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Biomechanische Analyse der Hamulusfraktur Aus der Unfallchirurgischen Klinik – Orthopädische Chirurgie, der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Direktor: Prof. Dr. med. Mario Perl Der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg zur Erlangung des Doktorgrades Dr. med. vorgelegt von Magdalena Elisabeth Sophie Wagner
Als Dissertation genehmigt von der Medizinischen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg Vorsitzender des Promotionsorgans: Prof. Dr. Markus F. Neurath Gutachter: Prof. Dr. Volker Schöffl Gutachter: Prof. Dr. Mario Perl Tag der mündlichen Prüfung: 12. Januar 2021
Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung ........................................................................................... 1 Abstract .............................................................................................................. 4 1 Einleitung .................................................................................................. 6 1.1 Klettern – die junge Sportart .............................................................. 6 1.1.1 Definition und Zahlen ......................................................................... 6 1.1.2 Spezielle Grundlage des Sportkletterns und Boulderns ..................... 7 1.1.3 Die drei Wettkampf-Disziplinen ........................................................ 10 1.1.4 Olympia ............................................................................................ 11 1.1.5 Sportartspezifische Verletzungen und Überbelastungen ................. 12 1.2 Anatomische Grundlage ................................................................... 13 1.2.1 Die Handwurzel ................................................................................ 13 1.2.2 Os hamatum mit Hamulus ossis hamati und umgebenden Strukturen ......................................................................................... 15 1.2.3 Beugemuskulatur/-sehnen der Hand ............................................... 17 1.3 Frakturen des Os hamatum ............................................................. 19 1.3.1 Epidemiologie ................................................................................... 19 1.3.2 Klassifikation der Frakturen .............................................................. 20 1.3.3 Pathogenese .................................................................................... 21 1.3.4 Klinische Symptomatik ..................................................................... 24 1.3.5 Diagnostik ........................................................................................ 25 1.3.6 Differentialdiagnosen ....................................................................... 26 1.3.7 Therapie der Hamatumfrakturen ...................................................... 26 1.3.8 Folgeerscheinungen/Komplikationen ............................................... 29 1.4 Fragestellung ................................................................................... 31 2 Material und Methoden........................................................................... 33 2.1 Materialien ........................................................................................ 33 2.1.1 Versuchsstand – Isokinet ................................................................. 33 2.1.2 Material für den Umbau des modularen Aufsatzes .......................... 35 2.1.3 Präparate und Präparationsinstrumente .......................................... 36 2.1.4 Computertomographie ..................................................................... 37 2.1.5 Software ........................................................................................... 38 2.2 Methoden ......................................................................................... 38 2.2.1 Versuchsreihe „Sehnenzug“ ............................................................. 38 2.2.2 Versuchsreihe „Simulierter Sehnenzug“ .......................................... 44
2.2.3 Versuchsreihe „Belastungstest Hamatum“ ....................................... 46 2.3 Datenauswertung ............................................................................. 48 2.3.1 Gemessene und berechnete Kraftwerte .......................................... 48 3 Resultate/Ergebnisse/Beobachtungen ................................................. 51 3.1 Versuchsreihe „Sehnenzug“ ............................................................. 51 3.1.1 Messergebnisse Versuchsreihe „Sehnenzug“ 1. Messung .............. 51 3.1.2 Messergebnisse Versuchsreihe „Sehnenzug“ 2. Messung .............. 54 3.2 Versuchsreihe „Simulierter Sehnenzug“ .......................................... 57 3.2.1 Messergebnisse Versuchsreihe „Simulierter Sehnenzug“ ............... 57 3.2.2 Histologische Schnitte der Hamuli ossis hamati .............................. 63 3.2.3 Gegenüberstellung der Messergebnisse der ersten und zweiten Versuchsreihe .................................................................................. 64 3.2.4 Statistische Analyse der ersten beiden Versuchsreihen .................. 64 3.3 Versuchsreihe „Belastungstest Hamatum“ ....................................... 65 3.3.1 Messergebnisse: Belastungstest Hamatum ..................................... 65 3.3.2 Lokalisation der Frakturen ................................................................ 66 3.3.3 Statistische Analyse der dritten Versuchsreihe ................................ 68 4 Diskussion............................................................................................... 69 4.1 Limitationen des Versuchstandes .................................................... 70 4.2 Biomechanische Prüfung der Annahme „Sehnenzug verursacht Hamulusfraktur“ ................................................................................ 70 4.3 Limitationen der ersten und zweiten Versuchsreihe ........................ 74 4.4 Resistenzeigenschaften des Hamulus ossis hamati im isolierten Belastungstest sowie die Verteilung der Frakturlokalisationen ........ 74 4.5 Klinischer Einsatz ............................................................................. 76 Abkürzungsverzeichnis .................................................................................. 79 Abbildungsverzeichnis ................................................................................... 80 Tabellenverzeichnis ........................................................................................ 82 5 Literaturverzeichnis................................................................................ 83
Zusammenfassung Hintergrund: Hamulusfrakturen (Knochenbrüche des Hakenfortsatzes) werden in der Literatur mit 2- 4% der Handwurzelfrakturen als sehr seltene Verletzung beschrieben. Mit der Entwicklung des Klettersports vom Szenen- zum Breitensport kann ein Anstieg der Hamulusfrakturen bei Kletterathleten verzeichnet werden. Bisher wurden insbesondere zwei Mechanismen wissenschaftlich untersucht, welche eine Hamulusfraktur verursachen können: die direkte Krafteinwirkung durch bspw. einen Sturz und die indirekte Krafteinwirkung durch die am Hamulus inserierende Muskel- und Bandstrukturen. Während der Ausübung von Sportarten wie Klettern und Bouldern befindet sich das Handgelenk in Ulnardeviation. Es wird vermutet, dass dadurch die angespannten Beugesehnen des Ring- und Kleinfingers starke Kraft auf den ulnaren Rand des Hamulus ausüben, was durchaus zu einer Hamulusfraktur führen könnte. Dies wäre eine dritte mögliche, jedoch sportartspezifische Pathogenese. Mit Blick auf die sportartspezifische Entstehung der Verletzung findet sich bisher nur wenig Literatur. Die beiden ersten Teile der vorliegenden Arbeit beschäftigen sich mit der biomechanischen Prüfung des oben erwähnten Pathomechanismus. In der dritten Versuchsreihe wurde die Resistenzeigenschaft des Hamulus ossis hamati beleuchtet, da dazu bisher keine genaueren Daten vorliegen. Methoden: Für die drei Versuchsreihen der Studie wurden humane Unterarme (Körperspender) verwendet. Für die ersten beiden Versuchsaufbauten wurden 20 frische, unfixierte Präparate genutzt. Nach anatomischer Präparation wurden die Unterarme in Ulnardeviation in einem Versuchsaufbau befestigt. In der ersten Versuchsreihe wurde die Zug- und Kraftbelastung anhand der Beugesehnen von Ring- und Kleinfinger am Hamulus getestet. Um Störfaktoren zu minimieren, wurde in der zweiten Versuchsreihe statt der Beugesehnen ein Stahlseil verwendet, mit welchem wiederum Zug- und Kraftbelastung des Hamulus untersucht wurde. Die direkt am Hamulus wirkenden Kräfte wurden mathematisch ermittelt. Die an Sehnen und Stahlseil wirkenden Kräfte wurden mittels Kraftmesser aufgezeichnet. Alle 20 Präparate wurden nach den zwei Versuchsreihen mittels CT auf potentielle Frakturen untersucht. In der dritten Versuchsreihe wurden weitere 15 Hamuli ossis hamati exzidiert und isoliert auf ihre Widerstandsfähigkeit mittels Zugbelastung (Stahlseil) getestet. Nach den Versuchen wurden die Hamuli ossis hamati klinisch auf Frakturen untersucht und je nach Frakturlokalisation drei Gruppen zugeordnet. In allen drei 1
Versuchsreihen wurde die Kraftaufwendung an den Sehnen bzw. Stahlseil mit Hilfe eines Motors ausgeübt. Beobachtungen und Ergebnisse: In der ersten Versuchsreihe kam es zu keinem Frakturereignis am Hamulus, wobei die mittlere Maximalkraft bei 661,4 N an den Ring- und Kleinfingersehnen betrug, was 67,5kg entspricht, und bei 463 N am Hamulus lag, was 47,2 kg entspricht. Die zwei häufigsten Abbruchereignisse waren der Riss der Kleinfingersehne (KFS) (5/10) und das Nahtversagen der KFS (4/10). In der zweiten Versuchsreihe wurden die Störfaktoren eliminiert, indem die Sehnen entfernt und durch ein Stahlseil ersetzt wurden. Die mittlere Maximalkraft am Stahlseil lag bei 1029,4 N (105 kg) und am Hamulus bei 720,6 N (73,5 kg) und zeigte somit signifikant höhere Kraftwerte im Vergleich zur ersten Versuchsreihe. Des Weiteren kam es in der zweiten Versuchsreihe in zwei von zehn Fällen zu einer Fraktur des Hamulus bei einer mittleren Kraft am Stahlseil von 1008,3 N (102,8kg) und am Hamulus von 705,8 N (72kg). In der dritten Versuchsreihe frakturierten alle 15 Hamulus ossis hamati, wobei sechs im Bereich der Hamulusspitze (Tip), fünf im Bereich des mittleren Drittels und vier im Bereich der Basis brachen. Die mittlere Maximalkraft der Frakturentstehung lag bei 220,2 N (22,5kg), wobei die gemessene Kraft am Tip deutlich höher ausfiel als an den beiden anderen Frakturstellen. Praktische Schlussfolgerung: In der vorliegenden Studie kam es in der ersten Versuchsreihe nach einmaligem Sehnenzug zu keiner Hamulusfraktur. Das Ausbleiben des Frakturereignisses wird vor allem aufgrund der weniger ausgeprägten Sehnenfestigkeit vermutet. Nach Ersetzen der Sehne durch ein Stahlseil wurden durch einmalige Belastung zwei Frakturen verursacht. In der zweiten Versuchsreihe wurden durch Zug am Stahlseil größere singuläre Kräfte am Hamulus generiert. Obwohl in vitro zwei Frakturen durch singuläre Zugbelastung zustande kamen, muss davon ausgegangen werden, dass Hamulusfrakturen in vivo nicht aus singulären Zugbelastungen hervorgehen, sondern vielmehr das Ergebnis repetitiver Belastungs- und Bewegungsvorgänge sowie morphologischer Veränderungen am Knochen sind. Im isolierten Belastungstest kam es bei allen Präparaten zu Frakturen. Für die klinische Anwendung der Studienergebnisse ist wichtig, dass bei Kletterathleten mit Schmerzen der palmarseitigen Handwurzel an Hamulusfrakturen gedacht werden muss, damit eine schnelle Diagnostik und Therapie eingeleitet werden kann. In Hinblick auf die steigende Anzahl von Hamulusfrakturen im Klettersport sind für 2
genauere Erkenntnisse jedoch weitere spezielle Untersuchungen notwendig, um die Behandlung und Prävention der Verletzung zu optimieren. 3
Abstract Objective: Compromising two to four percent of all carpal fractures, hamate hook fractures have been regarded in medical literature as rare injuries. However, the increase in popularity of sport climbing over the past few years, especially indoor climbing and bouldering, has also seen a rise in hamate hook fractures. To date, two mechanisms were regarded as having caused hamate hook fractures, either through direct (fall) or indirect (force impacts on the hamate hook applied from ligaments or muscles). Recently another theory has attracted attention. During sports like bouldering or climbing, high load to the wrist when in ulnar deviation is thought to be transmitted to the hook of the hamate by tightened flexor tendons. Until recently there has been little research done in this area. The aims of this study are threefold. In the first series the aim was to examine biomechanically if high load from the tendons can cause fractures to the hook of hamate. Because of some interfering factors like differences in characteristics of tendon structures in the second series the tendons were replaced by steel cables. The third series investigate the resistance properties of the hamate hook bone because there has so far been no detailed study of this subject. Methods: In a series of three experiments, human lower arms from donors were used for the study. For the first two series, twenty fresh cadaveric forearms were used. After anatomical dissection of the palm and forearm, the specimens were placed with an ulnar deviated wrist and fixed with an external fixator set in a testing device. With the first ten specimens, pulling and load forces through the flexor tendons of the ring and small finger were simulated on the hamate hook. In the other ten hands, flexor tendons were replaced by a steel cable along the original anatomical tendon path. This was to minimize any possible interference factors from the previous investigation. The forces affecting the tendons and steel cable were recorded by a dynamometer and those affecting the hamate were calculated using a biomechanical formula. In order to identify potential hamate hook fractures, all 20 hands were then scanned by a CT. For the third test series, we used isolated tensile stress on 15 dissected hamate bones to analyze the resistance of the excised hook. The Hamulus ossis hamati were then clinically examined for fractures. Depending on their location the fractures types were then divided into three groups. In all test series, the load levels on the tendons and steel cable were produced by an electric motor. Observations and results: In the first test series no fractures occurred. Here the average pulling force on the ring and small finger tendons was 661,4 N (67,5kg) and 4
463 N (47,2kg) on the hook. The two interference factors were the tendon rupture of the little finger (5/10) and the failure of the surgical suture (4/10). In the second test series, the tendons were replaced by a steel cable. Here the average pulling force amounted to 1029,4 N (105 kg) on the steel cable and 720,6 N (73,5 kg) on the hook. This points to a significantly higher load force than in the first test series. In two specimens the stop criteria were a hook fracture caused by an average pulling force of 1008,3 N (102,8kg) (steel cable) and 705,8 N (72 kg) (hook.) In the third test series the tensile load caused fractures in all of the 15 specimens with an average pulling force of 220,2 N (22,5 kg). The distribution of the fractures in the three groups was as following: six on the tip, five in the middle section and four on the base. Conclusions: In this study, Hamate hook fractures did not occur after a single maximum tendon load. It is assumed that the absence of a fracture was in part due to the stability of the tendon. When the tendon was replaced by a steel cable, two fractures occurred after a single load. Here the deciding factor was the high force level. Despite the fact that these two fractures occurred in vitro, it is assumed that in vivo fractures of the hook of hamate result from repetitive pressure load and morphological changes in the bone rather than from a singular incident. It is hoped that these findings add beneficial information to the existing knowledge of the pathological mechanism. Furthermore, the results may help clinicians when treating climbers and athletes with hamate hook fractures to a quicker and more effective diagnosis and treatment of the injury. It is however clear that, due to the rising number of patients suffering from hamate hook fractures, there is a need for further investigation directed at optimizing the prevention and treatment of these injuries. 5
1 Einleitung 1.1 Klettern – die junge Sportart 1.1.1 Definition und Zahlen Früher war Klettern das Mittel zum Zweck, bspw. beim Erklimmen eines Berggipfels. In der heutigen Zeit wird es als sportliche Freizeitaktivität betrieben und hat sich in den letzten Jahren zu einem beliebten Freizeit- und Leistungssport entwickelt [1]. Im 19. Jahrhundert kam in Deutschland die Idee des Freikletterns auf und wurde damals vor allem im Elbsandsteingebirge der Sächsischen Schweiz praktiziert [2]. In den 30er und 40er Jahren des letzten Jahrhunderts wurde hauptsächlich das technische Klettern ausgeübt. Dabei wurden mit Hilfe von Klemmkeilen und Seilen, die als Fortbewegungsmittel dienten, schwierige Wände erklommen [1]. In den 1970er Jahren erlebte das Freiklettern einen neuen Aufschwung, zunächst in den USA und nachfolgend auch in Deutschland. Im Gegensatz zum technischen Klettern werden beim Freiklettern Hilfsmittel nur als Sicherungsmaterial und nicht als Fortbewegungsmittel eingesetzt. Die Idee dahinter ist eine Kletterroute lediglich mit dem Einsatz von Hand- und Fußbewegungen zu bewältigen [1]. Prinzipiell kann man Klettern in Fels- und Hallenklettern unterteilen. Heutzutage kann das Hallenklettern als eigenständige Form des Kletterns angesehen werden, wohingegen es früher vor allem als Trainingsmöglichkeit in Vorbereitung für das Felsklettern genutzt wurde [3]. Eine weitere Art des Kletterns ist das Bouldern. Beim Bouldern wird ohne Seilsicherung in einer Höhe, aus der man problemlos abspringen kann, geklettert. Um Verletzungen zu vermeiden, ist der Boden mit Sportmatten, sogenannten Crashpads, ausgelegt. Zudem kann der Athlet von einer Person am Boden „gespottet“ werden, d.h. der Spotter am Boden lenkt den Boulderer beim Sturz so, dass er sich nicht an Kopf und Wirbelsäule verletzt [3]. Aktuell schätzt der Deutsche Alpenverein (DAV) die Zahl der aktiven Fels- und Hallenkletterer in Deutschland auf 500.000 [4]. Es ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Zahl der aktiven Kletterer und Boulderer um einiges höher ist, da viele Freizeit-Boulderer keine DAV-Mitglieder sind [4]. Noch im Jahr 2004 betrug diese Zahl laut DAV ca. 130.000 [3]. Dieser rasante Beliebtheitsanstieg ist auch an der steigenden Anzahl der Kletter- und Boulderhallen in Deutschland festzustellen - von anfänglich 20 Hallen Ende der 1980er Jahre zu über 500 Hallen 2018 [4]. 6
1.1.2 Spezielle Grundlage des Sportkletterns und Boulderns Da beim Klettern und Bouldern die Fortbewegung hauptsächlich mit Hilfe der Füße und Hände stattfindet, liegt in diesen Bereichen die Hauptbelastung. Beim Freiklettern übernehmen die Füße einen großen Teil der Belastung, weshalb eine präzise Fußtechnik wichtig ist. Durch die ständige Weiterentwicklung des Kletterschuhs konnte die Stabilität und die Trittsicherheit stetig verbessert werden [1]. Die Arme und Hände sind beim Felsklettern an senkrechten Wänden vor allem für die Stabilisierung des Oberkörpers wichtig. Beim Bouldern, welches häufig mit kurzen, kraftintensiven Kletterbewegungen in überhängenden Wänden ausgeübt wird, übernehmen die Arme und Hände und deren Bewegung eine essentielle Rolle bei der Fortbewegung [1]. Dabei können mehrere Finger- sowie Hand-Unterarmpositionen unterschieden werden. Bei der Position der Finger kann die sogenannte „crimp grip position“ von der „slope grip position“ unterschieden werden [2]. Beim Ausüben der „crimp grip position“ (deutsch: aufgestellte Position), welche für eher kleinere Griffe geeignet ist, können hohe Reibungskräfte zu Verletzungen der Sehnenscheiden und Überlastung der Ringbänder führen [2]. Hingegen kommt es bei der „slope grip position“ (deutsch: hängende Position) aufgrund des großflächigen Kontaktes zwischen den aufgelegten Fingern und Griffoberfläche zu einer geringen Beanspruchung der Sehnen und Bandstrukturen [2]. Die „slope grip position“ bietet sich bei großen, flächig konvex geformten Griffen an, siehe Abbildung 1. 7
Abbildung 1: Griffpositionen der Hände: Crimp und slope grip position Linke Abbildung: Hand mit aufgestellter Fingerposition (crimp grip position). Rechte Abbildung Hand mit hängender Fingerposition (slope grip position). Bilder: K. Reil. Neben den zwei oben erwähnten Griffpositionen gibt es weitere Griffformen der Hände und Arme wie z.B. Stützgriffe, bei denen sich der Kletterer mit Zuhilfenahme des Handballens aufstützen kann. Zudem bieten sich je nach Felsformation und - beschaffenheit der Untergriff und Seitgriff als weitere Griffposition an [5]. Beim Ausüben des Seitgriffes kommt es darauf an, dass der Schwerpunkt des Körpergewichtes zur griffabgewandten Seite verlagert wird, um die optimale Zugbelastung auszunutzen, siehe Abbildung 2 linke Seite. 8
Abbildung 2: Griffpositionen der Hände und Unterarme: Seit- und Untergriff Linke Abbildung: Seitgriff mit der rechten Hand Rechte Abbildung: Untergriff der linken Hand. Bilder: K. Reil Beim Greifen eines Untergriffes auf Höhe der Hüfte kann sich der Kletterer durch die entstehende Spannung besser nach oben drücken und so einen nächsthöhergelegenen Griff erreichen. Die Vorteile des Untergriffes können umso besser ausgenutzt werden, je näher der Griff auf Höhe der Hüfte und somit am Körpermittelpunkt gelegen ist. Zudem wird der Kraftaufwand durch ein hohes Anstehen mit den Beinen vermindert, siehe Abbildung 2 rechte Seite. Der seitliche Untergriff (side undercling) ist eine Unterform des oben erklärten Untergriffs. Aufgrund der seitlichen Ausrichtung befindet sich die Position des Handgelenkes in Ulnardeviation. In dieser Studie wurde ein spezielles Augenmerk auf diese Handgelenksbewegung gelegt, da beim Greifen eines sogenannten „side undercling“ der Hamulus ossis hamati als Hypomochlion für die Beugesehnen des Ring- und Kleinfingers dient [6]. Abbildung 3 side undercling und Abbildung 4 Sehnenverlauf. 9
Abbildung 3: Griffposition der Hände und Unterarme: side undercling Bild: K. Reil Abbildung 4: Sehnenverlauf bei Ulnardeviation Sehnenverlauf der Beugesehnen des Ring- und Kleinfingers in Bezug auf den Hamulus ossis hamati. Saunders, 2015 [7] 1.1.3 Die drei Wettkampf-Disziplinen Lead: Dies ist die bekannteste Disziplin, sie wird seit über 20 Jahren als Wettkampfsport betrieben. Sie entspricht am ehesten den Ursprüngen des Felskletterns der 1980er Jahren, bei dem der Kletterer von einem Kletterpartner gesichert wird. Mittlerweile wird im Wettkampfmodus fast ausschließlich an ca. 10-20m hohen künstlichen Wänden geklettert. Das Ziel während eines Wettkampfes ist die vorgegebene Route möglichst binnen einer bestimmten Zeit sturzfrei zu erklettern bzw. in dieser Route höher zu klettern als die Konkurrenten. Bei dieser Art des Kletterns sind neben Kraft und Ausdauer auch die technische und taktische Praxis von 10
Bedeutung [3]. Der Kletterer braucht immer einen Partner, der am Boden steht und ihn sichert. Bouldern: Diese Disziplin hat in den letzten Jahren die größte Zunahme aktiver Sportler erlebt. Schon Mitte des letzten Jahrhunderts wurden in den Wäldern von Fontainebleau, Frankreich, und den USA sogenannte Boulderparcours definiert und Boulderprobleme gelöst [8]. Sogenannte Boulderprobleme sind durch eine bestimmte Abfolge von Griffen und Fingerpositionen definiert. Der US-Amerikaner John Gill gilt als Vater des modernen Bouldersports. Anfänglich sah er das Klettern an kleinen Felsblöcken ohne Seilsicherung nur als Krafttraining für seinen eigentlichen Sport, das Ringturnen, an [9]. Ziel der Disziplin ist das Bewältigen möglichst schwerer Einzelzüge und Bewegungsabläufe gepaart mit einem hohen Maß an Athletik und Koordinationsvermögen [3]. Speed: Bei dieser Disziplin geht es darum in einer möglichst kurzen Zeit eine Route zu klettern. Der Athlet wird am Seil, im sogenannten Toprope, entweder von einem Partner oder im Wettkampfmodus von einem automatischen Sicherungssystem gesichert. Die 15 m lange und fünf Grad überhängende Wand und Griffabfolge, die im Wettkampfformat genutzt werden, sind seit der Weltmeisterschaft 2005 genormt [10]. Bei dieser Art des Kletterns spielt vor allem die Schnell- und Maximalkraft eine große Rolle sowie die hohe Greif- und Trittpräzision [3]. Der aktuelle Weltrekord der Männer wird vom iranischen Sportkletterer Reza Alipour mit 5,48 Sekunden (s) und derjenige der Damen von Aries Susanti Rahayu aus Indonesien mit 6,99 s gehalten [11]. 1.1.4 Olympia Im August 2016 gab das Internationale Olympische Komitee bekannt, dass Klettern zusammen mit vier weiteren Sportarten Teil der Sommerspiele 2020 in Tokyo sein wird [12]. Im März 2017 wurde auf der Versammlung der „International Federation of Sport Climbing“ das Wettkampf-Format für die Olympischen Spiele bekannt gegeben. Klettern soll mit seinen drei Subdisziplinen Speed, Bouldern und Lead im Jahr 2020 zum ersten Mal Teil der Olympischen Spiele sein [13]. Das Wettkampf-Format sieht vor, dass in zwei Runden 20 Frauen und 20 Männer gegeneinander antreten werden, wobei die erste Runde eine Qualifikationsrunde und die zweite Runde die Finalrunde ist. Die sechs besten Athleten qualifizieren sich für das Finale [13]. In der Vorbereitung für Tokyo müssen die drei Subdisziplinen mit ihren unterschiedlichen Schwerpunkten im Training der Athleten sehr gut kombiniert werden, sodass Ausdauer, Kraft und 11
Koordination präzise ausgeführt werden können. Lutter et al. beleuchten in ihrer Arbeit den medizinischen Blickwinkel für die kommenden Sommerspiele. Sie schlagen eine schonende, evidenzbasierte medizinische Versorgung der Kletterathleten vor und sprechen sich für ein gutes Monitoring der überwiegend jungen Athleten während des Trainings und der Wettkämpfe aus. Durch das genaue Monitoring sollen Verletzungen reduziert und Trainingsprogramme in ihrer Entwicklung und Einführung an das junge Alter der Athleten angepasst werden [12]. 1.1.5 Sportartspezifische Verletzungen und Überbelastungen Bei über 75% der Sportkletterer finden sich Überbelastungsanzeichen und chronische Verletzungen im Bereich der oberen Extremität, 60% im Bereich des Handgelenkes und der Fingergelenke und jeweils 20% im Bereich des Ellenbogens und der Schulter [14,15]. Hamulusfrakturen sind seltene Frakturen der Handwurzel, die vermehrt bei Sportkletterern auftreten. Durch die starke aktive und passive Beanspruchung des Knochens kann es zu einer Überbelastung kommen, welche sich als Fraktur des Hamulus äußert [16]. Bei Verletzungen der unteren Extremität handelt es sich oftmals um akute Verletzungen. So kommt es z.B. bei einem Sturz aus großer Höhe mit Aufprall auf den Boden bzw. Schwung an die Wand zu Auf- und Anpralltraumata. Dabei sind vor allem das Sprunggelenk und der untere Teil des Schien- und Wadenbeins betroffen [17]. Jones et al. beschreiben in ihrer Arbeit den Zusammenhang zwischen kletterspezifischen Verletzungen akuten oder chronischen Ursprungs und der Trainingszeit sowie dem Schwierigkeitsniveaus, siehe Abbildung 5 und Abbildung 6 [18]. Dabei bestätigen sie die Aussage anderer [19,20], dass mit zunehmender Trainingsintensität und Erreichen eines höheren Leistungsniveaus gehäuft Verletzungen der oberen Extremität zustande kommen [18]. 12
Abbildung 5: Durch Stürze verursachte Verletzungen In diesem Diagramm sind die Häufigkeit und Lokalisation von felskletterspezifischen Verletzungen, welche durch Stürze entstanden sind, dargestellt. Jones et. al, 2007 [18] Abbildung 6: Überlastungsschäden beim Felsklettern In diesem Diagramm sind die Häufigkeit und Lokalisation der Überlastungsschäden beim Felsklettern aufgezeigt. Jones et al, 2007 [18] 1.2 Anatomische Grundlage 1.2.1 Die Handwurzel Die knöcherne Basis der Handwurzel bilden die acht Handwurzelknochen (Ossa carpi). Die proximale Reihe, bestehend aus dem Os scaphoideum (Kahnbein), Os lunatum (Mondbein), Os triquetrum (Dreiecksbein) und dem Os pisiforme (Erbsenbein) bildet mit dem Radius (Speiche) und der Ulna (Elle) das proximale Handgelenk - ein 13
Eigelenk mit zwei Freiheitsgraden in Adduktion und Abduktion, Flexion und Extension. Dieser Teil der Handwurzelknochen wird als Interscalated segment bezeichnet [21]. Die distale Handwurzelreihe ist eine Amphiarthrose, d.h. ein echtes Gelenk, bei welchem aufgrund der straffen Gelenkkapsel und starken Bandapparates die Bewegungsfähigkeit erheblich eingeschränkt ist [22,23]. Bestehend aus dem Os trapezium (großes Vieleckbein), Os trapezoideum (kleines Vieleckbein), Os capitatum (Kopfbein) und Os hamatum (Hakenbein) stellt sie die Verbindung zu den Ossa metacarpalia (langen Röhrenknochen) der Hand dar und bildet das distale Handgelenk - ein sogenanntes „verzahntes Scharniergelenk“- , in dem vornehmlich Palmarflexion und Dorsalextension stattfinden [24]. Gemeinsam mit dem Os trapezium bilden die Knochen der distalen Reihe das Daumensattelgelenk, welches sehr beweglich ist und neben Flexion und Extension auch Abduktion und Adduktion zulässt [22]. Die Handwurzelknochen werden durch unterschiedliche Bandstrukturen stabilisiert und in ihrer Bewegung begrenzt. Das Ligamentum collaterale carpi radiale sowie das Ligamentum collaterale carpi ulnare (radiale und ulnare Kollateralbänder) verbinden den Radius und die Ulna mit den Ossa carpalia. Die Ligamenta carpometacarpalia (Bandstrukturen zwischen Handwurzel- und Mittelhandknochen) verbinden die Ossa carpi mit den Ossa metacarpalia. Durch die Ligamenta intercarpalia (intrinsischer Bandapparat), welche die einzelnen Handwurzelknochen untereinander verbinden, wird der Gelenkbinnenraum in teilweise vollständig abgeschlossene Kompartimente unterteilt und eine Kipp- und Schiebebewegung gegeneinander begrenzt, siehe Abbildung 7 [22]. 14
Abbildung 7: Intrinsischer Bandapparat Rechte Hand von dorsal. Schünke et al., 2011 [22] Zudem wird die proximale Reihe der Handwurzelknochen durch die Interkarpalbänder rotationsstabil verbunden. Zu diesen gehören das Ligamentum scapholunatum interosseum, auch als SL-Band bezeichnet, und das Ligamentum lunotriquetrum interosseum – kurz LT-Band genannt [25,26]. 1.2.2 Os hamatum mit Hamulus ossis hamati und umgebenden Strukturen Das Os hamatum ist einer der acht Handwurzelknochen der menschlichen Hand. Seine Form erinnert an eine Pyramide. Die Fläche hin zu den Ossa metacarpalia ist die Basis der Pyramide. Die Spitze zeigt zum Os lunatum. An der palmaren Seite ulnar gelegen, nahe des Os metacarpale V, befindet sich der Hamulus ossis hamati (= hamate hook), der hakenförmige Knochenvorsprung, welcher mit seiner konkaven Form Richtung Radius zeigt [27]. 15
Das Os hamatum steht im engen Zusammenhang mit den anderen Ossa carpi und ist Teil der Articulatio mediocarpalis. Mit den Ossa metacarpalia IV und V bildet das Os hamatum einen Teil der Articulatio carpometacarpalis und wird durch die Ligamenta carpometacarpalia palmaria gut befestigt und in seiner Bewegung eingeschränkt, siehe Abbildung 7. Die Articulatio carpometacarpalis ist eine sogenannte Amphiarthrose [23]. Der Hamulus ossis hamati dient als knöcherner Ansatz für einige Bänder (Ligamentum. pisohamatum, Ligamentum carpi transversum) und intrinsische Handmuskeln (M. flexor digiti minimi, M. opponens digiti minimi) und steht über das Os pisiforme und das Ligamentum Pisohamatum mit dem Retinaculum extensorum und dem M. flexor carpi ulnaris in Verbindung [6]. Der Hamulus ossis hamati bildet mit dem Os pisiforme die Eminentia carpi ulnaris, eine Vorwölbung an der ulnaren Seite der Handwurzel [28]. Die radial gelegene Eminentia carpi radialis, welche aus dem Tuberculum (höckerartige Struktur) ossis scaphoidei und dem Tuberculum ossis trapezoidei gebildet wird, stellt gemeinsam mit der Eminentia carpi ulnaris Ansatzpunkte für das Ligamentum carpi transversum dar. Der dadurch gebildete Raum, der unter dem aufgespannten Ligamentum carpi transversum entsteht, wird als Karpaltunnel bezeichnet. Die dorsalen, knöchernen Anteile des Karpaltunnels setzen sich aus den acht Handwurzelknochen zusammen [22]. 16
Abbildung 8: Querschnitt einer rechten Hand auf Höhe der Handwurzelknochen Sehnen und Sehnenscheiden im Karpaltunnel umgeben von Handwurzelknochen. Schünke et al, 2011 [22] 1.2.3 Beugemuskulatur/-sehnen der Hand Am Unterarm wird die Muskulatur in ein extrinsisches und intrinsisches System unterteilt. Die intrinsischen Muskeln haben ihren Ursprung und Ansatz innerhalb der Handfläche. Die extrinsischen Muskeln hingegen haben ihren Ursprung am Unterarm und ziehen von dort über das Handgelenk und die Handinnenfläche, um an den Phalangen zu inserieren [27]. Anatomisch können die extrinsischen Unterarmmuskeln in zwei Kompartimente eingeteilt werden. Das hintere Kompartiment, bestehend aus den radialen und dorsalen Streckmuskeln, und das vordere Kompartiment, bestehend aus den Beuge- und Drehmuskeln des Unterarms. Die Gruppe der Beuge- und Drehmuskeln umfasst acht Muskeln, die in drei funktionelle Gruppen unterteilt werden können [5]. Diese Funktionen umfassen die Rotation des Radius um die Ulna, die Beugung im Handgelenk und die Beugung der Finger. Die Muskeln der Beugesehnen werden gemäß ihrem Verlauf in oberflächliche (Mm. flexores digitorum superficiales) und tiefe (Mm. flexores digitorum profundi) Muskeln eingeteilt [22]. Da die Ursache der Hamulusfraktur beim Sportklettern und Bouldern aufgrund der Nähe des Sehnenverlaufes der oben genannten Beugesehnen und des Hamulus vermutet wird, 17
konzentrierte sich die vorliegende Arbeit auf die anatomische Darstellung dieser Sehnen sowie deren Verlauf. Die beiden Muskeln der Ring- und Kleinfingerbeugesehnen, der Musculus flexor digitorum superficialis (FDS) und der Musculus flexor digitorum profundus (FDP) entspringen am Unterarm. Der FDS besitzt drei Ursprünge, das Caput humerale, Caput ulnare und das Caput radiale. Der FDP geht aus einem einzigen Ursprung an der Ulna hervor. Beide Muskeln sind für die Beugung der Finger IV und V und der Hand im Handgelenk verantwortlich [22]. Wegen seines Ursprungs am Humerus ist der FDS außerdem an der Beugung im Ellenbogengelenk beteiligt. Die Sehnen des FDS ziehen bis zur Basis der mittleren Phalangen und führen bei Kontraktion zu einer Beugung der Metacarpophalangealgelenke (MCP) und der proximalen Interphalangealgelenke (PIP). Kurz vor dem Ansatz der Superficialissehne spaltet sich diese in jeweils zwei Zügel auf. Die Sehne des FDP zieht im sogenannten Chiasma tendineum durch die gespaltene Superficialissehne bis zur Basis der Fingerendglieder, siehe Abbildung 9. Durch Kontraktion dieses Muskels kommt es zur Beugung der Finger im Metakarpophalangeal-, im proximalen und distalen Interphalangealgelenk (DIP). Innerviert werden die Mm. flexores digitorum profundi et superficiales durch den Nervus medianus et ulnaris [24]. 18
Abbildung 9: Sehnenverläufe Rechter Unterarm von ventral. Oberflächliche Beugesehnen und -muskeln (a) und tiefe Beugesehnen und -muskel (b). Schünke et al., 2011 [22] 1.3 Frakturen des Os hamatum 1.3.1 Epidemiologie Hamulusfrakturen werden in der Literatur mit 2-4% als sehr seltene Frakturen der Handwurzelknochen beschrieben [29,30]. Sie sind jedoch die häufigsten Frakturen der distalen Handwurzelreihe [31]. Carter et al. gehen davon aus, dass es sehr viel häufiger zu einer Hamulusfraktur kommt, diese aber aufgrund der eher unspezifischen 19
Symptome nicht diagnostiziert wird [32]. Gelegentlich kommen sie bei Athleten bestimmter Sportarten, wie z.B. Golf, Tennis und Baseball, Mountainbiken, Seilklettern und Bouldern vor [16,33]. Verschiedene Autoren berichten von einem Häufigkeitsanstieg aufgrund der Zunahme des Beliebtheitsgrades der oben genannten Sportarten [6,12]. Der Mechanismus, welcher zur Frakturentstehung führt, ist abhängig von der jeweiligen Sportart sehr unterschiedlich. 1.3.2 Klassifikation der Frakturen In der 1934 von Henry Milch veröffentlichten Arbeit teilte dieser die Hamatumfrakturen in Korpusfrakturen (Body) und Frakturen des Hamulus ossis hamati (Hook) ein. Gemäß dieser Klassifikation wurde die Hamulusfraktur als Typ I- Fraktur und die Korpusfraktur als Typ II-Fraktur bezeichnet. Die Fraktur des Korpus teilte er wiederum in zwei Untertypen ein - Typ IIa mit koronaler und Typ IIb mit transversaler Frakturlinie [34]. 2010 unterteilten Xiong et al. die Hamulusfrakturen gemäß der Frakturlokalisation in drei weitere Subtypen. Typ I Frakturen sind definiert als Abrissfrakturen der Hamulusspitze, Typ II Frakturen befinden sich im mittleren Teil des Hamulus und Typ III Frakturen sind an der Basis des Hamulus lokalisiert [35]. In dieser Studie wurde der Schwerpunkt auf Hamulusfrakturen gelegt, weshalb im weiteren Verlauf von Hamulusfrakturen gesprochen wird. In Abbildung 10 ist die Einteilung der Hamulusfrakturen nach Milch und Xiong veranschaulicht. Abbildung 10: Klassifikation nach Milch und Xiong. Klassifikation nach Milch: Typ I: Hamulusfraktur, Typ IIa: koronale Korpusfraktur, Typ IIb: transversale Korpusfraktur Hamulusfrakturen nach Xiong (rote Beschriftung I-III): Typ I: Frakturen der Hamulusspitze (Tip), Typ II: Frakturen im mittleren Teil des Hamulus, Typ III: Frakturen der Hamulusbasis. Lutter et al., 2016 [16] 20
1.3.3 Pathogenese Hamulusfrakturen können aufgrund von direkten, indirekten oder kombinierten Krafteinwirkungen zustande kommen [6]. Direkte Krafteinwirkung Bei einem Sturz auf das ausgestreckte Handgelenk kann es zu einer durch direkte Krafteinwirkung verursachten Hamulusfraktur kommen. In den meisten Fällen ist es ein direkter Impuls, der auf das Os hamatum und den Hamulus ossis hamati einwirkt und zur Fraktur führt. Dieser direkte Impuls kann z.B. beim Mountainbiken bei immer wiederkehrende Stöße durch den Lenker an der Hand zustande kommen oder bei Sportarten, die mit einem Schläger ausgeübt werden, durch den direkten Aufprall des Schlägers auf die Eminentia carpi ulnaris [6]. Bei Golfern und Baseballspielern ist immer der Hamulus der nicht-dominanten Hand betroffen [36]. Der Grund dafür ist, dass Golf- und Baseballspieler den Schläger in der nicht-dominaten Hand so festhalten, dass sich das Ende des Schlägers auf der Höhe des Hamulus befindet. Durch den Impuls eines Schlages kann es an der nicht-dominanten Seite im Bereich des Hypothenars zu einer starken Krafteinwirkung kommen. Bei wiederholter Krafteinwirkung kann in diesem Bereich eine Fraktur entstehen [37]. Abbildung 11: Strukturen in unmittelbarer Nachbarschaft des Os hamatum Tiefe Beugesehnen des vierten und fünften Fingers (hier der Übersicht halber nur die Sehne des Kleinfingers dargestellt), das Ligamentum transversum carpi und der Nervus ulnaris. Zudem ist die Lage des Schlägers zum Os hamatum gut erkennbar. Binzer et al., 1996 [36] 21
Indirekte Krafteinwirkung In der Literatur wird der Mechanismus der Hamulusfraktur bei indirekter Krafteinwirkung dahingehend beschrieben, dass Muskelkontraktionen der am Hamulus inserierenden intrinsischen Muskeln oder der Zug des Ligamentum pisohamatum Stress am Hamulus ausüben und es dadurch zu einer Fraktur kommen kann, siehe Abbildung 12 [38]. Zudem wird bei Sportarten mit einem Schläger vermutet, dass durch das Halten des Schlägers in ulnar geneigter Handposition der Hamulus durch den Schläger „fixiert“ wird und somit durch das Anspannen der Fingersehnen in dieser Position die Scherkräfte der extrinsischen Sehnen eine Fraktur verursachen könnten [39]. Abbildung 12: Ligamentäre und muskuläre Strukturen im Bereich des Hamulus ossis hamati Hamulus ossis hamati (H) und Os pisiforme (P). Am Hamulus inserierende Strukturen: Ligamentum pisohamatum, Ligamentum carpi transversum ≜ Retinaculum flexorum und intrinsische Handmuskeln: M. flexor digiti minimi (übersichtshalber fehlt hier der M. opponens digiti minimi, der am Hamulus entspringt.). Scheufler et al. modifiziert nach Walsh und Bishop, 2006 [6] 22
Stressfrakturen des Hamulus ossis hamati Lutter et al. berichten in ihrer Arbeit von einer steigenden Anzahl an Hamulusfrakturen bei Kletterern. Heutzutage erreichen aktive Kletterer ein sehr viel höheres Kletterniveau als früher. Das liegt unter anderem an speziellen Trainingskonzepten, hochentwickelter Ausrüstung sowie den Anforderungen modernen Kletterhallen [12]. Eine Stressfraktur kann durch eine immer wiederkehrende, stereotype Belastung zustande kommen [40]. Kommt es durch diese starke Belastung zur Überschreitung der individuellen Belastungstoleranz, kann eine Stressfraktur entstehen [16,41,42]. Die Herausforderung beim Bouldern ist die Lösung eines Boulderproblems, also das Nachklettern einer Strecke unter Benutzung der definierten Grifffolge. Dabei kommt es zu einer häufigen Abfolge bestimmter Bewegungen und somit zu einer hohen Belastung der Muskeln, Sehnen und Knochen. Beim Bouldern ist vor allem die obere Extremität betroffen [15]. Eine häufig ausgeübte Position ist der oben genannte side undercling, bei welchem sich das Handgelenk in Supination und Ulnardeviation befindet, siehe Abbildung 13. Abbildung 13: Rechtes Handgelenk und Unterarm in side undercling Position Der Hamulus wurde als gelber Punkt und der Sehnenverlauf in weiß dargestellt. Lutter et al., 2016 [16] Wenn die Hand bei der Bewegung des side-undercling ulnarabduziert (z.B. in 30°- Ulnardeviation) und supiniert wird, fungiert der Hamulus als Hypomochlion für die ulnarseitig gelegenen Beugesehnen – d.h. des Ring- und Kleinfingers [6,43]. Bei Kontraktion der Mm. flexores digitorum superficiales et profundi wird auf den Hamulus 23
ein hoher Druck ausgeübt. Dieser Druck verursacht Stress, und infolge dessen kann es zu einem stressbedingten Knochenmarködem (KMÖ) kommen. Die Ursache des stressbedingten Ödems ist die zu starke mechanische Beanspruchung [2]. Dem KMÖ liegt eine vermehrte Ansammlung von Flüssigkeit zugrunde. Diese Ansammlung kann aufgrund einer erhöhten Blutzirkulation oder einer Ansammlung von seröser Flüssigkeit und Blut zustande kommen [44]. Durch den wiederkehrenden Stressimpuls auf den Knochen kommt es zu Mikrotraumata, welche den Knochen destabilisieren. Bei weiterbestehender Belastung kann es dann zu einer Fraktur des Knochens kommen [45]. 1.3.4 Klinische Symptomatik Im Allgemeinen sind die Beschwerden einer Hamulusfraktur nicht sehr spezifisch. Die Patienten schildern ulnarseitige Schmerzen im Handgelenk, die in Ruhe leicht bis moderat sind und bei bestimmten Bewegungen an Intensität zunehmen. Der Druck auf die Eminentia carpi ulnaris und somit auf den Hamulus wird als sehr schmerzhaft angegeben [36]. Außerdem kann es zur Schwellung im Bereich des Hamulus kommen [46]. Ein Teil der Patienten berichtet von einer neuaufgetretenen Greifschwäche, Lähmungserscheinungen im Versorgungsgebiet des Nervus ulnaris oder auch Symptome eines Karpaltunnelsyndroms [47–49]. Thomas W. Wright und al. beschreiben in ihrer Arbeit den „Hook of Hamate Pull Test“- einen speziellen Provokationstest für Verletzungen am Hamulus, siehe Abbildung 14 [50]. Bei diesem Test wird die Hand des Patienten gebeugt und in Ulnarabduktion gebracht. Zudem werden Ring- und Kleinfinger gebeugt. Der Patient muss nun die Finger gegen einen Widerstand flektiert halten. Kommt es dabei, und durch zusätzlichen Druck des Untersuchers auf den Hamulus, zu einem Anstieg der Schmerzen, kann von einer Verletzung des Hamulus ausgegangen werden. 24
Abbildung 14: Hamatum-Provokationstest nach Wright In Bild A fällt der Hamatum-Provokationstest positiv aus. Das Handgelenk befindet sich in Ulnarabduktion. Die Flektion der Beugesehnen ist schmerzhaft (rot), dies spricht für eine Verletzung am Hamulus. In Bild B sieht man das gleiche Handgelenk, jedoch in Neutralposition. Schmerzlose Flektion der Beugesehnen möglich, der Hamatum-Provokationstest fällt negativ aus. Lutter et al., 2016 [16] Bei einer Radialabduktion und Extension des Handgelenkes kommt es hingegen zur Linderung der Schmerzsymptomatik durch Entlastung des verletzten Hamulus ossis hamati [50]. 1.3.5 Diagnostik Trotz vorhandener Klinik werden einige Frakturen des Hamulus erst sehr spät diagnostiziert. Einer der Gründe dafür ist, dass Patienten wegen der unspezifischen Handgelenksschmerzen erst nach längerer Zeit beim Arzt vorstellig werden. In der Studie „Diagnosis and management of hamate of hook fractures“ von Kadar et al. wird die mittlere Dauer von Frakturereignis bis Diagnosestellung mit 27 Tagen angegeben, bei einer Spanne von 7,5-57,5 Tagen [51]. Außerdem sind viele Hamulusfrakturen in den Röntgenstandardprojektionen nicht darstellbar [31]. Scheufler et al. zeigen in ihrer Arbeit die unterschiedliche Sensitivität der verschiedenen bildgebenden Verfahren. Häufig werden Hamulusfrakturen in der dorsopalmaren und lateralen Projektion nicht sicher erkannt [6,36]. Einige Autoren empfehlen deshalb zusätzlich die 45° schräge Aufnahme und die Karpaltunnelprojektion. Die Ausführung dieser Projektion kann aber durch Schmerzen und Schwellung im Bereich des Handgelenkes limitiert sein [52]. Falls mit einer Röntgenaufnahme eine Hamulusfraktur nicht sicher ausgeschlossen werden kann, aber der Verdacht klinisch weiterhin besteht, muss eine 25
Computertomographie (CT) oder Magnetresonanztomographie (MRT) erfolgen. Die CT wird mit einer 100% Sensitivität als Diagnostikmethode der Wahl angesehen [6,31]. 1.3.6 Differentialdiagnosen Avaskuläre Nekrose des Os hamatum und Hamulus ossis hamati Die genaue Entstehung der avaskulären Nekrose ist bis heute ungeklärt. Als Ursache wird eine ungenügende Blutversorgung des Os hamatum, vor allem des Hamulus, sowie vorhergegangene, teils nicht-diagnostizierte, Frakturen diskutiert. Patienten stellen sich mit ulnarseitiger Schwellung und Schmerzen sowie mit Kraftverlust bei bestimmten Bewegungen vor [53]. In der MRT kann ein Signalverlust in der T1- Wichtung gesehen werden. Frakturen anderer Handwurzelknochen Die häufigste Fraktur der Handwurzelknochen ist diejenige des Os Scaphoideum (Kahnbeins). Dabei fallen bei der Untersuchung im Gegensatz zur Hamulusfraktur radialseitige Beschwerden auf, welche sich in lokalisierten Druckschmerzen auf Höhe der Foveola radialis (Speichengrübchen) äußern. Außerdem kommt es zu keiner Greifschwäche [54]. Die Triquetrumfraktur (Dreiecksbein) ist die zweithäufigste Fraktur der Handwurzelknochen. Diese Frakturen betreffen häufig die dorsale Kortikalis. Stürze auf die dorsalextendierte Hand sind dabei vor allem ursächlich. Klinisch zeigen sich dorsoulnar lokalisierte Druck- und Bewegungsschmerzen [54]. Frakturen der verbleibenden Handwurzelknochen sind sehr selten. Lutter et al. weisen darauf hin, dennoch an Differentialdiagnosen wie traumatisch bedingte (Mikro)-Frakturen, degenerative Prozesse oder durch Entzündungen hervorgerufene Veränderungen wie Osteomyelitiden oder rheumatoide Arthritiden zu denken [16]. 1.3.7 Therapie der Hamatumfrakturen Bei der Therapieentscheidung kommt es darauf an, ob eine dislozierte oder nicht- dislozierte Fraktur des Hamulus vorliegt. Bei dislozierten Frakturen sollte stets primär ein operatives Verfahren angestrebt werden, bei nicht-dislozierten Frakturen besteht zunächst die Option der konservativen Therapie im Anlegen einer Gipsschiene für sechs Wochen. Whalen et al. berichten von einer verbesserten Frakturheilung beim Belassen des Gipses für mindestens elf Wochen [55]. Das betroffene Handgelenk soll mit der Gipsschiene in 15° Flexion und 5° Radialabduktion ruhiggestellt werden, um 26
so den Hamulus zu entlasten [56]. In dieser Position der Hand wird am wenigsten Druck auf das Os hamatum und den Hamulus ausgeübt. Das beste Ergebnis wird erzielt, wenn die Therapie binnen der ersten drei Wochen nach stattgehabtem Trauma begonnen wird [56]. Oft kommt es jedoch bei dieser Methode zu keiner Besserung der Beschwerden und in manchen Fällen zur Bildung einer Pseudoarthrose [46]. Bei verzögerter Frakturheilung mit Schmerzen oder Bildung einer Pseudoarthrose muss der Patient sekundär operativ versorgt werden. Bei der operativen Versorgung können zwei Verfahren unterschieden werden. Zum einen die „Open reduction and internal fixation“ (ORIF) und zum anderen die Exzision des Hamulus [6]. Beiden Verfahren werden gute Ergebnisse zugesprochen. Über einen palmarseitigen Zugang wird bei der ORIF die Fraktur offen reponiert und entweder mit einer sogenannte Herbert- Schraube oder mittels Kirschner-Drähten fixiert [6]. In Abbildung 15 ist eine Herbert- Schraube zur Frakturversorgung zu sehen. Für diese Methode werden in der Literatur Heilungschancen zwischen 70% und 100% angegeben [47]. Bei der ORIF beträgt die Zeit zur Wiederherstellung Arbeitsfähigkeit durchschnittlich 3,1 Monate. Die Patienten können im Durchschnitt erst wieder nach 5,3 Monaten mit der Ausübung von Sport beginnen [35]. Abbildung 15: Röntgenaufnahme des linken Handgelenkes Anterior-posteriore und seitliche Röntgenaufnahme des linken Handgelenkes nach stattgehabter ORIF mit einer Herbert-Schraube. Bild: V. Schöffl 27
Demgegenüber hat die Exzision des Hamulus die kürzestes Rehabilitationszeit aller Behandlungen und ist deshalb eventuell für Sportler gut geeignet, da sie nach durchschnittlich 6,4 Wochen wieder mit dem Training beginnen können [35]. Jedoch können nach Exzision des Hamulus Beschwerden wie z.B. Schmerzen beim Greifen, Taubheitsgefühl und vor allem Kraftverluste auftreten. Zu Kraftverlusten kommt es, da der Hamulus als Ansatzpunkt für Muskeln und Sehnen dient und seine Funktion als Hypomochlion nach Exzision nicht mehr vorhanden ist [38]. Demirkan et al. berichten in ihrer Arbeit „Biomechanical evaluation of flexor tendon function after hamate hook excision“ außerdem von einer Kraftminderung der Kleinfingerbeugesehen nach Exzision des Hamulus. In dieser biomechanischen Analyse, welche an Kadaverhänden durchgeführt wurde, exzidierten die Autoren die Hakenfortsätze und zogen an den frei präparierten Kleinfingerbeugesehnen [33]. In einer Studie von Scheufler et al. verglichen die Autoren postoperativ die Handkraft bei Patienten nach Hamulusexzision vs. Patienten nach Osteosynthese, wobei kein signifikanter Unterschied zu sehen war, siehe Abbildung 16 [6]. Bei Patienten, die bestimmte Sportarten ausüben, bei denen diese Kraftminderung nicht zu tolerieren ist, sollte die Therapiewahl genau bedacht werden. Eine neuere Therapiemethode mittels niedrig intensiv gepulster Ultraschallwellen soll die Frakturheilung beschleunigen. Die Methode ist in der Behandlung von Frakturen der langen Röhrenknochen sehr erfolgreich, im Fall der Hamulusfraktur sind aber bisher nur drei Fälle von Fujioka und Mitarbeitern beschrieben [57]. Bei diesen Fällen handelt es sich um junge Patienten. Es ist bisher nicht bekannt, ob sie auch bei älteren Patienten und Patienten mit lang bestehenden Pseudoarthrosen angewandt werden kann. Ein Nachteil dieser Methode ist eine relativ lange Behandlungszeit, weshalb sie nicht für Patienten geeignet ist, bei denen eine schnelle Rehabilitierung wünschenswert ist [6,57]. 1989 beschrieben Watson et al. in ihrer Arbeit „Nonunion of the hook of the hamate: An argument for bone grafting the nonunion“ vier Patienten mit Hamulusfrakturen, die alle mittels bone grafting (= Knochentransplantation) behandelt wurden [58]. Sie sprechen sich für diese Art der Therapie aus, da im Gegensatz zur Exzision des Frakturstückes die physiologische Anatomie der Hand wiederhergestellt wird und die Umlenkrollenfunktion des Hamulus bestehen bleibt [58]. 28
Abbildung 16: Exzision vs. Osteosynthese Vergleich der Grobkraft nach unterschiedlichen operativen Prozeduren, Scheufler et al., 2006 [6] 1.3.8 Folgeerscheinungen/Komplikationen In der Literatur werden verschiedene Komplikationen beschrieben. Eine sehr häufige und vor allem bei konventioneller Therapie beobachtete Komplikation ist die Pseudoarthrose. Pseudoarthrose bedeutet „falsches Gelenk“ und kommt aufgrund von Defektheilung nach einer Fraktur zustande [24]. Der Hamulus dient für einige Strukturen als Ansatzpunkt, weshalb bei weiterer Belastung der Hand Zugbelastungen auf den Hamulus wirken, welche eine Kompression im Frakturspalt verhindern. Diese begünstigt die Entstehung einer Pseudoarthrose [52]. Als Symptom äußern die Patienten Schmerzen unter Belastung. Eine weitere in der Literatur beschriebene Folge der Hamulusfraktur ist die Sehnenruptur der tiefen und oberflächlichen Klein- und Ringfingerbeugesehnen. Da die Sehnen entlang des Hamulus gleiten, kann es an der Frakturstelle zu einer Irritation der Sehne bis hin zu Ruptur dieser kommen, siehe Abbildung 17. Abbildung 17: Sehnenruptur am Hamulus 29
Frakturierter Hamulus (*) und rupturierte Beugesehne des Kleinfinger sowie intakte Beugesehnen des Ringfingers. Milek et al., 1990 [59] Xiong et al. beschreiben den Zusammenhang zwischen einer Hamulusfraktur Typ II und der Häufigkeit einer Sehnenruptur. Dieser Zusammenhang ist darauf zurück zu führen, dass die Beugesehnen auf Höhe der Frakturlinie der Typ II Fraktur verlaufen und bei wiederkehrender Flexion des Muskels die Sehnen am Frakturspalt entlang gleiten und beschädigt werden [35]. Oft sind die Hamulusfrakturen bis zum Zeitpunkt der Ruptur nicht diagnostiziert. Milek et al. berichten in ihrer Arbeit von vier Patienten, die sich aufgrund einer Sehnenruptur beim Arzt vorstellten [59]. Bei keinem der vier Patienten war im Vorhinein die Diagnose Hamulusfraktur bekannt. Aufgrund der anatomischen Nähe des Nervus ulnaris zum Hamulus kann es bei Hamulusfrakturen und dadurch entstehenden Blutungen und Schwellungen zur Kompression des Nervus ulnaris kommen. Die Folge sind Lähmungen der Mm. interossei palmares, der Hypothenarmuskulatur und Sensibilitätsausfälle, vor allem am Kleinfinger [22]. Durch die oben erwähnte Pseudoarthrose kann es zu dauerhafter Irritation und Kompression des Nervus ulnaris in der Guyonschen Loge und des Nervus medianus im Karpaltunnel kommen. Die Patienten klagen über Hohlhandschmerzen, Kraftminderungen und Parästhesien [6]. Eine weitere Folge der Hamulusfraktur kann eine „Non-union“ der Frakturstücke sein. Failla et al. beschreiben in ihrer Studie den Zusammenhang zwischen der Blutversorgung des Hamulus und dem Auftreten einer „Non-union“- Fraktur [60]. Laut Failla et al. lag bei den meisten Präparaten der Studie eine duale Gefäßversorgung vor - eine basisnahe radiale und eine ulnare, an der Spitze des Hamulus gelegene arterielle Versorgung. 100% der Präparate dieser Studie wiesen eine Gefäßversorgung an der radialen Basis (RB) auf, 23% an der ulnaren proximalen Basis (UPB), 71% am ulnaren Hamulus-Tip (UH) und nur 12% an der Radialseite des Hamulus-Tips (RH), siehe Abbildung 18 [60]. Laut Failla et al. kann es bei unzureichender Gefäßversorgung zu einer avaskulären Nekrose des Hamulus kommen und demzufolge zu einer Non-Union. Dies kommt gehäuft an der Spitze des Hamulus vor, da dort mitunter die Blutversorgung nicht vorhanden ist. Die Non-Union kann mit Hilfe einer CT-Aufnahme und die avaskuläre Nekrose mittels MRT diagnostiziert werden [60]. 30
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