercling ulnarabduziert (z.B. in 30°-
Ulnardeviation) und supiniert wird, fungiert der Hamulus als Hypomochlion für die
ulnarseitig gelegenen Beugesehnen – d.h. des Ring- und Kleinfingers [6,43]. Bei
Kontraktion der Mm. flexores digitorum superficiales et profundi wird auf den Hamulus

 23
ein hoher Druck ausgeübt. Dieser Druck verursacht Stress, und infolge dessen kann
es zu einem stressbedingten Knochenmarködem (KMÖ) kommen. Die Ursache des
stressbedingten Ödems ist die zu starke mechanische Beanspruchung [2]. Dem KMÖ
liegt eine vermehrte Ansammlung von Flüssigkeit zugrunde. Diese Ansammlung kann
aufgrund einer erhöhten Blutzirkulation oder einer Ansammlung von seröser
Flüssigkeit und Blut zustande kommen [44]. Durch den wiederkehrenden Stressimpuls
auf den Knochen kommt es zu Mikrotraumata, welche den Knochen destabilisieren.
Bei weiterbestehender Belastung kann es dann zu einer Fraktur des Knochens
kommen [45].

1.3.4 Klinische Symptomatik

Im Allgemeinen sind die Beschwerden einer Hamulusfraktur nicht sehr spezifisch. Die
Patienten schildern ulnarseitige Schmerzen im Handgelenk, die in Ruhe leicht bis
moderat sind und bei bestimmten Bewegungen an Intensität zunehmen.
Der Druck auf die Eminentia carpi ulnaris und somit auf den Hamulus wird als sehr
schmerzhaft angegeben [36]. Außerdem kann es zur Schwellung im Bereich des
Hamulus kommen [46]. Ein Teil der Patienten berichtet von einer neuaufgetretenen
Greifschwäche, Lähmungserscheinungen im Versorgungsgebiet des Nervus ulnaris
oder auch Symptome eines Karpaltunnelsyndroms [47–49]. Thomas W. Wright und al.
beschreiben in ihrer Arbeit den „Hook of Hamate Pull Test“- einen speziellen
Provokationstest für Verletzungen am Hamulus, siehe Abbildung 14 [50]. Bei diesem
Test wird die Hand des Patienten gebeugt und in Ulnarabduktion gebracht. Zudem
werden Ring- und Kleinfinger gebeugt. Der Patient muss nun die Finger gegen einen
Widerstand flektiert halten. Kommt es dabei, und durch zusätzlichen Druck des
Untersuchers auf den Hamulus, zu einem Anstieg der Schmerzen, kann von einer
Verletzung des Hamulus ausgegangen werden.

 24
Abbildung 14: Hamatum-Provokationstest nach Wright
 In Bild A fällt der Hamatum-Provokationstest positiv aus. Das Handgelenk befindet
 sich in Ulnarabduktion. Die Flektion der Beugesehnen ist schmerzhaft (rot), dies
 spricht für eine Verletzung am Hamulus. In Bild B sieht man das gleiche
 Handgelenk, jedoch in Neutralposition. Schmerzlose Flektion der Beugesehnen
 möglich, der Hamatum-Provokationstest fällt negativ aus.
 Lutter et al., 2016 [16]

Bei einer Radialabduktion und Extension des Handgelenkes kommt es hingegen zur
Linderung der Schmerzsymptomatik durch Entlastung des verletzten Hamulus ossis
hamati [50].

1.3.5 Diagnostik

Trotz vorhandener Klinik werden einige Frakturen des Hamulus erst sehr spät
diagnostiziert. Einer der Gründe dafür ist, dass Patienten wegen der unspezifischen
Handgelenksschmerzen erst nach längerer Zeit beim Arzt vorstellig werden. In der
Studie „Diagnosis and management of hamate of hook fractures“ von Kadar et al. wird
die mittlere Dauer von Frakturereignis bis Diagnosestellung mit 27 Tagen angegeben,
bei einer Spanne von 7,5-57,5 Tagen [51]. Außerdem sind viele Hamulusfrakturen in
den Röntgenstandardprojektionen nicht darstellbar [31]. Scheufler et al. zeigen in ihrer
Arbeit die unterschiedliche Sensitivität der verschiedenen bildgebenden Verfahren.
Häufig werden Hamulusfrakturen in der dorsopalmaren und lateralen Projektion nicht
sicher erkannt [6,36]. Einige Autoren empfehlen deshalb zusätzlich die 45° schräge
Aufnahme und die Karpaltunnelprojektion. Die Ausführung dieser Projektion kann aber
durch Schmerzen und Schwellung im Bereich des Handgelenkes limitiert sein [52].
Falls mit einer Röntgenaufnahme eine Hamulusfraktur nicht sicher ausgeschlossen
werden kann, aber der Verdacht klinisch weiterhin besteht, muss eine

 25
Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) erfolgen. Die
CT wird mit einer 100% Sensitivität als Diagnostikmethode der Wahl angesehen [6,31].

1.3.6 Differentialdiagnosen

Avaskuläre Nekrose des Os hamatum und Hamulus ossis hamati

Die genaue Entstehung der avaskulären Nekrose ist bis heute ungeklärt. Als Ursache
wird eine ungenügende Blutversorgung des Os hamatum, vor allem des Hamulus,
sowie vorhergegangene, teils nicht-diagnostizierte, Frakturen diskutiert. Patienten
stellen sich mit ulnarseitiger Schwellung und Schmerzen sowie mit Kraftverlust bei
bestimmten Bewegungen vor [53]. In der MRT kann ein Signalverlust in der T1-
Wichtung gesehen werden.

Frakturen anderer Handwurzelknochen

Die häufigste Fraktur der Handwurzelknochen ist diejenige des Os Scaphoideum
(Kahnbeins). Dabei fallen bei der Untersuchung im Gegensatz zur Hamulusfraktur
radialseitige Beschwerden auf, welche sich in lokalisierten Druckschmerzen auf Höhe
der Foveola radialis (Speichengrübchen) äußern. Außerdem kommt es zu keiner
Greifschwäche [54]. Die Triquetrumfraktur (Dreiecksbein) ist die zweithäufigste Fraktur
der Handwurzelknochen. Diese Frakturen betreffen häufig die dorsale Kortikalis.
Stürze auf die dorsalextendierte Hand sind dabei vor allem ursächlich. Klinisch zeigen
sich dorsoulnar lokalisierte Druck- und Bewegungsschmerzen [54]. Frakturen der
verbleibenden Handwurzelknochen sind sehr selten.

Lutter et al. weisen darauf hin, dennoch an Differentialdiagnosen wie traumatisch
bedingte (Mikro)-Frakturen, degenerative Prozesse oder durch Entzündungen
hervorgerufene Veränderungen wie Osteomyelitiden oder rheumatoide Arthritiden zu
denken [16].

1.3.7 Therapie der Hamatumfrakturen

Bei der Therapieentscheidung kommt es darauf an, ob eine dislozierte oder nicht-
dislozierte Fraktur des Hamulus vorliegt. Bei dislozierten Frakturen sollte stets primär
ein operatives Verfahren angestrebt werden, bei nicht-dislozierten Frakturen besteht
zunächst die Option der konservativen Therapie im Anlegen einer Gipsschiene für
sechs Wochen. Whalen et al. berichten von einer verbesserten Frakturheilung beim
Belassen des Gipses für mindestens elf Wochen [55]. Das betroffene Handgelenk soll
mit der Gipsschiene in 15° Flexion und 5° Radialabduktion ruhiggestellt werden, um

 26
so den Hamulus zu entlasten [56]. In dieser Position der Hand wird am wenigsten
Druck auf das Os hamatum und den Hamulus ausgeübt. Das beste Ergebnis wird
erzielt, wenn die Therapie binnen der ersten drei Wochen nach stattgehabtem Trauma
begonnen wird [56]. Oft kommt es jedoch bei dieser Methode zu keiner Besserung der
Beschwerden und in manchen Fällen zur Bildung einer Pseudoarthrose [46]. Bei
verzögerter Frakturheilung mit Schmerzen oder Bildung einer Pseudoarthrose muss
der Patient sekundär operativ versorgt werden. Bei der operativen Versorgung können
zwei Verfahren unterschieden werden. Zum einen die „Open reduction and internal
fixation“ (ORIF) und zum anderen die Exzision des Hamulus [6]. Beiden Verfahren
werden gute Ergebnisse zugesprochen. Über einen palmarseitigen Zugang wird bei
der ORIF die Fraktur offen reponiert und entweder mit einer sogenannte Herbert-
Schraube oder mittels Kirschner-Drähten fixiert [6]. In Abbildung 15 ist eine Herbert-
Schraube zur Frakturversorgung zu sehen. Für diese Methode werden in der Literatur
Heilungschancen zwischen 70% und 100% angegeben [47]. Bei der ORIF beträgt die
Zeit zur Wiederherstellung Arbeitsfähigkeit durchschnittlich 3,1 Monate. Die Patienten
können im Durchschnitt erst wieder nach 5,3 Monaten mit der Ausübung von Sport
beginnen [35].

Abbildung 15: Röntgenaufnahme des linken Handgelenkes
 Anterior-posteriore und seitliche Röntgenaufnahme des linken Handgelenkes
 nach stattgehabter ORIF mit einer Herbert-Schraube. Bild: V. Schöffl

 27
Demgegenüber hat die Exzision des Hamulus die kürzestes Rehabilitationszeit aller
Behandlungen und ist deshalb eventuell für Sportler gut geeignet, da sie nach
durchschnittlich 6,4 Wochen wieder mit dem Training beginnen können [35]. Jedoch
können nach Exzision des Hamulus Beschwerden wie z.B. Schmerzen beim Greifen,
Taubheitsgefühl und vor allem Kraftverluste auftreten. Zu Kraftverlusten kommt es, da
der Hamulus als Ansatzpunkt für Muskeln und Sehnen dient und seine Funktion als
Hypomochlion nach Exzision nicht mehr vorhanden ist [38]. Demirkan et al. berichten
in ihrer Arbeit „Biomechanical evaluation of flexor tendon function after hamate hook
excision“ außerdem von einer Kraftminderung der Kleinfingerbeugesehen nach
Exzision des Hamulus. In dieser biomechanischen Analyse, welche an
Kadaverhänden durchgeführt wurde, exzidierten die Autoren die Hakenfortsätze und
zogen an den frei präparierten Kleinfingerbeugesehnen [33]. In einer Studie von
Scheufler et al. verglichen die Autoren postoperativ die Handkraft bei Patienten nach
Hamulusexzision vs. Patienten nach Osteosynthese, wobei kein signifikanter
Unterschied zu sehen war, siehe Abbildung 16 [6]. Bei Patienten, die bestimmte
Sportarten ausüben, bei denen diese Kraftminderung nicht zu tolerieren ist, sollte die
Therapiewahl genau bedacht werden. Eine neuere Therapiemethode mittels niedrig
intensiv gepulster Ultraschallwellen soll die Frakturheilung beschleunigen. Die
Methode ist in der Behandlung von Frakturen der langen Röhrenknochen sehr
erfolgreich, im Fall der Hamulusfraktur sind aber bisher nur drei Fälle von Fujioka und
Mitarbeitern beschrieben [57]. Bei diesen Fällen handelt es sich um junge Patienten.
Es ist bisher nicht bekannt, ob sie auch bei älteren Patienten und Patienten mit lang
bestehenden Pseudoarthrosen angewandt werden kann. Ein Nachteil dieser Methode
ist eine relativ lange Behandlungszeit, weshalb sie nicht für Patienten geeignet ist, bei
denen eine schnelle Rehabilitierung wünschenswert ist [6,57]. 1989 beschrieben
Watson et al. in ihrer Arbeit „Nonunion of the hook of the hamate: An argument for
bone grafting the nonunion“ vier Patienten mit Hamulusfrakturen, die alle mittels bone
grafting (= Knochentransplantation) behandelt wurden [58]. Sie sprechen sich für diese
Art der Therapie aus, da im Gegensatz zur Exzision des Frakturstückes die
physiologische Anatomie der Hand wiederhergestellt wird und die
Umlenkrollenfunktion des Hamulus bestehen bleibt [58].

 28
Abbildung 16: Exzision vs. Osteosynthese
 Vergleich der Grobkraft nach unterschiedlichen operativen Prozeduren, Scheufler
 et al., 2006 [6]

1.3.8 Folgeerscheinungen/Komplikationen

In der Literatur werden verschiedene Komplikationen beschrieben. Eine sehr häufige
und vor allem bei konventioneller Therapie beobachtete Komplikation ist die
Pseudoarthrose. Pseudoarthrose bedeutet „falsches Gelenk“ und kommt aufgrund von
Defektheilung nach einer Fraktur zustande [24]. Der Hamulus dient für einige
Strukturen als Ansatzpunkt, weshalb bei weiterer Belastung der Hand Zugbelastungen
auf den Hamulus wirken, welche eine Kompression im Frakturspalt verhindern. Diese
begünstigt die Entstehung einer Pseudoarthrose [52]. Als Symptom äußern die
Patienten Schmerzen unter Belastung. Eine weitere in der Literatur beschriebene
Folge der Hamulusfraktur ist die Sehnenruptur der tiefen und oberflächlichen Klein-
und Ringfingerbeugesehnen. Da die Sehnen entlang des Hamulus gleiten, kann es an
der Frakturstelle zu einer Irritation der Sehne bis hin zu Ruptur dieser kommen, siehe
Abbildung 17.

Abbildung 17: Sehnenruptur am Hamulus

 29
Frakturierter Hamulus (*) und rupturierte Beugesehne des Kleinfinger sowie
 intakte Beugesehnen des Ringfingers. Milek et al., 1990 [59]

Xiong et al. beschreiben den Zusammenhang zwischen einer Hamulusfraktur Typ II
und der Häufigkeit einer Sehnenruptur. Dieser Zusammenhang ist darauf zurück zu
führen, dass die Beugesehnen auf Höhe der Frakturlinie der Typ II Fraktur verlaufen
und bei wiederkehrender Flexion des Muskels die Sehnen am Frakturspalt entlang
gleiten und beschädigt werden [35]. Oft sind die Hamulusfrakturen bis zum Zeitpunkt
der Ruptur nicht diagnostiziert. Milek et al. berichten in ihrer Arbeit von vier Patienten,
die sich aufgrund einer Sehnenruptur beim Arzt vorstellten [59]. Bei keinem der vier
Patienten war im Vorhinein die Diagnose Hamulusfraktur bekannt. Aufgrund der
anatomischen Nähe des Nervus ulnaris zum Hamulus kann es bei Hamulusfrakturen
und dadurch entstehenden Blutungen und Schwellungen zur Kompression des Nervus
ulnaris kommen. Die Folge sind Lähmungen der Mm. interossei palmares, der
Hypothenarmuskulatur und Sensibilitätsausfälle, vor allem am Kleinfinger [22]. Durch
die oben erwähnte Pseudoarthrose kann es zu dauerhafter Irritation und Kompression
des Nervus ulnaris in der Guyonschen Loge und des Nervus medianus im Karpaltunnel
kommen. Die Patienten klagen über Hohlhandschmerzen, Kraftminderungen und
Parästhesien [6]. Eine weitere Folge der Hamulusfraktur kann eine „Non-union“ der
Frakturstücke sein. Failla et al. beschreiben in ihrer Studie den Zusammenhang
zwischen der Blutversorgung des Hamulus und dem Auftreten einer „Non-union“-
Fraktur [60]. Laut Failla et al. lag bei den meisten Präparaten der Studie eine duale
Gefäßversorgung vor - eine basisnahe radiale und eine ulnare, an der Spitze des
Hamulus gelegene arterielle Versorgung. 100% der Präparate dieser Studie wiesen
eine Gefäßversorgung an der radialen Basis (RB) auf, 23% an der ulnaren proximalen
Basis (UPB), 71% am ulnaren Hamulus-Tip (UH) und nur 12% an der Radialseite des
Hamulus-Tips (RH), siehe Abbildung 18 [60]. Laut Failla et al. kann es bei
unzureichender Gefäßversorgung zu einer avaskulären Nekrose des Hamulus
kommen und demzufolge zu einer Non-Union. Dies kommt gehäuft an der Spitze des
Hamulus vor, da dort mitunter die Blutversorgung nicht vorhanden ist. Die Non-Union
kann mit Hilfe einer CT-Aufnahme und die avaskuläre Nekrose mittels MRT
diagnostiziert werden [60].

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